Textdaten
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Autor: Joachim Ringelnatz
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Titel: Chartres
Untertitel:
aus: 103 Gedichte, S. 76–77
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1933
Verlag: Ernst Rowohlt
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld und Commons
Kurzbeschreibung:
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[76]
Chartres


Kirchenfenster, Kirchenfenster,
Kirchenfenster, Kirchenfenst...
Hoch im Dachgebälk der Kathedrale
Sahen meine Freunde viel Gespenster.

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Ich sah nur ein einziges, das internationale,

Ewige, gottfröhliche Gespenst,
Das nicht nur in Kathedralen
Sondern auch im Zöster und im Faust,
Auch in Püffen und in Apfelsinenschalen

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Oder sonstens wo für den und jenen haust.

Der Professor, welcher im Beruf
Und bei seinen Leuten
An sehr erster, prominenter Spitze steht,

[77]
Wußte, wer das alles und wie und warum er’s schuf:
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Und er bat die Freunde, ihn zu bitten, uns zu deuten.

Und dann konnte er geflüssig, klar und sinnig
Steine, Formen, Farben lesen.
Und doch vor den schönen Kirchenfenstern bin ich
Damals glücklich ganz fernanderswo gewesen.

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Doch dem Kirchendiener hab’ ich lange

Zugeschaut – das hat mich zweitens intressiert –.
Wie der Kerl mit einer Eisenstange
Und mit einem Holzpantoffel raffiniert
Eine Maus beschlich.

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Ach, die hatte sich

Scheu verirrt. – Nun mag man nicht vergessen,
Daß oft Mäuse ohne Ehrfurcht oder Scham:
Bibeln, Samt und Christusnasen fressen.
Doch ich freute mich

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Ungeheuerlich,

Als die Kirchenmaus dem Kirchendiener doch entkam.