Constitution des Großherzogthums Frankfurt vom 16. August 1810
Wir Carl, von Gottes Gnaden Fürst-Primas des rheinischen Bundes, Großherzog von Frankfurt, Erzbischoff von Regensburg etc. etc.
Des Kaisers Napoleon kaiserl. königl. Majestät haben Uns den 19. Februar d. J., gegen Abtretung des Fürstenthums Regensburg und des Rheinschiffahrtsoctroi’s auf der rechten Rheinseite, den größten Theil der Fürstenthümer Fulda und Hanau unter der Bedingniß abzutreten geruhet, daß diese Länder, nebst dem Fürstenthume Aschaffenburg und der Stadt Frankfurt, das neue Großherzogthum Frankfurt bilden, und nach Unserm tödtlichen Hintritte an des Vicekönigs von Italien kaiserl. Hoheit, und sodann die männlichen Nachfolger Seines Großherzoglichen Hauses übergehen sollen.
Unsre Pflicht erfordert, daß wir den Rest Unsrer Tage dem Wohl derjenigen Länder widmen, welche die göttliche Vorsehung und die persönlichen wohlwollenden Gesinnungen des Kaisers Napoleon Uns anvertraut haben.
Die Bestandtheile des Großherzogthums Frankfurt bilden nunmehr ein Ganzes. Einheit der möglich besten Verfassung wird für diesen Staat wohlthätig und zweckmäßig seyn.
Die bestdenkbare Staatsverfassung ist diejenige, in welcher der allgemeine Wille der Mitglieder durch vernünftige Gesetze ausgedrückt wird, in welcher die Verwaltung der Gerechtigkeit durch unabhängige wohlbesetzte Gerichtsstellen besorgt wird, in welcher die vollstreckende Gewalt der Hand des Fürsten ganz anvertraut ist.
[236] In allen Staatsverfassungen, welche aus dem Geiste des Kaisers Napoleon geflossen sind, erkennt man Anwendungen dieser Grundsätze; allenthalben haben gewählte Volksvertreter Einfluß auf die Annahme der Gesetze und Verwendung des Staatsvermögens; allenthalben sind die Gerichtsstellen von dem Einflusse fremder Gewalt unabhängig; allenthalben ist die Vollstreckung der Gesetze kraftvoll und wirksam, weil sie in der Hand des Regenten ist.
Unter allen Verfassungen, welche dem Kaiser Napoleon ihr Daseyn zu danken haben, enthält die Verfassung des Königreiches Westphalen die meisten Grundsätze, die man nach Unsrer Ueberzeugung auf das Wohl des Großherzogthums Frankfurt anwenden kann. Sie ist eigenes Werk des Kaisers Napoleon, ist für einen teutschen Staat bestimmt, hat sich bereits durch die Regierung des Königs Hieronymus Napoleon Majestät bewährt.
Nach beschränktern Verhältnissen und besondern Localumständen fließt aus der Anwendung dieser Grundsätze, nach Unsrer Ueberzeugung, folgende Organisation Unsers Großherzogthums Frankfurt.
§. 1. Das Großherzogthum Frankfurt besteht:
- aus der Stadt Frankfurt und ihrem Gebiete,
- aus dem bisherigen Fürstenthume Aschaffenburg,
- dem größten Theile des bisherigen Fürstenthums Fulda,
- dem größten Theile des Fürstenthums Hanau, sodann
- der Stadt Wetzlar.
§. 2. Das Großherzogthum Frankfurt macht einen Theil des rheinischen Bundes aus, dessen Primatialwürde Uns durch die rheinische Bundesacte anvertraut ist.
§. 3. Das Contingent des Großherzogthums Frankfurt besteht in 2800 Mann.
§. 4. Nach Unserm Absterben kömmt das Großherzogthum Frankfurt an des Prinzen Eugen Napoleon kaiserl. Hoheit, und dessen gerade Abstammung von Sohn zu Sohn, mit beständiger Ausschließung der Frauen, und Rückfall an die kaiserliche Krone, im Falle, wenn die männliche Linie erlöschen sollte.
