Bock’s Briefkasten (Die Gartenlaube 1869)

Textdaten
Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Bock’s Briefkasten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 16–31
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Heft 16

[256] Bock’s Briefkasten. 1. Mein letztes Wort an Die, welche mir fort und fort, mündlich und brieflich, zum Lobe unsinniger Heilmittel und Curmethoden vorhalten: „ich bin aber dadurch gesund geworden!“ Also man höre. Ich weiß und habe es auch gerade oft genug drucken lassen, daß Kranke auch bei dem unsinnigsten Hokuspokus und dem lächerlichsten Firlefanz gesund werden. Ich weiß recht wohl, daß der Schuster Lampe, der Postschreiber Lutze, der Lohgerber Dittmann, der Schnapsfabrikant Daubitz, der Bierbrauer Hoff, die Frau Purgirkünstlerin Graf, der Drechsler Baunscheidt, die Kaltwasser- und trocknen-Semmel-Anhänger, die Rademachianer und Homöopathen, und wie die mit und ohne Geheimmittel curirenden Laien, sowie die Naturärzte mit und ohne Doctorhut alle heißen mögen, ich weiß, daß alle diese Curirer bei ihrer Heilkünstelei kranke gesund werden sehen. Wer nun aber denken gelernt hätte, – was leider die wenigsten Menschen können, – der würde nun nicht sofort behaupten: Das, was bei jenen Kranken angewendet wurde, muß auch die Ursache der Heilung gewesen sein. Er würde vielmehr darnach forschen – wozu er aber auch bei der dringendsten Aufforderung niemals zu bringen ist – ob die Heilung wirklich Folge des Angewendeten ist. Er würde sich fragen: wie kommt es denn aber, daß ganz dieselbe Krankheit durch die allerverschiedenartigsten Behandlungs- und Mißhandlungsarten gehoben wird? Ebenso durch Postschreiber Lutze’s lebensmagnetisch-angehauchte homöopathische Mittel, wie durch Schuster Lampe’s Kräuterabkochung, ebenso durch des Drechsler Baunscheidt Hautdurchlöcherungsmaschine, wie durch die Schroth’sche altbackene-Semmelcur, welche neuerlich von Einigen, mit der Kaltwasserwickelei amalgamirt, zur echten Naturheilweise (richtiger Unnaturheilkunst) erhoben ist und besonders Brustkranken recht schnell in’s Grab verhilft. Er würde, wenn er nur einen Funken von Verstand hätte, sich zu unterrichten suchen, wie es denn möglich ist, daß die allerverschiedenartigsten Krankheiten ganz über einen Leisten, alle aus einem Topfe, sämmtlich mit kalten nassen Einwickelungen, Lohe, bitterem Schnaps u. dergl. geheilt werden sollen. Aber vom verständigen Denken und vom Belehrenlassen über Gesundheit und Krankheit durch wirkliche Sachverständige, davon ist zur Zeit bei der Mehrzahl der Menschen keine Rede. Die Meisten bilden sich selbst aus ihrem leeren Hirnkasten heraus ihre unvernünftigen Heilansichten und Andere wollen sich nur durch naturheilende Schuster, Schneider, poetische saure Gurkenhändler und ähnliche von der Vorsehung mit absonderlichem Heiltalent begnadigte Afterärzte belehren lassen. Nun wäre dies in Bezug auf das Curiren der Krankheiten gar kein Grund, um sich darüber zu ereifern, denn im großen Ganzen bleibt das Sterblichkeitsverhältniß, auch bei den verschiedenartigsten Behandlungsweisen, so ziemlich dasselbe, und nur einzelne abergläubische Schwachköpfe müssen früher als nöthig in’s Gras beißen. Aber die Sache ist, wie aller Aberglaube, deshalb für jeden gebildeten und seine Mitmenschen liebenden Menschen so betrübend, weil dabei das Menschengeschlecht im Verständig-, Freier- und Gesünder-Werden weit hinter den Ansprüchen zurückbleibt, die man an dasselbe vermöge seines entwickelten Gehirns (Verstandesorganes) zu machen berechtigt ist. Leider läßt sich beim Erwachsenen aus dessen verkrüppeltem Verstandesorgane der eingewachsene Aberglaube und Unverstand nicht mehr austreiben und nur durch richtige Erziehung von Kindheit auf, vorzugsweise aber durch die Schule, ist es möglich, daß sich allmählich Vernunft in den Menschenköpfen einbürgert. Bei unserer jetzigen Schulerziehung wird das freilich noch sehr lange dauern!

