Das Mordwerk auf dem Dome zu Frauenburg

Textdaten
Autor: Wilhelm Ludwig Demme
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Titel: Das Mordwerk auf dem Dome zu Frauenburg
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aus: Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechtspflege, Band 21, S. 265–289
Herausgeber: Wilhelm Ludwig Demme
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Erscheinungsdatum: 1842
Verlag: Helbig
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Erscheinungsort: Altenburg
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XI. Königreich Preußen.

Das Mordwerk auf dem Dome zu Frauenburg[1].

In psychologischer Hinsicht: als Beleg zur Stufenfolge moralischer Verwilderung.

In juristischer Hinsicht: als Beitrag zur Lehre vom Raubmord.


Nachdem der zu Frauenburg residirende Bischof von Ermland Dr. Stanislaus von Hatten seine Dienstboten am 3. Januar 1841 Abends gegen 6 Uhr in die Pfarrkirche geschickt hatte, um der feierlichen Andacht beizuwohnen, mit welcher der zu Anfang des Jahres gewöhnlich stattfindende vierzigstündige Gottesdienst schließt, war er – ein Greis von 77 Jahren – nur mit seiner 71 Jahre alten Wirthschafterin, Rosalie Pfeiffer, in den vor der Stadt auf dem Dome gelegenen bischöflichen Pallast allein zurückgeblieben. – Als zwischen 7 und 8 Uhr die Domestiquen zurückkehrten, fanden sie in der oberen Etage in der Mitte des Wohnzimmers, den Bischof mit dem Gesichte zur Erde gekehrt, ohne Lebenszeichen, im Blute liegend, und in einiger Entfernung, auf einem Stuhle am Ofen sitzend, die Wirthschafterin gleichfalls stark blutend und in einem bewußtlosen Zustande, in welchem sie am 5. Tage verschied etc. etc.

Als die Nachricht von dem entsetzlichen Vorgang sich in Frauenburg verbreitete, bezeichnete die allgemeine Stimme den Schneidergesellen Rudolph Kühnapfel als Thäter, weil er – durch seinen Haß gegen die katholische Geistlichkeit in Frauenburg bekannt und verdächtig, früher Droh- und Brandbriefe geschrieben zu haben – für einen Menschen gehalten wurde, zu dem man sich der That versehen könne. Noch am späten Abende desselben Tages wurde er deshalb vorgeladen, jedoch alsbald wieder entlassen, da an seinen Kleidungsstücken keine Blutflecke wahrgenommen wurden, und bestimmte Verdachtsgründe fehlten. Am folgenden Morgen entdeckte man indessen in dem bischöflichen Wohnzimmer eine von grober Leinwand gefertigte Gesichtslarve mit einem angenähten, gleich einem Barte herabhängenden Stücke braunen Kattuns. Ganz ähnlicher wurde bei einer an demselben Vormittag angestellten Haussuchung in der Kühnapfelschen Wohnung gefunden, wie auch ein Beil, welches, obwohl frisch abgewaschen, doch noch Blutspuren an sich trug. Jetzt ward Rudolph Kühnapfel verhaftet. – Der Verdacht verstärkte sich gegen ihn, als am 6. Jan. in seiner Schlafkammer in einer Oeffnung der Wand eine goldene Uhr, eine goldene Dose, eine Rolle von 55 Thalerstücken, eine grünseidene Börse mit 6 Gold- und 3 russischen Silbermünzen, so wie auch einigem preußischen Silbergeld gefunden, und sowohl die Uhr, als auch die Dose und die Geldbörse für das Eigenthum des erschlagenen Bischofs erkannt wurden. – Der Verdächtige legte sich aufs Leugnen.

Auf die erste in Berlin eingegangene Nachricht war durch das Königl. Ministerium der Polizei im Einverständnisse mit dem Justizminister der Polizeirath Duncker von Berlin nach Frauenburg abgesendet worden, um zur Ermittelung der Thäter möglichst mitzuwirken. Dieser traf am 9. Jan. Abends in Frauenburg ein und begab sich, nach genommener Rücksprache mit dem Inquirenten und Information aus den Acten, am folgenden Morgen in das Gefängniß des K., um denselben zu dem Geständnisse seiner Schuld zu bewegen. Auch hier trotzte K. lange den eindringlichsten Ermahnungen zur Wahrheit, bis es endlich, nach einer beinahe sechsstündigen Unterredung dem Polizeirath Duncker doch gelang, „sein Felsenherz siegreich zu bekämpfen“, und nun von ihm ein umständliches Bekenntniß des begangenen Verbrechens zu erlangen. Dies Geständniß wurde noch an demselben Tage und späterhin noch mehrmals vor besetztem Criminalgericht freimüthig wiederholt etc.

K. begann sein erstes Bekenntniß wörtlich, wie folgt: „Schon vor etwa zwei Monaten entstand in mir der Gedanke, zu dem alten Bischofe einmal hinzugehn und ihn zu berauben. Doch hatte ich damals noch nicht gleich an einen Mord gedacht. Mit jenem Gedanken trug ich mich fortwährend, bis etwa 3 Wochen vor Weihnachten, wo auch der Gedanke in mir entstand, wenn es nöthig sein sollte, bei dem Raube den mir etwa im Wege stehenden Menschen zu tödten.“

In dem späteren Verhöre am 16. Jan. knüpfte er die erste Entstehung seines bösen Vorsatzes an den Bescheid, welchen er in Folge einer Supplik an des Königs Majestät durch den Magistrat zu Frauenburg unter dem 17. Oct. 1839 dahin erhielt, daß bei seiner Erwerbsfähigkeit kein Grund zu einer Unterstützung vorhanden sei, und gab an: „Als ich diesen Bescheid erhielt, dachte ich darüber nach, wie ich am Besten meine Erwerbsfähigkeit bethätigen könne. Da kam mir der Gedanke, mir vom Bischofe eine erkleckliche Summe zu holen und zwar, da ich wußte, daß er in Güte mir nichts geben würde, ihn dazu durch drohende Gewalt zu nöthigen. Es fiel mir gar nicht ein, daß es etwas Unrechtes sei, da er so viele Tausende besitzt, und zwar auch mit Unrecht.“

(Die letztere Bemerkung erläuterte er dahin, daß seiner Ansicht nach „alle Priester ihre Reichthümer mit Unrecht besäßen und daß er sich daher auch für völlig berechtigt gehalten habe, dem Bischofe so viel zu nehmen, als er selbst bedurft.“ Zugleich äußerte Inquisit wiederholt, nicht nur gegen die katholische Geistlichkeit im Allgemeinen, sondern auch speciell gegen den Bischof und dessen Wirthschafterin großen Haß gehegt zu haben, und war bemüht, diesen Groll als mitwirkenden Bewegungsgrund zu seiner That geltend zu machen.)

„Ein paar Wochen vor der That dachte ich näher der Sache nach, und entschloß mich, wenn ich bei der That ertappt würde, alles niederzumachen, was sich mir widersetzen sollte. Noch war ich zweifelhaft, ob ich die That ausführen solle oder nicht, da erhob ich meine Seele zu Gott und bat ihn, mir ein Zeichen zu geben, ob ich es thun solle oder nicht, so wie ich es in der Bibel gelesen hatte, daß so Mancher den lieben Gott gebeten hat, ihm ein solches Zeichen zu geben. Als ein billigendes Zeichen wollte ich es annehmen, wenn ich im Kartenspiel gewönne, als ein mißbilligendes, wenn ich verlöre. Ich spielte am ersten, zweiten und dritten Weihnachtstage und verlor an jedem Tage. Da dachte ich, das Spiel selbst ist ein Teufelsspiel und darin kann Gott mir kein Zeichen geben. Auch am Neujahrstage spielte ich und verlor abermals. Ich nahm mir nun vor, Sonntag während der letzten Andachtsstunden in die Kirche zu gehen und dort das Zeichen Gottes zu erwarten. Ich ging daher den 3. Januar um 4 Uhr in die Pfarrkirche und dachte: wenn ich die Kirche wieder verlasse und mir außer der Kirche zuerst ein Mann begegne, so sei dieses ein Zeichen Gottes, daß ich die That ausführen, wenn mir aber ein Frauenzimmer begegne, daß ich die That unterlassen solle. Um 5 Uhr verließ ich die Kirche und der erste, der mir auf der Straße begegnete, war eine Mannsperson. Ich glaubte nun wirklich, dieses sei ein Zeichen Gottes und mein Entschluß stand nun fest. Schon Nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr hatte ich mir zu Hause eine Larve gemacht, und solche in meine Tasche gesteckt. Aus der Kirche ging ich zu meinem Meister und bat die Ehefrau desselben um 15 Sgr. Ich konnte nicht wissen, ob mir mein Vorhaben auch gelingen würde und auf diesen Fall wollte ich mich doch mit Gelde versehen, um an diesem Abende Solo zu spielen. Etwa um halb 6 Uhr ging ich nach Hause. Ich ging unruhig und abermals unentschlossen in der Stube auf und ab. Es wurde zur letzten Andachtsstunde geklingelt und die Leute gingen zur Kirche. Ich trat an’s Fenster und dachte nochmals: wenn zuerst eine Mannsperson vorbeigehen würde, dann wolle ich die That ausführen, käme aber zuerst ein Frauenzimmer, dann wolle ich sie unterlassen. Es kam eine Mannsperson, dann kamen zwei und hinter diesen noch eine Mannsperson. Nun war ich entschlossen; doch einige Augenblicke nachher stiegen mir wieder Zweifel auf, und ich beschloß endlich, indem ich nach dem Monde sah, wenn bis ¼ auf 7 Uhr der Mond mindestens dreimal durch Wolken verdunkelt würde, die That auszuführen, gegentheils sie zu unterlassen. Ich beobachtete den Mond, es zogen Wolken über denselben, er wurde viermal verdunkelt, und noch hatte es nicht ¼ auf 7 geschlagen. Die Glocke schlug ¼, und ich ging.“

