Das Fräulein von Windeck
Hoch auf dem granitnen Thurme
Schaut der Jungfrau Geist zu Thal,
Nicht im Dunkel, nicht im Sturme:
In des Maitags erstem Strahl;
In des Frühlings Blüthenrund,
Ihren Goldpokal kredenzend
Jedem frohen Menschenmund.
„Weil ein Maitag mich entnommen
Lockt es mich herab zu kommen
Mit der frohen Blumenzeit.
Keiner Engel Hymnen schallen,
Keine Palmen lohnen hier,
Meine Rosen blieben mir!“
Sinnend schaut sie in die Tiefen:
„Viele kehrten bei mir ein,
Die mit mir zum Heil entschliefen,
Tranken Jubel sich und Stärke,
Wenn ich mit dem Becher kam,
Lebten nur der Lust, dem Werke,
Ließen keine Zeit dem Gram.
Mit dem alten Grafentrank;
Niemand kommt mehr, ihn zu loben. –
Seyd zu stolz ihr für den Dank,
Für die Freude schon zu weise,
Für ein herzlich Lied zu leise,
Für die Liebe schon zu kalt?
„Fahret hin, ihr Freudenlosen,
Bittet ab euch jede Lust,
Meiner Sänger kleine Brust.
Daß sie nicht vergebens leben,
Nicht umsonst ihr Lied erwacht,
Muß ein Geist vom Himmel schweben,
Huldigen der frommen Pracht.