Und nun merke man sich endlich einmal: Kranke werden bei der verschiedenartigsten Behandlungsart und bei dem blödsinnigsten Hokuspokus ebenso, wie auch ohne alle Arznei, gesund. Dies kommt daher, weil unser Körper, und zwar zu unserem großen Glücke, so eingerichtet ist, daß krankhafte Veränderungen innerhalb desselben solche Vorgänge nach sich ziehen, durch welche die allermeisten, besonders fieberhafte Krankheiten, vollständig oder doch theilweise, bald schneller, bald langsamer gehoben werden. Man bezeichnet jene heilsamen Vorgänge, welche ohne Arzt und Arzneien Krankheiten heilen, als Naturheilungsprocesse. Sie sind es, welche die allermeisten Kranken gesund machen und welche einer Unzahl von allopathischen Arzneien, homöopathischen und sympathetischen Curen, von Geheimmitteln und von allerhand Heilfirlefanz zu dem Rufe von wirklich heilsamen Heilmitteln verhalfen. Es ist betrübend, daß von dieser dem Menschen so wohlthätigen Natureinrichtung weder Aerzte, noch Laien die gehörige Notiz nehmen wollen. Und warum nicht? Weil sie dann nicht mehr so eitel anmaßend und dumm arrogant sein und behaupten können: Ich habe den Kranken geheilt. Damit brüsten sich aber die ungebildeten curirenden Laien – und diese wachsen jetzt wie Pilze aus der Erde – gar zu gern, abgesehen von den Groschens, die sie nebenbei, sogar armen Leuten, aus der Tasche escamotiren. Vorzüglich gern macht die Lungenschwindsucht mit Hülfe des Naturheilungsprocesses Stillstände und daher kommt es, daß diese Krankheit von einer Menge unsinniger Quacksalbereien und Quacksalbern angeblich geheilt wird. Wehe dem Brustkranken, der im Glauben, vollständig geheilt zu sein, nicht diejenige Lebensweise einzuschlagen weiß, welche einen sogen. Nachschub von Schwindsuchtsmasse verhütet.

Schließlich aberglaube man nun aber ja nicht etwa, daß jene Naturheilungsprocesse, welche der gebildete Heilkünstler in ihrem Verlaufe, – der bei den verschiedenen Krankheiten ein ganz verschiedener ist, genau kennen und durch ein passendes diätetisches Verfahren unterstützen muß, daß diese, wie der ungebildete Naturarzt meint, bei allen Krankheiten ganz auf dieselbe Weise (z. B. durch kalte nasse Einwickelungen) gefördert werden können. Bei jeder Krankheit verlangt der dieser Krankheit eigenthümliche Naturheilungsproceß seine ganz bestimmte diätetische Behandlung. Diese zieht aber die verschiedenartigsten naturgemäßen Hülfsmittel in Gebrauch; so die Nahrung (mehr animalische oder vegetabilische, eiweißstoffige oder fettreiche), die einzuathmende Luft (besonders sonnige Waldluft), Kälte und Wärme (örtliche oder allgemeine, innerlich öder äußerlich angewendet), Wasser (als kaltes oder warmes, als Getränk oder Bad etc.), Ruhe und Bewegung etc. etc. – Verfasser hat seit vierzig Jahren, während welcher Zeit er Tausende von Kranken in Spitälern und in der Privatpraxis mit demselben, wenn nicht mit mehr Glück wie andere Heilkünstler behandelte, die allermeisten Krankheiten ohne jedwede Arznei (natürlich das beruhigende Morphium ausgenommen) rein diätetisch behandelt, und er ist deshalb befähigt, über die Naturheilungsprocesse mitreden zu können. Ebenso kennt er aber auch die Heilwirthschaft der Homöopathen, Naturärzte, Geheimmittel- und anderer Charlatane ganz genau. Doch genug; Verf. hat ja schon oft über die naturgemäße Selbstheillehre und über Verhütung von Krankheiten geschrieben.