Als er jetzt die Wohnstube seiner Eltern verließ, holte er sich das Beil derselben und verbarg es unter seinem Oberrock. Er ging zuerst in einen Branntweinsladen, wo er für 6 Pf. Schnaps trank und dann sich auf Umwegen auf den Domberg begab etc.

„Vor der Hofpforte – fuhr Inquisit fort – setzte ich mir die Larve auf etc. Die Hausthür war verschlossen und ich schlug mit der Hand 2 bis 3 Male stark auf den Drücker. Als Niemand kam, ging ich an die Ecke des Hauses, um zu sehen, ob nicht etwa ein zurückgebliebener Bedienter mich überfalle. Ich nahm freilich an, daß der Bischof immer in der letzten Stunde der 40stündigen Andacht seine sämmtlichen Dienstboten in die Kirche schicke und diese Voraussetzung machte mich so dreist. Als ich nun mich überzeugte, daß Alles still war, kam mir auf einmal der Gedanke, mich rasch davon zu machen und den ganzen Plan aufzugeben. Dieser Gedanke haftete jedoch nur einen Augenblick bei mir, und ich kam auf meinen früheren Entschluß wieder zurück. Ich klopfte jetzt heftig an das Fenster der Gesindestube und nun hörte ich schlarrende Tritte. Die Hausthür wurde von innen geöffnet und ich trat rasch hinein. Es war dunkel etc., doch konnte ich annehmen, daß die alte Haushälterin vor mir stände. Ich fragte sie, ob die Excellenz zu Hause sei? und sie antwortete: ja! Ich sagte nun zu ihr: „das Geld her, oder es ist Ihr Tod!“ Sie erwiederte darauf: „ja, erst Geld haben!“ Ich sagte nun: „von Haben ist hier nicht die Rede, nur nicht lange gefackelt (gezögert)“. Sie erwiederte darauf: „das Geld ist alles oben.“ Mit diesen Worten zog sie sich zurück in die Gesindestube. Ich aber folgte ihr rasch nach, und ergriff sie mit der Linken an der Schulter mit den Worten: „fackele Sie nicht lange, sondern schaffe Sie Geld!“ Sie erklärte nochmals, daß das Geld alles oben sei, worauf ich sagte: „nun, dann komme Sie herauf.“ Sie ging nach der Treppe und diese hinauf. Schon unten ließ ich ihre Schulter los und faßte sie hinten am Rocke, indem ich ihr nachging. Oben gingen wir durch das Vorzimmer in das Wohnzimmer, und von da bis in die Thür, welche zum Schlafzimmer führt. In dem Schlafzimmer sah ich den Bischof an dem Tische sitzen, er las bei einer Lampe in einem Buche. Die Haushälterin sagte: „Excellenz, hier ist Jemand, der Geld verlangt.“ Ich schob nun sie von der Thür bis zum Tische, folgte ihr und sagte zum Bischof: „ja, ja; so ist es wirklich, ich verlange Geld.“ Als ich dieses gesagt hatte, zog sich die Pf. rasch durch die Thür in das Wohnzimmer zurück und eilte nach der Thür. Ich verfolgte sie, stieß sie mit der linken Hand von der Thür zurück, und versetzte ihr mit dem Beile einen scharfen Hieb auf den Kopf. Sie fiel sogleich zu Boden, und ich hielt sie zwar nicht für todt, jedoch für betäubt und unschädlich. Ich hatte auch gerade nicht die Absicht, sie zu tödten, und deshalb hieb ich auch nicht von oben gerade herunter, sondern von der Seite. Ich ging nun wieder rasch in das Schlafzimmer des Bischofs. So eben stand er von seinem Stuhle auf. Er sagte zu mir, als ich ihn an den Kragen seines Schlafpelzes faßte, mit zitternder Stimme: „Mensch, was bewegt Euch zu einer solchen That? von wo sind Sie?“ Ich sagte darauf: „das geht Sie nichts an; ich verlange nur Geld.“ Darauf trat er an seinen Secretair, nahm aus einer Schublade etwas Geld und gab mir solches. Es schienen mir 2 Thalerstücke und ein Guldenstück zu sein. Ich steckte es in die Brusttasche meines Rockes und sagte: „das ist noch nichts;“ er erwiederte: „ich werde Ihnen mehr geben;“ und gab mir Geld in Papier gewickelt. Auch dieses steckte ich in dieselbe Tasche und sagte: „auch Goldgeld müssen Sie mir geben.“ Der Bischof nahm einen grünseidenen Beutel, reichte mir solchen und sagte: „da ist auch etwas Gold darin.“ Auch diesen Beutel steckte ich in dieselbe Tasche und sagte: „auch die Dose und die Uhr will ich haben.“ Der Bischof reichte mir nun die goldene Dose und goldene Uhr. Auch diese Gegenstände steckte ich in dieselbe Tasche und sagte: „ich muß noch mehr Geld haben.“ Hierauf sagte der Bischof: „eine Rolle mit 50 Rthlr. kann ich Ihnen noch geben;“ ging an eine Kommode, zog eine Schublade auf, und gab mir eine Rolle mit Thalerstücken. Ich steckte diese Rolle in meine hintere Rocktasche und sagte: „nun seien Sie so gut und leuchten Sie mir herunter.“ Während der Bischof den Wachsstock anzündete, sah ich durch die Thür, daß die Pf. jetzt wieder aufrecht stand. Als ich hörte, daß sie etwas sprach, ich glaube die Worte: „Excellenz, kommen Sie doch!“ – trat ich rasch auf die Pf. zu, und versetzte ihr zwei Hiebe mit dem scharfen Beile auf den Kopf. Sie stürzte davon nieder. Ich ging wieder in das Schlafzimmer, woselbst ich den Bischof mit dem Anzünden des Wachsstockes beschäftigt fand. Ich sagte zu ihm: „geben Sie her, ich werde anstecken;“ doch in diesem Augenblicke brannte der Wachsstock schon und der Bischof sagte zu mir: „was haben Sie in jener Stube gethan? thun Sie doch meiner Rosalie nichts mehr!“ worauf ich erwiederte: „nein, nein.“ – Während wir nach der Thür gingen, faßte der Bischof mich beim Unterarm und sagte, fortfahrend in seiner früheren Bitte: „sie hat mir 41 Jahre treu gedient.“ Darauf erwiederte ich: „das bleibt sich gleich; das geht mich nichts an.“ – Während dieses Gesprächs waren wir in das Wohnzimmer getreten; ich hörte die Pf. noch schnarchen und versetzte ihr noch 2 oder 3 Hiebe mit dem Beile auf den Kopf.“ Der Bischof sagte: „Sie haben ja doch nicht Wort gehalten, Sie haben mir doch versprochen, ihr nichts (mehr) zu thun;“ und während dieser Worte fiel ihm der Wachsstock aus der Hand, wahrscheinlich vor Schreck. In diesem Augenblick fiel es mir auf, daß der Bischof mich früher dreimal gefragt hatte: „aber sagen Sie mir doch, von wo sind Sie?“ einmal sogleich im Anfange; dann wieder, als ich noch mehr Geld verlangte; und endlich, als er mir die Rolle mit 50 Thalern gegeben hatte. Ich glaubte jetzt, daß er mich erkannt haben möge. Als der Wachsstock zu Boden fiel und auslöschte, bückte sich der Bischof, um ihn aufzuheben; und gleichzeitig bückte auch ich mich nach dem Wachsstock. Der Bischof richtete sich wieder auf, auch ich stand wieder aufrecht, sah mich nach der Lampe in dem Schlafzimmer um, und dachte daran, den Wachsstock wieder anzuzünden. Doch in diesem Augenblick überfiel mich eine Wuth, und ich hieb mit meinem Beile einen scharfen Hieb von der Seite in den Hinterkopf des Bischofs, welcher Hieb wohl getroffen haben mußte, denn es krachte so, als wenn man einen alten Topf zerschlägt. Der Bischof stürzte mit dem Ausrufe: „o Gott!“ vornüber zu Boden, mit dem Gesicht gegen die Erde. Ich versetzte ihm noch einen Hieb.“

Ob er noch mehre Hiebe geführt, will sich Inquisit Anfangs nicht erinnern, später erklärt er jedoch, daß er sich noch eines dritten Hiebes erinnere, auch nicht bezweifle, daß er sämmtliche fünf am Kopfe des Bischofs vorgefundene Hiebwunden demselben beigebracht habe.

