Das Fest der tausendsten Locomotive

Textdaten
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Autor: M. R.
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Titel: Das Fest der tausendsten Locomotive
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 541-543
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Das Fest der tausendsten Locomotive.

Es war im Jahre 1837, daß der verstorbene Commerzienrath Borsig, damals ein unbekannter Arbeiter, mit unbedeutenden Mitteln, aber einer seltenen Geisteskraft und einem eisernen Fleiße ausgerüstet, seine Maschinenbauanstalt begründete. Aus derselben ging im Jahre 1841 die erste Locomotive hervor, über deren Vollendung ein ganzes Jahr verstrich. Schon im September 1846 verließ die hundertste die Werkstatt, die fünfhundertste den 25. März 1854, in dem Todesjahre des Begründers. Zugleich wurde 1847 von ihm das große Eisenwerk in Moabit angelegt, welches 1855 bereits 250,000 Centner Schmiedeeisen lieferte. Die sechshundertste Locomotive wurde bei der großen Industrie-Ausstellung in Paris mit dem goldenen Preise geehrt; endlich kam am 21. August dieses Jahres der Tag, wo die tausendste Locomotive aus derselben Werkstatt hervorging.

Der Festzug der tausendsten Locomotive.

Diese Zahlen repräsentiren ein Capital von zwölf Millionen Thalern, das Brod und den Wohlstand von dreitausend Arbeiterfamilien, die Fortschritte der deutschen Industrie, die friedlichen Siege und Eroberungen des schaffenden Menschengeistes. Darum bekam das Fest, welches der Erbe seines würdigen Vaters seinen Arbeitern zu dieser Gelegenheit gab, die Bedeutung einer großen nationalen Feier, eines Volksfestes im schönsten Sinne, eines erhebenden Triumphes der Arbeit und ihrer Söhne. — In der Culturgeschichte der Menschheit nimmt dieser einundzwanzigste August des Jahres 1858 eine höhere Stelle ein, als so mancher berühmte [542] Tag der Weltgeschichte, welche meist nur von blutigen Siegen die Kunde auf die Nachwelt bringt. Auch dies ist ein Sieg, aber kein Tropfen Blut klebt daran, höchstens nur der segensreiche Schweiß der Arbeit, auch dies ist eine Eroberung, die jedoch kein Menschenleben kostete und statt Verwüstung und Schrecken Wohlstand, Segen und Ueberfluß um sich verbreitet. Der deutsche Fleiß darf sich jetzt kühn der englischen Industrie an die Seite stellen. Die größten Locomotivenbau-Anstalten der Welt, die von Stephenson und Gebrüder Charp in Manchester müssen jetzt die Borsig’sche Fabrik in Berlin als ihre ebenbürtige Schwester anerkennen. In der Stephenson’schen sind zwölfhundert, in der von Charp erst tausend und dreißig Locomotiven erbaut worden, wobei noch zu erwägen ist, daß diese englischen Bauanstalten nicht selber die einzelnen Theile anfertigen, während dagegen in der Borsig’schen Fabrik von der Zurichtung des Rohmaterials bis zur Vollendung jedes einzelnen Maschinenteils Alles selbstständig geschaffen wird. Mit Recht dürfen wir daher das „Fest der tausendsten Locomotive“ als ein deutsches, als ein nationales bezeichnen. – Dasselbe zerfiel in zwei Abtheilungen, gleichsam in eine ernste und eine heitere Feier.

