Damen-Bildnis aus den achtziger Jahren
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DAMEN-BILDNIS AUS DEN ACHTZIGER JAHREN
Wartend stand sie an den schwergerafften
dunklen Atlasdraperien,
die ein Aufwand falscher Leidenschaften
über ihr zu ballen schien;
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seit den noch so nahen Mädchenjahrenwie mit einer anderen vertauscht:
müde unter den getürmten Haaren,
in den Rüschen-Roben unerfahren
und von allen Falten wie belauscht
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bei dem Heimweh und dem schwachen Planen,wie das Leben weiter werden soll:
anders, wirklicher, wie in Romanen,
hingerissen und verhängnisvoll, —
daß man etwas erst in die Schatullen
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legen dürfte, um sich im Geruchvon Erinnerungen einzulullen;
daß man endlich in dem Tagebuch
einen Anfang fände, der nicht schon
unterm Schreiben sinnlos wird und Lüge,
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und ein Blatt von einer Rose trügein dem schweren leeren Medaillon,
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welches liegt auf jedem Atemzug.Daß man einmal durch das Fenster winkte;
diese schlanke Hand, die neuberingte,
hätte dran für Monate genug.