Das Klostermuseum zu Stein am Rhein
Das Klostermuseum zu Stein am Rhein.
Dort wo mit jugendlichem Ungestüm der Rhein den Bodensee verläßt, um thatenfroh der ihn bei Schaffhausen erwartenden Kraftprobe entgegenzustürmen, liegt malerisch zu Füßen des Hohenklingen ans Rebgelände geschmiegt die schweizerische Landstadt Stein. Die alte Abtei, deren ehrwürdiger Bau in ihr noch unversehrt aufragt – unser obenstehendes Bild zeigt sie rechts von der Brücke, der Kirche vorgelagert, links von den größeren Pappeln – hat dem Ort schon frühe Ansehen und Bedeutung gegeben. Die Geschichte dieses Klosters führt uns in eine Zeit zurück, die, wie die ganze Bodenseelandschaft, zu der es gehört, uns durch Scheffels „Ekkehard“ innig vertraut ist. Ueber die Spitzen anderer Berge des Hegaus grüßen zum Schloß Hohenklingen die Trümmer des Hohentwiel. Die Flut des Rheins, die hier die Ufer bespült, hat kurz vorher die Klosterinsel Reichenau umrauscht, an deren fromme Insassen einst, nach der Darstellung Scheffels, der Herzogin Hadwig Heergebot erging, ihr im Kampf gegen die Hunnen zu helfen. Und das St. Georgenkloster zu Stein verdankt sein Entstehen einer Stiftung eben jener mannhaft fühlenden Fürstin des Schwabenlands, die in ihre Witweneinsamkeit auf dem Twiel den jungen Klosterbruder Ekkehard aus St. Gallen berief, damit er sie Latein und Griechisch lehre. Das von ihr gegründete Kloster stand auf dem Twiel selbst neben der Burg, aber bald nach ihrem Tod regte sich in den Brüdern des heiligen Benedikt auf der weltentlegenen Stätte der altbewährte Sinn ihres Stifters für günstige Klosteranlage, und sie zogen hinunter in das weingesegnete Rheinthal, wanderten hinab in die Nähe des fischreichen Untersees und führten allda ein geräumigeres und behaglicher eingerichtetes Bruderhaus auf, als ihnen der strenge Sinn Frau Hadwigs angewiesen hatte. Aber auch der kulturfreundliche Geist, der dem heiligen Benedikt zu eigen war, kam dieser neuen Stiftung zu gute. Und bis in die Wendezeit, welche von den Kämpfen der Reformation wiederhallte, blieb das Kloster St. Georgen zu Stein ein Hort ernster Studien und andachtsvoller Kunstübung.
Seitdem ist das alte umfangreiche Gebäude freilich seinem kirchlichen Zweck längst entfremdet. Aber seine interessante Geschichte hat den jetzigen kunstverständigen Besitzer desselben auf die Idee gebracht, die ehrwürdigen Räume im Sinne ihres einstigen Berufs neu herzurichten und auszustatten, so daß das Ganze ein getreues Abbild der Zustände in der Abtei zur Zeit ihrer Blüte liefert. Professor Ferdinand Vetter in Bern, dessen Studien sich schon immer der Erforschung der mittelalterlichen Kultur seiner Heimat zugewandt hatten, war für die Ausführung dieser Idee aufs beste gerüstet. Er hat in der That zwischen den alten Mauern das untergegangene Leben, das einst sie umschlossen, in völliger Echtheit neu erstehen lassen und die Säle und Zellen zu einem Museum verwandelt, das uns die Kultur und Kunst, die einst hier und in anderen Benediktinerabteien gepflegt ward, ganz unmittelbar zur Anschauung bringt. Er konnte dies um so leichter, als die eigentliche Blütezeit des St. Georgenklosters doch nicht in jene frühen Jahrhunderte fällt, in denen z. B. die St. Galler Abtei für das deutsche Kulturleben so bedeutsam war und deren Dokumente jetzt so selten sind. Unser Kloster, das als solches bis in die Zeiten der Reformation bestanden hat, erlebte vielmehr gerade kurz vor seinem Ende die glanzvollste Zeit seiner Entwicklung, also in einer Epoche, da die Pflege der Kunst in Deutschland sich eines allgemeinen Aufschwungs erfreute.