§. 5. Sobald der erzbischöffliche Sitz von Regensburg [237] nach Frankfurt verlegt seyn wird; so ist alsdann der künftige Großherzog verbunden, dem Erzbischoffe, den er zu dieser Würde benennen wird, 60,000 Franken jährlich zu seinem Unterhalte anzuweisen. Die Nachfolger des künftigen Großherzogs sind auf ewige Tage schuldig, diese Verbindlichkeit zu erfüllen.
§. 6. Wir erkennen Uns verbunden, in Gemäßheit des Reichsschlusses vom Jahre 1803 die Renten zu bezahlen, welche nach den §§. 7. 9. 14. 17. 19. 20 und 27 des gedachten Reichsschlusses auf die Hälfte des Rheinoctroi’s angewiesen worden, und Wir werden diese Verbindlichkeit erfüllen nach dem ausdrücklichen Inhalte des mehr erwähnten Reichsschlusses. Die Specialhypothek der Renten, welche deren Eigenthümer auf die Hälfte des Octroi’s hatten, ist für immer gegründet auf die Domainen von Fulda und Hanau. Die Erfüllung dieser Pflicht werden Wir unmittelbar selbst besorgen.
§. 7. Die Donationen Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen, bis auf die Summe von 600,000 Franken Renten an Domainen der Fürstenthümer Fulda und Hanau, werden von Uns bestätigt und verbürgt.
Die Donatarien genießen diese Güter als wahres Eigenthum, welches binnen 10 Jahren mit keiner neuen Auflage beschwert werden kann; auch können sie diese ihnen eigenthümlich zugehörigen Güter verkaufen, ohne daß sie von diesem Verkaufe eine Abgabe entrichten.
§. 8. Wir werden dafür sorgen, daß die Schulden, mit welchen die Länder des Großherzogthums Frankfurt beschwert sind, ordentlich und richtig bezahlt werden.
§. 9. Zu Bezahlung der Schulden, welche auf der Rente Lohneck und dem Zolle Vilzbach hafteten, werden Wir verhältnißmäßig beitragen, nebst jenen Fürsten, so in dem Besitze der Lande sind, welche dem ehemaligen Mainzer Churstaate gehörten.
§. 10. Wir bestimmen auf die Tage Unsers Lebens für den Unterhalt Unsers Hofstaates und aller damit verbundenen Ausgaben an Hofpersonale, Hofdienerschaft, Tafel, Marstall, Reisekosten, Geschenken und Unterhalt Unsrer Person eine jährliche Summe von 350,000 Fl., welche dem Verhältnisse in jeder Hinsicht angemessen ist. Diese [238] Summe wird vom Ertrage der Waldungen, der Domainen und anderer Gefälle überhaupt in Quartalraten aus der Generalkasse erhoben.
§. 11. Das Großherzogthum wird durch eine Constitution regiert, welche die Gleichheit aller Unterthanen vor dem Gesetze und die freie Ausübung des Gottesdienstes der verschiedenen verfassungsmäßig aufgenommenen Religionsbekenntnisse festsetzt.
§. 12. Die besondern Verfassungen der Provinzen, Städte und Corporationen des Großherzogthums sind aufgehoben; eben so die Privilegien einzelner Personen und Familien, so weit sie mit Befolgung der Gesetze im Widerspruche stehen; durch diese Bestimmung werden jedoch jene Befugnisse nicht aufgehoben in dem Großherzogthume Frankfurt, welche durch die rheinische Bundesacte den mediatisirten Fürsten und Herren zugesichert worden.
§. 13. Die Leibeigenschaft wird aufgehoben; alle Einwohner des Großherzogthums Frankfurt genießen gleiche Rechte.
So oft der Ertrag der Leibeigenschaft und der dahin gehörenden Abgaben wesentlichen Beitrag zum allgemeinen Besten leistet, soll ein andrer billiger Ersatz eintreten durch Vertheilung hinreichender indirecten Auflagen, welche den Personenrechten der Unterthanen minder lästig und kränkend sind.