Nach vollbrachter That reinigt er sein blutiges Beil in dem auf dem Hofe liegenden Schnee, und eilt auf einem anderen Wege in die Stadt. Zu Hause angelangt, verbirgt er die geraubten Sachen und geht sodann in die Schenke des L., wie er meint, noch vor 7 Uhr. Dort trinkt er ein Glas Bier, und setzt sich bald zum Solo-Spiele nieder. – Seine Mitspieler und die übrigen Anwesenden bemerkten nicht im Entferntesten etwas Auffallendes in seinem Wesen.

Um 8 Uhr verbreitete sich im Wirthshause die Nachricht von der Ermordung des Bischofs. Der Schrecken war allgemein. Auch Inquisit äußerte, wie die Tochter des Gastwirths bekundet: „ja, mir zittern auch die Beine.“ Er selbst sagt: „auch ich erschrak, doch eben nicht sehr; denn es fiel mir nicht ein, daß man mich für den Mörder halten würde.“

Mehre Gäste entfernten sich. Der Inquisit blieb bei dem Spiele sitzen, erzählte die Geschichte einer Mordthat, von der er früher gelesen, und hörte in dem Spiele erst um 11 Uhr Abends auf etc.

Bei diesen Geständnissen verblieb Inquisit fortdauernd mit der Erklärung, daß er die That, welche er sophistisch zu rechtfertigen sich bestrebte, niemals bereut habe und auch jetzt nicht bereue.

Am 15. Febr. 1841 erkannte das Ob. L. Gericht zu Königsberg, daß Inquisit wegen zwiefachen etc. Raubmordes mit dem Rade von unten herauf vom Leben zum Tode zu bringen.

Folgendes das Wesentliche der Entscheidungsgründe:

etc. Zweifellos steht die Thäterschaft des Inquisiten durch sein Bekenntniß fest. Zwar ist es zuerst dem Polizeirath Duncker etc. abgelegt, und es könnte daher gegen die Gültigkeit dieses ersten Geständnisses allerdings ein Bedenken erhoben werden. Allein einestheils walten keine Gründe ob, die auf irgend welche, die Freiheit des Inquisiten beschränkende Mittel zur Erlangung dieses Geständnisses schließen ließen. Anderntheils hat aber auch der Inquisit sein Geständniß als ein durchaus freiwilliges mehrmals und selbst im Beisein seines Defensors vor gehörig besetztem Criminalgericht abgegeben und wiederholt. Dasselbe erscheint als ein ernstliches und ausdrückliches, da Inquisit sehr wohl erkannte und selbst äußerte, welche Folgen das Geständniß für ihn haben müsse, und dennoch dasselbe auf das Bestimmteste wiederholte. Das Geständniß enthält die Hauptumstände der That und selbst die Nebenumstände derselben vollständig und steht endlich mit anderen erwiesenen Umständen nicht nur in keinem Widerspruch, sondern stimmt mit allen Ermittelungen auf das Entschiedenste überein etc. Es ist sonach unbedenklich, demselben nach §. 370 der Cr. O. volle Beweiskraft beizulegen, und auf Grund desselben die ordentliche Strafe festzusetzen.

Prüft man aber, unter welchen juristischen Begriff die verübten Verbrechen zu subsumiren sind, so kann, wenn man

I. die stattgefundene Entwendung in Verbindung mit den concurrirenden Gewaltthätigkeiten in Betracht zieht, keinem Bedenken unterliegen, daß von dem Inquisiten ein Raub vollführt worden ist.

Der Defensor hat zwar dagegen die Ansicht aufgestellt, daß die stattgefundene Entwendung nur als ein Diebstahl unter erschwerenden Umständen zu betrachten sei und sucht zur Begründung dieser Ansicht geltend zu machen, daß der Inquisit nur die Wirthschafterin Pf. mit lebensgefährlicher Behandlung bedroht, diese jedoch nicht von ihm beraubt worden, und er von dem Bischof alle ihm überlieferten Sachen ohne Drohung auf bloßes Erfordern erhalten habe. Factisch ist dies nach dem Geständniß als richtig anzunehmen. Man muß ferner auch der Ansicht beipflichten, daß nicht jede, nach Vollendung eines Diebstahls, – sei es eines sogenannten bewaffneten, oder eines gewaltsamen, – verübte, körperliche Beschädigung oder selbst Tödtung die geschehene Entwendung in einen Raub umwandelt.

Nach dem gemeinen Rechte ist der Grundsatz unbestritten, daß die Gewalt, als das Mittel zur Ergreifung des Besitzes, auch der Zeit nach vorausgehen muß.

Feuerbach Lehrb. §. 356; Tittmann Handb. B. 2. §. 481. S. 467. 468; Henke Handb. Bd. 3. S. 149. 156; Martin Lehrb. S. 358; Abegg Lehrb. §. 373. 376. 377.

Auch das Preußische allgemeine Landrecht weicht hiervon nicht ab, wenn es im §. 1187. Tit. 20. Th. 2. Den als Räuber bezeichnet, der durch Gewalt an Menschen bewegliche Sachen in Besitz nimmt. Die Circular-Verordnung vom 26. Februar 1799 geht aber weiter. Nach §. 22. derselben wird als Räuber Derjenige bestraft, der, um Diebstahl zu begehen, einen Menschen durch Schläge oder sonstige Mißhandlungen abhält, die beabsichtigte Entwendung zu verhindern, oder sich des Thäters zu bemächtigen.

Dieser letztere Zusatz ist auf zwiefache Weise ausgelegt. Man bezieht ihn entweder auf die Mißhandlungen, welche während des Diebstahls von dem Diebe ausgeübt wurden, um den Andern zu verhindern, sich seiner zu bemächtigen;

Funk, Lehre vom Diebstahl S. 20.

oder auch auf die zu gleichem Zwecke unmittelbar nach dem Diebstahle gebrauchte Gewalt.

Temme, Handb. S. 308. 310. Lehre vom Diebst. S. 337.

Giebt man der ersten Interpretation den Vorzug, so kann man in dem gegenwärtigen Falle aus den spätern Thätlichkeiten gegen den Bischof nicht den Begriff des Raubes herleiten. Folgt man der zweiten Meinung, so würde man allerdings einen Raub annehmen müssen, wenn der spätere Angriff in der Absicht geschah, um die Entdeckung zu verhindern; denn soll es schon als Raub betrachtet werden, wenn der Thäter nach der Entwendung durch Mißhandlung Jemand von seiner augenblicklichen Ergreifung abhält, so ist der schwerere Fall noch viel mehr als Raub anzuerkennen, wo der Entwender durch die Tödtung des Bestohlenen seine Ergreifung und künftige Ausmittelung verhindern will.

Es käme aber alsdann schon hier darauf an, mit welcher Absicht der Inquisit den Bischof erschlagen; und man würde allein wegen der Thätlichkeiten gegen den Bischof noch keinen Raub annehmen dürfen, insofern der Inquisit wirklich, wie der Defensor behauptet, den Bischof, ohne Ueberlegung, nur in einem Zustande der Wuth getödtet hätte.

Vorläufig kann indessen die Erörterung dieser Frage noch ganz dahin gestellt bleiben; und es ist auch nicht nöthig, die obige Controverse zu entscheiden. Denn bei der Charakteristik der hier vorliegenden Entwendung ist nicht zu übersehen, daß Inquisit, bevor er irgend einen Gegenstand aus der Hand des Bischofs erhalten hatte, bevor also die Entwendung vollendet war, der Wirthschafterin, welche sich rasch in das Wohnzimmer zurückzog, nacheilte und ihr mit dem Beile einen scharfen Hieb gegen den Kopf versetzte, so daß sie verwundet zu Boden sank. Ueber die Absicht, in welcher der Inquisit hierbei handelte, kann kein Zweifel obwalten. Man erkennt sie aus seinen Worten: „ich hielt sie zwar nicht für todt, jedoch für betäubt und unschädlich.“ – Aus den Umständen und dieser Aeußerung ist es klar: Inquisit fürchtete, daß die entfliehende Haushälterin die Ausführung seines Plans verhindern würde. Um sie davon abzuhalten, sie unschädlich zu machen, schlug er sie noch vor der Entwendung nieder.