Sein letzter Abt von Bedeutung, David von Winkelsheim († 1525), der im Alter dem Siege von Zwinglis Ideen sich beugen mußte, war ein kunstbegeisterter Mann von tiefer künstlerischer Veranlagung. Er verstand es, „die Gegensätze der alternden Gotik und der jugendfrisch aufblühenden Renaissance in seinem Geist harmonisch zu versöhnen“, und dieser Ausgleich ist dem Aeußeren und Inneren des Klosters herrlich zu gute gekommen; befindet sich doch in diesem kaum ein Raum, den Abt Winkelsheim nicht umgebaut und mit künstlerischem Ausschmuck verschönert hätte.
Als das Gebäude dann seine kirchliche Bestimmung einbüßte, ging es zwar allmählich dieser Schätze verlustig, aber sie fanden in der Nachbarschaft die neuen Besitzer. So konnte sich Professor Vetter bei der Ausführung seiner Idee, die im vorigen Jahr zunächst als „Jubiläums-Ausstellung“ ins Leben trat, der Unterstützung Vieler erfreuen, die aus staatlichen und privaten Sammlungen Geräte, Dokumente und Kunstwerke für den schönen Zweck beisteuerten.
Und welche Wandlung fand dann der Kunstfreund durch diese Wiederbelebung bewirkt! Da ist nichts zu verspüren vom Moderduft des Mittelalters; der alte Ausschmuck von Decken und Wänden steht in Uebereinstimmung mit dem stilvollen Hausrat; lichter, heller Sonnenschein dringt durch die epheuumrankten, mit leuchtenden Glasgemälden geschmückten Fenster, und fällt unser Blick hin und wieder hinaus, so vereint sich mit der Freude an dem künstlerischen Schaffen im Innern ein nicht minder hoher Genuß an schönen Bildern der Natur.
Gleich im Eingangsraume, einem etwas engen, aber mit freundlicher Fensternische ausgestatteten Gemache, werden wir durch drei Stiftungs- resp. Versetzungsurkunden aus den Jahren 994, 1005 und 1007 in die Gründungszeit des Klosters geführt, während uns eine moderne Federzeichnung von Professor Gagg in Konstanz das tägliche Leben der Mönche im Bilde darzustellen sucht. Die Urkunde aus dem Jahre 1005 ist freilich nicht echt und [658] erst nachträglich entstanden, aber es ist interessant, wie die Phantasie der guten Ordensleute ihre eigene Sehnsucht nach einem milderen Klima hinter den Willen des kaiserlichen Schutzherrn zu verstecken weiß. „Kaiser Heinrich II.,“ heißt es dort, „versetzte das Kloster hierher an das Gestade des Rheins, an den Ort Staine genannt, damit hinfüro die Diener Gottes der gewünschten Bequemlichkeit eines besser gelegenen Ortes teilhaftig würden.“
Aber die frommen Brüder waren, wie uns die erwähnte Federzeichnung lehrt, keineswegs müßig hinter ihren Klostermauern. Hier wird eifrig mit Hacke und Spaten hantiert, auf daß
„Kräftig sproß im jungen Garten
Akelei und Ros’ und Quendel...“,
dort finden wir David von Winkelsheim in einsamer Klause in seine künstlerischen Studien vertieft, während andere Mönche der Musik, des Studiums der Klassiker oder edler Geselligkeit sich freuen. Denn auch die Freuden dieser Welt waren, wie aus der Zeit des letzten Abtes historisch nachgewiesen ist, durchaus nicht aus dem Kloster verbannt. Vom Ernst des Lebens wieder spricht der Trauerzug der Mönche, die den entschlafenen Bruder zur letzten Ruhe in den Kreuzgang geleiten.
