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Babylon

bildet als Sitz der Weltlichkeit, der weltlichen Macht, der zahlreichsten Bevölkerung, des Reichthums, der Ueppigkeit und Sünde in der heiligen Schrift den Gegensatz zu Jerusalem, als dem Sitz des kleinen, aber auserwählten Volkes und der wahren Gottesverehrung.

Der babylonische Thurmbau wurde von der ersten grossen Menschenvereinigung zu einem Volke unternommen, um „sich einen Namen zu machen“, d. h. wohl zugleich aus eigner Kraft und Gott zum Trotz sich eine feste und hohe Schutzwehr gegen jede etwa wiederkehrende Sündfluth zu errichten, also in weltlicher und gottloser Gesinnung. Sind aber der Menschen noch so viele und sie sind weltlich, gottlos, mithin egoistisch, so vermögen sie nichts Festes und Dauerndes zu bauen, noch zur Einheit zu gelangen, sondern schliessen sich wechselseitig aus, verwirren einander, unterliegen dem centrifugalen Principe. Daher die den babylonischen Thurm bauen wollten, einander nicht mehr verstanden, in verschiedenen Sprachen redeten und sich über die ganze Erde zerstreuten, um einander fremd und feind zu werden. Diesem [99] Vorgang, mit dem die Völkergeschichte nach Noah beginnt, steht nun die Wiedervereinigung aller Frommen und Gerechten am Weltende in dem ewigen und unzerstörlichen Gottesbau des neuen Jerusalems entgegen. Die Frommen, vom centripetalen Princip beseelt, erkennen und einigen sich in dem Einen wahren Glauben, und Gott selbst baut ihnen die neue feste Burg. Was insbesondere die Verwirrung und Trennung der Sprache betrifft, so steht dem alttestamentarischen Thurmbau im neuen Testament die Ausgiessung des heiligen Geistes zu Pfingsten gegenüber, durch welche die Jünger Jesu plötzlich befähigt wurden, alle Sprachen zu reden und zu verstehen. Deshalb kommen auch auf ältern byzantinischen Bildern des Thurmbaues, wie auf den Pfingstbildern Flammenzungen und Lichtstrahlen vor, die vom Himmel fallen; nur dass sie auf den Thurm in divergirenden Richtungen fallen und die Theilung und Zerstreuung der Sprachen bezeugen, während sie auf den Pfingstbildern sich senkrecht auf die Häupter der begeisterten Jünger senken. Didron, man. p. 206. Kaulbach hat in seinem grossen Thurmbilde in den von einander scheidenden Gruppen die Prototypen der welthistorisch wichtigsten Völker, eine kleine Weltgeschichte in nuce gegeben. In der That geht die Weltgeschichte vom Thurmbau, wie die Naturgeschichte von der Arche Noah’s aus. – Mit der heiligen Schrift stimmen im Wesentlichen die alten Traditionen von den Giganten überein, die im Kampf mit dem Gott Saturn den Thurm zu Babel gebaut haben sollen, um den Himmel zu stürmen. Moses, von Chorene, annal. I, 8. 9. Eusebius, praep. ev. 9, 14. 18. Origenes, contra Cels. 4. p. 174. Vgl. Gesenius in Ersch und Grubers Encycl. s. v. Babylon.

Sofern der hohe babylonische Thurm gebaut wurde, um den Menschen zum Schutz zu dienen, wenn eine neue Sündfluth käme, wird er zuweilen dem Ararat, auf dem Noah’s Arche sich niederliess, gegenübergestellt, z. B. auf dem Titelkupfer der histoire du diable, Amst. 1729. Es ist der Gegensatz [100] von Unglaube und Glaube, von menschlicher Hoffahrt und göttlicher Gnade.

In der babylonischen Hure, wie sie die Offenb. Johannis 17 schildert, ist insbesondere die Weltlust, der Welt Verführung personificirt. Die grosse Babel, „die Mutter der Hurerei und aller Greuel auf Erden,“ sitzt auf dem rothen, siebenfach gehörnten Thiere, selber roth gekleidet und mit Gold gestickt, und trägt in der Hand den Taumelbecher der Lust. Das Thier bedeutet das weltliche Reich, die sieben Hörner seine Macht, denn Horn ist der Stärke Sinnbild. Dieser Hure gegenüber steht in der Offenb. Johannis 12. das Weib, welches mit der Sonne umkleidet ist und auf dem Monde steht, und deren in Angst gebornes Kind vom Drachen vergebens verfolgt wird, weil Gott selbst es rettet. Das ist die Mutter des Erlösers. Das Sinnbild der Hure wird von Jesaias 23, 15 auch auf die reiche Handelsstadt Tyrus, von Nahum 3, 4 auf die grosse Stadt Ninive angewandt.

Den von den Propheten und Heiligen ausgesprochenen und in Erfüllung gegangenen Fluch über Babylon, welches gänzlich zerstört und zur Wüste gemacht werden soll, enthalten Jeremias 50, 51 und die Offenb. Johannis 18.