Sollten durch Aufhebung der Leibeigenschaft Privatpersonen verlieren; so steht ihnen der Anspruch auf Entschädigung im Wege Rechtens offen, nach den Grundsätzen, welche im Königreiche Westphalen eingeführt worden.
§. 14. Der Adel besteht, wie bisher, mit seinen verschiedenen Benennungen und gebührender Achtung, ohne daß er jedoch ein ausschließendes Recht weder zu Aemtern, Diensten und Würden, noch Befreiung von öffentlichen Lasten dadurch erhält.
§. 15. Es soll ein und dasselbe Steuersystem für alle Theile des Großherzogthums seyn; die Grundsteuer soll niemals den fünften Theil der Revenüen übersteigen. Provisorisch bis zur Gleichstellung bleibt es bei dem gegenwärtigen Zustande der Grundsteuer. Die Stempeltaxe und die Protocollirung (timbre et enregistrement) werden [239] eben so wie in Frankreich eingeführt. Sollten nebst dem neuerlich in Beziehung auf Staatsbedürfnisse Vermehrung der Auflagen nöthig werden; so sind dieselben auf indirecte und persönliche Abgaben nach Gradation des Vermögens in verhältnißmäßig erhöhtem billigen Maasstabe anzusetzen; und im Falle eine Kopfsteuer unvermeidlich werden sollte; so kann dieses nur alsdann geschehen, wenn hierüber mit den Ständen verfassungsmäßige Verhandlung eingetreten seyn wird.
§. 16. Das System von Maas und Gewicht, welches in Frankreich besteht, soll in dem ganzen Großherzogthume eingeführt werden; welches zum Theile schon geschehen ist. Hierüber wird noch eine besondere Instruction nach vorhergegangener reifer Berathung erfolgen.
§. 17. Wir werden einen Minister des Innern, der Justiz und Polizei, einen Minister der Finanzen, der Domainen und des Handels und einen Minister-Staatssecretair, welchem die auswärtigen Angelegenheiten, die Beschützung des Kultus und Aufsicht über Administration der Kriegskasse anvertraut sind, ernennen. Die Minister sind, jeder in seinem Fache, für die Vollziehung der Gesetze und Vollstreckung der daraus fließenden Verfügungen verantwortlich.
§. 18. Den Vorsitz in dem Staatsrathe hat der Großherzog selbst. Die Beisitzer sind die drei Minister und sechs Staatsräthe, deren Ernennung eben so, wie jene des Generalsecretairs des Staatsrathes, von Uns geschieht.
§. 19. Alle Gesetze über Auflagen, die Einführung neuer Civil- und peinlicher Gesetze sollen in dem Staatsrathe vorbereitet, discutirt und entworfen werden.
§. 20. Die in dem Staatsrathe entworfenen Gesetze sollen den von den Ständen ernannten Commissionen mitgetheilt werden. Jede Commission besteht aus drei Mitgliedern. Die Commissionen sind:
- die Finanzcommission,
- die Civiljustizcommission, und
- eine Commission des peinlichen Justizwesens;
welche in der Session ernannt, und nach Verschiedenheit der Gegenstände erneuert werden.
§. 21. Die ständischen Commissionen können discutiren [240] über die Gesetzentwürfe mit denjenigen Mitgliedern des Staatsrathes, welche dazu den Auftrag erhalten. Die Bemerkungen der Commissionen werden in dem Staatsrathe unter Unserm Vorsitze gelesen, und über nützliche Modificationen berathschlagt.
§. 22. Die Redaction der Gesetzentwürfe soll durch zwei Mitglieder des Staatsrathes den Ständen überbracht werden, welche sodann darüber, nach angehörten Beweggründen, berathschlagen werden.
§. 23. Der Staatsrath hat die Verwaltungsverordnungen zu discutiren und zu entwerfen.