Durch derartige Bilder in eine echte Klosterstimmung versetzt, suchen wir uns nun in den einzelnen Räumen mit ihrer interessanten Ausstattung heimisch zu machen. Treten wir zunächst in die „Kapelle des Abtes David“. Der Raum ist eng und fast düster, und ich weiß nicht, ob sich hier das Herz so leicht zu seinem Gott erheben ließ; aber es mag ja gerade dieses dämmerige Zwielicht frommer Mönchsbetrachtung gedeihlich gewesen sein. Unkünstlerisch ist es keineswegs, wird es doch in erster Linie hervorgerufen durch jenen Zweig künstlerischen Betriebes, der dem Mittelalter seine höchste Ausbildung und Blüte verdankt: durch die edle Kunst der Glasmalerei. Es haben sich nämlich in unserm Stein am Rhein, wo die Glasmalerei nachweisbar zuerst im Kloster aufgetreten ist, zahlreiche und oft ganz einzigartige Denkmäler dieser Kunst aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts erhalten; sie bilden für gewöhnlich die Hauptzierde der auf dem dortigen Rathause geborgenen Kunstschätze und wurden Herrn Professor Vetter zum Zwecke der Ausstellung zeitweilig überlassen. Hierbei soll die schöne schweizerische Sitte der Fenster- und Wappenschenkung nicht unerwähnt bleiben. Hatte nämlich so ein baulustiger Schweizermann des Mittelalters sich ein neues Heim gegründet, so verstand es sich ganz von selbst, daß ihm seine Freunde zu dessen Ausschmückung eine Reihe oft höchst wertvoller Glasgemälde zukommen ließen.
Das war eine Ehrengabe, die niemals ihren Reiz verlor. So ließ sich auch David von Winkelsheim, nachdem er in den Jahren 1515 und 1516 die Ausschmückung seines später zu besprechenden sog. „Gemälde- oder Festsaales“ vollendet hatte, nach jener schönen Sitte eine bedeutende Anzahl von gemalten Scheiben in sein Kloster stiften. Und erst als im Jahre 1542 in Steins schönster Blütezeit das Rathaus errichtet war, da gingen ihm von allen Seiten die herrlichsten Glasbilder als Geschenke zu! Basel, Bern, Zürich, Schaffhausen, ja fast jeder bedeutendere Ort des Schweizerlandes hat seinen Ehrenbeitrag geleistet. Diese Gemälde, zum größten Teile heute noch vorhanden, gingen fast ausnahmslos aus der Hand Karl von Aegeris, des größten schweizerischen Glasmalers des 16. Jahrhunderts, hervor; ihr Kunstwert ist ein sehr bedeutender und die Leuchtkraft ihrer Farben von mächtigem Zauber. Uebrigens wurde in alter wie in neuer Zeit auch in Stein selbst die Kunst der Glasmalerei von Einheimischen betrieben. In Abt Davids Kapelle nun, die mit allerlei mittelalterlichen und modernen Kirchengeräten, Chorstühlen, Lesepulten, Traglaternen etc. (meistens aus dem 15. Jahrhundert stammend) ausgestattet ist, finden sich vier solcher Glasgemälde. – Mit Gemälden und reichen Schnitzereien sind das Speisezimmer und das Hadwigzimmer reich geschmückt. Das letztere, offenbar für den jetzigen Besitzer eine erinnerungsreiche Stätte, trägt eine stolz klingende Friesinschrift des schwäbischen Dichters Fr. Th. Vischer:
„Fuß über Grüften, fest auf dem Festen,
Haupt in den Lüften: so ist’s am besten!“
Im oberen Stockwerke aber treten wir in das eigentliche rheinische Schatzkästlein Herrn Davids von Winkelsheim ein, den „Gemälde- oder Festsaal.“
