Vorwort >>>
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aus: Christliche Symbolik
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Vorwort.




Das vorliegende Werk ist zum Handgebrauch, zum Nachschlagen und leichten Auffinden bestimmt, deshalb alphabetisch geordnet. Es unterscheidet sich von den bisher vorhandenen Ikonologien durch bei weitem grössere Vollständigkeit, indem es sich nicht darauf beschränkt, conventionelle Attribute der Heiligen aufzuzeichnen, sondern den tiefern Grund und innern Zusammenhang in der gesammten christlichen Bildersprache nachweist. Es erläutert alle Sinnbilder in der heiligen Schrift, im Dogma und Cultus, in der Legende, in der Baukunst, Sculptur, Malerei und Poesie der Kirche.

Die Kenntniss dieser Dinge ist so sehr verdunkelt, dass selbst viele fromme Priester die alten Bilder in ihren eigenen Kirchen nicht mehr verstehen, und dass gerade die schönsten und geistreichsten Abhandlungen und Homilien der Kirchenväter und Mystiker, welche bildliche Auslegungen enthalten und Hauptquelle der kirchlichen Symbolik sind, zu den vergessensten Dingen im ganzen Bereiche des menschlichen Wissens gehören.

Der verewigte Görres sagt in der Vorrede zu seiner Geschichte der Mystik Seite XIII: „Ich wollte eine Sache wieder zur Sprache bringen, die man seit geraumer Zeit selbst in der katholischen Welt auf sich hat beruhen lassen; weil das wegwerfende Gerede von der Gegenseite, selbst auf die Einsichtigeren, nicht ohne Wirkung geblieben. Viele haben damit angefangen, auch ihrerseits scheu vor ihr, wie vor etwas Gespenstischem, zurückzutreten, und die Erscheinung so lange von sich abzuhalten, bis sie durch langes Ignoriren ihnen zuletzt gar verkommen, und nun eine schimpfliche Unwissenheit das frühere geflissentliche Uebersehen schwer gestraft.“ Allein er drückt die Hoffnung aus, jene alten heiligen Gebiete würden alle, wie das einst verlorene „Atlantis“, von neuen Columben wieder aufgefunden werden, da sie alle noch vorhanden sind und fest stehen und nichts darin geändert noch verloren, sondern nur vergessen und unbeachtet geblieben ist. „Eine Entdeckung wird die andere rufen, wie bei den Seefahrten, unbekannte Welttheile entlang, ein Vorgebirg dem andern gewinkt; am Ende wird eine ganze bedeckte, längst bekannte, aber ignorirte, neue Welt gewonnen seyn.“ Das gilt nun auch von der Symbolik, die auf’s Innigste mit der altkirchlichen Mystik verwandt und aus ihr emanirt ist.

Das Bild ist heilig, wie das Wort. Der Heiland selbst sprach in Bildern. Das Bild ist mächtig wie das Wort, dem Volke vielfach eindringlicher als das Wort. Die Welt war frömmer, so lange noch die christliche Symbolik ihr geläufig, Laien wie Priestern innig vertraut war, so lange noch Jedermann die Bilder verstand, mit denen Kunst die Kirchen schmückte, und in der Natur selbst noch eine reichere Bilderbibel fand. Die Welt war frömmer, als man noch wusste, welche kirchliche Symbolik sich an jede Jahreszeit, ja an jeden Tag im Jahre und an den Namen seines Patrons knüpfte, als man noch in den Naturerscheinungen jeder Jahreszeit und selbst in Thieren, Pflanzen und Gesteinen das Symbolische erkannte, die Signatur des Heiligen in aller Creatur.