§. 24. Er hat über die Streitigkeiten zu erkennen, welche sich zwischen den verwaltenden und gerichtlichen Stellen erheben; auch hat der Staatsrath über die Frage zu entscheiden, ob angeklagte Verwaltungsbeamte vor Gericht gestellt werden sollen.
§. 25. Der Staatsrath hat in Ausübung seiner Attribute eine berathende Stimme; in Gegenständen aber, welche geeignet sind, vor das Cassationstribunal gebracht zu werden, versieht der Staatsrath die Stelle des Cassationsgerichts. Für streitige Fälle in Verwaltungssachen werden Advokaten bei demselben angestellt.
§. 26. Die Stände des Großherzogthums bestehen aus 20 Mitgliedern, deren 12 aus reichen Grundeigenthümern, 4 aus reichen Kaufleuten oder Fabrikanten, 4 aus vorzüglichen Gelehrten von den Departementscollegien ernannt werden. Sie bekommen von dem Staate keinen Gehalt, wohl aber mäßig bestimmte Taggelder von jedem der Departemente.
§. 27. Sie werden aller 3 Jahre um ein Drittel erneuert; die Austretenden können unmittelbar wieder gewählt werden.
Der Präsident der Stände wird von Uns ernannt. Die Stände versammeln sich auf Unsre Berufung; ihre Versammlung kann von Uns prorogirt oder aufgelöst werden.
§. 28. Die Stände berathschlagen über die Gesetzentwürfe, welche der Staatsrath verfaßt hat. Die gedruckten Rechnungen der Minister und des Generalcassierers sind ihnen alle Jahre vorzulegen.
[241] Die Stände berathschlagen über Gesetzentwürfe im geheimen Scrutinium durch absolute Mehrheit der Stimmen.
§. 29. Das Großherzogthum wird in Departemente, Districte und Municipalitäten eingetheilt.
Die vier Departemente sind:
- 1) die Stadt Frankfurt und ihr Gebiet;
- 2) das ehemalige Fürstenthum Aschaffenburg;
- 3) der größte Theil des ehemaligen Fürstenthums Fulda;
- 4) der größte Theil des ehemaligen Fürstenthums Hanau, welches unter gewissen Beziehungen mit dem Frankfurter Departemente in Verbindung gesetzt wird, weil Hanau bekanntlich eine Fabrikstadt, und Frankfurt eine Handelstadt ist.
Für die Stadt Wetzlar wird ein Unterpräfect ernennt.
§. 30. In jedem Departemente wird ein Präfecturrath errichtet zur Entscheidung der Streitigkeiten, welche bei den Verwaltungsgegenständen vorkommen.
§. 31. Die Mitglieder des Präfecturraths und der Präfecturgeneralsecretair werden von Uns ernannt.
§. 32. Es wird in jedem Departemente ein Departementscollegium gebildet, dessen Mitglieder ihre Stellen lebenslänglich bekleiden. Wir werden ehestens die Mitglieder dieser Departementscollegien ernennen.
§. 33. Diese Benennung wird bestehen in 2/3 der Meistbegüterten; 1/6 wird bestehen aus den reichsten Kaufleuten und Fabrikanten, und 1/6 aus vorzüglichen Gelehrten und Künstlern.
§. 34. Es kann Niemand zum Mitgliede der Departementscollegien gewählt werden, der nicht großjährig ist.
§. 35. Die Departementscollegien ernennen die Mitglieder der Stände. Jedes Departement ernennt drei Güterbesitzer, einen Handelsmann oder Fabrikanten, einen Gelehrten oder Künstler.
§. 36. Es wird auch in jedem Departemente ein Generaldepartementsrath seyn. Zu jeder Ernennung werden Uns von den Departementscollegien zwei Candidaten (deren einer Mitglied der Departementscollegien seyn darf) vorgeschlagen.
Eben so werden Uns von den Departementscollegien die Municipalräthe vorgeschlagen.
[242] Die Mitglieder der Departements- sowohl als Municipalräthe werden aller zwei Jahre zur Hälfte erneuert.
