Das Lied von der Gleichgültigkeit (Tucholsky)

Textdaten
Autor: Kurt Tucholsky
unter dem Pseudonym
Theobald Tiger
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Titel: Das Lied von der Gleichgültigkeit
Untertitel:
aus: Die Weltbühne. Jg. 28, Nr. 1 vom 5. Januar 1932, S. 29.
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 5. Januar 1932
Verlag: Verlag der Weltbühne
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Dirnenlieder.
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Das Lied von der Gleichgültigkeit


                                   von Theobald Tiger
                              Alle Rechte vorbehalten

Eine Hur steht unter der Laterne,
des abends um halb neun.
Und sie sieht am Himmel Mond und Sterne —
was kann denn da schon sein?

5
     Sie wartet auf die Kunden,

     sie wartet auf den Mann,
     und hat sie den gefunden,
     fängt das Theater an.
Ja, glauben Sie, daß das sie überrasche?

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Und sie wackelt mit der Tasche — mit der Tasche,

     mit der Tasche,
     mit der Tasche —
Na, womit denn sonst.

Und es gehen mit der Frau Studenten,

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und auch Herr Zahnarzt Schmidt.

Redakteure, Superintendenten,
die nimmt sie alle mit.
     Der eine will die Rute,
     der andre will sie bläun.

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     Sie steht auf die Minute

     an der Ecke um halbneun.
Und sie klebt am Strumpf mit Spucke eine Masche …
und sie wackelt mit der Tasche — mit der Tasche,
     mit der Tasche,

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     mit der Tasche —

Na, womit denn sonst.

Und es ziehn mit Fahnen und Standarten
viel Trupps die Straßen lang.
Und sie singen Lieder aller Arten

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in dröhnendem Gesang.

     Da kommen sie mit Musike,
     sie sieht sich das so an.
     Von wegen Politike …
     sie weiß doch: Mann ist Mann.

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Und sie sagt: „Ach, laßt mich doch in Ruhe —“

und sie wackelt mit der Tasche — mit der Tasche —
     mit der Tasche —
     mit der Tasche …
Und sie tut strichen gehn.

40
     Diese Gleichgültigkeit,

     diese Gleichgültigkeit —
die kann man schließlich verstehn.