2. An Hrn. Landwirth G. L. in P. Sie sind, wie Sie schreiben, als Laie und Nichtgelehrter seit fünfzehn Jahren zu der Ueberzeugung gekommen, daß die Homöopathie eine nicht hoch genug zu schätzende Gottesgabe ist und bleiben wird, vorzüglich für die Landwirthe. Sie curiren Ihre landwirthschaftlichen Nutzthiere selbst homöopathisch und sehen, besonders bei acuten Krankheiten, wunderbare Erfolge. – Nun, lieber Herr, lassen Sie sich Folgendes sagen: Bei den Thieren heben gerade so, wie bei den Menschen, die Naturheilungsprocesse (von denen ich oben sprach) die Krankheiten (besonders die acuten), nicht aber Ihre homöopathischen Nichtse. Wären Sie in Ihre homöopathischen Behandlungen nicht so verrannt, – wie man dies bei fast allen Anhängern der Homöopathie findet, zumal wenn sie von der Curirleidenschaft angesteckt sind, – dann würde ich Ihnen den Vorschlag machen, bei Krankheiten Ihrer Thiere, so wie ich’s bei kranken Menschen thue, nichts, gar nichts von wirksamer Arznei zu geben und, natürlich bei naturgemäßer diätetischer Behandlung, nur die Naturheilungsprocesse ruhig walten zu lassen. Wollen Sie dann nicht durchaus blind sein, so werden Sie eben so wunderbare Erfolge sehen, wie bei der homöopathischen Behandlung. – Was die frühere Behandlung der Nutzthiere mit allopathischen Arzneimassen, mit Brennen, Haarseilziehen etc. betrifft, so habe ich schon vor längerer Zeit, und jedenfalls bevor Sie noch an das homöopathische Curiren dachten, den Landwirthen den Rath gegeben (in Hamm’s landwirthschaftlicher Zeitung), ihre kranken Thiere lieber homöopathisch als allopathisch zu behandeln, aber allerdings nur in dem Falle, daß die Herren durchaus quacksalbern müssen und zu einer rein diätetischen Behandlung nicht die Courage haben. Ja, noch jetzt gebe ich den Menschen, die in fremde Länder reisen, wo mittelsüchtige Heilkünstler hausen, den Rath, beim Krankwerden, wenn sie durchaus einen Arzt haben müssen, lieber einen homöopathischen als einen allopathischen Arzt rufen zu lassen. Denn die homöopathischen Nichtse sind nicht gefährlich, was man dagegen von vielen allopathischen Mitteln nicht behaupten kann. – Wenn Sie glauben, daß aus allen meinen „über die Maßen brüsken Artikeln“ gegen die Homöopathie nur der Neid spricht, so irren Sie gewaltig, denn ich halte mir schon seit Jahren, so viel ich kann, Kranke fern, weil es nicht zu den Annehmlichkeiten des Lebens gehört, täglich mit einer Menge unverständiger Patienten umzugehen, die an ihren Arzt die unsinnigsten Ansprüche machen. Sie haben es beim Curiren Ihres kranken Viehzeuges freilich weit besser; das erwartet ruhig, seine Heilung und vertauscht die Homöopathie nicht gleich mit der Naturheilkunst. – Recht komisch ist in Ihrem Briefe der Rath, daß sich Herr Keil durch meine „brüsken Aufsätze“ gegen die Homöopathie nicht in das Fahrwasser des größten Rückschrittes treiben lassen soll. Sie müssen eigenthümliche Ansichten über Fortschritt und Rückschritt haben. Der Fortschritt verlangt, – merken Sie sich dies wohl, – daß nach und nach aller Aberglaube aus den Köpfen der Menschen ausgemerzt werde und dafür verständiges Wissen hineinkomme. Die Homöopathie gehört aber zu dem verdummenden Aberglauben, und deswegen wird selbige vorzugsweise auch von Leuten männlichen und weiblichen Geschlechts getrieben, die von den Naturgesetzen nichts verstehen. Leben Sie wohl; bessern werden Sie sich nicht.