§. 37. Die Einführung des Codex Napoleon vom 1. Jänner 1811 an ist bereits von Uns für das Großherzogthum Frankfurt verordnet worden.
§. 38. Die Gerichtsstellen in Civil- und Kriminalsachen bestehen provisorisch, wie bisher.
§. 39. Der gerichtliche Stand ist unabhängig. Die Richter werden von Uns ernannt.
§. 40. Die Urtheile der Gerichtshöfe werden in Unserm Namen ausgesprochen. Wir behalten Uns das Recht vor, die Kriminalstrafen zu mildern oder zu erlassen.
§. 41. Die Militairconscription ist ein Grundgesetz des Großherzogthums Frankfurt.
§. 42. In dem Großherzogthume Frankfurt sind die Ministerien der Justiz, der Polizei und des Innern in einer Person vereinigt. Als Minister der Justiz wachet derselbe auf den gesetzmäßigen, festen und unpartheiischen Geschäftsgang sämmtlicher Justizstellen; als Minister der Polizei und des Innern stehen in dahin gehörigen Gegenständen die Präfecte der Departemente unmittelbar unter ihm; so wie dann die Präfecte mit jedem Minister in Verbindung stehen, und von ihm in seinem Wirkungskreise Weisungen erhalten. Die Präfecte besorgen die Vollstreckung der Gesetze, können aber dieselben nicht überschreiten. Jedem liegen ob in seinem Departemente Aufsicht über Erziehung, Ackerbau und Gewerbe, milde Stiftungen, Armenanstalten, Gemeinheitswälder, Wege, Gemeingüter, Sicherheit des Kultus, Mitwirkung bei der Aushebung der Milizen und Sicherheit der Steuerregister.
Der Präfect theilt dem Generaldepartementsrathe jährlich die Darstellung desjenigen mit, was binnen Jahresfrist im Departemente geschehen, und zu dessen Wohl zu Stande gekommen ist.
Aus besondrer Vorliebe für Künste und Wissenschaften behalten Wir Uns, wie bisher, unmittelbar vor die Leitung der Aschaffenburger Universitätsgeschäfte und des Frankfurter Kunstmuseums, desgleichen auch der Aschaffenburger Bibliotheken und Unsrer Gemäldesammlung. Wir werden [243] jedoch auch hierüber, unter Berathung mit Unserm Minister des Innern, das Nähere noch bestimmen.
§. 43. Unter das Finanzministerium gehören die Domainen, der öffentliche Schatz, Handlung, Fabriken und Ermunterung der Künste.
Der Finanzminister hat die Oberaufsicht über die Generalkasse, in welche alle Einnahmen des Staats fließen, dessen Ausgaben daraus verwendet und den Ständen verrechnet werden.
Den Generalkassierer ernennen Wir selbst; dessen Kassecontroleur und Einnehmer in den Departementen bringt Unser Finanzminister zum Vorschlage.
Insbesondre stehen auch unter der Oberaufsicht des Finanzministeriums die directen und indirecten Steuern, Zölle, Posten, Schiffahrt, Chausseen, Regalien, Lotterieen, Lombard, Münzen, Berg-, Salz- und Hüttenwerke, Mineralwasser und alle Gegenstände, welche dem öffentlichen Schatze ein Einkommen geben; so wie derselbe auch das Präsidium der Handelskammer führt.
In Betreff der gedachten Gegenstände ertheilt er die zweckmäßigen Weisungen an die Präfecte, welche hierin auch an ihn angewiesen sind.
§. 44. In der Person Unsers Ministers-Staatssecretairs sind vereiniget das Ministerium auswärtiger Angelegenheiten, die Beschützung des ungestörten Kultus, die Besorgung der Militair-, Sold- und Verpflegungsadministration, und die Ausfertigung sämmtlicher großherzoglicher Entschließungen.