Sonach sind hier alle Requisite des Raubes, wie sie der oben allegirte §. 22. der Circular-Verordnung verlangt, vorhanden. Es bleibt dabei gleichgültig, daß nicht der Wirthschafterin, sondern dem Bischof Sachen entwendet wurden. In dem gemeinen Rechte ist es zwar einigermaßen zweifelhaft, ob die Gewalt gerade gegen den Besitzer ausgeübt sein muß;

Quistorp, Grunds. etc. herausg. v. Konopack, B. 2. S. 116; Feuerbach a. a. O. §. 355.

allein auch schon dort erklären sich die meisten Neueren:

Martin, §. 304. Anm. 4.; Abegg, §. 376. 377; Henke, B. 3. S. 152.[2].

dafür, daß nichts weiter erforderlich ist, als daß die Person, welcher Gewalt angethan wird, ein Hinderniß der Besitz-Ergreifung sei, oder sein könne.

Dies gilt unbedenklich auch für das Preußische Recht. Der §. 1187. redet allgemein von der „Gewalt an Menschen;“ die Circular-Verordnung nennt Den einen Räuber, welcher einen oder mehre Menschen durch Schläge abhält, die beabsichtigte Entwendung zu verhindern[3].

Temme, Lehre vom Diebst. S. 337; Handb. S. 308. 310.

Im vorliegenden Falle war daher schon ein Raub ausgeführt, als der Inquisit vor consumirter Entwendung die Haushälterin zu Boden schlug, um sie von der Verhinderung des Diebstahls abzuhalten. – Wichtiger ist nun aber

II. die Frage: zu welcher Gattung der Verbrechen die Tödtung der beiden Personen gehört.

etc. Allerdings hat der Inquisit schon vor dem Raube der Wirthschafterin einen scharfen Hieb versetzt, und man könnte beinahe vermuthen, daß gerade dieser Schlag ein dem Leben äußerst gefährlicher gewesen ist etc., es bleibt indessen solches immer nur eine Vermuthung etc. etc.

Daß im Allgemeinen auch nach vollbrachtem Raube eine von dem Räuber vorgenommene Tödtung nur ein Todtschlag sein kann, ist schon nach dem Begriff nicht zu bezweifeln, selbst wenn der Räuber mit tödtlichen Waffen hingekommen war. Die Lehrer des gemeinen Rechts erkennen dies wiederholentlich ausdrücklich oder durch ihre Definitionen an:

Tittmann, B. I. S. 325. §. 160; Henke, Bd. 2. S. 50; Abegg, S. 331.

wobei es namentlich von Bedeutung ist, daß indirect selbst auch Klein (Grunds. des peinl. Rechts §. 302. etc. und in der Ausgabe von Quistorp’s Grunds. Bd. I. S. 75. 76.), einer der Mitarbeiter bei Abfassung des Land-Rechts, eine solche Meinung ausspricht.

Nach dem Landrecht ist es eben so wenig zu bestreiten. Es folgt schon aus den Worten des §. 1193.: „wer einen Andern vorsätzlich mordet, um sich Gewinn oder Vortheil zu verschaffen;“ wodurch unzweideutig auf die Definition des §. 826. hingewiesen wird, nach welchem derjenige ein Mörder ist, „der mit vorher überlegtem Vorsatze zu tödten einen Todtschlag wirklich verübt.“ Sobald daher auch selbst ein bewaffneter Räuber erst nach vollzogenem Raube – sei es durch eine schwere Beleidigung oder sonst in Wuth oder in irgend einen Affect versetzt, lediglich durch diesen Affect bestimmt – den Beraubten tödtet, würde ebenfalls nach Preußischem Recht nur neben dem Raube der Todtschlag zu bestrafen sein.

Temme, Handb. §. 131; Paalzow, Magazin Bd. I. S. 235.

Im vorliegenden Falle ist es daher keineswegs überflüssig, zu untersuchen: ob wirklich der Inquisit, wie der Defensor für ihn geltend macht, die Tödtung nur in einem augenblicklichen Affect verübt hat.

Der Inquisit selbst spricht „von einer Wuth, die ihn ergriffen“ etc. – Er ist nun zwar allerdings ein äußerst jähzorniger und heftiger Mensch, und es ist wohl anzunehmen, daß er in einem Zustande großer Leidenschaft sich befunden, als er die Wehrlosen tödtete; eine Annahme, zu der man schon dadurch juristisch gezwungen wird, daß man sein beweisendes Bekenntniß nicht trennen darf. Er selbst erklärt aber an andern Orten auf das Bestimmteste: „drei Wochen vor Weihnachten entstand in mir auch der Gedanke, wenn es nöthig sein sollte, bei dem Raube die mir etwa im Wege stehenden Menschen zu tödten etc. Ich trug mich mit meinem Plane seit dem October, und wenn mir auch bisweilen einfiel, daß bei meiner mir selbst sehr wohlbekannten Leidenschaftlichkeit ein Unglück dabei vorfallen könnte, so gab ich doch nicht meinen Plan auf. Ein paar Wochen vor der That entschloß ich mich, wenn ich bei der That ertappt würde, Alles niederzumachen, was sich mir widersetzen sollte etc. – Ich habe allerdings daran gedacht, daß sich mir Widerstand entgegensetzen könnte, und war daher entschlossen, alle möglichen Mittel zu gebrauchen, um diesem Widerstande entgegen zu wirken.“

Hiernach dachte Inquisit schon seit mehren Wochen an Mord. Er wollte ihn nur nicht ausführen, wenn er zu seinem Zwecke, einer reichen Beute, ohne Mord gelangen könnte. Selten giebt es aber auch so entmenschte Wesen, daß sie den Mord als Selbstzweck verfolgen. Beinahe immer liegt die Befriedigung einer andern Leidenschaft, bei dem Raubmorde, die der Habgier zum Grunde; und es ist deshalb natürlich, daß fast jeder Raubmörder den Mord nur für den Fall will, wenn er das fremde Gut nicht ohne Blutvergießen erlangen oder sicher behalten kann.

In solcher Gedanken-Richtung nahm Inquisit einerseits die gefertigte Larve mit, um sein Gesicht zu verhüllen; einen Tuchstreifen, um zur Sicherung seiner Flucht den Bischof und die Haushälterin zu binden. Andrerseits nahm er aber auch für den Fall, daß nur durch Mord der Raub erkauft werden könnte, das Beil mit – das Beil, welches er schon Wochen vorher zu diesem Zwecke ausersehen und sogar zu verstecken die Absicht gehabt, von dem er schon früher geglaubt hatte, daß er es vielleicht „wegen eintretender Umstände“ nach der That würde wegwerfen müssen. Der Knittel, den er sich zugerichtet hatte, als das Beil zufällig verschwunden war, würde offenbar ausgereicht haben, wenn es ihm nur darauf ankam, die beiden altersschwachen Greise nur durch Drohungen zu erschrecken, und auf diese Art zu überwältigen. Dessenungeachtet zog er das Beil, sobald er es am 1. Jan. wieder entdeckte, vor; zum sichersten Beweise, daß er auch zugleich zu einem blutigen Werke gerüstet sein wollte.

Wer aber Wochen lang den Gedanken mit sich trägt und überlegt, in dem Falle, wenn ein Raub nicht anders, als durch Tödtung vollzogen oder gesichert werden könne, die ihm gefährliche Person auch zu erschlagen – von Dem steht es juristisch fest, daß er „mit vorher überlegtem Vorsatze“ getödtet; also nach §. 826. einen Mord begangen hat.

In dem Moment der Ausführung mag K. sich in der äußersten Aufregung befunden und die Gedanken, die er damals gehabt, nicht einmal alle klar empfunden haben. Dies wird in der Regel bei dem Morde der Fall sein: nur geübte oder fanatische Mörder werden mit kaltem Blute Menschenleben opfern[4]. Das Motiv aber, welches seine Hand in dem Augenblick der That regierte, als er die Wirthschafterin wiederholt verwundete, als er dem Bischof die tödtlichen Streiche versetzte, war schon lange Zeit vorher bei ruhigem Nachsinnen überlegt; der Plan war schon lange entworfen. Diese vorhergegangene Ueberlegung charakterisirt nun aber eben die That als Mord. Nur, Wer im Affect die Tödtung beschließt und in diesem Affect ausführt, ist ein bloßer Todtschläger. Hat in dem einen, oder in dem andern dieser beiden Momente eine Ueberlegung stattgefunden, so ist ein Mord vorhanden.