3. An den Verein von Freunden der Homöopathie in Württemberg. So ist es denn in Ihrer Antwort so gekommen, wie ich mir gleich dachte. Sie wollen durchaus in Ihrem Aberglauben verharren und sich durch leicht anzustellende Versuche über die Homöopathie nicht aufklären lassen. Nun meinetwegen. Ein Pferd steckt nun einmal drinnen (nämlich im Dampfwagen, weil der läuft). Aber das kränkt mich, daß Sie in Ihrem Vereine auch Lehrer zu Mitgliedern haben. Die werden eine schöne Aufklärung in die Köpfe ihrer Schüler bringen! Sollten diese abergläubischen Erzieher nicht vielleicht gar auch noch Anhänger der Phrenologie sein? Gott bessere sie!

4. Dem Lohgerber und Erfinder der neuen Lohcur Dittmann zur Nachricht. Das großartige Dictum „Schafft Eisen Euch in’s Blut“ habe nicht ich, sondern hat der Fabrikant des Eisenschnapses, Herr Freygang, gethan. Auch hänge ich in keinerlei Weise mit der Eisenschnapsfabrikation zusammen. Herr Freygang hat nur auf einen meiner Aufsätze in der Gartenlaube hin (Jahrg. 1859, Nr. 3, S. 40), aus eigenem Antriebe, den eisenhaltigen Schnaps componirt. Uebrigens rangirt Herr Freygang mit seinen sicherlich nutzbaren eisenhaltigen Genußmitteln durchaus nicht etwa mit Ihnen und Ihrer Lohe, denn jene eisenhaltigen Mittel werden nicht als Geheimmittel gegen allerhand unheilbare Uebel empfohlen und auch nicht zu einem hohen Preise verkauft. – Schließlich möchte ich Ihnen noch rathen, daß Sie anstatt durch Schimpferei gegen mich, – der ich nicht wie Sie Geld machen will, da ich nur höchst ungern und meist unentgeltlich prakticire, – Ihre Quacksalberei vertheidigen zu wollen, lieber vor medicinischen Autoritäten einen Taubstummen oder einen Krebskranken curirten.

Bock.

Heft 22

[352] Warum heiße Sandbäder in vielen Fällen den warmen Wasserbädern vorzuziehen sind? Da, wo man durch anhaltend angewendete große Wärme krankhaftes im menschlichen (und thierischen) Körper erweicht, aufgelöst und aufgesogen zu sehen wünscht, ganz besonders bei chronischen Gelenkleiden und sogenannten Rheumatismen, da sind heiße Sandbäder deshalb von größerer Wirksamkeit als warme Wasserbäder, weil erstere bei einem weit höheren Temperaturgrade viel längere Zeit angewendet werden können, als letztere. Während ein warmes Wasserbad von einigen dreißig Grad Wärme kaum zu ertragen ist und man nur kurze Zeit darin zubringen kann, läßt sich in einem heißen Sandbade von vierzig bis fünfzig Grad Wärme stundenlang (zumal in einem örtlichen Bade) verweilen. Wenn Manche den Salzen, die sich in den warmen Wasserbädern aufgelöst vorfinden, eine besondere heilsame Wirkung zutrauen, so mögen sie sich sagen lassen, daß unsere Körperoberfläche mit einem ziemlich undurchdringlichen Hornpanzer (mit hornartiger Oberhaut, Epidermis) überzogen ist und daß das im Badewasser Aufgelöste während der Zeit des Badens nicht in das Innere des Körpers eindringen und drinnen curiren kann. Die warmen Wasser- und Moorbäder, welche zur Cur empfohlen werden, nützen nur durch ihre Wärme und stehen jedenfalls den heißen Sandbädern nach. Daß diese von den Heilkünstlern zur Zeit noch nicht so empfohlen werden, wie sie es verdienen, hat seinen Grund darin, daß solcher Bäder nur noch wenige und erst seit kurzer Zeit existiren, daß ihre Einrichtung ziemlich schwierig ist und daß noch wenig über deren ausgezeichnete Wirksamkeit bekannt gemacht wurde. Verfasser, der seit einigen Jahren die großartige Wirkung dieser Bäder in Köstritz zu beobachten Gelegenheit hatte, ist fest überzeugt, daß das heiße Sandbad eine große Zukunft hat, und er möchte den Badedirectionen anrathen, sich baldigst zur Anlegung heißer Sandbäder zu entschließen. Es könnte ja dann auch nach jedem Sandbade noch ein Mineralbad genommen werden, um diesem seinen alten guten Ruf nicht zu verderben. – Die dem Verfasser zur Zeit bekannten Orte, wo künstliche Sandbäder existiren (natürliche werden von der Sonne an sandigen Plätzen und Flußufern hergestellt), sind: Köstritz, an der Eisenbahn zwischen Zeitz und Gera, mit lieblicher waldiger Umgebung, reizenden Parkanlagen und berühmten Blumengärten; – Dresden, beim Herrn Dr. Flemming; – Leipzig, in der pneumatischen Heilanstalt; – Berka bei Weimar; – Travemünde, mit Bädern aus erwärmtem Seesande. Sollten noch irgendwo solche Bäder bestehen, so bittet Verfasser um Benachrichtigung. Bock.     