§. 45. Jeder Minister referirt unmittelbar an den Großherzog über jene Gegenstände, die nach der bestehenden Verfassung und nach schon bestimmten gesetzlichen Normen in seinem Wirkungskreise zu besorgen oder zu entscheiden vorkommen. Wenn hingegen etwas Neues darin bestimmt, vorgeschrieben oder eine Abänderung in der bestehenden Verfassung, Verordnungen und Directionsnormen getroffen werden soll; so hat Uns der betreffende Minister blos seinen Antrag vorzulegen, damit Wir diesen vorerst, ehe Unsre Entschließung oder Entscheidung erfolgt, dem Staatsrathe zum Gutachten mittheilen können.
Jeder Minister hat sein eigenes Büreau, dessen Mitarbeiter [244] wählt er selbst unter Quiescenten oder Fremden, unter Responsabilität auf die Rechtschaffenheit der Letztern.
§. 46. Dieses Organisationspatent enthält Grundzüge, deren nähere Bestimmung und Entwickelung sich nach und nach durch Verhandlungen und Zusammenwirken der Stellen mehr und mehr ausbilden werden.
Unterdessen enthält das Organisationspatent mehrere unwandelbare Sätze. Dergleichen sind diejenigen, die sich auf den Vertrag vom 19. Februar d. J. gründen; desgleichen sind auch diejenigen, welche aus den allgemeinen Grundsätzen der Gesetzgebung des Kaisers Napoleon hervorleuchten, daß nämlich die Mitglieder eines jeden Staates repräsentirt seyn müssen; daß die Justizverwaltung unabhängig, und nach dem Gewissen der Richter entscheiden müsse, und daß die vollstreckende Gewalt ganz durch die Hand des souverainen Fürsten wirke.
Die übrigen Gegenstände dieses Organisationspatents sind aus Unsrer Ueberzeugung und aus dem aufrichtigen Wunsche für das Wohl des Großherzogthums geflossen; müssen sich jedoch erst (wie gesagt) durch Erfahrung als vollständig verläßig bewähren.
Wenn Uns der Allmächtige bis dahin das Leben fristet; so behalten Wir Uns vor, die zweckmäßig befundene Verfassung der Prüfung und Genehmigung Unsers verehrungswürdigen Herrn Nachfolgers und der Bestätigung des Kaisers Napoleon Majestät ehrerbietigst vorzulegen.
§. 47. Jene bisherigen Landesstellen, deren Wirkungskreis mit dem gegenwärtigen Organisationssysteme des Großherzogthums Frankfurt nicht vereinbarlich ist, werden vom 1. Jänner 1811 an als erloschen erklärt. Ihre Mitglieder erhalten theils ihre organisationsmäßige Anstellung; in Fällen, wo dieses unmöglich ist, behalten sie sichere verfassungsmäßige Pensionen.
Aschaffenburg, den 16. Aug. 1810.
- (L. S.)
[245]
Wir Carl, von Gottes Gnaden Fürst Primas des Rheinischen Bundes, Großherzog von Frankfurt, Erzbischoff von Regensburg etc. etc.
Haben zu Vollziehung der Art. 32. 33. 34. 35 und 36 Unsers Organisationspatents vom 16ten v. M. und der darin bestimmten Grundsätze, auf den Vortrag Unsers Ministers des Innern, nunmehr weiter beschlossen:
Art. 1. Die Anzahl der Mitglieder der Wahl- oder Departementscollegien soll nach dem Maasstabe der Bevölkerung für das Departement Frankfurt, mit Einschluß der
Stadt Wetzlar, auf | 50; |
für das Departement Aschaffenburg auf | 80; |
für das Departement Fulda auf | 90; |
für das Departement Hanau auf | 60; |
festgesetzt seyn; so daß auf 1000 Einwohner in runden Zahlen ein Mitglied des Wahlcollegiums ernannt ist.
Art. 2. Die Mitglieder der Departementscollegien sollen, so viel es ihre persönlichen Verhältnisse gestatten, sich in dem Hauptorte des Departements, an dem von Uns zu bestimmenden Tage, versammeln, wo ein schickliches Locale zur Vornahme ihrer Geschäfte von Uns angewiesen seyn wird.