Abegg a. a. O. §. 236; Martin a. a. O. §. 114. S. 261.

In dem gegenwärtigen Falle kommt indessen noch sogar hinzu, daß der Inquisit auch selbst in dem Augenblick der That den Vorsatz zu tödten überlegt hat. Als er den ersten Hieb gegen die Wirthschafterin führte, mag er vielleicht wirklich nur noch die Absicht gehabt haben, sie in dem Moment „unschädlich“ zu machen. Nachdem er bei dem zweiten Angriffe auf sie die Larve, die ihn am Sehen hinderte, abgeworfen hatte, und ohne Larve vor den Bischof trat, war sein früherer Plan, unerkannt zu bleiben, vereitelt. Er mußte jetzt auf den andern gleichfalls schon überlegten Vorsatz zurückkommen: wenn es seine Sicherheit verlange, die Ueberfallenen zu tödten. Er gesteht: „Ich habe diesen Mord, namentlich den am Bischofe aus dem Grunde verübt, weil ich, nachdem ich die Larve heruntergenommen und von ihm gewiß erkannt worden war, fürchtete, die ganze Sache würde durch ihn bekannt werden etc.“ „Der Gedanke, daß der Bischof mich erkannt habe, und daß durch das Verlöschen des Wachsstocks neuer Aufenthalt entstehe, versetzte mich in eine augenblickliche Wuth, und ich hieb mit meinem Beile den Bischof in den Kopf.“

Nicht ein Affect allein bestimmte hiernach also den Inquisiten, als er der Haushälterin die letzten Verwundungen zufügte und gegen den Bischof die tödtlichen Streiche führte. Die Haushälterin hatte gleich anfangs durch ihre Flucht und späterhin durch ihr Wiederaufstehen sich seinem Vornehmen gefährlich gezeigt. Sie wurde deshalb zuerst von ihm wiederholt mit der tödtlichen Waffe getroffen. Bevor er den Bischof verletzte, überlegte er aber noch, daß er vermuthlich erkannt worden; brachte hiermit sogar in Verbindung, daß der Bischof ihn dreimal gefragt, woher er sei – und erschlug aus diesem Grunde den Beraubten. Er wog demnach auch jetzt noch Zweck und Mittel gegeneinander ab; und handelte auch in diesem Moment nicht ohne vorher überlegten Vorsatz, wobei es nicht darauf ankommt, wie viel Zeit zwischen dem Entschluß und der Ausführung lag.

Klein a. a. O. §. 282.

Wie sehr er aber schon mit dem Gedanken des Mordes vertraut war, zeigt am Bestimmtesten seine Antwort auf die ihm vorgelegte Frage: warum er nicht den früher gefaßten Plan, den Bischof und die Haushälterin zusammen zu binden ausgeführt? – Er erwiederte: „ich wurde sogleich anfangs durch die Aeußerung der Pf.: „erst Geld haben“ sehr aufgebracht. Auch stand mir immer der Gedanke vor, ohne Mord wird es nicht abgehen; und ich dachte daher während der ganzen Handlung im bischöflichen Hause gar nicht mehr an meinen Tuchstreifen und die frühere Idee des Bindens.“

Der mörderische Vorsatz kann nicht deutlicher ausgesprochen werden. Inquisit ist unzweifelhaft Mörder etc. etc.

etc. Raubmörder ist nach §. 1193: „Wer einen Andern vorsätzlich mordet, um sich durch den Tod desselben Gewinn oder Vortheil zu verschaffen oder zu versichern.“ Der Mörder, welcher vor dem Raube tödtet, will sich Vortheile verschaffen; wer den Beraubten zu dem Zwecke mordet, damit er nicht verrathen und ihm nicht der Raub abgenommen werde, will sich den schon erlangten Vortheil versichern. Als das Allgemeine Landrecht jene Definition aufstellte, mag es in der Absicht der Redactoren gelegen haben, dadurch unter diese Kategorie auch diejenigen Verbrecher zu ziehen, welche nicht gerade Entwendung mit Mord verbinden, sondern auch zur Erhaltung eines bisherigen Vermögens-Zustandes einen Mord verüben. Klein a. a. O. §. 302. – Allein durch diesen wahrscheinlichen Hauptgedanken der Redactoren wird keineswegs die Anwendbarkeit des §. 1193 auch auf einen solchen Fall, wie der hier vorliegende, ausgeschlossen. Die Ratio ist dieselbe. Bei Beiden, sowohl bei Demjenigen, der, um sich der Bezahlung einer Geldschuld zu entziehen, um das Fideicommiß zu behalten, mordet; als auch bei dem Mörder, der sich den Raub sichern will, liegen Eigennutz und Habsucht zum Grunde – Motive, die, am Meisten verbreitet, bei Verübung von Verbrechen die gefährlichsten sind, und deshalb durch die härtesten Strafgesetze unterdrückt werden müssen. Die Worte des Gesetzes passen gleichfalls auf beide Fälle. Es ist daher kein Grund vorhanden, die allgemeine Vorschrift des §. 1193 nicht auf den vorliegenden Fall anzuwenden; um so weniger ist sie auszuschließen, als Inquisit Wochen lang vorher die Begehung des Mordes zur nöthigen Sicherung bei dem Raube prämeditirt hatte, und zu diesem Zwecke auch beide Personen erschlug. – Inquisit ist sonach im gesetzlichen Sinne des Raubmordes schuldig.

III. Um zu erforschen, wodurch Inquisit bis zur Verübung der schaudervollen Missethat herabgesunken ist – überhaupt um die ethische Seite seines Verbrechens zu würdigen, muß hier noch sein inneres Leben und die Ausbildung seines Charakters näher ins Auge gefaßt werden.

Die Eltern des Inquisiten sind unbescholtene Leute. Der Vater scheint zur Härte geneigt und leidenschaftlich zu sein. Seine Strenge gegen seinen Sohn fand schon früh in dem trotzigen Charakter desselben eine Rückwirkung; sie erweckte in diesem schon in frühen Jahren einen Haß wider Denjenigen, auf dessen Liebe und Verehrung das Kind von der Natur ganz vorzüglich hingewiesen ist. So erinnert sich Inquisit schon aus der Zeit vor seinem siebenten Lebensjahr, daß, als sein Vater ihn einst zwang, sich noch länger im Lesen zu üben, er zwar die Lippen rührte, aber nicht wirklich las, sondern auf seinen Vater schimpfte. Nicht dieser kindische Vorfall an sich, sondern daß Inquisit jetzt noch denselben im Gedächtniß hat, beweist die schon damalige Stärke seines Grolles. – Im vierzehnten Jahre wurde er von seinem Vater einst stark gezüchtigt, und der Vater drohte ihm: er werde des Nachts ihn nochmals zu züchtigen kommen. Der vierzehnjährige Knabe nahm hierauf, als er sich zu Bette legte, dasselbe Beil, mit welchem er jetzt den Mord vollführt, mit sich, und legte es unter sein Bett – wie er selbst sagt, mit dem festen Vorsatze, seinen Vater, wenn dieser ihn zu züchtigen käme, damit vor den Kopf zu schlagen etc. Man erkennt hieraus, wie das Gemüth des Knaben schon damals verwildert, dem bösesten Vorsatze Raum gab.

etc. Als seine Mitschüler sich beriethen, ihrem Lehrer einen Possen zu spielen, schlug er vor, die Trompete, welche der Lehrer gewöhnlich in der Kirche blies, am Mundstücke mit Gift zu bestreichen. Man beschloß Fliegenschwamm zu wählen; und wenn gleich der Plan nicht zur Ausführung kam, zeigte sich doch auch in diesem Vorschlage seine raffinirte Bosheit.

Gegen das Handwerk des Schneiders hatte er früh einen Widerwillen etc. Zwischen Vater und Sohn kam es deshalb zu immer heftigeren Auftritten. Der Sohn war nicht nur unwillig, weil er bei dem verhaßten Handwerk bleiben mußte, sondern auch darüber aufgebracht, daß sein Vater ihm keinen Wochenlohn und nach seiner Meinung nicht genug Geld zur Verwendung für sein Vergnügen gab. Vergnügungs- und Geldsucht traten damals zuerst stärker hervor.