Heft 23

[368] Bocks Briefkasten. Ist das Impfen von Vortheil oder von Nachtheil? Diese Frage ist dem Verfasser seit Jahren so oft und in der Neuzeit so dringend gestellt worden, daß er sich endlich gezwungen sieht, darauf zu antworten. Er thut dies jedoch mit großem Widerstreben, da ein einzelner Mann der Wissenschaft, und wenn er auch noch so viele Erfahrungen in Impfangelegenheiten hätte, gar nicht im Stande und berechtigt ist, zu entscheiden, ob das Impfen wirklich schädlich oder nützlich ist. Um dies endlich aufzuklären, wird die Wissenschaft noch viele Jahre brauchen und sehr genaue Forschungen anstellen müssen. Und diese Forschungen müssen noch dazu von ganz unparteiischen, nicht von vorn herein für das Impfen eingenommenen Heilkünstlern angestellt werden. Denn leider spielt in der Heilkunst, und zwar ebenso in der der Aerzte wie der curirenden Laien, die oft ganz ungerechtfertigte Zuneigung zu diesem und jenem Heilmittel und Heilhokuspokus eine solche Rolle, daß daraus geradezu Abneigung zu ganz vernünftigen Mitteln und Curarten erwächst. Daß der heilkünstelnde Gevatter Schuster, Schneider und Handschuhmacher die Impf-Frage beim Glase Bier und zwar, wie bei uns in Leipzig, mit schlagenden Gründen, entscheiden und sich gegen das Impfen aussprechen kann, darüber wird sich Niemand verwundern, der den hohen Bildungsgrad und die übernatürliche Heilgabe solcher Heilwüthriche, so wie deren große angeborene Einsicht in den gesunden und kranken menschlichen Körper kennt. – Verfasser hat in seiner vierzigjährigen Praxis vom Impfen allerdings weit mehr Schlimmes als Gutes gesehen und impfte deshalb seine eigenen Kinder erst in ihrem dritten oder vierten Lebensjahre, wo sie gesund und kräftig waren. Er würde sie aber gar nicht geimpft haben, wenn bei uns nicht insofern indirecter Impfzwang bestände, als ein Impfzeugniß bei mancherlei Gelegenheiten durchaus verlangt wird. Erst ganz neuerlich wurden auch ungeimpfte Kinder in die Schule aufgenommen. – Daß durch das Impfen im kindlichen Körper eine Art Eitervergiftung (Pyämie) veranlaßt wird, selbst wenn die Lymphe zum Impfen von ganz gesunden Kindern oder Kühen genommen wird, das kann nicht bezweifelt werden, und daß eine solche Blutvergiftung sicherlich auch schlechte Folgen haben kann, ist erwiesen. Verfasser würde deshalb niemals einen Säugling in den ersten Monaten seines Lebens, am allerwenigsten aber zur Zeit des Entwöhnens und Zahnens impfen. Ob er damit Recht thut oder nicht, läßt er zur Zeit dahingestellt; auch will er sein Verfahren durchaus nicht zur Nachahmung empfehlen. Er glaubt aber Recht zu haben; der Glaube fängt aber freilich erst da an, wo das Wissen aufhört, und ist in den meisten Fällen Aberglaube. – Recht komisch und für die Anti-Impfhelden aus dem Volke recht bezeichnend ist deren Behauptung, daß durch das Impfen auch die Krätze auf das geimpfte Kind übertragen wird. Wer nämlich weiß, und das sollte eigentlich jeder nur halbwegs gebildete Mensch wissen, daß die Krätze nur durch ein spinnenartiges Thierchen, die Krätzmilbe, erzeugt wird, der muß obige Behauptung belächeln und diese Anti-Impfer fragen: werden denn nicht vielleicht auch Läuse, Flöhe und Wanzen mit eingeimpft? Sollte denn nicht etwa mit dem Impfen auch die große Denkunfähigkeit so vieler Menschen im Zusammenhange stehen? Bock.     