Am Morgen des einundzwanzigsten August versammelten sich unter Anführung des Besitzers die eingeladenen Ehrengäste und das gesammte Personal der Fabrik, nahe an dreitausend Arbeiter, auf dem riesigen Hofe der großen Maschinenbauanstalt vor dem Oranienburger Thore, um die tausendste Locomotive „Borussia“, welche, mit Blumen und Kränzen geschmückt, wie eine Braut im hellen Festschmuck prangte, auf dem neuen Schienenwege nach dem Stettiner und von da auf der Verbindungsbahn bis zum Potsdamer Bahnhofe zu begleiten. Hier hielt Herr Borsig von der Locomotive herab eine kurze, passende Ansprache an die Anwesenden, welche von dem gegenwärtigen Handelsminister von der Heydt beantwortet wurde. Ernst und feierlich war die Stimmung der zahlreichen Menge, welche die große Bedeutung dieses Momentes vollkommen erfaßte; ein Gefühl von Andacht erfüllte die Seele der Zuhörer bei diesem Cultus der Arbeit und des Menschenfleißes. – Mit dem Nachmittage begann das eigentliche Fest, welches Herr Commerzienrath Borsig zunächst seinen Arbeitern gab, die an dem großen Werke, von seinem Vater begründet und von ihm in demselben Geiste fortgeführt, redlich und mit allen ihren Kräften mitgeholfen. Sie hatten wohl den ersten Anspruch auf eine Gastfreundschaft, die in solch’ riesigem Maßstabe weder in Berlin, noch an einem anderen Orte des ganzen Continentes von einem einzelnen Privatmanne geübt worden ist und so leicht nicht wieder geübt werden dürfte. Ganz Moabit, ein Ort von mehr als tausend Einwohnern, rings von Gärten umgeben und an den Ufern der Spree gelegen, hatte sich durch die Bemühungen des edlen Wirthes in einen einzigen, unermeßlichen Festsaal verwandelt, der mehr als dreißigtausend Menschen aus allen Ständen, vom Arbeiter der Fabrik bis zum Minister, in seine Räume ausnahm. Am Eingange erblickte man eine großartige und in ihrer Einfachheit imponirende Ehrenpforte mit Kränzen verziert. An ihrer vorderen Front zeigte sie die Bildnisse der berühmtesten Erfinder und Verbesserer der Dampfkraft, eines Watt, der die Dampfmaschine ihrer gegenwärtigen Vollendung näher geführt, eines Stephenson, dem wir im Jahre 1814 den ersten Dampfwagen zu verdanken hatten. Die Hintere Seite war dagegen mit den wohlgetroffenen Portraits des Geheimraths Beuth und des verstorbenen Commerzienraths Borsig versehen, als Beförderer und Schöpfer unserer heimischen Industrie. An der Spitze des Bogens prangte zu beiden Seiten die passende Inschrift: „Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis.“ Durch diese Pforte gelangte man in den eigentlichen Festraum, der in seiner Länge und Breite mehr als eine Viertelmeile einnahm. Längs der Chaussee ragten zahllose bewimpelte Mastbäume empor, zwischen denen für die abendliche Illumination tausend und abertausend bunte Lampen und Ballons hingen. In ähnlicher Weise waren alle Häuser mit Lampen und Blumenguirlanden geschmückt, was den freundlichsten Eindruck machte. Auf der Straße bewegte sich in bewunderungswürdiger Ordnung die ungeheuere Menschenmenge, darunter die Arbeiter der Borsig’schen Fabrik mit ihren Familien, sie selbst kenntlich an der festlichen Kleidung und der Medaille, welche Herr Borsig zu Ehren des Tages für sie prägen ließ und die sie jetzt stolz wie einen wohlverdienten Orden, ihres Fleißes trugen. Sämmtliche Fenster und Ballons waren mit Zuschauern besetzt, „die Damen im schönen Kranz.“ Ein großer Platz zur Rechten der Chaussee wurde ausschließlich für die Volksbelustigungen bestimmt; gedielte Tanzplätze wechselten mit Schaubuden, Puppentheatern, Carroussels und Kletterstangen ab, an denen Uhren, Tücher und volle Weinflaschen für die kühnen Sieger hingen; das Alles auf Kosten des freigebigen Wirthes, der auf das Beste für den Geschmack aller seiner Gäste zu sorgen wußte. Zwischen den schattigen Bäumen waren zu beiden Seiten Tribunen errichtet für die eigens dazu geladenen Gäste; in der Mitte befand sich unter einem tempelartigen Vorbau, mit der kolossalen Büste des verstorbenen Borsig geschmückt, die Rednerbühne, welche zuerst der Sohn des würdigen Vaters betrat, um ungefähr folgende Worte an seine Arbeiter und die übrigen Anwesenden zu richten:

„Hochverehrte Versammlung! Es war der Wille meines theuren, unvergeßlichen Vaters, daß der Ausgang der tausendsten Locomotive gefeiert werde durch ein Fest, das Allen, die mit ihm für ihn geschaffen, ein Fest sei der Freude und des stolzen Selbstbewußtseins. Als Erbe eines großen Namens, als Erbe der großen Ideen, die hier und in der Residenz aus glänzenden Schöpfungen zu Ihnen sprechen, als Erbe seines letzten Willens vollziehe ich hierdurch den Wunsch des theuren Vaters und habe Sie zu dem Feste geladen, das seine Augen leider nicht mehr erblicken durften. Es ist die schönste Erinnerungsfeier, die ich ihm weihen kann, es ist nicht nur ein Fest der von ihm gegründeten Fabriken, nein! ein Fest der preußischen Industrie, ein Fest von wahrhaft culturhistorischer Bedeutung. Ich habe nur geerntet, wo er gesäet, nur fortgeführt, was er begonnen, nur gebaut, wo er den Grund gelegt. Sein Andenken tragen nunmehr tausend Dampfrosse über eine Million von Meilen und weit hinaus über die Grenzen Deutschlands, seinem Andenken glühen Tausende von Flammen und ihm zu Ehren steigt der Rauch nicht nur aus den hohen Schornsteinen der Dampfmaschinen, sondern aus all’ den Hütten und Häusern der Arbeiter, wohin seine schöpferischen Gedanken Leben, Arbeit, Brod und Wohlstand getragen. Wo vor einundzwanzig Jahren auf träger Sandscholle kümmerlich Gras wuchs, da erheben sich heute Häuser und Werkstätten und kündigen die Hämmer bei Tag und Nacht vom Fleiße der Menschenhand und von den Thaten des Menschengeistes. Was vor einundzwanzig Jahren von uns angestaunt wurde als ein unübertreffliches Wunderwerk des Auslandes, das schaffen wir heute selbst, das geht aus unserer Werkstätte hervor, gediegen, – kunstreich und erprobt. Und neben und mit unserer Fabrik sind andere Industrielle emporgestiegen, ist die Industrie selbst zu nie geahnter Blüthe gediehen und hat sich neben und mit uns eine großartige Stätte des Gewerbfleißes, ein neuer Stadttheil erhoben. So ist das heutige Fest ein Fest der preußischen Industrie. Sie Alle, die hier versammelt, sind Zeugen und zum Theil Mitschöpfer dieses Triumphes. Sind nicht die Werke der Industrie lebendige Zeugnisse der Größe eines Staates? Hat nicht, zumal in Preußen, Wohlstand und Glück des Volkes im gleichen Schritte mit der Industrie zugenommen? Wer theilte heute noch das Vorurtheil, daß durch die Maschinenkraft die Kraft des Einzelnen, durch den eisernen Arbeiter die Arbeit des Menschenarmes gelähmt und Armuth erzeugt werde? Wer sieht nicht ein, daß durch die Industrie dem Capital der Boden zugeführt werde, auf dem es reiche Früchte tragen könne? Wer bestreitet, daß durch die Industrie Handel und Wandel an Umfang gewonnen haben und friedliche Eroberungen gemacht worden sind, größer und einträglicher als alle, welche jemals das Schwert gemacht? Wer muß nicht bekennen, daß durch die Industrie dem Bürger des Staates Arbeit zugeführt wird? und wo Arbeit ist, da ist auch Sittlichkeit, und je mehr Arbeit bei einem Volke, desto höher steht es in seiner Sittlichkeit, in seiner Achtung vor den Ländern und Völkern der Erde. Preußen steht im friedlichen Völkerkriege der Industrie obenan.“

An diese Worte knüpfte der Redner seinen Dank an die Regierung für den Schutz, den sie zu allen Zeiten seiner Anstalt gewährt hat, indem er ein Lebehoch dem Könige, dem königlichen Hause und dem anwesenden Handelsminister ausbrachte.

„Zum Schlusse,“ fuhr er fort, „aber sei mein Dank Ihnen Allen geweiht, die Sie durch Ihres Kopfes oder Ihres Armes Kraft mit meinem Vater, die Sie mit mir gearbeitet und das heutige Fest möglich gemacht haben. Sie Alle, die Sie treu, unermüdlich und strebsam mit uns ausgehalten in guter und in böser Zeit; Sie, meine Rathgeber, Verwalter und Beamten, Sie, meine lieben, braven Arbeiter! Nehmen Sie meinen herzlichsten [543] Dank auf. Die Beamten und Arbeiter meiner Fabrik, sie leben hoch!“

Auf die lautlose Stille, womit diese Rede angehört wurde, folgte der donnernde Jubelruf, womit die ganze Versammlung in dieses „Hoch“ einstimmte. Hierauf bestieg ein ehemaliger Zögling des Borsig’schen Instituts die Rednerbühne, um dem Festgeber zu danken. Tief ergriffen von der hohen Bedeutung des Augenblicks versagte dem Sprecher fast die Stimme; Thränen der innigsten Rührung flossen über die Wangen des schlichten Mannes, die noch beredter als alle Worte waren.