[659] Vorzüglich erhaltene Wandgemälde aus dem Jahre 1516 stellen mit künstlerischer Naivetät antike Vorgänge im Kostüm der damaligen Zeit dar. „Völlig im Geiste des Humanismus,“ führt Prof. Vetter in seiner Schrift „Das St. Georgenkloster zu Stein am Rhein“ aus, „sind hier je drei Bilder aus der karthagischen und römischen Geschichte zu einem historischen Parallelcyklus verbunden, wie das Mittelalter dergleichen aus dem Alten und Neuen Testamente zusammenzustellen liebte. Die Gründung Karthagos und Roms, der Schwur Hannibals und Scipios, die Eroberung von Sagunt und Karthago sind als malerische Vorwürfe behandelt. Ein weiterer Cyklus, aus Einzelfiguren bestehend, führt eine Reihe von Helden und Heldinnen Roms, Griechenlands und des Orients vor; als Gegenstück zu den Geschichtsbildern ist eine große Volksscene aus der Gegenwart, die dem Abte wohl als Jugenderinnerung vertraute Zurzacher Messe, aufzufassen, welcher als Uebergang zwei Bilder des Todes und des üppigen Lebens voranstehen; ein kapellenartiger Erker, der gleichfalls die Aussicht nach dem Rheine eröffnet, ist den Gründern und Heiligen des Klosters gewidmet. Das ist offenbar die Welt, in welcher Abt David lebte! Seinen Geist erfüllten neben den alten religiösen vor allem die neuen wissenschaftlichen und künstlerischen Ideale.“
Unsere obige Abbildung zeigt nebeneinander die Gründung Roms (Streit zwischen Romulus und Remus), den Schwur Scipios, die Eroberung von Sagunt.
So befinden wir uns in dem Festsaale in einem echten Künstlerheime, welches nun zum Zwecke der Ausstellung mit gotischen und Renaissancemöbeln, mit Tischen, Truhen, Schränken, Büchern und allerlei Kleingeräten eine ebenso sorgfältig ausgesuchte wie kostbare Ausstattung erfuhr. Dazu zieren wahre Prachtexemplare von alten Glasgemälden die Fenster. Eine von Putten gehaltene Tafel über dem Haupteingang dürfte mit ihrem Zeichen T. S. 1516 auf den Maler der alten Bilder hinweisen.
Und aus dem prunkenden Saale geleitet uns der Pförtner in ein schlichtes Kämmerlein. Blumen ranken am Fenster empor, die Herbstsonne lacht so freundlich herein, und aus den Augen des guten Alten mit seinen Silberhaaren leuchtet auf einmal ein ganz feierlicher Zug von Glück und innerlichem Stolze. „Nun seh’n Sie, Herr,“ beginnt er mit seiner milden Stimme, „hier darf ich wohnen: der Hausrat will zwar nichts bedeuten, aber, Herr, der Ulrich Zwingli hat einst hier gewohnt!“ Ja – „die Stätte, die ein guter Mensch betrat, ist eingeweiht“. Der schweizerische Reformator, der einst mitten unter seinem freien, wehrhaften Volke im Getümmel der Schlacht für seine innere Ueberzeugung eintrat, war übrigens mehrmals in Stein am Rhein. Im Jahre 1521 besuchte er das Kloster, vom Abte David noch freundlich willkommen geheißen, während er 1529 zu Stein predigend der neuen Lehre nachhaltigen Eingang zu verschaffen bestrebt war. Das laut dem Katalog von ihm bewohnte Zimmer ist indes nicht mit altem, sondern mit modernem Pförtnerhausrat ausgestattet, „der nichts bedeuten will“.
