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Lucifer.

Das erste wirkliche Geschöpf Gottes, das nicht mehr wie das Wort (Logos) oder der Geist und die Weisheit (Sophia) er selber war, sondern ein zweites, ausser ihm befindliches Wesen, wurde eben deshalb sein Feind. Der erste Engel wurde der Teufel.

Jesaias 14, 12. heisst es: „Du bist gefallen, schöner Morgenstern (Lucifer).“ Gesenius und die meisten neuern Erklärer verstehen unter dem Morgenstern nur das babylonische Reich, von dem der Prophet eben handelt. Allein der Prophet bedient sich offenbar eines den Morgenländern sehr verständlichen Bildes, wonach eben erst der zu seiner Zeit gehoffte Sturz Babylons mit dem längst bekannten Sturze Lucifers verglichen wird. Denn wie Lucifer durch seinen Uebermuth, durch den Stolz auf seine Schönheit fiel, so auch Babylon. Ueberdies heisst es Luc. 10, 18, Satan sey wie [45] ein Blitz vom Himmel gefallen. 1. Timoth. 3, 6. heisst es: der Hochmüthige leide des Teufels Strafe. 2. Petri 2, 4. wird geradezu gesagt, Gott habe die sündigen Engel mit Ketten der Finsterniss zur Hölle verstossen, und Epist. Judä 6: diese bis zum Gericht in der Finsterniss gehaltenen Engel hätten ihre Fürstenthümer und himmlischen Häuser verlassen müssen. Endlich spricht Ev. Joh. 8, 44. Christus selber vom Teufel, als dem Mörder von Anfang und Vater der Lügen.

Vermöge der eigenthümlichen Verblendung, welche alles specifisch Christliche für blosse Nachahmung von etwas Heidnischem hält, weil es ein Vorbild im alten Heidenthum (wie ein Afterbild im neuen) hatte, glaubte Bohlen (Genesis 50.) und viele Andere, die ganze Lehre vom Teufel sey erst nach dem Exil in’s Judenthum gekommen, und nichts weiter als die Lehre vom persischen Ahriman. In der That ist Ahriman, der erstgeborne Engel der Perser, zum Teufel geworden, weil er Gott selbst seyn und allein regieren wollte. Ganz auf dieselbe Weise empörte sich auch nach der Brahminenlehre der erstgeborne Engel Moisasur. Auch der Titanensturz der Griechen gehört hieher.

Allein diese alten Vorstellungen der Heiden enthalten nur einen Schimmer von christlicher Idee, und schweifen einseitig aus. Der persische Ahriman verderbt die halbe Natur und theilt sie in eine böse und gute Hälfte; davon ist die mosaische und christliche Anschauung weit entfernt, der vielmehr die ganze Natur gut und als Gottes Werk erscheint. Der indische Moisasur verführt die übrigen himmlischen Geister zum Abfall von Gott und dafür müssen sie als Seelen in Menschen- und Thierleiber übergehen, um abzubüssen. Auch von dieser Seelenwanderungslehre ist das Christenthum weit entfernt.

Lucifer ist specifisch biblisch, jüdisch-christlich. Vor Allem lag es nahe, zu fragen, warum Gott überhaupt das Böse zugelassen habe? Augustinus, de civ. Dei 14. 11, sagt einfach: „Gott wollte seinen Geschöpfen Freiheit geben, als das köstlichste Gut, aber einen freien Willen kann es nicht [46] geben, wenn er nicht auch böse seyn könnte. Uebrigens habe das Gott nach seiner Weisheit vorausgesehen.“ Aehnlich Basilius in der 9ten Homilie. Der Scholastiker Duns Scotus hob die Nähe hervor, in welcher Lucifer zu Gott gestanden; je gottähnlicher er war, desto stärker war auch für ihn die Versuchung, sich Gott gleich oder an Gottes Stelle zu setzen (nach der musikalischen Regel des Septimenaccordes). Thomas von Aquino hebt hervor: die Engel befinden sich im Stande der Gnade, nicht im Stande der Busse, wie die Menschen; ihre Sünde sey also viel unverzeihlicher, ihr Fall viel tiefer. Zudem könne der Mensch seinen Willen zügeln und anderswohin lenken, der Engel aber müsse ihn in der einmal angenommenen Richtung verfolgen, was ihn nothwendig in’s Extrem führe. Der Mensch sey sterblich und somit zur Aenderung von aussenher berufen; der Engel aber sey unsterblich und mache sich nur selber zu dem, was er werde. Vgl. Baur, Dreieinigkeit II. 770. 782.

Schon der blosse Begriff des Eigenwillens setzt die ganze Folgerung des Diabolismus voraus. So wie neben dem göttlichen noch ein zweiter Wille daseyn darf, wird er ein böser werden, eben um alle Möglichkeiten der Verschiedenheit vom göttlichen Willen zu erschöpfen.

