Textdaten
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Titel: Das Insecten-Vivarium
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 325–326
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Das Insecten-Vivarium.

„Der Ocean auf dem Tische“ oder das Marine-Aquarium, das in der Gartenlaube mehrmals zur Sprache kam, hat viele Freunde in Deutschland gefunden. Es liefen ganze Dutzende von Briefen theils an die Redaction, theils an den Verfasser ein, in welchen der Wunsch ausgesprochen ward, sich solche englische Marine-Aquarien anzuschaffen. Aber alle diese frommen Vorsätze scheiterten an der Schwierigkeit und Kostspieligkeit der Anschaffung und Uebersendung. Aus dieser Verlegenheit rettete der in der Gartenlaube gemachte Vorschlag, Süßwasser-Aquarien aus heimischen Wässern und Mitteln anzulegen. Jedem ist leicht ein Fluß, Teich oder Graben zugänglich, und wer Glück und einen Glaser hat, wird wenig Schwierigkeiten finden, sich einen kleinen Krystallpalast mit einem Stückchen Fluß oder Teich unten anzuschaffen. Das nöthige entomologische Gekrieche und Gewimmel hinein kann an einem einzigen schönen Junimorgen zusammengekrebst werden. Zwar ersetzt ein solches Süßwasser-Aquarium die zoophytischen, thierpflanzlichen Wunder der Meerestiefe nicht, aber wo man die Natur auch packe, überall ist sie interessant und gibt dem Menschen etwas zu rathen, sich zu wundern und alle Margen über irgend eine neue Offenbarung, List oder Laune zu freuen.

Das Insecten-Vivarium.

Und wer mit diesem süßen Surrogate des salzig-englischen nicht zufrieden ist, dem können wir jetzt ein anderes, ganz funkelnagelneues von England her bieten, das vielleicht noch interessanter und leichter anzuschaffen und zu halten sein wird, das „Butter-fliegen-Vivarium“, wie’s die Engländer nennen. Unter Butterfliege – Butterfly – verstehen sie nämlich den Schmetterling. Es handelt sich also um einen Schmetterlings-Krystall- Palast in der Stube mit allerhand fliegendem und kriechendem, buntem und goldenem Leben. So ein Krystall-Palast voller Raupen, Chrysaliden und daraus hervorplatzender, entomologischer persischer Prinzen oder geflügelter Psychen – Sinnbildern der Unsterblichkeit – ist ein ganz anderer Genuß und eine viel reichere Zimmerdecoration, als die an Stecknadeln gespießten, unter Glas und Rahmen aufgehangenen Schmetterlingsleichen. Wie wir aus der Abbildung eines Humphreys’schen Schmetterlings-Vivariums ersehen, zerfällt es in zwei Theile, eine wässerige Unter- und Wurzel-, und eine luftige Ober- und Blumenwelt voll bunten Lebens. Es ist also eine höhere Auflage des Süßwasser-Aquariums. Unten mögen die kleinen Wesen wohnen, denen das Wasser die Luft ersetzt, auch eine Menge kleine amphibische Curiositäten. Den oberen Theil richtet man für Raupen, Chrysaliden und Schmetterlinge ein, die bekanntlich oft als Chrysaliden im Wasser wohnen und sich erst in die Oberwelt begeben, wenn sie sich reif fühlen, in den Himmel zu fahren und einen neuen Adam anzuziehen. Wer denkt nicht gern an die graziöse Wasser-Libelle, diesen lustigen, beschwingten entomologischen Leichtsinn? Sie war kurz vorher eine ekelhafte, unersättlich gefräßige Made des Wassersumpfes. Solche Wandelungen und Auferstehungen tatsächlich in allen ihren Stadien zu beobachten, ist [326] ein Naturstudium, das vor lauter Freuden, die es bietet, aufhört, eine Anstrengung zu sein.

