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Pest

gehört unter die ägyptischen Plagen, als göttliche Strafe, bedeutet aber auch das Wehe der irdischen Welt überhaupt, im Gegensatz gegen die Gesundheit, die uns erst in der bessern Welt zu Theil werden soll. Denn die irdische Welt ist [209] durch Sünde verpestet. Durch die erste Sünde kam die erste Krankheit und der Tod in die Welt. In diesem Sinne ist der arme Lazarus im Evangelium eine Personification der leidenden Menschheit überhaupt, desgleichen der kranke Hiob auf dem Mist. Andrerseits aber ist auch wieder der hülfreiche Pfleger und Arzt in der Pest ein Nachfolger des Welterlösers. Zu diesen gehören vorzugsweise die beiden grossen Pestheiligen, St. Rochus und St. Karl Borromäus.

St. Rochus, zu Montpellier im 13ten Jahrhundert geboren, hatte schon bei der Geburt ein rothes Kreuz auf der Brust und hielt die Fasten an der Mutterbrust. Zwanzig Jahre alt, kam er nach Italien, diente in einem Hospital und zeichnete sich durch Pflege der Pestkranken aus, von denen er nicht nur nicht angesteckt wurde, sondern die er durch Berührung und Gebet heilte. Dann diente er in Rom selbst; hier aber überfiel ihn die Pest; man warf ihn vor die Thür, er kroch fort bis zu einer Bauernhütte, und lebte hier, von Allen verlassen, ausser von einem treuen Hunde, der ihm täglich ein Brodt brachte. Als er geheilt war, warf man ihn, indem man ihn für einen Spion hielt, in den Kerker. Hier starb er und verrieth seine Heiligkeit durch einen Glanz, der sich von ihm verbreitete. 16. August 1327. Man betet zu ihm zur Pestzeit. Lat. Hymnen s. Coeleste palmetum p. 492. Ein Spottgebet an ihn, von einem Ehemann, der ihn bittet, ihn auch von der Pest, d. h. einem bösen Weibe, zu befreien, von Francesco di Lemene. Ital. Anthologie II. 110. Die Rochuscapelle bei Bingen. Im Campanerthal in den Pyrenäen zeigt man noch jetzt einen Epheu, den der Heilige gepflanzt haben soll, und von dem sich die Wallfahrer Blätter pflücken. W. von R., Reise I. 149.

In Hospitälern ist er oft als Patron gemalt. Immer im Pilgerkleide, Pilgerhut und Stab, von einem Hündchen begleitet, das ein Brodt trägt. Bilder aus seiner Legende in der Jakobskirche zu Antwerpen. Burckhardt, belg. Städte S. 90, und von Abel Pugol in S. Sulpice zu Paris. Wie er die Madonna um Abwendung der Pest knieend anfleht, [210] malte David zu Marseille und Annibal Caracci in England. Passavant 270. Wie er für die Kranken betet, malte auch Rubens zu Aalst. Wie er die Pestkranken pflegt und heilt, malte Procaccini in Dresden, Tintoretto in der Gallerie Lichtenstein. Mit zwei Kindern malte ihn Andrea del Sarto in Florenz. Wie er Almosen austheilt, Annibal Caracci in Dresden.

Wie der Hund seine Wunde leckt, malte Spagnoletto im Escurial; mit dem Hunde in einer schönen Landschaft malte ihn auch Mostaert, gest. von Sadeler. Wie ein Engel seine Wunde heilt, malte Schiedone im Pallast Doria und Annibal Caracci in England (Passavant 204. 271.). Ein unziemliches Bild dagegen malte Tintoretto, nämlich die Ankunft des Heiligen im Himmel, wo Gott Vater selbst ihn umarmt. Vasari V. 60.

Borromeo ist eine alte, am Lago maggiore begüterte Familie, von welcher die Inseln dieses See’s die borromeischen heissen, die durch ihre Schönheit so berühmte Isola bella und Isola madre. Der berühmteste des Geschlechts war Carlo Borromeo, Erzbischof von Mailand und Cardinal († 1584), ausgezeichnet durch seine frommen Stiftungen, durch den Edelmuth, mit dem er bei der grossen Pest in Mailand persönlich Hülfe und Trost ertheilte und keine Gefahr scheute, durch strengsten Lebenswandel und Kasteiungen etc., hauptsächlich aber durch den unermüdlichen Eifer und die Art und Weise, mit denen er der Reformation entgegenarbeitete, indem er der katholischen Welt die Tugend und strenge Sittlichkeit zurückgeben wollte, deren lüderliche Verscherzung die Reformation hervorgerufen hatte. Nach der Volkssage bannte er die Pest in eine Marmorsäule zu Mailand, wo sie noch jetzt an einer Beule zu sehen ist. Keyssler, Reise S. 279. — Im Dom zu Mailand ist ihm eine prächtige Grabkapelle errichtet mit silbernen Basreliefs, die sein Leben darstellen. Vgl. Millin, Lombardie I. 82 f. Zu Arona am Ufer des Lago maggiore steht seine Statue von Erz und Erzplatten, 66 Fuss hoch, das Piedestal 46 Fuss, zusammen 112 Fuss. Millin [211] I. 478. Wie er die Pestkranken tröstet, ist sehr oft gemalt worden. — Unter den Dichtern hat Manzoni in s. promessi sposi[WS 1] ein sehr ideales Bild von dem Heiligen entworfen. Auch in Rousseau’s Legenden S. 55 wird sein Edelmuth besungen, und von Pyrker.

In einer Pest findet auch die berühmte Prozession von Echternach ihre Erklärung. St. Willibrord, ein Angelsachse, kam im 8ten Jahrhundert nach den Niederlanden und wurde Bischof von Mastricht. Er ist Apostel der Friesen. Zu Echternach bei Trier ist er begraben, 7. November. Bis auf diesen Tag wird zu seinem Grabe gewallfahrtet, und zwar im Tanz, indem die Pilger einander anstossen und je zwei Schritte vorwärts und wieder einen hinter sich springen. Nach den Mém. de l'acad. celtique III. 454. und Bertholet, hist. de Luxembourg II. 177, rührt die Sitte aus einer grossen Pestzeit her, in der die Menschen von Tanzwuth befallen wurden (der St. Veitstanz im 14ten Jahrhundert), welche nirgends als an diesem Grabe geheilt werden konnte. Noch jetzt wiederholen die katholischen Gemeinden der Eifel unter ihren Pfarrern, jede mit ihrer Fahne, den feierlichen Tanz.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Berichtigung Band II. In der Vorlage: 'suosi'