Seine Leidenschaftlichkeit erreichte mittlerweile einen außerordentlich hohen Grad. Des Nachts konnte er vor Aufregung nicht schlafen. Er lief Stunden lang in der Nacht in Stadt und Umgegend herum. Am Tage war er ermattet und zur Arbeit unbrauchbar. Man hielt ihn für krank. Als man ihm aber die Ader schlagen wollte, drohte er mit gewaltsamer Widersetzlichkeit, konnte nur durch die Uebermacht überwältigt werden und biß selbst den Wundarzt in die Hand. Man mußte ihn wie einen Tobsüchtigen behandeln, dennoch versichert er jetzt, daß er seine völlige Ueberlegung besessen habe, und man kann ihm dies – wenn er auch vielleicht körperlich krankhaft afficirt war – wohl glauben, da er so genau die kleinsten Details während seines damaligen Zustandes anzugeben gewußt hat. Hiernach war auch jene anscheinende Tobsucht, die durch Anwendung der Zwangsjacke gehemmt werden mußte, vornehmlich nur der stärkste Ausbruch einer ungezähmten Leidenschaftlichkeit, deren Besiegung jedoch keineswegs außer den Grenzen seiner Macht lag. Er sagt selbst: „ich mußte wohl in meinem Toben nachlassen, denn ich überzeugte mich, daß dieses das einzige Mittel sei, mich von der Jacke zu befreien.“

Noch charakteristischer ist es, wie nach seiner Entlassung aus der ärztlichen Behandlung seine wieder hervortretende Wuth und Leidenschaftlichkeit gebändigt wurden. Seine Eltern riefen bei einem Ausbruche der letztern den Brauer Kr. zu Hülfe. Dieser, ein starker Mann, hieb ihm mit einem Säbel über den Arm, überwältigte ihn und nahm ihn mit sich in seine Wirthschaft. Er trug ihm Arbeiten auf, und wie Inquisit wörtlich sagt: „da ich sah, daß er ein starker Mann sei, befolgte ich seine Anweisungen.“ Wo er sich also überzeugte, daß seine Wuth ihn nicht zum Ziele führe, verstand er ganz wohl, sich zu mäßigen und zu unterwerfen. Er erkannte die zwingende Macht der äußern Umstände sehr gut an, und es ist hieraus leicht erklärlich, warum er unter der strengen Disciplin des Militairs zu keinem Vorwurf Ursache gab.

Zu der Wildheit seines Charakters kam aber bald auch ein immer zunehmender Haß gegen die katholische Geistlichkeit an seinem Geburtsorte, obwohl ihm keiner derselben im Mindesten zu nahe getreten war. Durch persönliche Kränkung war daher dieser Haß nicht hervorgerufen. Eben so wenig kann man annehmen, daß demselben eine Abneigung gegen den katholischen Glauben zum Grunde gelegen habe, obwohl Inquisit auf solche Weise seinen Haß jetzt gern erklären möchte. Er giebt an: schon als Knabe habe er gehört, daß die evangelischen Christen nicht so abergläubisch und aufrichtiger wären, als die katholischen, und deshalb schon in seinen Knabenjahren die Idee gefaßt, dereinst zur evangelischen Confession überzutreten. Später habe er auch Manches gelesen, welches bei ihm noch mehr einen Widerwillen gegen den Katholicismus und gegen die katholischen Priester erzeugt. Insbesondere habe er die Domherren in Frauenburg kennen gelernt, und gesehen und gehört, daß sie bei ihrem Reichthum unbarmherzig gegen die Armuth seien.

Im articulirten Verhöre entgegnete er auf die Frage: was er mit dem geraubten Gelde anzufangen gedacht? „ich hatte die Absicht, mich recht bald von Frauenburg zu entfernen und wenn ich recht viel Geld finden würde, in die weite Welt zu gehen; wenn es aber wenig sein würde, nach Berlin zu gehen und Lotterie zu spielen, um einen ansehnlichen Gewinn zu machen. Mit diesem Gewinn wollte ich dann nach Frauenburg zurückkehren, und wenn ich recht viel gewönne, die Hälfte dieses Gewinnes zum Bau einer evangelischen Kirche hergeben und selbst zur evangelischen Kirche übertreten.“ – Ob er hiermit Andere zu täuschen sich bemüht, mag dahin gestellt bleiben. Ist dies nicht der Fall, so sucht er mindestens sich selbst zu betrügen.

In seinen umständlichen Auslassungen hat er nicht im Entferntesten auch nur irgend eine Glaubenslehre der katholischen Confession als eine solche bezeichnet, die seiner Ueberzeugung widerspräche. Seine Unzufriedenheit bezog sich, näher betrachtet, offenbar gar nicht auf die Dogmen der katholischen Kirche; sie war, wie man auf das Deutlichste erkennt, lediglich gegen den Wohlstand der katholischen Geistlichkeit in Frauenburg gerichtet. Eigennutz und Habsucht, gepaart mit neidischer Mißgunst, daß ihm nicht ein gleicher Wohlstand beschieden sei, lagen zweifellos zum Grunde,

Dies ergiebt sich aus den Brand- und Drohbriefen, die er geschrieben hat, und mit denen er nicht allein die Domherren, sondern auch gleichfalls den nicht unbemittelten Rathmann W. belästigte. So suchte er im Jahre 1836 von dem damaligen Domherren G. 87 Rthlr. und ein anderes Mal 137 Rthlr., später auch von dem Rathmann W. die Zahlung von 87 Rthlr. zu erpressen, indem er namentlich in dem Briefe vom 20. Januar 1837 die Drohung hinzufügte: „wenn diese Zahlung nicht geschieht, lasse ich das Rothe hausen, und koste es gleich mein Leben auf dem Rabensteine.“ – Sein Wunsch Geld zu erhalten wurde nicht befriedigt, und gerade hierdurch gerieth er in noch größere Erbitterung wider die Geistlichkeit, deren Wohlstand er beneidete. In einem Briefe vom 24. April 1837 forderte er nun eine allgemeine Vertheilung des den Domherren zugehörigen Landes unter sämmtliche Bürger der Stadt; „geschähe dies nicht, so wolle er das Pfaffengut zerstören, und dann einen schwereren Tod sterben, als Simson.“ – In einem Drohbriefe vom 22. October ejd. verlangte er indessen von Neuem Geld, von einigen Einwohnern der Stadt 52, von den Domherren 700 Friedrichsd’or. – Wie viel in diesen Drohbriefen ernstlich gemeint war, kann hier unentschieden bleiben. Sie zeigen jedenfalls, mit welchen Gedanken sich Inquisit beschäftigte, daß die Habsucht in ihm immer mehr um sich griff. Die Nichtbefriedigung der Letzteren steigerte seine Erbitterung gegen die Geistlichkeit, und er scheuete sich selbst nicht mehr, diese Erbitterung durch die unehrerbietigsten und rohesten Aeußerungen kund zu geben.

Noch mehr auf Täuschung seiner selbst oder Anderer ist es aber ferner abgesehen, wenn er jetzt insbesondere auch einen Haß gegen den Bischof von Hatten und einigermaßen selbst wider die Wirthschafterin affectirt und Gründe für einen solchen Haß aufzustellen sucht. Denn Alles, was er darüber hat anführen können, beschränkt sich darauf: „der Bischof habe einst gegen seine Schwester geäußert, daß ihre Eltern in den ersten Jahren ihrer Ehe sehr unzufrieden mit einander gelebt;“ „derselbe sei ferner geizig gewesen, habe seine Dienerschaft schlecht behandelt, und wissentlich zugelassen, daß die Wirthschafterin die Diener gleichfalls schlecht gehalten; im Herbste v. J. habe endlich der Bischof seine Schwester beauftragt, ihn (den Inquisiten) zu befragen, was er in seiner Supplic an den König (S. 285) geschrieben; und auf ihre spätere Erwiederung, ihr Bruder wolle es nicht sagen, geäußert: „dann weiß er es wohl selbst nicht, dann ist er doch ein Schaafskopf.“

Daß solche Kleinlichkeiten, deren Anschuldigungen wider Todte jetzt Inquisit zusammensucht, nicht im Mindesten die Ursache eines wirklichen Hasses sein konnten, bedarf keiner Ausführung. Es ist klar: Inquisit schämt sich seiner Schandthat, und hascht nach einem Gewand, um die Nichtswürdigkeit seiner Handlungsweise zu verhüllen.

Ueberblickt man sein ganzes Leben, so zeigen sich nach dem Vorgetragenen als besonders hervortretende Charakterseiten immer einestheils seine Wildheit, anderntheils seine Habgier; beide zusammentreffend in dem entschiedensten Egoismus, der Alles seinem selbstsüchtigen Zwecke unterordnete. Seine Lust am Kartenspiele findet gleichfalls in seiner Habsucht ihre vollständige Erklärung. Sein Trübsinn und seine Schweigsamkeit, überhaupt sein menschenfeindliches Wesen rührten davon her, daß er den mehr im äußern Leben Begünstigten ihr Loos ungenügsam beneidete. Hiermit vertrug es sich sehr wohl, daß er, wie einige Zeugen bekundet, ein fleißiger Arbeiter war und sich ruhig benahm, so lange man ihn freundlich behandelte; daß er das Laster der Trunkenheit und anderer Ausschweifungen vermied.

