Textdaten
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Autor: Red./Isidor Zabludowski
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Titel: Broterwerb durch die Massage
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aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 770–771
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Broterwerb durch die Massage.

Eine Warnung für Viele.

Seitdem die Massage auch in Deutschland immer mehr von den Aerzten angewandt wurde und überraschende Erfolge bei vielfachen Leiden erzielt hat, faßten viele Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen den Entschluß, diese Kunst zu erlernen, und manche, deren Existenz im Leben nicht genügend gefestigt war, glaubten, durch die Ausübung der Massage ihren Lebensunterhalt erwerben zu können. An unsere Redaktion ergingen in letzter Zeit zahlreiche Anfragen, wo man die Massage lernen könne, und wir haben darum Herrn Dr. Zabludowski in Berlin, eine Autorität auf diesem Gebiete, um sachkundige Auskunft gebeten. Wir erhielten hierauf die nachfolgenden dankenswerthen Mittheilungen, welche wir im gemeinnützigen Interesse veröffentlichen. Der Brief lautet:

„Hochgeehrter Herr Redakteur!

Auf Ihre gefällige Anfrage vom 17. d. Mts., betreffend die Angabe, wo eine Frau das Massiren erlernen könnte, um sich später durch Ausübung von Massage ihr tägliches Brot zu erwerben, beehre ich mich, Nachstehendes zu erwiedern:

In öffentlichen Blättern, in Berlin z. B. auch in Fachzeitungen, werden im Inseratentheil regelmäßig Annoncen über Massage-Lehrkurse veröffentlicht, welche für Laien beiderlei Geschlechts gehalten werden. Solche Lehrkurse dauern gewöhnlich 3½ Wochen. Sie bestehen hauptsächlich darin, daß einerseits die wenigen Hauptmanipulationen der Massage: Kneten, Streichen und Klopfen, andererseits einige heilgymnastische Bewegungen, wie sie in dem Schreber’schen[WS 1] Buche über Zimmergymnastik zum Selbststudium angegeben sind, an einer gesunden Person gezeigt werden. Das Lehrhonorar beträgt gewöhnlich 100 Mark.

Anstalten, wo Laien zum Zwecke des Unterrichts die Möglichkeit gegeben wird, die Behandlung Kranker durch Massage zu beobachten und systematisch zu erlernen, giebt es nicht und darf es auch aus folgenden Gründen nicht geben:

Die Ausübung der Massage durch Laien ist durchaus nicht geeignet, das Ansehen der massirenden Personen an ihrem Wirkungsorte zu heben. Vereinzelte Ausnahmen können dabei nicht in Betracht kommen; denn nur vermöge der durch jahrelanges ärztliches Studium erworbenen Kenntnisse kann man in jedem gegebenen Falle die nöthigen Angriffspunkte bei der Massage wie auch die dabei anzuwendenden Kraft richtig bemessen. Die tägliche Erfahrung lehrt jetzt, daß durch die Massage von Laien gerade in den dankbarsten Fällen, zu welchen besonders die chirurgischen und diejenigen der Nervenleiden gehören, öfter Schaden als Nutzen für die Patienten entsteht. Eine zu starke Bewegung im entzündeten Gelenk läßt eine akute Entzündung zu einer chronischen werden, während hingegen eine zu schwache Massage da ganz resultatlos bleibt, wo ein energisches Eingreifen am Platze wäre. Das Massiren unter sogenannter ärztlicher Leitung schafft absolut keine Abhilfe für die angeführten Mängel der Massage durch Laien; denn es wird dem Arzte immer unmöglich bleiben, die von einer mit der Heilkunde nicht vertrauten Person ausgeübten Massagemanipulationen an einem kranken Organe jeden Augenblick gehörig zu beherrschen.

Anders verhält es sich mit der allgemeinen Massage (Massage des ganzen Körpers), welche, wie etwa auch ein gewöhnliches Bad, lediglich hygienischen Zwecken dienen kann. Diese wird in Rußland und in der Türkei z. B., wo Bäder von Jedermann in regelmäßigen Zwischenräumen von einer Woche genommen werden, fast an jedem Badenden von den Badedienern ausgeübt, was jetzt auch in Deutschland in den meisten Bade-Orten geschieht. Zur Erlernung dieser allgemeinen Massage, deren Manipulationen dieselben sind wie diejenigen bei den Einreibungen gegen Muskelschmerzen (Rheumatismus), bedarf man aber überhaupt keiner Lehrkurse, und die dafür vorhandenen Kurse dienen natürlich nur dem materiellen Nutzen der sich Massagelehrer nennenden Personen. [771] Es genügt vollkommen, nur einmal gesehen zu haben, wie die Ausübung der allgemeinen Massage geschieht. Gelegenheit aber zum Sehen hat doch Jeder, da man sich hierzu nur einmal von einem Masseur oder einer Masseuse in einem römischen Bade etc. massiren zu lassen braucht.

Gewöhnlich wollen Personen, die irgendwie ihren Beruf verfehlt zu haben glauben, durch die Erlernung der Massage einen leichten und einträglichen Erwerbszweig erringen; sie hoffen dabei, auf bequeme Art zum Prakticiren, eigentlich Kurpfuschen, zu gelangen. Kommen Einem doch hin und wieder Zeitungsnotizen zu Gesicht über Personen niederen Standes, welche durch die Ausübung der Massage bei hochgestellten Persönlichkeiten Eingang fanden. Durch solche Nachrichten verleitet, geben nun Viele für die Erlernung der Massage ihre letzten mühsam erworbenen Ersparnisse aus und warten dann auf Praxis. Auf diese Art haben wir in Berlin schon einige hundert Masseure und Masseusen. Hierbei ist noch zu bemerken, daß in den letzten Jahren in dem Maße, wie die Zahl der ihre Dienste anbietenden Masseure und Masseusen zunimmt, die Zahl der Kranken, welche die Dienste Jener beanspruchen, sich vermindert; denn die Massage als Heilmittel für Kranke wird immer mehr und mehr in ihrem wahren Werthe und ihrer richtigen Beschaffenheit von Aerzten erkannt, wodurch dann selbstverständlich ihre Ausübung durch Nichtärzte mehr und mehr als unstatthaft verworfen wird.

Es würde mich freuen, Herr Redakteur, wenn diese meine Zeilen vielleicht dazu dienen würden, irgend Jemand vor Enttäuschungen zu bewahren. Nur zu oft kommen zu mir ‚ausgelernte Masseusen‘, Arbeit suchend, welche nach zwei bis drei Jahren noch nicht den für das Lehrgeld ausgegebenen Betrag durch Ausübung der Massage wieder erworben haben.
Dr. Zabludowski.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schröber’schen