Botanischer Spaziergang durch das Lehrerleben

Textdaten
Autor: Dr. W. A. U.
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Titel: Botanischer Spaziergang durch das Lehrerleben
Untertitel: Tafellied zur Hauptkonferenz des Schulinspektionsbezirks Grimma in Wurzen am 22. November 1904
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Gustav Jacob. Wurzen
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Erscheinungsort: Wurzen
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Botanischer Spaziergang
durch das Lehrerleben




Tafellied
zur
Hauptkonferenz des Schulinspektionsbezirks Grimma
in Wurzen am 22. November 1904.




Mel : O Tannenbaum. —


Hat ’mal ein Bub’ ’nen hellen Kopf,
So muss er Lehrer werden!
Ob Leberblümchen, Lungenkraut
Ihm kraftvoll blühn, der Arzt beschaut;
Doch ist sein Kopf ein Klappertopf,
Macht ihm das viel Beschwerden.

Ist er klein leichtes Flattergras,
Kann’s Löwenmaul brav halten,
Und sitzt er unterm Faulbaum nicht,
Hat A—horn abgelaufen sich,
Dann wird bei dem Examen bass,
Pechnelke nicht viel walten.

Er wird dann sehr bald angestellt.
Mit Silbermoos versehen.
Doch leider ist dies kurz: er schaut
Es bald nur noch als Hellerkraut
Und darauf ist’s kaum noch Wiesengeld
Wie Schaumkraut tut’s vergehen.

Stolziert in Uniform er dann,
Soldatenknöpf’ ihn schmücken;
So manche Ochsenzunge klingt
Ihm, bis er alle Griffe’l bringt
Und bis man untern Brotbaum kann
Gewehr-'Bei-Fuss ihn schicken.

In dessen Krone find’t er dann
Galläpfel manche Stunde;
In seinem Schatten zahlreich schaut
Er Bittersüss und Sauerkraut;
Er kämpft dagegen mutig an
Mit Löwenzahn im Munde.

Aus seinem Hirtentäschel beut
Den Kleinen er viel Gutes,
Setzt ihnen Lämmersalat hin,
Erfrischt mit Sonnentau den Sinn;
Er liebt das Linde jederzeit
Und gärtnert frohen Mutes,

Ob auch die Schafgarb’ ärgert ihn,
Ob Natternkopf ihn störet! –
Oft Eselsdistel ihn anficht;
Auch Gänseblümchen liebt er nicht;
Doch Hahn’nfuss ist nach seinem Sinn, –
Dess’ Melden er gern höret!

Ein Hasenpfötchen geht noch an,
Doch Bärenklau ist schlimmer;
Und findet er gar Ferkelkraut.
Schon nach dem span’schen Rohr er schaut!
Sumpfpflanzen er nicht leiden kann,
Find’t er sie, kommt in Grimm er.

Klatschrosen und Klatschmohn er mag
Auch niemals gerne sehen;
Holt aus dem jugendlichen Hirn
Gern den verwirrten Teufelszwirn;
Doch grault ’s ihn, wenn er Tag für Tag
Muss Nesseln - jäten gehen.

Die 'Pfaffenhütlein dann und wann
Nach der Plantage schreitet;
Wenn’s an das Gärtners Tätigkeit
Sich inspizierend hat erfreut,
DAnn bietet’s ihm ’mal Nieswurz an,
Daran sein Herz er weidet.

Viel Augentrost und Tausendschön
Auf seinem Pfad er findet:
Auch Masslieb ihm das Herz betört
Und 'Engelsüss den Schlaf ihm stört,
Bis endlich er mit Lobgetön
Sein Herzblatt laut verkündet!

Die Sonnenrose im Gesicht,
Schlips, Kragen - elegant sehr!
Die Butterblume auf dem Kopf,
Ganz Schneid’ bis auf den letzten Knopf!
Dafür kriegt manch Vergissmeinnicht
Vom Schneider in die Hand er!

Weil Tausendgüldenkraut als Lohn
Ihm nicht wird zugezählet,
Darum ihr gelber Fingerhut
Gar redlich auch das Seine tut;
Goldregen bleibt zwar Illussion,
Doch Hungerblümchen fehlet.

Ein jeder drum nach Stellen strebt,
Wo Fette Henne lebet;
Doch manchem guten Heinrich fein
Bringt’s nicht ein Mäus’gedärmchen ein.
Am alten Leimkraut mancher klebt
Und nimmer sich erhebet.

Doch beut nach langem, regen Tun
Die Obrigkeit in Gnaden
Dem armen Dulder schwarz auf weiss
Den schönsten Jubel - Ehrenpreis!
Er kann auf seinem Lorbeer nun
Ausruhn von seinen Taten.

Wenn sie noch höher sich versteigt,
Ihn Kreuzkraut gar beglücket,
Das er meist dort, wo's Herze schlägt,
Des Wochentgas als Bandgras trägt
Sein Lebensbaum bald spärlich zweigt,
Und Schimmel, grau ihn schmücket.

Die Glockenblum’ ans Ende mahnt,
Nachtschatten deckt sein Walten.
Petrus schliesst ihm nach langem Lauf
Mit seinem Himmelschlüssel auf;
Den Aaronstab legt weg die Hand,
Die Palme drin zu halten.

Dr. W. A. U.


Gustav Jacob. Wurzen.