Art. 3. Den Departementscollegien liegt ob: 1) die Stände des Großherzogthums zu wählen; sodann 2) die Subjecte zu den Departements- und Municipalräthen vorzuschlagen. Da jedoch zu den Vorschlägen der beiden letztern für das bevorstehende Jahr 1811 die Zeit zu kurz ist; so werden Wir für dieses Jahr 1811 die Departements- und Municipalräthe, ohne den gedachten Vorschlag, jedoch dergestalt ernennen, daß die Ernannten lediglich für das Jahr 1811 gelten sollen.
Art. 4. Für jedes Departementscollegium werden Wir einen Präsidenten ernennen, und ihm auch für das erstemal einen Secretair beigeben. Bei künftigen Versammlungen dieser Departementscollegien wird der Secretair [246] von den Departementscollegien selbst gewählt, und bis diese Wahl geschehen ist, bestimmt einstweilen der Präsident eines der anwesenden Mitglieder zu diesem Secretariat.
Art. 5. Die Präsidenten leisten schriftlich folgenden Eid;
- „Ich gelobe eidlich Gehorsam der Verfassung und den Gesetzen; Treue dem Großherzoge; ich verspreche, daß ich in dem Wahlcollegium, worin mir der Vorsitz aufgetragen ist, Ordnung erhalten, auch dafür sorgen werde, daß sich dasselbe lediglich mit den Gegenständen beschäftige, welche das Zusammenberufungsdecret vorschreibt; daß ich auf der freien und gesetzlichen Abgebung der Stimmen bestehen, auch die Sitzungen zur bestimmten Zeit schließen, und überhaupt meine Geschäfte mit Eifer, Genauigkeit, Festigkeit und Unpartheilichkeit verrichten werde.“
Art. 6. Bei Eröffnung der Wahlversammlung, welche am Vormittage des bestimmten Tages Statt haben soll, läßt der Präsident die anwesenden Mitglieder einen Eid dahin ablegen:
- „Wir geloben eidlich Gehorsam der Verfassung und den Gesetzen; Treue dem Großherzoge; versprechen diesemnach, daß wir die uns übertragenen Wahlen nach bestem Wissen und Gewissen vornehmen werden.“
Art. 7. Der Präsident ernennt sodann unter den gegenwärtigen Gliedern zwei Wahlzeugen, und zwei andere Wahlzeugen werden durch verschlossene Billete, nach Mehrheit der Stimmen, von den Departementsgliedern gewählt. Der Präsident erbricht die Billete in Gegenwart der von ihm ernannten zwei Wahlzeugen, und zweier weitern, die hiezu vorher noch durch das Loos öffentlich in der Versammlung bestimmt werden.
Art. 8. Der Secretair eröffnet das Protocoll. Der Präsident läßt sodann seine, und bei der ersten Zusammenkunft auch des Secretairs Ernennungsurkunden, die Verordnung, welche die Zusammenberufung des Wahlcollegiums befiehlt, und gegenwärtiges Reglement verlesen, welches als geschehen in das Protocoll eingetragen wird.
[247] Art. 9. Der Präsident macht hierauf bekannt, daß die Stimmenabgebung, zur Ernennung der Mitglieder der Stände, ihren Anfang nehmen solle.
Art. 10. Mit Ausnahme der Minister und der Glieder des Staatsrathes ist jedes Amt, mit Inbegriff der Departementsglieder, mit der Function eines Mitgliedes der Stände vereinbarlich; nur müssen die gewählten Mitglieder der Stände das dreißigste Jahr ihres Alters erreicht haben.