Nur zu lange ist diese Erkenntniss geschwächt und fast ganz verloren. Schon seit vielen Menschenaltern hat die sogenannte classische Bildung das Christliche in den Gesinnungen und Gedanken wie im äussern Leben zurückgedrängt und so sehr das Heidnische gepflegt, dass die meisten unter unsern Gelehrten und Dichtern die Tiefe des Christenthums so wenig mehr ahnen, als einst Lucian sie noch nicht ahnte. Die Kirche sah sich theils ihrer alten Bilder beraubt, theils musste sie in ihren geweihten Räumen selbst die Erinnerungen und Zeichen jenes Heidenthums und unter christlichen Namen antike Gestalten aufnehmen. Es wurde zur Gewohnheit, auch bei Kirchenbildern nur an die Meisterschaft des Pinsels und die geistreiche Manier zu denken, nicht mehr an den Inhalt. Die ganze neuere Kunstkritik und Kunstgeschichte ist in dieser Richtung ausgebildet worden. Nach der Kirche, ihrem Gesetz, ihrer Symbolik, nach der ursprünglichen und einzigen Bestimmung der Kirchenbilder für die Andacht fragt Niemand mehr. Die heiligsten Bilder mit holländischen Viehstücken vermischt in Galerien zu sehen, wundert Niemand mehr, und eben so wenig befremdet es, dass umgekehrt in den Kirchen selbst durch unheilig aufgefasste Bilder weltlicher Augenlust gefröhnt wird.

Alles Kirchliche in der Kunst liegt im Symbol und dieses selbst wurzelt in den tiefsten Mysterien der Kirche. Nur die Kirche allein hat das Recht, zu bestimmen, wie in ihrem Bereiche gebaut, gemeisselt, gemalt und gesungen werden soll, denn die Kunst muss hier überall der kirchlichen Grundidee dienen; nichts darf hier der Willkühr oder Mode überlassen bleiben. Aber das haben selbst katholische Geistliche vergessen. Herr von Wessenberg sagt in seinen „christlichen Bildern“ II. 464: „Die Sinnbilder des Christenthums werden weniger durch gewisse Ab- und Kennzeichen, als durch Seelencharakteristik kennbar gemacht.“ Er billigt daher, dass man die altkirchliche Typik aufgegeben und der Willkühr der Künstler überlassen hat, wie sie die heiligen Ideen, Personen und Scenen darstellen wollen. Aber jene uralten Ab- und Kennzeichen sind das Alphabet der kirchlichen Bildersprache, und wer sie nicht mehr anwendet, noch versteht, der fällt unwillkührlich in die unkirchliche und heidnische Bildnerei. Auch jene „Seelencharakteristik“ darf von den Künstlern immer nur innerhalb der strengen Gesetzmässigkeit in der kirchlichen Grundidee und Symbolik, nie ohne Rücksicht auf die kirchliche Wahrheit und Treue, nie ohne strenges Einhalten der Heiligkeit, die in der Bestimmung der Bilder liegt, nie ohne Wahrung der kirchlichen Autorität versucht werden. Es versteht sich von selbst, dass der heiligen, durch und durch lebenvollen und geistreichen, von Gott gegründeten, im göttlichen Geist fortwirkenden Kirche nicht mit steifen, handwerksmässigen und seelenlosen Bildwerken gedient seyn kann, in denen alte Typen zwar erhalten, aber erstorben sind, wie dies im Orient der Fall ist. Der Kunst muss ihre edle Freiheit bleiben, aber sofern sie die Kunst der heiligen Kirche und selber geheiligt werden will, muss sie in freier Liebe jenen Gehorsam sich aneignen, ohne den sich Niemand dem Herrn der Kirche naht. Was dabei herauskommt, wenn die Künstler, sich in diesen Beziehungen emancipirend, nur ihrer Gewinnsucht und Eitelkeit, nur dem weltlichen Geschmack oder der Mode huldigend, Kirchenbilder malen, hat die kokette Sentimentalität, das affectirte Pathos, die Sinnenbestechung und Effectmacherei in jener freigegebenen „Seelencharakteristik“ leider zur Schau gelegt.

