Das Jubiläum der Steindruckerei

Textdaten
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Autor: E. G.
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Titel: Das Jubiläum der Steindruckerei
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aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 307
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[307] Das Jubiläum der Steindruckerei. Im Jahre 1796 stellte Alois Senefelder, der Erfinder der Lithographie oder chemischen Steindruckerei, die ersten Abdrücke von hochgeätzten Steinen her. Damit trat die Steindruckkunst zum erstenmal in den Dienst der Menschheit, und wir begehen demnach im laufenden Jahre die Feier ihres hundertjährigen Bestehens. Diese Feier fand bereits im vorigen Jahre einen würdigen, wenn auch etwas verfrühten Ausdruck in der großangelegten Lithographischen Ausstellung zu Paris, die von allen Ländern beschickt war und neben den Anfängen der Steindruckerei auch bewundernswerte Leistungen der heutigen Lithographie zur Auschauung brachte.

Der Steindruck ist ebenso wie der Buchdruck eine deutsche Erfindung. Ueber ihre Geschichte sowie die wechselvollen Lebensschicksale des Erfinders berichtete schon der Artikel „Alois Senefelder und die Steindruckerei“ im Jahrgang 1892 der „Gartenlaube“. Wie viele andere Bahnbrecher, so hatte auch Senefelder mit kleinlicher Geldnot und anderen Widerwärtigkeiten zu kämpfen; sein Leben war ein beständiges, aufreibendes Ringen, das erst der Verwirklichung seiner genialen Gedanken und dann der aufgezwungenen Verteidigung seiner Erfinderrechte galt. Die Zahl seiner Erfindungen reicht über das Gebiet des Steindrucks hinaus, sie umfaßt noch einige Verfahren des Kattundruckes und des Mosaikdruckes, obwohl die Lithographie die größte seiner Schöpfungen ist, die ihm einen wohlverdienten Platz neben Gutenberg sichert.

Senefelder erfand die Lithographie in ihrem vollen Umfange; nur einige Verfahren, wie die Photolithographie, ferner den Bau vollkommener Hand- und Schnellpressen, fügte die neuere Technik hinzu. Seine erste Erfindung war das Hochätzverfahren auf Stein, mit welchem er 1796 die ersten Drucke erzeugte, hauptsächlich Noten- und Musikaliendrucke. Diese Erstlingsdrucke Senefelders gehören heute zu den Seltenheiten, sie sind fast nur noch in Privatsammlungen und Museen vorhanden. Eine Sammlung der ältesten Drucke besitzt das Museum zu München, bekanntlich diejenige Stadt, welche die Ehre hat, die Geburtsstätte der Senefelderschen Erfindung und damit auch die erste Pflegestätte der Steindruckkunst zu sein. Von München aus verbreitete sich die Lithographie nach Stuttgart, Leipzig, Offenbach und anderen deutschen Städten, sowie später auch in das Ausland.

Die Lithographie hat ihre größten Erfolge auf dem Gebiete der Vervielfältigung von Zeichnungen und farbigen Bildern erzielt, sie war Jahrzehnte hindurch die hervorragendste nachbildende Kunst und nimmt als solche noch heute eine herrschende Stellung unter den graphischen Künsten ein. Zu dieser Stellung konnte sie allerdings erst gelangen, nachdem Senefelder seine Erfindung über das zuerst erfundene Hochätzverfahren hinaus erweiterte und das eigentliche chemische Steindruckverfahren erfand, welches heute in den lithographischen Anstalten gepflegt wird. Dieses chemische Druckverfahren ist bedeutend einfacher als das alte Hochätzverfahren, es gestattet die Wiedergabe der zartesten Zeichnung und ist daher vorzüglich zur bildlichen Vervielfältigung geeignet. Die Erfindung desselben vollendete Senefelder im Jahre 1799, worauf die Lithographie begann, ihren tief einschneidenden Einfluß geltend zu machen und eine vollständige Umwälzung auf dem Gebiete der vervielfältigenden Kunst hervorzubringen.

Bis dahin hatte man nur den Holzschnitt und Kupferstich gekannt. Der Holzschnitt war von den Künstlern vernachlässigt und zum handwerksmäßigen Wert heruntergesunken, der Kupferstich war zu kostspielig, um als allgemeines Illustrationsverfahren zu dienen. Als daher Senefelder mit seiner Erfindung der Lithographie an die Oeffentlichkeit trat, füllte diese thatsächlich eine Lücke aus und fand ein reiches Gebiet lohnender Thätigkeit. Vom Notendruck ging Senefelder dazu über, Kupferstiche auf den Stein umzudrucken und dieselben in Tausenden von Abdrücken zu vervielfältigen. Diese Abdrücke wurden für wenige Pfennige in den Handel gebracht und dadurch dem Volke billige und doch künstlerische Bilder geboten. Hierauf ließ Senefelder durch Künstler Federzeichnungen lithographieren, die er vervielfältigte. Ferner erfand er die lithographische Kreidemanier, welche sich besonders auch zur Vervielfältigung von Porträts eignete. Dann führte er die Graviermanier ein, welche den Wettbewerb mit dem Kupferstiche gestattete. Endlich übte er den Tondruck aus, und auf diesen folgte der Vielfarbendruck, mit dessen Hilfe sich schon Senefelder anheischig machte, jedes Oelgemälde täuschend nachzuahmen.

Die Dienste, welche die Lithographie der Kunst, Wissenschaft und Industrie leistete, sind ganz unermeßlich. Sie brachte nicht nur einen vollständigen Umschwung auf dem Gebiete der nachbildenden Künste hervor, sondern sie war auch eine treue Gehilfin auf vielen anderen Gebieten des menschlichen Fortschrittes. Der Wissenschaft diente sie zur Herstellung belehrender Bildertafeln aller Art, ferner zur Vervielfältigung von Landkarten; der Industrie lieferte sie Drucksachen, Abziehbilder zur Verzierung der verschiedensten Gegenstände, und die neuere Blechindustrie benutzt den Steindruck selbst zur farbigen Verzierung von Blechschachteln und zur Herstellung von Blechplakaten. Die Vielfarben-Lithographie erzeugt jährlich Hunderttausende von Chromobildern, von der einfachen Gratulationskarte an bis zum kunstvollen Plakat-, Aquarell- und Oelbilddruck. Wenn man von Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks sagt, daß sie wesentlich zur Verbreitung der Wissenschaft und Litteratur beitrug, so kann man von Senefelders Erfindung der Lithographie sagen, daß sie ähnlich beitrug zur Vervolkstümlichung der zeichnenden und malenden Kunst. Die Lithographie kann daher mit Recht als eine der wichtigsten Erfindungen bezeichnet werden. E. G.