Art. 11. Jedes Mitglied giebt einen verschlossenen, den Namen des Wählenden nicht enthaltenden, Zettel ab, worauf blos die Namen von drei Güterbesitzern, einem Kaufmanne oder Fabrikanten, und einem Gelehrten oder Künstler bemerkt sind. Alle diese Zettel werden in voller Versammlung von jedem Mitgliede in eine Tasche geworfen, worauf die Versammlung einen Abtritt in ein Nebenzimmer nimmt. Der Präsident erbricht in Gegenwart des Secretairs und der vier Wahlzeugen einen Zettel nach dem andern; jeder der vier Wahlzeugen notirt deren Inhalt auf einem besondern Bogen; die vier Bogen werden collationirt, und es ergiebt sich daraus, welche fünf Personen, als erwählte Stände, die Mehrheit der Stimmen für sich haben. Wenn dieses geschehen ist; so werden die Wahlzettel auf einer Kohlpfanne verbrannt.
Die Versammlung wird alsdann zurückgerufen, und die Wahl wird von dem Präsidenten bekannt gemacht. Gewählt sind diejenigen, welche die absolute Mehrheit der Stimmen für sich haben. Sollten aber einige gleiche Stimmen zählen; so werden deren Namen von den durch das Collegium gewählten Wahlzeugen auf Zettel geschrieben, und daraus von dem Secretair das Loos gezogen.
Art. 12. Ist nun auf diese Art die nöthige Zahl der Mitglieder der Ständeversammlung für das Departement ernannt und proclamirt, auch der ganze Hergang zu Protocoll genommen; so ist für das erstemal, nämlich für das Jahr 1811, das Geschäft des Wahlcollegiums geendigt.
Art. 13. Bei den nächsten und künftigen Zusammenberufungen wird, sobald die Wahl der Stände vollbracht [248] ist, zur Wahl der Candidaten für die Departementsräthe mit den nämlichen Formalitäten, welche bei Ernennung der Stände beobachtet worden, nur mit dem Unterschied, daß die doppelte Zahl der Candidaten vorgeschlagen werden muß, geschritten.
Art. 14. Nach geschlossener und proclamirter Wahl der Candidaten für den Departementsrath wird in den künftigen Jahren nach 1811 zur Wahl der Candidaten für die Municipalräthe jeder einzelnen Gemeinde des Departements geschritten, und solche auf die nämliche Art, wie bei den Departementsräthen, vollzogen.
Bei jeder Wahl, nämlich der Stände sowohl, als der Departements- und Municipalräthe, bringen die Wählenden allemal ihre Wahlzettel schon mit in die Versammlung.
Art. 15. Ueber die Zahl der Departements- und Municipalräthe, (welche Wir für das erstemal und für das Jahr 1811 selbst ernennen,) werden Wir mittlerweile nach Verhältniß der Localität und Größe der Municipalitäten provisorisch Entschließung nehmen, und solche zur Kenntniß der Departementscollegien bringen lassen.
Art. 16. Das erstemal wird das Geschäft der Wahlcollegien in einem Tage vollzogen seyn; künftige Jahre kann die Versammlung der Departementscollegien nicht länger als zehn Tage dauern. Nach Ablauf dieser Zeit ist solche aufgelöst.
Art. 17. Die Wahlcollegien haben sich lediglich mit den Wahlen und Vorschlägen zu beschäftigen, welche der einzige Zweck ihrer Versammlung ist. Indessen behalten Wir Uns vor, in besonders wichtigen Fällen, über Gegenstände, welche das allgemeine Wohl des Departements betreffen, mit dem Präsidenten des Departements, auch den Departementsräthen, Uns zu berathen.
Art. 18. Das über das Wahlgeschäft geführte[WS 1] Protocoll wird Uns jedesmal von dem Präsidenten eingeschickt. Ein Exemplar davon bleibt in der Registratur des Departementscollegiums aufbewahrt.
Art. 19. Unserm Minister der Justiz, des Innern [249] und der Polizei ist die Vollziehung der gegenwärtigen Verordnung übertragen, welche in das Regierungsblatt eingerückt werden soll.
Aschaffenburg, den 10. Sept. 1810.
Carl, Großherzog.
(L. S.)
Auf Befehl des Großherzogs,
der Minister Staatssecretair,
Freiherr von Eberstein.
Für gleichlautend.
Der Justizminister,
Freiherr von Albini.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: gefährte