Die Kenntnisse, welche sich der Inquisit noch auf der Schule angeeignet hatte, waren für seine Stellung ausreichend; sie gingen aber auch nicht über seinen Stand hinaus. Von Frömmigkeit und wahrer Religiosität ist bei ihm keine Spur zu entdecken; seit 8 Jahren war er nicht zum heiligen Abendmahl gegangen.

Ein solcher Mensch war er, bevor der Gedanke zum Raubmorde bei ihm erwachte. Es ist nicht zu leugnen, daß Inquisit vermöge seiner guten Geistesgaben und seiner, in allen seinen Lebensverhältnissen sich kund gebenden, Festigkeit ein besonderes brauchbares Mitglied der menschlichen Gesellschaft hätte werden können und vielleicht geworden wäre, wenn er als Kind eine seiner Individualität angemessene Erziehung erhalten hätte, und späterhin in eine seinen Neigungen und Kräften entsprechende Lebensbahn gebracht wäre. Leider hatte er aber seine Charakterstärke nicht, wie er als sittlich freies Wesen vermocht, dazu angewendet, den Versuchungen und seinen Leidenschaften zu widerstehen, und dadurch, daß er ihnen ungezügelt nachgegeben, war er schon jetzt mehr als die Meisten dazu geeignet, einen verbrecherischen Gedanken zu fassen und auszuführen. Er hatte jedoch auch jetzt seine volle Willensfreiheit, und konnte mit Ueberlegung zwischen Bösem und Gutem wählen. Die göttlichen und die menschlichen Gesetze, welche Diebstahl und Blutvergießen verbieten, waren ihm wohlbekannt.

Noch im August 1840 wendete er sich in einer Supplic an des Königs Majestät mit der Bitte, im Militair oder sonst angestellt zu werden. Er setzte dabei die Ehrfurcht so weit bei Seite, daß er zugleich unziemliche Aeußerungen gegen die katholische Geistlichkeit einfließen ließ, unterschied aber sehr gut zwischen Recht und Unrecht, indem er darin seine Drohbriefe, als deren Verfasser er sich zugleich bekannte, als ein „elendes Mittel“ bezeichnete und selbst hinzufügte, „bei dem Schreiben derselben wäre er auf Geld für sich bedacht gewesen.“ In einer zweiten Supplic vom 10. September bat er um ein Geschenk von 100 Rthlr. Er befand sich in gar keiner drückenden Noth. Er sagt selbst in dieser Supplic: „ich stehe zwar nicht in ganz dürftigen, aber doch gehaltenen Umständen.“ – Alles, was er in seinem Stande brauchte, erwarb er sich oder erhielt es von seinen Eltern.

Als nun alle jene Mittel nicht das gehoffte Resultat hatten, und er keinen andern Weg mehr sah, sich rasch und ohne ausdauernde Anstrengung Geld zu erwerben, verfiel er auf den Gedanken, durch Raub und Mord zum Ziele zu gelangen. Monate lang trug er den Gedanken bei sich, überlegte die Gelegenheit, so wie die Mittel auf das Besonnenste, und führte das Verbrechen alsdann mit Schlauigkeit und Verwegenheit aus.

Als ein elender Versuch, das Schimpfliche seiner That zu verbergen, ist es zu betrachten, wenn er sich jetzt bemühet, sie so darzustellen, als wenn er geglaubt, einer höheren Fügung folgen zu müssen. Er geht in seinen gotteslästerlichen Aeußerungen so weit, daß er geradezu sagt: „ich habe in der Bibel gelesen, daß Judith den Holofernes tödtete, und daß ihr diese That nicht als Verbrechen angerechnet wurde; und noch einige andere ähnliche Geschichten; und da ich noch obendrein das von Gott erbetene Zeichen der Billigung erhalten hatte, fühlte ich mich völlig beruhigt.“

Man kann als richtig zugeben, daß Inquisit, bevor er zur Ausführung schritt, mehrfach geschwankt; daß er, wie es so oft geschieht, von Ereignissen außer ihm die Entscheidung abhängig machen wollte, ob er das Verbrechen begehen solle. Daß er aber hierbei an wirkliche Winke Gottes gedacht, die ihn zum Verbrechen antrieben, läßt sich auf keine Weise annehmen etc. Inquisit hat, wie von dem Inquirenten zu den Acten registrirt ist, in der Untersuchung einen sehr richtigen Verstand und eine vorzügliche Schärfe des Auffassungs-Vermögens gezeigt. Selbst bei den verworrensten und mangelhaftesten Religionsbegriffen konnte er daher nicht auf den Gedanken gerathen, Gott werde Zeichen seiner Billigung geben, wo es sich um ein Verbrechen handelte; und zwar um ein Verbrechen, das nicht etwa in Fanatismus seinen Grund hatte, sondern lediglich zur Befriedigung seiner Geldgier dienen sollte.

Er achtete deshalb auch nicht wesentlich darauf, wie die Ereignisse eintrafen. Er verlor im Kartenspiel und dennoch gab er, im Widerspruch mit seinen früheren Gedanken, den Plan nicht auf. Er suchte andere Ereignisse für seine Entschließung. Um 4 Uhr Nachmittags ging er zu diesem Zwecke in die Kirche; die übrigen Zeichen beobachtete er noch später. Allein schon vor 4 Uhr hatte er Larve und Strick zu sich gesteckt, das Beil zu seinem Werke ausersehen. Die Zeichen waren unverkennbar Nebensache; er hatte sich zu seiner blutigen That gerüstet, ehe irgend ein ihm nach seiner Meinung günstiges Zeichen eingetroffen war.

Unmittelbar vor der Thür des Bischofs-Hauses kam noch ein guter Gedanke – der letzte, – in sein Herz: umzukehren. Er überwand ihn, und ward Raubmörder an dem Bischof seiner Kirche! – Von dem Morde ging er in dem gräßlichsten Gleichmuthe in das Wirthshaus zum Kartentische etc.

Dies ist das Bild des Inquisiten: nicht das eines Fanatikers, oder eines durch irrige Philosopheme verblendeten Geistes; nicht das eines Menschen, dessen Willensfreiheit oder Ueberlegung geschwächt war; nein! das Bild eines gemeinen Raubmörders, den Geldgier und ungebändigte Leidenschaftlichkeit in den Abgrund gestürzt haben.

Dennoch verharrt er dabei, das Schreckliche seines Verbrechens zu verkleinern und dadurch jede Reue von sich abzuweisen. Noch im articulirten Verhöre hat er erklärt: „Vor der That glaubte ich nur ein Recht zu haben, dem Bischof etwas Geld abzunehmen, und nach der That glaubte ich nicht zu weit gegangen zu sein. Vor der Welt habe ich allerdings gegen das fünfte göttliche Gebot gesündigt; ob aber auch vor Gott? – Das steht noch sehr dahin! Es wäre nichtswürdige Heuchelei, wenn ich äußern sollte, daß ich Reue über meine That gefühlt; ich fühle nur Reue darüber, daß ich mich in solches Elend gebracht habe.“

Diese Täuschung seiner selbst oder Anderer findet in seinem Trotze, den er gern wie einen Heroismus zur Schau stellen möchte, einen kräftigen Anhalt. Wie weit derselbe geht, mögen einige Züge beweisen: An dem Tage, an welchem die Leiche des Bischofs bestattet wurde, sagte er: „jetzt trinken sie auf dem Dome tüchtig Wein, und an mich denkt Niemand, obgleich ich es ihnen doch verschafft habe.“ – Als ihm die goldene Dose des Erschlagenen zur Anerkennung vorgezeigt wurde, besah er sie, öffnete sie, und nahm, wie er noch Tabak darin fand, während der Beantwortung der Frage, behaglich eine Prise. – An dem Actuarius, der ihm das Beil vorlegte, mochte er einige Aengstlichkeit bemerkt haben. Bei seiner Abführung zum Gefängnisse äußerte er darüber: „ich hätte mir doch sollen den Spaß machen, dem Actuarius das Beil rasch aus der Hand zu reißen um ihn dadurch noch mehr zu ängstigen etc.“

Milderungsgründe kommen dem Inquisiten nicht zu Statten. Selbst sein Geständniß kann als Milderungsgrund nicht angesehen werden, da keinesweges Reue dasselbe veranlaßt, sondern vorzüglich der Vorwurf („des Polizeiinquirenten!“) ihn dazu bestimmt zu haben scheint: es fehle ihm an Muth, seine That zu bekennen, weil er den Tod fürchte.

