Textdaten
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Autor: Jodocus Donatus Hubertus Temme
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Titel: Das Bozelgeld in Schlave
Untertitel:
aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. S. 176–178
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1840
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[176]
141. Das Bozelgeld in Schlawe.

Die Stadt Schlawe muß jährlich an die Stadt Rügenwalde eine Abgabe bezahlen, die den Namen Bozelgeld [177] führt. Die Abgabe und der Name sind auf folgende Weise entstanden: In dem Dorfe Altschlawe hart an der Wipper lag vor vielen hundert Jahren eine Burg, in welcher ein Graf als boshafter Raubritter sein Unwesen trieb. Insbesondere raubte er auch jährlich aus der Stadt Schlawe eine gewisse Anzahl Jungfrauen, die er in seiner Burg einsperrte; und dabei war er so boshaft, daß er, wenn er in einem Jahre die Zahl nicht voll hatte, allen den anderen die Köpfe abschlagen ließ. Die Bürger von Schlawe hatten solche Ungebühr lange Zeit ertragen, weil sie gegen den gefährlichen Ritter nicht aufkommen konnten. Zuletzt aber wurde es ihnen zu arg, und sie versammelten sich nun, um zu berathen, wie sie der Noth und des Elendes los werden könnten. Sie konnten indeß kein Mittel ausfindig machen, und mußten ohne Rath wieder aus einander gehen. Nun hatte aber der Bürgermeister von Schlawe eine Tochter, die eine eben so schöne als kluge und brave Jungfrau war. Als die erfuhr, warum es sich handelte, hatte sie schnell einen Plan erdacht, wie man des wilden Grafen ohne große Gefahr habhaft werden könne. In der Nähe von Altenschlawe nach der Burg hin lag nämlich ein Nußwäldchen; dahin wollte die Jungfrau ganz allein gehen, als wenn sie Nüsse suchen wolle. Der Ritter würde sie dann sehen, und geschwind herbeieilen, um sie zu fangen. Nun sollten die Männer von Schlawe sich in dem Gebüsch versteckt halten, und über ihn herfallen und ihn fangen.

Der Bürgermeister hatte seine Tochter sehr lieb, und wollte daher in ihren Plan nicht willigen, weil er ihm zu gefährlich für sie zu seyn schien. Er mußte indeß endlich nachgeben. Es ging darauf auch Alles so, wie die kluge Jungfrau es sich gedacht hatte. Der Ritter war nur mit geringer Mannschaft aus der Burg gekommen, um sie zu [178] fangen, und so gelang es den Bürgern leicht, seiner habhaft zu werden. Sie legten ihn darauf in Ketten und führten ihn im Triumphe in die Stadt, wo sie ihn in einen tiefen Kerker warfen, und dann Gericht über ihn hielten und ihn zum Tode verurtheilten. Dieses Urtel konnten sie aber nicht so eigenmächtig vollstrecken, sondern sie mußten es erst von dem Herzoge in Stettin unterschreiben lassen. Sie schickten es daher nach Stettin. Allein nun traf es sich, daß der Herzog mit dem Raubgrafen gut Freund war; er schrieb deshalb unter das Urtel die Worte:

Kop af nich loat läwen.

Das schrieb er, ohne irgend ein Zeichen zwischen die Worte zu setzen, so daß es einen ganz zweideutigen Sinn hatte, und man daraus nehmen konnte, was man wollte. Die Bürger deuteten es aber zu ihren Gunsten, und ließen dem Ritter den Kopf abschlagen. In ihrer großen Freude gingen sie sogar so weit, daß sie einen großen Freudentag hielten und mit dem abgeschlagenen Kopfe auf dem Markte herumkugelten, was im Plattdeutschen „bozeln“ heißt. Als das nun der Herzog in Stettin erfuhr, wurde er sehr zornig und legte seine Worte anders aus, und er belegte die Stadt mit einer Geldstrafe, welche sie nach Rügenwalde geben mußte, und wozu jeder Bürger zu gleichem Theile beitragen sollte; von dem Bozeln mit dem Kopfe des Ritters hieß diese Strafe das Bozelgeld.

Mündlich.