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Amor.

Die ersten Christen in Rom benützten häufig altbekannte heidnische Gestalten, um sie auf eine durchaus unschuldige und naive Art in einem neuen und rein christlichen Sinne zu brauchen. So auch den kleinen Liebesgott. Altchristliche Bildwerke, auf denen er sich findet, s. bei d‘ Agincourt, sculpt. tab. IX. fig. 1. 2. 5. Erst später sah man das Unziemliche solcher christlicher Nutzanwendungen heidnischer Bilder ein. Daher auf einem Bilde der altgriechischen Kirche Amor als Jüngling mit verbundenen Augen mit dem Pfeile gegen einen Mönch zielt und auf einem Drachen stehend durch die Beischrift ausdrücklich als leidenschaftliche Gier, [57] mithin wie die andern Gestalten, die den Mönch quälen und versuchen, als böser Dämon aufgefasst wird. Didron, manuel p. 402. Auch der lat. Dichter Ausonius hat, indem er seinen „gekreuzigten Amor“ dichtete, das Dämonische, Schädliche, Teuflische in ihm hervorgehoben (wofür er ihn eben an’s Kreuz schlagen lässt), und die christliche Vorstellungsweise dürfte dabei wohl nicht ohne Einfluss auf ihn geblieben seyn. Giotto malte zu Assisi den Amor mit Bocksfüssen, wie er von der Busse weggegeisselt wird. Auf einem Bilde im vormaligen Mainzer Schloss Gaibach wurde Amor vom Teufel geholt. Blainville, Reise I. 197. Caravaggio malte die irdische und himmlische Liebe, beide als Eroten, den einen mit Geierflügeln, dämonisch wild, frech und alle Symbole der Macht, der Ehre, Kunst und Wissenschaft mit Füssen tretend, den andern mit Flammenschwert und Adlerflügeln. Kugler, Berliner Kunstkammer I. 137.

Zur Zeit der Renaissance kam mit vielem andern Heidnischen auch Amor wieder in die Kirche. Italienische Maler fingen an, in ihre Engel die kokette Schalkhaftigkeit des heidnischen Amors zu legen, worin französische Maler noch weiter gingen. Auf vielen Bildern der heiligen Theresia liegt die schöne Heilige in einer Ohnmacht des Entzückens da, während ein Engel lächelnd mit dem Pfeile nach ihr zielt, ein völlig heidnischer Amor. Auch das Christkind wurde nicht selten wie ein Amor aufgefasst.

Ernster und reiner erscheint die Vergleichung des Heilands mit Amor im Verhältniss zur Psyche. Schon der Heide Apulejus fasste die Psyche als menschliche Seele auf, die durch die Liebe (Amor) geläutert und nach harten Prüfungen belohnt wird. Das liess sich unbedenklich auf das Verhältniss der Seele zu Christus anwenden. Daher man die mit Schmetterlingsflügeln geschmückte Psyche neben Amor auch schon auf altchristlichen Sarkophagen findet, z. B. im Museum des Lateran in Rom (Kunstblatt 1844. S. 330.) und in der Peterskirche. Bunsen, Beschr. Roms II. 1. 192. Vgl. Piper, Myth. I. 214 f. Amor und Psyche küssen sich auf [58] einem christlichen Sarkophag bei d’Agincourt sculpt. IV. 3. – Auch in einem Auto des Calderon ist Christus Amor, die menschliche Seele Psyche. Das ganze Mährchen des Apulejus wird hier allegorisch genommen. Der Psyche ältere Schwestern sind Heidenthum und Judenthum, ihr Vater ist die Welt. Durch diesen und der Schwester Kind wird sie verstossen. Amor-Christus findet sie unsichtbar. Aber aus böser Neugier will sie nicht allein an ihn glauben, sondern ihn auch schauen, und fällt dadurch in die Sünde, die sie schwer büsst, bis ihre Reue und die ewige Liebe sie erlösen. Calderons geistl. Schausp. von Eichendorff II. 201. Ein ähnliches Auto schrieb auch Valdivieso. v. Schack, dramat. Lit. d. Span. II. 499. Sehr poetisch behandeln denselben Gegenstand Herm. Hugonis pia desideria, Antv. 1624. Als hier Psyche mit der Lampe den Geliebten sucht, findet sie ihn nicht, denn er liegt an einer andern Stelle – auf dem Kreuze (p. 209.). Diesen Gedanken wiederholt ein Lied des alten Rudolstädter Gesangbuchs. Vgl. Kunstbl. 1822. S. 415. Das Werk des Hugo (eines Jesuiten) ist in lateinischen Distichen geschrieben und voll zarter Gedanken. Eben so die Amorum emblemata des Otto Vaenius.