Andererseits ist aber auch aus dem Grunde, weil Inquisit zwei Personen erschlug, die Schärfung der Strafe des Raubmordes nach §. 47 des Str. R. unter etwaiger Anwendung von §. 52 oder §. 57 hier nicht zulässig, indem einestheils die Ermordung des Bischofs und der Wirthschafterin so in Einen Act zusammenfallen, daß man sie nicht als wiederholte Mordthaten ansehen kann, und anderntheils Inquisit schon durch die Strafe des einfachen Raubmordes nach §. 1193 die geschärfteste Art der Todesstrafe erleidet etc.


Als ihm das Todesurtheil publicirt und er über die Rechtsmittel belehrt worden war, erklärte er anscheinend ruhig: „ich bin zufrieden mit diesem Erkenntnisse. Ich hoffe auch in der zweiten Instanz keine gelindere Todesstrafe. Es ist mir übrigens auch gleichgültig, welche Todesstrafe ich erleide, denn ich fürchte den Tod nicht und wünsche denselben recht bald zu erleiden. Nach den Grundsätzen der Religion ist der Tod Versetzung in einen besseren Zustand und nach diesen Grundsätzen ist daher der Tod nicht Strafe, sondern Belohnung, oder jener Grundsatz der Religion ist falsch. Auf die Todesart selbst kann es nicht ankommen, denn schon ein heftiger Zahnschmerz ist empfindlicher als der Todesstreich.“

Das Tribunal des Königreichs Preußen zu Königsberg bestätigte dies Erkenntniß. Noch bevor dies Urtheil zweiter Instanz ausgefertigt war, erklärte Inquisit aus eignem Antrieb, daß er sein Geständniß vervollständigen wolle, und gab in Gegenwart seines Defensors an: „ich habe in meinen früheren Verhören stets behauptet, daß ich nicht die Absicht gehabt, den Bischof und dessen Haushälterin zu ermorden. Ich muß jedoch bekennen, daß ich nur, um mein Verbrechen zu beschönigen, die Absicht des Mordes früher bestritten habe, und daß ich wirklich die Absicht hatte, beide Personen zu ermorden. Die Haupttriebfeder meines Verbrechens war allerdings die Absicht, den Bischof zu berauben; dies hätte ich freilich ausführen können, ohne ihn und seine Haushälterin zu erschlagen, denn beide waren alte und schwache Personen etc. Doch der Haß gegen Beide war so tief eingewurzelt in mir, daß ich sie bei dieser Gelegenheit von der Welt schaffen wollte. Die Veranlassungen zu diesem Hasse habe ich schon angegeben und könnte noch viele Dinge erzählen, die mich gegen Beide erbitterten, doch sind dieses lauter kleinliche Gegenstände, die nur auf mich einen so üblen Eindruck machten, einem jeden Andern aber ganz unbedeutend erscheinen müssen etc. Schon lange trug ich mich mit dem Gedanken herum, den Bischof zu berauben und zu ermorden. Am Neujahrstage hörte ich erzählen, daß er 8000 Rthlr. durch die Post erhalten habe, und nun wurde der Entschluß, ihn zu ermorden und zu berauben, in mir fest, und ich führte ihn drei Tage darauf aus. Die näheren Umstände der That habe ich im Ganzen der Wahrheit gemäß vorgetragen, und nur Folgendes daran zu ändern: ich riß mir die Larve schon damals vom Gesicht, als ich der Pf. den ersten Hieb mit dem Beil versetzte, und trat nun ohne Larve an den Bischof und verlangte Geld von ihm. Ich glaube wohl, daß der Bischof mich erkannt hat, doch ließ er dieses sich nicht merken. Die Larve nahm ich nur deshalb vor das Gesicht, damit mich der Bischof nicht gleich auf den ersten Blick erkennen sollte, denn ich fürchtete, daß er, mich erkennend, gleich aufschreien und dadurch vielleicht Menschen herbeiziehen könnte. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß er mit der Haushälterin allein im Hause war, und weil ich die Absicht hatte, Beide zu tödten, so kam es mir nicht mehr darauf an, unerkannt zu bleiben. Ich hatte die Absicht, mir vom Bischof herunterleuchten zu lassen, weil ich den Weg im Finstern nicht gut zu finden glaubte, und deshalb forderte ich ihn auf, mir mit dem Wachsstock hinunter zu leuchten. Meine Absicht war, ihn unten ganz unerwartet zu erschlagen, da aber durch das Herunterfallen des Wachsstocks ein mir sehr unangenehmer Aufenthalt entstand, so versetzte ich ihm schon oben den Todesstreich. – Unmittelbar nach der That fühlte ich weder Reue noch Angst, sondern eine wahre Freudigkeit, und es war mir so zu Muthe, als wenn ich funfzig Franzosen erschlagen hätte. Jetzt aber sehe ich ein, welch ein großes Verbrechen ich begangen habe, und fühle aufrichtige Reue. Ich hatte mir früher vorgenommen, erst auf dem Schaffot die Absicht des Mordes einzugestehen. Seit mehren Tagen und Nächten aber beunruhigt mich das Bewußtsein, noch etwas verschwiegen zu haben, aufs Höchste, und diese Unruhe veranlaßte mich gestern schon, dem katholischen Geistlichen, welcher mich seit einiger Zeit besucht, das heutige Geständniß unter dem Siegel der Verschwiegenheit abzulegen. Dieses hat zwar einigermaßen, aber doch immer noch nicht ganz mich beruhigt, und ich faßte daher in der letzten schlaflosen Nacht den Vorsatz, auch meinen Richtern dieses Bekenntniß abzulegen. Ich weiß sehr wohl, daß durch dieses Bekenntniß meine Strafbarkeit erhöht wird, doch einestheils hat schon der Richter erster Instanz meine That als einen Mord beurtheilt, und anderntheils bin ich auch nicht bestrebt, ein gelinderes Urtheil mir zu erwirken; denn ich sehe ein, ich habe den Tod verdient, und auf die Art der Todesstrafe kommt es mir nicht an. Ich fühle meine Beruhigung darin, Alles, auch meine geheimsten Gedanken der Wahrheit gemäß entdeckt zu haben, und hoffe um so mehr auf Gottes Gnade, wenn ich nichts verheimliche.“

Dies Geständniß wurde jedoch von dem erkennenden Gerichte für die bereits aufgefundene, nur noch nicht in Urthelsform extendirte Entscheidung als unerheblich erachtet und daher zur Verstärkung der Gründe nicht mehr in Betracht genommen.


Die so durch zwei gleichlautende Erkenntnisse ausgesprochene martervolle Todesstrafe ward am 7. Juli 1841 zu Frauenburg vollzogen.


  1. Verspätet aus Rücksicht auf das Interesse der
    „zum Besten der Justizofficianten-Wittwen-Casse“
    in Commission der Nauck’schen Buchhandlung in Berlin 1841 erschienenen, zunächst nur für Preußen bestimmten Schrift:
    „Actenmäßige Darstellung der wegen Ermordung des Bischofs von Ermland, Stanislaus von Hatten, wider den Schneidergesellen Kühnapfel geführten Untersuchung.“ (II. u. 82 S.)
  2. Auch Marezoll, „das gemeine deutsche Criminalrecht als Grundlage der neueren deutschen Strafgesetzgebungen.“ (Lpz. 1841.) S. 431.
  3. Der „revidirte Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Königlich-Preußischen Staaten, Berlin 1836“ bestimmt §. 568. den Begriff des Raubs folgendermaßen: Wer, um einen Diebstahl zu vollbringen, an dem Inhaber der Sache oder Angehörigen desselben, oder an Personen, welche wegen ihrer Anwesenheit am Orte der That den Diebstahl hindern konnten, Gewalt verübt oder unter gegenwärtiger Gefahr androht, ist des Raubes schuldig, er habe seine Absicht erreicht oder nicht. §. 569. fügt hinzu: Auch Derjenige begeht einen Raub, welcher nach vollbrachtem Diebstahl, auf frischer That, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, Gewalt an einer Person verübt oder unter gegenwärtiger Gefahr androhet.
  4. Der Herausg. erinnert an Feuerbach’s ergreifende Darstellung von dem Seelenzustand des Verbrechers während des Vollbringens der Blutthat im 1. Band (S. 93.) der „actenmäßigen Darstellung merkwürdiger Verbrechen.“ Vergl. auch Bd. 10. S. 312 Note und Bd. 12. S. 49 dieser Annalen.