Das Brigittenschloß (Schreiber)

Textdaten
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Autor: Alois Wilhelm Schreiber
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Titel: Das Brigittenschloß
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aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 52–53
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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Das Brigittenschloß.[1]

Oestlich vom Erlenbad, eine halbe Stunde von Sasbach, wo Türenne’s Denkmal steht, erhebt sich ein hoher steiler Bergkegel, von dessen Spitze noch die wenigen Trümmer des sogenannten Brigittenschlosses herabsehen.

Der Sage nach soll in uralten Zeiten das Schloß tiefer und zwar an der Stelle gestanden haben, wo jetzt das Landgut Aubach liegt. Damals wohnte dort, wie es heißt, eine Edelfrau, Namens Brigitte, welche, eine Meisterin in allen höllischen Zauberkünsten, die ganze Umgegend oft mit Seuchen, Ueberschwemmungen, Hagel, Insekten und anderen Plagen heimsuchte, je nachdem ihr böses Gelüste sie dazu trieb. Darob war das Volk gewaltig gegen sie erbittert und als einst ein furchtbares Gewitter den ganzen Jahressegen des Feldes zerstört hatte, schaarten sich die Bewohner der umliegenden Dörfer und Höfe zusammen und zogen, mit Sensen, Dreschflegeln, Heugabeln, etc. Einige sogar mit Bogen und Streitäxten bewaffnet, rachebrüllend gegen die Burg der Frau Brigitte. Dem Zuge voran wurde ein Kreuz getragen, das man aus einer Kirche genommen, als sicherster Wetterableiter alles Hexenspucks, womit sich die schlimme Hexe zur Wehre setzen könnte.

Als der tobende Haufen bei der Burg anlangte, fand er die Zugbrücke aufgezogen und alle Zugänge dicht verrammelt; auf den Wällen und Zinnen aber sah man eine Unzahl kleiner grauer Männlein, die eher Affen, als Menschen glichen, geschäftig hin und her wimmeln. Die meisten Bauern überlief bei diesem Anblick ein Grauen, doch ein junger Mönch, der sich dem Zuge angeschlossen hatte, fachte ihren erlöschenden Muth wieder zu neuen Flammen an durch die Versicherung: daß Alles nur teuflisches Blendwerk sey, das augenblicklich verschwinden müße, sobald Jeder das Zeichen des heiligen Kreuzes dagegen mache; sie sollten daher bei Anbruch der Nacht in Gottes Namen getrost auf die Burg Sturm laufen.

Als alle Verkehrungen dazu getroffen und die Belagerer, von ihren Wachtfeuern umlodert, eben im Begriff waren, die [53] Burg im Sturm zu nehmen, sahen sie plötzlich auf dem Thurme derselben drei blaue Flämmchen im nächtlichen Dunkel herumtanzen. Gleich darauf gesellte sich Frau Brigitte zu denselben, einen Zauberstab in der Hand, den sie nach den vier Weltgegenden ausstreckte, während sie mit lauter Stimme eine Zauberformel dazu sprach. Kaum war sie damit zu Ende, als der Boden unter ihnen erbebte, ein furchterliches Geheul durch die Luft erscholl, die Sterne verloschen und mit einem Knall, als wolle die Erde bersten, der ganze mächtige Bau des Schlosses sich aus der Tiefe seines Grundes losriß und, von unsichtbaren Gewalten getragen, auf die höchste Spitze des Berges schwebte, wo es sich so festsetzte, als wär’ es schon vor uralter Zeit auf dieser Stelle gegründet worden. Erstarrt vor Entsetzen schauten der Mönch und die sturmlustigen Bauern diesem Zauber nach, aber ihr Schrecken wurde, wo möglich, noch größer, als das Hexenweib ihnen vom Thurme herab zurief: „Solltet ihr euch vermessen, mich auch hier auf meiner neuen Wohnstätte zu beunruhigen, so werde ich eure Wohnungen, sammt Allem, was darin ist, ebenso wie meine Burg, durch die Lüfte forttragen und in den Rhein oder Bodensee hinab versenken lassen!“ – Der ganze Haufe rannte nun nach Anhörung dieser gräßlichen Drohung, so schnell ihn nur die Füße trugen, nach seinen Wohnungen zurück und eine lange Zeit verging, ohne daß irgend ein Mensch den Muth gehabt hatte, den Berg wieder zu besteigen, von dessen Gipfel das gespenstige Schloß herabstarrte. Ohngefähr sechzig Jahre später verirrte sich ein Mägdlein, das Erdbeeren sammelte, bis vor den Eingang der Burg, deren Mauern sie vor dem ringsherum stehenden dichten Gebüsche nicht gleich gewahr geworden war. Da sah sie plötzlich eine schwarzverschleierte, weibliche Gestalt hervortreten, die einen goldenen Schlüssel in der Hand hielt und ihr winkte, mit zu kommen. Das Mädchen aber rannte mit einem Schreckensgeschrei davon und den Berg wieder herab. Bald darauf zerfiel die Burg Mauer für Mauer und als einige Jäger es einmal wagten, in die Ruine zu dringen, fanden sie nichts darin als einen Haufen menschlicher Gebeine und unzählbare Schaaren von Eulen und Fledermäusen.

(S. Al. Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden etc. etc.“)

  1. Burgruine im hintersten Theile des Sasbacher Thales, vom Städtchen Achern ein und eine halbe Stunde östlich.