Im Allgemeinen weiß zwar Jeder, daß Gewürm, Raupen und Schmetterlinge nicht mehr gehext und gezaubert werden, sondern ganz natürlich aus ordentlich gelegten und ausgebrüteten Eiern auskriechen, furchtbar fressen, dann den Appetit verlieren, sich in Selbstvergessenheit zurückziehen, erstarren und scheintodt hängen bleiben, bis ihnen die Sonne den Pelz sprengt und bunte Schmetterlinge daraus hervorflattern. Aber wie hängen Larven, Raupen und Schmetterlinge zusammen? Wie sah dieser und jener Tages-, Nacht- und Dämmerungsfalter als Raupe aus? Wie wird die Chrysalide als Schmetterling aussehen? Zur Beobachtung und Sicherung der Identitäten der verschiedenen Gattungen und Arten in ihren verschiedenen Wandelungen gibt es nichts Besseres und Anmuthigeres als ein solches Insecten-Vivarium im Zimmer. Daß man es außerdem mit den schönsten Wasser- und Sumpfpflanzen, Käfern und unzähligen kleinen Geschöpfchen, die in, auf und an dem Wasser leben, bevölkern kann, versteht sich von selbst. Ueberhaupt liegt hier die Combination eines Treibhauses für Sumpf- und Wasserpflanzen, die viel schöner sind, als man im Allgemeinen glaubt, eines Süßwasser- und Insecten-Aquariums und Vivariums sehr nahe. Es gibt Engländer, die oben noch Aviarien oder Vögel-Asyle angebracht haben, so daß man Alles, was die Natur im Kleinen Schönes, Interessantes und Wunderbares bietet, in einem solchen lebendigen Naturalien-Cabinet-Krystall-Palaste am Fenster vereinigen kann.

Was das Glashaus für die Insecten betrifft, so kann man natürlich damit den größten Luxus treiben und es aus großen Spiegelscheiben kostbar und prächtig formen und fügen lassen. Aber auch kleine gewöhnliche Fensterscheiben, wenn nur unten gehörig wasserdicht gefügt und mit Löchern für Abzapfung abgestandenen Wassers versehen und oben für gute Ventilation eingerichtet, thun ihre Dienste, so daß man im Wesentlichen für ein paar Thaler dieselben Freuden und Genüsse ermöglichen kann, wofür ein Anderer doppelt so viel Fünfthalerscheine oder Louisd’or ausgegeben haben mag. Die Humphreys’schen Insecten-Vivarien sind bis jetzt in drei Größen vorräthig: drei Fuß lang, zwei Fuß sechs Zoll hoch und ein Fuß sechs Zoll breit – von Spiegelglasscheiben à vier Pfund; zwei Fuß sechs Zoll lang, zwei Fuß hoch und ein Fuß vier Zoll breit à drei Pfund zehn Schillinge, und zwei Fuß zwei Zoll lang, zwei Fuß hoch und ein Fuß vier Zoll breit à drei Pfund. Dies sollen die passendsten Größen sein. Kleinere Räume beengen die Bewohner und gewähren nicht genug Luft und Bewegungs-Terrain. Gewöhnliche und aus kleineren Scheiben zusammengesetzte Glaswände erlauben natürlich schon für einige Thaler ein Haus für die kriechende und fliegende Entomologie und die dazu gehörige Vegetation.

Was für Pflanzen und Käfer und Raupen und Schmetterlinge u. s. w. am Besten zusammenpassen, was hier nöthig, nützlich, schädllch ist oder im Interesse der Schönheit erlaubt oder wünschenswerth sein mag, über diese Einzelnheiten des Insecten-Vivariums sprechen wir wohl später und geben noch einige erläuternde Illustrationen. Einstweilen bemerken wir nur, daß der berühmte englische Entomolog Noel Humphreys ein prächtig illustrirtes Werk über das Insecten-Vivarium erscheinen ließ,[1] das von William Lay in King-Williamstreet, London, für sieben Schillinge sechs Pence bezogen werden kann.



  1. „The Butterfly-Vivarium or Insect Home“ etc.