Das Geheimnis der Bäume

Textdaten
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Autor: B.
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Titel: Das Geheimnis der Bäume
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 388
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Einritzungen in Bäume
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[388] Das Geheimnis der Bäume. Es geschieht nicht selten, daß man beim Fällen und Zerkleinern von Bäumen im Innern, manchmal einen Fuß und noch tiefer unter der Rinde, auf alte, wohlerhaltene Inschriften oder Zeichen stößt, von deren Vorhandensein die Außenseite des Baumes nicht die geringste Kunde gab. Vielleicht erinnert sich noch einer oder der andere jener Erscheinung eines „Eisernen Kreuzes“, welche 1868 oder 1869 im Stamm eines bei Oberlangenbielau gefällten Ahorns gefunden wurde und in weiteren Kreisen dadurch Aufsehen erregte, daß König Wilhelm von diesem Naturspiel mit Interesse erfuhr. Denn jener Fund ließ ausnahmsweise den Zufall als Erklärung zu, während bei vielen anderen im Innern von Bäumen aufgefundenen Zeichen, wie Totenköpfen, Herzen, ganzen Bildern, Inschriften oder Jahreszahlen, nichts anderes angenommen werden kann, als daß sie vor langer Zeit einmal äußerlich in die Rinde eingeschnitten und dann langsam ins Innere hineingewachsen sind. Diese Erklärung ist auch in der That die richtige, wenn man hinzufügt, daß eigentlich nicht die Inschrift in den Stamm hinein-, sondern letzterer über sie hinauswächst, indem die eingeschnittenen Zeichen eben dort stehen bleiben, wo das Messer sie einschnitt, sich durch Eiterung und Fäulnis schwärzen, aber ihre Form und Größe behalten, während der Stamm Jahr für Jahr einen neuen Holzring über sie deckt und die Rinde sich höher und höher erhebt. Natürlich kann das nur stattfinden, wenn der Einschnitt wirklich durch die Rinde hindurch bis aufs Holz gegangen war. So kann man denn z. B. bei alten Buchen, hundert Jahresringe unter einem großen vom Wachstum fast zur Unkenntlichkeit verzerrten Herzen in der Rinde, das ursprüngliche Bild dieses Herzens, das vor 100 Jahren eingeschnitten wurde, in aller Treue wiederfinden. Wenn anderseits der Baum von rissiger oder allherbstlich abfallender Rinde ist, so wird das Bild an der Oberfläche bald verwischt, und nur im Innern bewahrt der Baum die ihm einst anvertrauten Zeichen getreulich auf, bis sie ein Zufall ans Licht bringt oder Alter, Feuer oder Verrottung das meist recht unschuldige Geheimnis vernichten.

So fand man 1837 bei Kiel in einer der herrlichen Buchen von Düsternbrook, als sie gefällt und zerspalten wurde, die vor 110 Jahren gemachte Inschrift H. A. L. – 1726 vor. Sie wurde von 110 Jahresringen überdeckt, hat also mindestens einen bis anderthalb Fuß unter der Oberfläche gelegen. Im Spätsommer 1895 brachten Holzhacker in Dessau aus einem anderthalb Fuß dicken Rotbuchenstamm die deutliche Zeichnung eines Totenkopfes mit zwei gekreuzten Gebeinen darunter und der Jahreszahl 1850 zum Vorschein. Sie hatte also bereits 45 Jahre überdauert. Ebensoviele Ringe überdeckten die Inschrift, von welcher undeutliche Reste noch auf der Rinde zu erblicken waren. Professor Göppert hat in seinem Buche „Inschriften und Zeichen in lebenden Bäumen“ (Breslau, E. Morgenstern) eine Reihe solcher Funde zusammengestellt, zu denen auch der oben abgebildete von einer 130jährigen, im Jahre 1868 gefällten Buche aus Krummendorf in Schlesien gehört. Die beiden äußeren Figuren zeigen den im Jahre 1840 gemachten Einschnitt auf der äußeren und inneren Seite der Rinde, die mittlere die Zeichen im Holz unter 28 Jahresringen. Auch andere Funde ähnlicher Art, bis ins höchste Altertum zurück, sind gemacht und stets mit Erstaunen, oft als Wunder, betrachtet worden.

Das Geheimnis der Bäume: Inschriften im Buchenstamm.

Aber auch massivere Geheimnisse als bloße Zeichen und Inschriften vermögen die Bäume tief in sich zu verschließen. Ueber Kugeln, Steinen, Ketten und ähnlichen Gegenständen hat sich in unzähligen Fällen Holz und Rinde von Bäumen geschlossen. In der Gegend von Charlottenbrunn wird noch der Stumpf einer Linde, der jetzt längst vom Sturm bezwungenen Friedrichslinde, gezeigt, an welcher mittels einer eingeschlagenen Eisenkrampe das Pferd des Alten Fritz, der 1762 von Leutmannsdorf hier vorbeikam, angebunden war. Der Baum wuchs und wuchs und ließ allmählich die historische Krampe in sich verschwinden, so daß man einen Ring in dieselbe einfügen ließ, um ein sichtbares Zeichen an der Oberfläche zu behalten. Der Baum wuchs weiter und man mußte im Laufe der Jahrzehnte einen Ring dem andern anfügen, da der Stamm sie immer wieder zu überwuchern drohte. So hat diese Linde im Laufe eines Jahrhunderts eine ganze Kette in sich verschwinden lassen. – Zu den verhältnismäßig oft vorkommenden Fällen gehört es auch, daß Pferdeschädel, Hirschgeweihe, welche früher einmal an junge Bäume angenagelt worden sind, mit der Zeit teilweise oder ganz darin verschwinden. John Clarke fand, nach den Akten der Londoner Royal Society vom vorigen Jahrhundert, in Cumberland eine uralte Eiche, deren Holz ein altes Hirschgeweih vollkommen umschlossen hielt. Aehnliche Fälle werden aus den verschiedensten Ländern und Zeiten berichtet. B.