Das Harzkornmagazin
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Auf ein 200 jähriges Jubiläum konnte im
Sommer 1922 das Harz-Kornmagazin in
Osterode am Harz zurückblicken. In Anbetracht
seines großen Nutzens für den Oberharz
wollen wir in unserm Heimatkalender dieser ehrwürdigen
Sehenswürdigkeit gern einige Zeilen
widmen. Einfach und doch wuchtig erhebt sich der
67,5 Meter lange und 15,5 Meter breite Riesenspeicher
am Ufer der Söse; es ist, als spräche heute
mehr denn je in eindringender Sprache sein Äußeres
zu uns, seine sieben übereinander liegenden Böden,
welche für 2 Millionen Kilogramm Getreide Platz
bieten, zu füllen, um unbesorgt in die Zukunft
sehen zu können. Erbaut wurde es nach den Projekten
des Berghauptmanns von dem Busche,
welcher auch 1714–1721 den großen Oderteich
herstellen ließ. Das gewaltige Gebäude entstand
in den Jahren 1720–1723 und verursachte den
für die damalige Zeit erheblichen Kostenaufwand
von 91245 Mark. Als einzige Zierde trägt das
Harzkornmagazin in roten Sandstein gehauen das
große englisch-hannoversche Wappen, darunter in
goldenen Lettern die Worte: „Utilitati Hercyniae
exstructum hoc aedificium 1722“ (Zum Nutzen
des Harzes ist dieses Gebäude erbaut im Jahre
1722). Der Wappenspruch im Giebelfelde lautet:
„Nec aspera terrent“ (Auch Widerwärtigkeiten
schrecken nicht), ein alter Wahlspruch der Welfen.
Der Löwe im Wappen zeigt die Gesichtszüge des
Königs Georgs Ⅰ. von England, mit dem Hannover
seit 1714 durch Personalunion verbunden war.
Als besondere Sehenswürdigkeit zeigte man noch
vor einigen Jahrzehnten ein Häuschen Getreide aus
dem 7 jährigen Kriege. Von den drei Harzkornmagazinen
zu Goslar, Herzberg, Osterode hat
letzteres am längsten bestanden; es wurde erst im
Jahre 1911 aufgehoben.
Das Harzkornmagazin war eine Quelle unendlichen Segens für den Oberharz, als noch der gesamte Brotkornbedarf für die bergfiskalischen Belegschaften des hannover-preußischen Harzes auf seinen weiten Böden gelagert wurde. Von hier aus wurden die Roggenbezüge aller Berg- und Hüttenleute zu Vorzugspreisen vermittelt und von Monat zu Monat in den Harz geleitet. Anfangs trugen Harzfrauen in Kiepen das Korn auf die Hochebene, später die sog. Korntreiber. Esel- und Pferdekarawanen brachten das Getreide in Säcken hinauf. Noch heute ist die Erinnerung an die „Freiheiter Eseltreiber“ lebendig. Wagen konnten ja damals auf den schlechten Wegen und steilen Gebirgspfaden nicht verkehren. Erst später kamen die Fuhrleute vom Oberharz, Grund usw. zur Geltung und bildeten oft eine Wagenburg vor dem Magazin. Die Gilde der Sackträger stand damals in hohen Ehren.
Fast schien es, als überall die Eisenbahnen das Land erschlossen, daß das Kornmagazin seinen Zweck erfüllt hätte und jetzt überflüssig geworden wäre. Tot und still lagen seine weiten Räume. Man trug sich schon mit dem Gedanken des Aufhebens, wollte es doch die Regierung ohne Zweck und Ausnutzungsmöglichkeit nicht mehr behalten. Doch da kam der unglückselige Weltkrieg, auf einmal erinnerte man sich wieder des Kornmagazins und ein treuer Bundesgenosse erstand der Stadtverwaltung in Osterode. Es wurde wieder lebendig im Magazin; seine Böden füllten sich mit allen Lebensmitteln, wie Roggen, Weizen, Hafer, in den Kellern große Mengen Kartoffeln, Fässer Heringe und vieles andere, was sonst noch zum Durchhalten benötigt wurde. Doch nach dem Kriege ist es wieder still und stiller geworden, nur die restlichen letzten Zeugen aus der Zwangswirtschaft traten von hier aus die Reise an den Verbraucher an.