Heft 26

[416]
Bock’s Briefkasten.

Gegen Bruch-Pflaster und -Salben (von Sturzenegger, Krüsi-Altherr, Menet, Simon etc.) glaubte Verf. in Nr. 29 der Gartenlaube, Jahrgang 1868 sich sattsam ausgesprochen zu haben und zwar durch die doch wahrlich nicht unklaren Worte: „Die entsetzliche Bornirtheit und die ganz kindische Aber- und Leichtgläubigkeit der Menschen in Allem, was auf Gesundheit und Krankheit Bezug hat, macht es erklärlich[WS 1], daß sogar bei Leiden, die, wie die Bruchschäden, durchaus mechanische oder operative Hülfe verlangen, doch noch Geheimmittel empfohlen und gekauft werden, die nichts als schimpfliche Attentate auf die Geldbeutel dummer Gimpel sind.“ Trotz dieser meiner Expectoration werde ich doch fortwährend noch mit schriftlichen Anfragen über jene Geheimmittel incommodirt und darüber immer ärgerlicher. Man lasse sich also ein- für allemal gesagt sein: jene Bruchmittel sind nicht nur nichtsnutziges Zeug und stehlen dem Käufer geradezu das Geld aus der Tasche, sondern sie sind auch deshalb gefährlich, weil sie den leichtgläubigen Bruchkranken abhalten, reelle Hülfe (besonders durch ein gutpassendes Bruchband) in Anspruch zu nehmen. Der Bandagist Hr. Reichel in Leipzig, der von sehr vielen Bruchkranken consultirt wird und dabei jene nichtsnutzigen Bruchschwindeleien kennen zu lernen Gelegenheit hat, übergab dem Verf. folgenden, neuerlichst erst (April 1869) geschriebenen Brief von Hrn. G. E. in B. (der Name ist natürlich zu erfahren): Zur Steuer der Wahrheit! Nachdem ich für zwölf Thaler Bruchsalbe von Sturzenegger in Herisau, durch Herrn Kirschbaum in Leipzig bezogen, verwendet habe, ist mein Bruch noch von derselben Größe und Gestalt wie früher, und ich habe nicht den geringsten Nutzen von dieser Salbe gehabt. Möge sich Jeder hüten, sein schönes Geld für diese nichtsnutzige Salbe wegzuwerfen.“ Also man traue solchen Geheimmitteln gegen Bruchschäden, wie überhaupt allen Geheimmitteln, niemals, selbst wenn sie von angeblichen Doctoren empfohlen werden.

Bock.

Heft 28

[448] Bock’s Briefkasten. Brieflich curire ich nicht; aber ja nicht etwa deshalb, weil die allermeisten kranken Briefschreiber meinen Rath unentgeltlich wünschen und weil mir das Briefschreiben Mühe macht (denn ich leide am Schreibekrampfe), weil es mir auch Zeit und Geld (für Briefmarken) kostet, sondern nur deshalb, weil ein gewissenhafter und wissenschaftlich gebildeter Arzt, ohne den Kranken genau untersucht zu haben, niemals einen medicinischen Rath ertheilt. Dies habe ich nun schon zu wiederholten Malen in der Gartenlaube erklärt, aber geholfen hat es mir noch nichts. Viele Briefschreiber bitten mich sogar, „doch bei ihnen einmal eine Ausnahme zu machen und zu rathen“; gerade als ob ich nur aus Faulheit und Inhumanität nicht antworten wollte. Man lasse mich also endlich einmal in Ruhe mit brieflichen Consultationen; am meisten aber mit Geld-Briefen, bei denen die Unterschrift unleserlich ist.
Bock.

Heft 33

[528]

Bock’s Briefkasten.

