Das Opfer (Schwab)

[204]

Das Opfer.

In einem Reich gen Morgen
Da glühte der Sonne Brand,
Da schaut’ in schweren Sorgen
Der König auf sein Land:

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„Es lechzen alle Felder,

Versiegen geht der Fluß,
Es dorren ab die Wälder,
Weh, daß ich es schauen muß!“

„Was hilft mir Scepter tragen?

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Kann ich zum Strome: Fleuß!

Kann ich zur Wolke sagen:
Die kühle Fluth ergeuß! – ?“
So hat er lang in Kummer
Von Tag’ zu Tage gedacht,

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So seufzt’ er, ohne Schlummer,

Von Nacht zu heißer Nacht.

Und als nun ohne Wolke
Sechs Monden glänzte die Luft,
Tritt er hinaus zum Volke,

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Das zu den Göttern ruft.

Es schallten Trauerpsalme
Davon kein Strauch genas,
Und welk stand jede Palme,
Als wäre sie junges Gras.

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Die fetten Aecker darben,

Kein Dampf steigt aus dem Kraut,
Verblüht stehn, ohne Farben,
Die Blumen, wohin er schaut.
Nicht weht ein Strom von Düften

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Aus den Gewürzen mehr,

Nicht singt mehr in den Lüften
Der bunten Vögel Heer.

Und unter den Zelten lagen
Die Menschen krank und matt,

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Von glüh’nder Pest geschlagen

Auf schwüler Lagerstatt.
Und war die Sonne gesunken,
Nach langem, heißem Lauf,
So sprühten die trüben Funken

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Der Scheiterhaufen auf.

Da deckte mit beiden Händen
Der König sein Gesicht:
„Ihr Götter, kann ich wenden
Vom Volke den Jammer nicht?

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Gebt mir ein gnädig Zeichen,

Vor keiner Last will ich,
Vor keiner Schmach erbleichen,
Nur, eh’rner Himmel, sprich!“

Da sprachen zu ihm die Götter

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Durch seiner Priester Mund:

„Du wirst des Landes Retter,
Und schleußst mit uns den Bund,

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Wenn zu des Volkes Heile

Das Opfer du gestellt,

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Das unter des Priesters Beile,

Uns recht willkommen fällt!“

Er läßt Altäre zieren,
Der Hundert führt man drei
Von Schafen und von Stieren,

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Die stattlichsten, herbei.

Kein Hauch vom Berge wehet,
Keine Wolk’ am Himmel stand,
Mit lautem Schalle flehet
Der König und sein Land.

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Doch als die Priester hoben

Den blanken Opferstahl,
Die Thiere begannen zu toben,
Und starben in Wuth und Qual.
Es schaut auf das Gewimmel

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Und auf das Blut, das floß,

Mit blauem Auge der Himmel
Hernieder erbarmungslos.

Der König in tiefer Trauer
Ging wieder in sein Haus,

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Durchwachte die Nacht in Schauer,

Und trat früh Morgens heraus.
„Ich weiß,“ sprach er mit Stöhnen,
„Nicht anders kommt uns Heil,
Eh’ von des Landes Söhnen

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Zween fallen von dem Beil!“

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Zween Knaben, widerstrebend,

Bringt man, der Jugend Licht: –
„Weh!“ ruft der König bebend,
„Der Himmel will sie nicht!

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Die Opferflamme dunkelt,

Der Rauch verhüllt sie ganz!
Da droben aber funkelt
Die Sonn’ in hellerem Glanz!“

Den König faßt ein Grauen,

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Doch spricht er aus das Wort:

„So bringt mir drei Jungfrauen,
Die Knaben führet fort!“
Drei Mägdlein, jung, unschuldig,
Führt man herbei bekränzt,

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Sie neigen sich geduldig,

Nur ihre Thräne glänzt.

„Laßt ab, laßt ab!“ ruft wieder
Der König zagend aus:
„Die Flamme sinket nieder

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Erlischt in Dampf und Graus!“

Und gräßlich tönt die Klage
Des Volkes in die Luft,
Der König verschließt drei Tage
Sich in der Väter Gruft.

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Und an dem vierten Morgen

Tritt er an’s Tageslicht,
Gewichen sind die Sorgen
Von seinem Angesicht.

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Dem Purpur und der Krone

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Hat er den Glanz erlaubt,

Er sitzt auf seinem Throne
Mit hohem, frohem Haupt.

Er spricht: „Ich hab’ ein Zeichen,
Ich weiß, was ich soll thun;

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Mir sagten’s der Väter Leichen

Die in der Halle ruh’n.
Es liegt in Balsamdüften
Jung, fröhlich von Gestalt,
Dort Mancher in den Grüften,

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Und ich bin grau und alt!“

Er stieg von seinem Throne,
Zu Boden warf er sich,
Bleich wurde da die Krone, –
Der Sonne Schimmer wich;

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Und wie er vor dem Volke

Inbrünstig betend fleht,
Da flog empor als Wolke
Sein heiliges Gebet.

Er sprach: „Ihr Götter! funden

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Hab’ ich das Opfer gut:

Man heilt des Volkes Wunden
Nicht mit des Volkes Blut.
Empfangt, empfangt mein Leben,
Und laßt von eurem Sitz

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Die Wolken segnend beben,

Mir aber schickt den Blitz!“

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Und als er aufstand, fertig,

Den Tod erfleh’nd als Gunst,
Umarmt’ allgegenwärtig

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Den Himmel dunkler Dunst.

Kein Blitz zuckt ihm entgegen,
Es legt sich nur der Staub,
Es säuselt nur der Regen,
Still durch der Bäume Laub.

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Die Menge staunt und lauschet,

Der Wind kühlt ab die Gluth,
Der Regen strömt und rauschet,
Er wird zu Guß und Fluth,
Durch Bart und graue Locken

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Der Strom dem König quillt,

Sein Auge bleibt nicht trocken,
Von sel’ger Thrän’ es schwillt.

Die Vögel fangen zu singen,
Die Kräuter zu duften an,

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Der Fluß sich zu schwellen, zu schlingen

In seiner alten Bahn.
Es tönen der Priester Lieder,
Der Dichter Harfe klingt,
Das Volk es wirft sich nieder,

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Den Scepter der König schwingt.