Ein erstes Moment des bösen Willens ist der Trotz, das Unabhängigkeitsstreben, die Lust, allein zu herrschen.

Ein zweites Moment ist die Eitelkeit, die bei Lucifer insbesondere durch die Realität seines erschaffenen Wesens genährt wurde, während Gott ihm gegenüber in seiner ursprünglichen Idealität verharrte. Lucifer hielt sich für um so viel vollkommener, als er körperlicher geworden war; obgleich hier noch an keine irdische Materie zu denken ist.

Daher identificirte noch Jakob Böhme den Lucifer mit der Natur, als dem Aeusseren, im Gegensatz gegen Gott, als das Innere. Das Aeussere aber in seinem härtesten Gegensatz gegen das Innere ist Finsterniss, wie das Innere Licht ist, todte Erstarrung, wie das Innere Leben ist. Daher, glaubt Böhme, musste Gott durch eine neue Schöpfung den [47] Gegensatz vermitteln, das ist nun die Erde mit den Menschen in der Mitte zwischen Himmel und Hölle. — Nicht anders fasste auch der grosse Dante den Lucifer auf, da er ihn, vom Himmel herabgefallen, in den Mittel- und Schwerpunkt der Erde sinken und dort bis zum Gericht bleiben lässt. Die Finsterniss und Schwere contrastiren hier mit dem Licht und dem leichten Flügelschwung im Himmel. Vgl. Kopisch, Dante S. 69.

In der berühmten Vision des Ritters Tundal (Vincent. Bellovac. speculum morale II. 3. 6.) liegt Lucifer gleichfalls in der Tiefe der Hölle, angefesselt, von unzähligen kleinen Teufeln umgeben, die beständig das Feuer unter ihm schüren, um ihn zu plagen; denn in der Hölle waltet so sehr das Gesetz des Hasses, dass auch die Schüler ihren Meister, die Unterthanen ihren Herrn, die Kinder ihren Vater beständig hassen und martern müssen. Lucifer hat Menschengestalt, aber von Riessengrösse, und ist rabenschwarz. Wie Briareus hat er eine Menge Hände, jede mit zwanzig Fingern und Krallen, womit er nach den Verdammten greift, um dieselben zu fressen.

Bevor aber Lucifer in der Tiefe gefesselt wird, hat er Macht, die Menschen selbst zu fesseln. In einem Auto des Lope de Vega liegt die ganze Menschheit gefesselt zu seinen Füssen. v. Schack, dramat. Lit. d. Span. II. 412.

Die Muhamedaner kennen den gefallenen Lucifer unter dem Namen Iblis (entstellt aus dem griechischen διάβολος). Sie gehen aber in ihren Unterscheidungen des ersten Geisterreichs noch weiter, als die Juden. Vor der letzten Schöpfung, sagen sie, war die Erde bereits bewohnt, wenn auch nicht von Menschen, doch von Dschinnen (Genien) in Riesengestalt. Dieselben waren keineswegs Teufel, wenn auch keine Engel. Es herrschten nach einander sieben weise Salomone über sie, denen allen gemeinsam der allwissende Vogel Simurgh (Phönix) als Wessir diente. Endlich wurden sie übermüthig, und Gott schickte den Engel Iblis aus, sie zu strafen. Iblis und die ihm untergebenen Engel siegten und verbannten die [48] überwundenen Dschinnen in das äusserste Grenzgebirge der Erde, Kaf genannt. Nun wurde aber Iblis selber übermüthig, trotzte Gott und verwandelte sich mit den Seinen dadurch in Diws (böse Geister, Teufel, zum Unterschied von den Dschinnen, Riesen). Gott schuf nun den Adam, in der Hoffnung, die Menschen würden besser seyn, als Dschinnen und Diws. Beide letzteren sollten das neue Geschöpf anbeten. Sükkradsch (siehe Herbelot s. v.), der Fürst der Dschinnen, that es und huldigte dem Adam, Iblis aber that es nicht, und wurde deshalb von Gott in die Hölle gestürzt. Vgl. auch Herbelot s. v. Eblis, und v. Hammer, persische Redekünste S. 21. — Nach dem jüdischen Sohar war Sammael (Lucifer) ursprünglich ein Seraph mit sechs Flügeln.

Der Engelsturz ist oft in kecken Teufelsgruppen gemalt worden. Ganz eigenthümlich aber erscheint ein altes griechisches Bild, auf dem die stürzenden Engel oben noch schön sind, allmählig immer hässlicher und erst unten zu vollendeten Teufeln werden. Didron, man. p. 77. Ganz eben so malte sie Bos.

Weil Lucifer der Lichtträger heisst, wird Christus selbst der wahre Lucifer genannt, in einer Hymne des Hilarius. Königsfeld, lat. Hymnen S. 2.