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Autor: Johann Gottfried Herder
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Titel: Das Flüchtigste
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aus: Zerstreute Blätter (Dritte Sammlung) S. 15–17
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1787
Verlag: Carl Wilhelm Ettinger
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Erscheinungsort: Gotha
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Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
Kurzbeschreibung:
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[15]

          Das Flüchtigste.

     Tadle nicht der Nachtigallen
Bald verhallend süßes Lied;
Sieh wie unter allen, allen
Lebensfreuden, die gefallen,

5
Stets zuerst die Schönste flieht.


     Siehe wie im Tanz der Horen
Lenz und Morgen schnell entweicht;
Wie die Rose, mit Auroren
Zart im Silberthau gebohren,

10
Auch Auroren gleich, erbleicht.


     Siehe, wie im Chor der Triebe
Bald der Zärteste verklingt;
Holdes Mitleid, Wahn der Liebe,
Ach daß er uns ewig bliebe!

15
Aber ach sein Zauber sinkt.


[16]

     Und die Frische dieser Wangen,
Und der Jugend rege Glut
Und die ahnenden[1] Verlangen,
Die am Wink der Hoffnung hangen;

20
Ach ein fliehend, fliehend Gut!


     Selbst die Blüthe unsers Strebens,
Aller Musen schönste Gunst,
Jede höchste Kunst des Lebens,
Freund, du fesselst sie vergebens;

25
Sie entschlüpft, die Zauberkunst.


     Aus dem Meer der Götterfreuden
Ward ein Tröpfchen uns geschenkt,
Ward gemischt mit manchem Leiden,
Leerer Ahnung, falschen Freuden,

30
Ward im Nebelmeer ertränkt;


[17]

     Aber auch im Nebelmeere
Ist der Tropfe Seligkeit;
Einen Augenblick ihn trinken,
Rein ihn trinken und versinken,

35
Ist Genuß der Ewigkeit.
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