Viel bedeuten dagegen will die Einrichtung des nächsten Gelasses, der „Wohnstube des Abtes David“, nach den alten Freiheitsbriefen, oder auch vom Asylrecht des Klosters, von den Steinern nur „Freiheitsstube“ genannt. Mit reichem Schnitzwerk geziert sind Wand und Decke, zwei Nischen laden zu behaglicher Ruhe und rufen den Eindruck einer anheimelnden Häuslichkeit hervor. Hier ließ sich ohne Zweifel gemütlich hausen, und schenken wir den reichgeschnitzten Buffets mit ihren Schüsseln, Kannen, Platten, Zinntellern, Schalen, Dosen, Brotkörbchen, kurz dem mannigfachen Tisch- und Küchengeräte unsere Aufmerksamkeit, so glauben wir eher in einem einladenden „Speisesalon“ als in einem äbtlichen Wohngemache zu verweilen. Es braucht nur Bruder Küchenmeister mit den Erzeugnissen seiner Kunst zu erscheinen, und spendet dazu noch der Klosterkeller vom echten „roten Steiner“, [662] der ja an den Abhängen des „Hohenklingen“ mit so ganz eigenartiger Würze gedeiht, so sind die Freuden der Mahlzeit köstlich vorbereitet. An Wildbret hat es in den Forsten dort auch keinen Mangel, kommt noch die stumme Brut der Fische hinzu, die Blaufelchen und schönen Seeforellen, die Rhein und Bodensee in zahllosen Scharen beleben, so giebt das ein Bild, wie Meister Grützner sich kein verlockenderes zum Malen denken kann.
Indes zurück zur ernsten Betrachtung! Da führt uns der Rundgang in die stattliche alte Waffensammlung von Stein, die sonst einen Saal des Rathauses ziert und zum Klosterfrieden nicht recht stimmen will. Aber Abt David war auch bei aller Kunstbegeisterung ein gewandter und energischer Herr, der, körperlichen Uebungen keineswegs abhold, gern an der Spitze seiner jungen Mönche auszog, um einen Sumpf in urbares Land zu verwandeln und ähnliche praktische Kulturarbeit zu verrichten, der auch einen frevelnden Fischer auf dem Rheine überfiel, beim Kopfe nahm, als Gefangenen ins Schiff warf und entführte. Zudem bestieg er, wie Vetter berichtet, den Abtsstuhl in der alten Rheinstadt zu einer Zeit, da nicht nur draußen im Hegau zu Füßen der einstigen Herzogsburg Hohentwiel, sondern auch rings um die grauen Klostermauern selbst der wildeste Waffenlärm tobte. Dabei handelte es sich keineswegs um „Späne“, die unser Kloster nicht berührten; oft genug hatten seine Leute mit den Waffen in der Hand für die Sicherheit ihrer Besitzungen einzutreten.
Keine der Künste ist im Kloster leer ausgegangen; Architektur, Skulptur und Malerei, Musik wie Poesie haben in den engen Zellen einst ihre Pflege gefunden und im Bunde mit der Wissenschaft jenen Boden vorbereitet, der unserer heutigen Kulturentwicklung unerläßlich war. Da vertiefte sich in der ersten, der Architektenzelle, Bruder Fridunant in die Gesetze der Baukunst; allerlei Baupläne und Reliefs, ein Grundriß des Klosters sind Spuren seiner Thätigkeit. Des Klosters Bildhauer war Bruder Georgius. In seiner Zelle treten uns Werke der Holzskulptur aus dem 16. bis 18. Jahrhundert entgegen; Gotik wie Renaissance und Rokokozeit haben ihre Tribute geliefert. Beim Bruder Hartmut hat die Malerei, die Zeichenkunst und Stickerei ihr Heim aufgeschlagen. Die Malerei tritt hier freilich weder in leuchtendem Kolorit noch selbständig auf. Welch untergeordnete Stellung ihr als Tafelmalerei (von der Wand und Glasmalerei haben wir schon ausführlich gesprochen) in den Klöstern angewiesen war, läßt sich sehr wohl in dieser Mönchszelle erkennen. Die Aufgabe der Malerei besteht hier fast lediglich darin, den mittelalterlichen Schnitzwerken in Holz durch die Polychromie die Strenge ihrer Form zu nehmen und sie durch den Schmelz der Farbe zu mildern. Daß ein energisches Himmelblau im Bunde mit kräftigem Rot die herrschende Rolle dabei spielt, ist allgemein bekannt. Aufrichtig bedauert haben wir, daß uns für die schönen Frauenklosterarbeiten, Seidenstickereien auf Pergament, gewebte Kleider, Häckelarbeiten, kurz die mannigfachsten Erzeugnisse weiblicher Kunstfertigkeit, die sich hier und in der nächsten Zelle beim Bruder Kleinkünstler finden, das richtige Verständnis abging. Frauenaugen hätten hierauf sicherlich mit Entzücken verweilt.