Die Künstler tragen weniger Schuld, als sie zu bedauern sind, in einer Zeit gelebt zu haben, in welcher der bessere Geist aus der Kirche gewichen war. Ihre Bilder, so wie die modernen unheiligen Tempelbauten, sind nicht die Ursache, nur die Folge der allgemeinen Paganisirung der gebildeten Welt. Darum haben auch einzelne fromme Künstler gegen die allgemeine antikirchliche Strömung wenig auszurichten vermocht. Erst muss die Kirche wieder innerlich erbaut seyn, ehe sie sich auch äusserlich im reinen bräutlichen Schmucke der Kunst zeigen kann. Aber es regt und bewegt sich überall, wie eine Auferstehung der Kirche. Auf dem Felde der Wissenschaft wird die kirchenfeindliche Usurpation Jahr um Jahr siegreicher zurückgeschlagen. Das Volksleben selbst durchdringt wieder mehr christlicher Geist, und es ist nicht mehr möglich, die Frage zu unterdrücken, ob nicht dem Bilde neben dem Worte wieder sein altes Recht gebühre? Nicht nur in Deutschland, auch in dem noch weit verweltlichteren Frankreich bricht allmählig eine tiefe Sehnsucht der Kirchlichgesinnten auch nach kirchlicher echter und gerechter Kunst hervor. Zwar ist die Kirche äusserlich verarmt, aber ihr Geist ist reich und mächtig, und je lebendiger er erwacht, um so gewisser wird er auch fromme Künstler erwecken. Die Kirche fehlt der Kunst, die Kunst fehlt der Kirche. Zwischen beiden bestehen tief geheime Bande, die in ihrem beiderseitigen Wesen liegen und nicht auf immer zerrissen werden können.

Die Frage hat aber auch eine wissenschaftliche, eine theologische Seite. Die Symbolik ist nicht blos Spiegel, sie ist auch Quelle des Dogmas, denn die heiligsten Mysterien sind im Worte offenbart, welches zugleich Bild ist. Die Offenbarung im Bilde enthält den ganzen Schatz der Lehre, wie die im Worte, auch da, wo sie auseinandertretend einander nur spiegeln. Nicht ungestraft trennt man das Wort vom Bilde, um das letztere auszuschliessen oder nur zu vernachlässigen. Wenn auch ein in der christlichen Idee tief wurzelndes Urbild durch Häresie verzerrt oder innerhalb der Kirche selbst zeitweise durch Aberglauben oder künstlerische Misshandlung entweiht wurde, so konnte das an seiner ewigen Gültigkeit doch nichts ändern. Es kam nur darauf an, das Gebiet der Symbolik rein zu erhalten, nicht es zu verlassen. Wenn andrerseits Kleingläubigkeit und missverstandener Eifer, unberechtigten Forderungen der Ungläubigen nachgebend, die Idee, ausgedrückt im Symbol, wie eine gemeine Thatsache der Natur oder der Profangeschichte durch sogenannte natürliche Erklärungen und aktenmässige Beweise rechtfertigen zu müssen meinte und damit in’s Gedränge kam, so ändert das eben so wenig an der ewigen Gültigkeit des Symbols. Es kam nur darauf an, das Symbol als solches zu erkennen.

Eine so klare und scharfe Erkenntniss der echten christlichen Symbolik als eines grossen architektonisch gegliederten Systems besassen die Kirchenväter, die Mystiker des Mittelalters, die Schöpfer des Cultus, des christlichen Kalenders und sämmtlicher kirchlichen Künste. Nur in dieser Erkenntniss ist die Kirche äusserlich wie innerlich ausgebaut worden. Nur in ihr kann sie erhalten oder, wo sie in Verfall ist, wieder erbaut werden. Unter den schweren Verhängnissen aber, die über die Kirche gekommen sind, ist es dahin gediehen, dass die von den Gläubigen selbst nur zu sehr vergessene Symbolik gleichsam eine Beute und ein Tummelplatz für die Feinde Christi geworden ist, indem sie jedes christliche Symbol auf irgend ein heidnisches zurückzuführen und alles specifisch Christliche in blossen Dunst und Wiederschein des Heidenthums aufzulösen trachten. Die blosse Möglichkeit eines solchen Versuchs beweist, wie sehr die alte Erkenntniss in unserer Generation verdunkelt ist. Sonst hätten die modernen Symboliker doch erröthen müssen, den Zeitgenossen zuzutrauen, dieselben würden, wenn auch ein ähnlicher Stein dem gothischen Dom eingefügt ist, wie den Tempeln zu Athen und Memphis, den ganz verschiedenen Geist und Styl, in welchem sie gebaut sind, nicht zu unterscheiden wissen, oder die Taube vom Jordan nicht von der im Myrthenhain zu Paphos? Wieder andere Gelehrte haben das christliche Symbol nur in seinen Karikirungen im Talmud und Koran und bei den Sekten aufzusuchen und zu erörtern geliebt. Aber bleibt denn das edle Menschenantlitz weniger ideal, weil es auch zum Affen verzerrt werden kann?