An Herrn Landwirth Gr. in B. Ueber die homöopathische Behandlung kranker landwirthschaftlicher Nutzthiere haben Sie, Herr Gr., an mich einen so liebenswürdigen Brief geschrieben, daß Sie mir wohl erlauben, einige Stellen daraus zu veröffentlichen. Herr Gr. schreibt : „Vor einigen vierzig Jahren, als ich glaubte die Landwirthschaft erlernt zu haben, wozu natürlich das Quacksalbern der Schäfer, Kuhhirten und Schinder mit gehörte, hatte ich eine solche Passion für diese letztere Branche gefaßt, daß ich beschloß von der Landwirthschaft abzugehen und Thierarzt zu werden. Ich nahm deshalb bei einem Thierarzt Unterricht. Es dauerte jedoch nicht lange, da sagte mir dieser brave, aufrichtige Mann: ,Lieber Gr., kehren Sie wieder zur Landwirthschaft zurück, Sie sind nicht Charlatan genug, um bei der Thierheilkunst Ihr Glück zu machen.‘ Das war ein Blitzstrahl in die finstere Nacht des Aberglaubens, der so zündete, daß er bei mir den Aberglauben der Quacksalberei total verbrannte. Ich ging zur Landwirthschaft zurück, beobachtete und forschte, wobei es mir sehr als klar wurde, daß alle Curmethoden große Aehnlichkeit hatten mit den unendlich vielen Mitteln, welche gegen die Tollwuth der Hunde als wirklich helfend empfohlen sind. Fort also mit dem ganzen Plunder Aber da stieß ich auf großen Widerspruch und auf Anfechtungen. Ich mochte wollen oder nicht, ich mußte mich zu irgend einer Curmethode bekennen; und das that ich denn auch und wendete mich zur Homöopathie. Und warum mußt’ ich mich zu irgend einer Heilmethode bekennen? Um mich gegen Schaden zu schützen. Denn ich machte wiederholt die Bemerkung, daß, wenn ich den kranken Thieren nichts eingab, meine eigenen Leute den Patienten heimlich Gifte und schädliche Mittel eingaben, und daß diese, wenn dann ein Thier starb, auch noch behaupteten, das käme nur daher, weil es keine Medicin bekommen hätte. Dem trat ich aber bald dadurch entgegen, daß ich vorgab, ich gebrauchte recht starke homöopathische Mittel, wovon dem kranken Thiere höchstens einmal täglich oder nur aller zwei oder drei Tage einige Tropfen gegeben werden dürften. Ich that dabei recht heimlich und wichtig, gab aber nur einige Tropfen reinen Wassers. Das half denn bei den meisten vorkommenden Krankheitsfällen, die Leute bekamen Vertrauen zu mir und ich schließlich einen solchen Ruf, daß aus Nah und Ferne Bauersleute zu mir kamen und für ihr krankes Vieh ein homöopathisches Mittel forderten, was ich ihnen denn in Gestalt reinen Wassers mit geeigneten Vorschriften und Verhaltungsregeln verabfolgte. Soweit in der Provinz Sachsen. Als ich später nach Westphalen übersiedelte, ging derselbe Schwindel hier auch gleich wieder an. Dem mußte ich aber aus politischen Gründen ein ,Halt‘ entgegensetzen, und dazu benutzte ich folgenden Umstand. Meinem Herrn Pastor hatte ich öfter, auf sein Verlangen und seiner Haushälterin Wunsch, bei vorkommenden Krankheitsfällen seines Rindviehes, mit gutem Erfolge mein so sehr gepriesenes homöopathisches reines Wasser gegeben, und als bei Gelegenheit dieser gute Herr die Homöopathie für eine hochzuschätzende Gottesgabe, pries und es mir zum Verdienst anrechnete, daß ich so leicht die geeigneten Mittel bei jeder Krankheit treffe, so erwiderte ich ihm: ,Er sei als katholischer Geistlicher doch ein schlechter Christ, da er mir mehr zutraue, als dem lieben Gott und erklärte ihm dann, daß ich seinen kranken Thieren nichts als einige Tropfen reinen Wassers gegeben hätte und überhaupt nichts Anderes gebrauchte, da mein Vertrauen auf Den größer wäre, der die Thiere krank gemacht, als auf die von den Menschen erdachten Mittel. Dadurch erreichte ich denn meinen Zweck vollständig, denn von diesem Augenblick an war es natürlich aus mit meiner Kunst und ich wurde nicht mehr um ein homöopathisches Mittel angesprochen.“ Nun, was sagen Sie hierzu, Herr Landwirth G. L. in P.?



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: erkärlich