Auch die Musik hat in den Klosterhallen ihre Pflege gefunden: davon zeugt Bruder Martins Zelle. Angeheimelt fühlten wir uns in dem traulichen, mit den Symbolen der Musik durch Malerei charakteristisch ausgeschmückten idyllischen Raume, der ausgestattet ist mit Musikinstrumenten aus alter Zeit, zu denen sich die sonstige moderne, allerdings alten Originalen abgelauschte Zimmereinrichtung nicht ganz „stilgemäß“ reimen will.
In den ganzen Hokuspokus der Alchimistenzunft läßt uns die Zelle Bruder Faustus’, des Alchimisten, blicken. Es war eine originelle Idee, ein solch „verfluchtes, dumpfes Mauerloch“ ausstellungshalber mit dem ganzen Apparat der alten Goldmacherleute auszurüsten.
Wohnlicher sieht es in der daran stoßenden „Bürgerstube“ aus, wo der Sage nach einst Herr Isaak, der Schulmeister, gehaust haben soll. Hier fallen uns auch hübsche Trachtenbilder ins Auge. Silberne und wollene Hauben, gestickte Herrenröcke, gesteppte Seidenkleider, altertümlicher Goldschmuck mit Smaragden und blauem Email zeigen uns nebst mannigfachen anderen Schmuck- und Kleidungsgegenständen, woran man in Jürg Jenatsch’ Landen einst seine Freude hatte.
So haben wir in genußreichen Stunden unsern Rundgang durch diese Stätten beschaulich stiller Geistesthätigkeit beendet und werfen nur noch einen kurzen Blick in die geräumige, gegenwärtig reich ausgestattete Halle, wo auch die Erholung und Erquickung zu ihrem Rechte kam, ins Refektorium. Zahlreiche Weinkannen aus Zinn, Pokale, Bierkrüge, Teller und Platten stehen auf den schön gedeckten Tischen umher. Im Weggehen durchschreiten wir noch den gotischen Kreuzgang, der den Klostergarten im Viereck umgiebt. Hier erging sich einst, über schöne Pläne sinnend, ein David von Winkelsheim, hier tummelte sich der Klosterschüler frohe Schar im Spiele, hier auch schläft so mancher Tote vom St. Georgenkloster den ewigen Schlaf.
Der Erfolg der Klosterausstellung im vorigen Jahre, wie wir sie im Vorstehenden geschildert haben, hat den Besitzer zu dem Entschluß geführt, ihr einen dauernden Charakter zu geben. Eine Anzahl der geliehenen Kunstgegenstände ist mit dem Einverständnisse ihrer Eigentümer weiterhin im Kloster verblieben und die mit dem 9. August dieses Jahres eröffnete zweite Ausstellung, die bis Mitte Oktober währen soll, enthält namentlich an alten schönen Möbeln und Stickereien manches, in dessen Schmuck die alten Räume erst recht ihren stimmungsvollen Zauber ausüben. Die moderne Malerei ist durch verschiedene Genrebilder aus dem Mönchsleben vertreten, deren hauptsächlichste von Leuenberger und Linderum stammen. Im Vorhof zur Prälatur hat C. W. Allers die Mauerwand mit einem Gemälde geschmückt, das in beziehungsreicher Symbolik den Gästen Willkommen bietet.