Die Symbolik ist Offenbarung Gottes im Bilde und Andacht der Menschen im Bilde, dort in aller Weise klar und sicher, unumstösslich, unwandelbar, imperatorisch wie eine höhere Mathematik, hier dem Wechsel der Zeiten und des menschlichen Geschmackes unterworfen, in Zeiten der Gottesfurcht und Gottesminne von rührender Einfachheit, Wahrheit und Schönheit, in Zeiten des Zweifels, der Eitelkeit und Neuerungssucht dagegen abirrend von der Wahrheit, überkünstlich, zweideutig und mannigfachen Häresien dienstbar. Von oben her ist das Kreuz auf das Erdenrund gepflanzt worden und von unten her haben sich die Blumen der kirchlichen Poesie um seinen Fuss gerankt, aber auch Unkraut und schlangenbergende Dornen.

Ich zeige an den geeigneten Orten, wie des reinen christlichen Symbols Maass und Gerechtigkeit sich von den willkührlichen Uebertreibungen und Ungeheuerlichkeiten der Gnosis und anderer Sekten, sowie des Talmud und Koran unterscheidet, und wie noch hin und wieder spät im Abendlande heidnische Symbole durch die Legende in den christlichen Bildercyclus aufgenommen werden konnten, immer unter der Bedingung einer neuen und höhern Weihe; oder wie eigenthümliche Naturerscheinungen, Kräuter, Bäume, Thiere, welche die christlichen Bekehrer im Norden vorfanden, sich zu guten Sinnbildern im christlichen Sinne geeignet haben und so genommen worden sind, eben so unbefangen, wie andere dem Süden eigenthümliche im Orient. Aber ich enthalte mich, jenen ganzen Wust von talmudistischen, gnostischen, manichäischen, muhamedanischen Fabeln auszukramen, die des Lesers Aufmerksamkeit nur ablenken würden von dem heiligen Kreise echtchristlicher Symbolik. Die falsche Gelehrsamkeit, die sich in diesen Enthüllungen gefällt, führt von Bayle an nicht in die Kirche, sondern aus ihr heraus, und die pseudochristlichen Phantasmata, die sie an die Wand malt, können ein gläubiges Gemüth nur beunruhigen, wie jene, die den heiligen Antonius, als er vor dem einfachen Kreuz auf rauhem Stein kniete, zu stören trachteten.

Nachdem sich nun so viel Schutt vor der Kirchenthüre gehäuft hat, ist es keine kleine Arbeit, damit aufzuräumen. Das möge die Mängel meines Buches entschuldigen, welches ich gleichwohl mit dem Bewusstseyn vollende, dass es den rechten Weg gefunden und gebahnt hat. Obgleich es aus langjährigem Fleiss in Erforschung unzähliger Schriftquellen und in der Vergleichung unzähliger Kirchenbilder hervorgewachsen ist, blieb ihm doch im Einzelnen gar Manches noch unbekannt, unzugänglich, unverstanden. Aber es war auch nicht auf formelle Vollendung berechnet, es legt vielmehr das grösste Gewicht auf das Kriterium des Echtchristlichen, d. h. auf den innern und nothwendigen Zusammenhang aller Symbole mit der Grundidee der Kirche. Es beschäftigt sich mit den bunten Bildern der Kirche nur, um auf der Leiter des symbolischen Farbenspectrums in unwandelbar gerader Richtung das centrale Urlicht zu suchen. Es krittelt und nagt nicht an den Einzelnheiten herum, wie die bekannte Ratte am Pentagramm, sondern es begreift die Solidarität der gesammten christlichen Symbolik als Ausdruck der Einen und untheilbaren Idee der Kirche.