Das Klettern der Fliegen

Textdaten
<<< >>>
Autor: –i.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Das Klettern der Fliegen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 255
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[255] Das Klettern der Fliegen. Es giebt in der Natur eine große Zahl einfachster Erscheinungen, die wir tagtäglich sehen und deren Deutung doch ungemein schwierig ist. So blieb auch die Kunstfertigkeit, mit welcher die Fliegen und andere Insekten an senkrechten glatten Wänden auf und ab laufen können, lange Zeit ein undurchdringliches Geheimniß. Aber auch der gymnastischen Tausendkünstlerin, die selbst über die Decke zu laufen versteht, ist man endlich auf die Spur gekommen. Anfangs, da man gefunden hatte, daß die Füße der Thierchen mit zahllosen Härchen besetzt sind, nahm man an, daß die Haare in die Poren der Wände eindringen und so das Festhaften der Insekten ermöglichen. Das war aber eine unglückliche Erklärung, denn die Fliegen laufen auch auf Glasflächen, die bekanntlich keine Poren besitzen. Dann hatte man eine recht tiefsinnige Theorie aufgestellt, nach der die Fliegen den mittleren Theil ihrer Fußsohle nach dem Aufsetzen heben und auf diese Weise einen luftleeren Raum erzeugen sollten; nun konnten sie an den Wänden hängen, wie ein kleines Fläschchen, aus dem wir die Luft ausgesogen, an unserer Lippe oder Zunge hängen bleibt. Auch das war weiter nichts als graue Theorie, denn das Mikroskop belehrte uns, daß den Fliegenfüßen die zu dieser Manipulation nöthigen Muskeln gänzlich fehlen. Das Geheimniß der Kletterkunst der Fliege blieb also ungelöst und das reizte die Forscher zu neuen Untersuchungen an.

Man fand nun, daß die Fliegenfüße eine Flüssigkeit absondern, deren Spuren sich auf Glasflächen etc. nachweisen lassen, und nahm an, daß dies ein Klebestoff sei, der schnell fest werde und die Fliegen festhalte. Aber auch diese Erklärung gefiel den Gelehrten nicht, denn so scharfsinnig sie war, es fanden sich Scharfsinnigere, welche mit Recht einwarfen, daß eine Fliege, die längere Zeit an einem Orte sitzt, schließlich festkleben müßte, während sie sich doch in Wirklichkeit mit der größten Leichtigkeit zu jeder Zeit weiterbewegen kann. Endlich stellte man die neueste und plausibelste Theorie auf. Danach sollen die Füße unserer Fliegen nur ein wenig flüssiges Fett absondern, das die Härchen der Füße benetzt und, wenn es mit den glatten Wänden in Berührung kommt, vollständig genügt, um das Herabfallen des Insektes zu verhüten. Man wies die Richtigkeit dieser Behauptung mit Zahlen nach. Man sah nämlich, daß Haare von 16 Centimeter Länge mittelst eines Oeltröpfchens, das nicht größer war, als der Haardurchmesser, an einer Glasplatte haften blieben. Nun sind aber die Fliegenfüße mit Haaren sehr reich gesegnet, denn an der Unterseite eines jeden der sechs Füße befinden sich nicht weniger als 1600 bis 2000 Härchen, und diese vermögen mit ein bischen Oel getränkt wohl eine Fliege an der glattesten Wand zu halten, da sie im Durchschnitt nur 45 Milligramm wiegt. Jetzt erklärt es sich auch, warum die Fliege auf angehauchter Glasfläche nicht gut laufen kann. Das Fett ihrer Füße mischt sich nicht mit den Wassertröpfchen des Hauches, kann also an dem Glase nicht haften, sodaß die Fliege in Folge dessen herunterfallen muß. Aus demselben Grunde bewegt sich die Fliege höchst ungeschickt auf bestäubten Flächen. Die Zwischenräume zwischen den Härchen füllen sich nämlich mit Staub, der die Wirkung der abgesonderten öligen Flüssigkeit paralysirt. Aber diesem Uebelstande weiß die Fliege abzuhelfen, denn sie trägt ihre Staubbürste mit sich. Sie hebt dann ihre Füße in die Höhe und reibt sie tüchtig an den mit rauhen Haaren besetzten Flügeln ab. In kurzer Zeit sind sie gereinigt, und die Fliege kann wieder prächtig laufen. Die meisten Menschen denken, die Insekten putzten sich dabei ihre Flügel – nun, wenn die Fliegen das wüßten, würden sie Manchen ob seiner Weisheit auslachen. –i.