Unter der Veranda des herrlichen Gartens vereinigte ein Festmahl die eingeladenen Gäste, unter denen sich auch der greise Humboldt, ungeachtet seines hohen Alters und der zunehmenden Schwäche, befand. Seine Anwesenheit wurde durch einen begeisterten Trinkspruch, ausgebracht von dem Oberbürgermeister von Kölln, in würdigster Weise gefeiert. Mit Ehrfurcht blickte die Versammlung auf den höchsten Vertreter der Wissenschaft, welcher gekommen war, die Arbeit und die Industrie durch seine Gegenwart zu ehren.

Die fernere Zeit bis in die späte Nacht war von nun an dem eigentlichen Vergnügen des Volkes gewidmet. – Zunächst erschien unter dem Schmettern der Trompeten der eigentliche Festzug, der die Wunder des Dampfes bildlich in überwiegend humoristischer Weise darstellte und durch ein Programm in Versen erklärte. Voran dem Zuge schritt Neptun, der Gott des Wassers, in der Hand den mächtigen Dreizack, und von Schwänen gezogen; ihm folgte Vulcan, der Gott des Feuers und der Schmiede, auf einem Felsen thronend, umgeben von seinen Cyclopen und den Gnomen, welche das Erz aus der Tiefe der Erde holten. Beide kamen als Väter des weltbewegenden Dampfes, dessen Erscheinung durch eine Reihe komischer Bilder eingeleitet wurde. Zunächst fuhr eine Riesenschmiede vorüber; die wackeren Gesellen hatten alle Hände voll zu thun, um die zerbrochenen Stahlröcke der Damen auszubessern; auch ein Fortschritt der modernen Industrie, die wir der Crinoline zu verdanken haben. Anschaulich zogen vor dem Zuschauer die früheren Zustände und Reisegelegenheiten vorüber, welche vor Erfindung der Locomotive im Schwunge waren. Diese antediluvianische Vorzeit wurde durch die edle Zunft der „Wanderburschen“ repräsentirt, wie sie früher langsam und bedächtig auf des Schusters Rappen, fechtend durch die Welt sich schlugen. Würdig schloß sich ihnen die alte Post mit ihren abgetriebenen Gäulen an, beladen mit Koffern, Hut- und andern Schachteln, zu denen auch die ehrwürdige Dame, welche darin saß, gerechnet werden mußte. Das Ganze erinnerte an die treffliche Monographie „die Postschnecke“ von Börne und an jene Zeit, wo man bei einer Reise von Berlin nach Leipzig sein Testament machte, und weinend von der ganzen Familie und allen Nachbarn Abschied nahm. – Aus einem riesigen Theekessel stieg der neugeborne Dampf empor; denn aus der Gewalt, womit der in einem solch gemeinen Topf eingeschlossene Dampf den Deckel abwarf, lernten Papin und de Caus, die ersten Erfinder, diese neue Riesenmacht kennen. Soweit kam heute der zum Schimpfwort degradirte „Theekessel“ zu Ehren, wie das gereimte Programm folgendermaßen besagte:

De Caus sah sich drauf den Theekessel an,
Und sann und grübelte Nacht und Tag,
Wie man den Dampf wohl zu fesseln vermag,
Daß er als Sclave, als Trieb der Maschine
Der ganzen Menschheit zum Nutzen diene.
und als er gefunden die große Kunst,
Zu fesseln in Kesseln Dampf und Dunst,
Da kamen auch Andere hinterher
Und sannen und grübelten immer mehr,
Und fanden nach weiser Ueberlegung:
Das Heil unser Aller liegt in der Bewegung.

Dem Theekessel folgte ein mächtiges Dampfschiff, natürlich von Pferden gezogen, mit zahlreichen Passagieren besetzt und mit Kaufmannsgütern reich beladen, den Welthandel darstellend. Den Handel begleitete die Börse, welche in einer Schaukel bestand, auf der Herr Zwickauer mit einem würdigen Geschäftsfreunde bald als Haussier in die Höhe flog, bald als Baissier wieder niedersank, während das nächste Bild eine Stockbörse in des Wortes verwegenster Bedeutung zeigte, wo à tout prix losgeschlagen wurde. Ein wilder Lärm verkündigte die Dampfmusik der Zukunft. Auf dem Schornstein saß der langfingerige Capellmeister, von wo aus er das mit Hülfe des Dampfes getriebene Orchester von Monstre-Posaunen und Riesen-Ophikleiden dirigirte. Eine Dampfbäckerei lieferte kolossale Dampfbrode, bei deren Anblick die dicksten Bäcker vor Schreck zusammenschrumpften. Auch die neue englische Dampf-Wasserleitung mußte es sich gefallen lassen, mit all ihren Werken und Brunnen auf einem zierlichen Präsentirteller davongetragen zu werden. Den Schluß des imposanten Zuges bildete:

Die Nummer Tausend: „Borussia!“
Berlin zur Ehre, Berlin zur Zier –
Und war’ sie auch hundert Meilen von hier!
Das erste Tausend ist heut erreicht –
Das zweite auch folgt bald vielleicht
Und dampfet hinaus auf fernen Wegen –
(Dazu geb’ Gott uns seinen Segen!)
Dein Staat und der Stadt zum Ruhm und Schmuck!! –
Zu End’ ist mein Text jetzt, zu Ende der Zug.

Beim Anblick des letzten Bildes ertönte ein nicht enden wollender Jubel, womit dies jüngste Kind der Borsig’schen Industrie begrüßt wurde.

Unterdeß war es allmählich dunkel geworden; mit dem Beginn der Nacht entzündeten sich wie auf einen Zauberschlag Tausende von bunten Lampen und Laternen; zugleich flammten in rothem, weißem und grünem Glanze die Schornsteine des Borsig’schen Eisenwerkes von elektrischen Sonnen beleuchtet. Ganz Moabit schien von einem Kranze leuchtender Blumen umschlungen, von flammenden Schmetterlingen, riesigen Leuchtkäfern und Glühwürmern umschwärmt. Es war ein feenhafter Anblick, ein verkörpertes Märchen aus Tausend nur einer Nacht. Die Tanzplätze, von denen eine lustige Musik ertönte, alle Häuser, Vergnügungsorte und Gärten waren in ähnlicher Weise mit rothen, grünen und blauen Flammen erleuchtet. In transparentem Feuer glänzte ebenfalls die Ehrenpforte mit ihren Bildern. Wohin das Auge blickte, schimmerte, leuchtete und strahlte der ganze Ort wie eine kolossale Weihnachtspyramide, deren Spitze der hundert Fuß hohe Schornstein mit seinem elektrischen Lichte bildete. –

Wunderbarer als Alles aber war die würdige Haltung der zahllosen Menge und besonders der Arbeiter, welche mit stolzem Selbstgefühl jede Störung vermieden, und von Neuem den Beweis einer hohen Gesittung gaben.

Drei Kanonenschläge gaben jetzt das Zeichen zu dem von Herrn Borsig veranstalteten, großartigen Feuerwerk, welches den Schluß der Festlichkeiten bildete. Durch die dunkle Nacht schossen die glühenden Raketen, flammende Leuchtkugeln und feurige Garden. Im Brillantfeuer stieg eine mächtige Cascade auf und goß statt Wasser ihren sprühenden Funkenregen aus, worauf das Bild der tausendsten Locomotive in flammenden Linien am Horizont wie ein neues Sternbild, ein Symbol des ganzen Festes, niederschaute und mit jubelndem Beifallsrufe begrüßt wurde. Rothe, grüne und blaue bengalische Flammen warfen dazwischen ihr phantastisches Licht über die unzählige Menschenmasse, welche, Kopf an Kopf gedrängt, einem wogenden Meere im Phosphorglanze glich.

Nach dem Feuerwerke zerstreuten sich die Zuschauer, von denen ein Theil nach den Tanzplätzen eilte, während die Mehrzahl den Rückweg antrat. Jeder Anwesende aber nahm gewiß die Erinnerung eines schönen, bedeutenden Tages in seinem Leben mit, denn vom letzten Arbeiter bis zum Festgeber schien man es zu fühlen, daß es sich hier nicht um ein eitles Schaugepräge, nicht um eine Befriedigung der Eitelkeit und des sinnlichen Genusses, sondern um einen großen Gedanken, um eine mächtige Idee handelte, welche diese ganze Feier beseelte. Es war das Fest der Arbeit und des Menschenfleißes, das Fest der Verbrüderung zwischen Kopf und Hand, zwischen Arbeitgeber und Arbeiter, das Fest der Liebe zwischen allen Betheiligten, der Ehrentag des vierten Standes, welcher seine hohe Bedeutung fühlte, und durch seine würdige Haltung dieses stolze Selbstgefühl verrieth. Darum ruhte das Auge des wahren Menschenfreundes beim Scheiden noch einmal mit innerer Befriedigung auf der leuchtenden Inschrift des Portals:

Arbeit ist des Bürgers Zierde;
Segen ist der Mühe Preis.“ –

M. R.