Blondel vor Trifels (Kämpchen)
[101] Blondel vor Trifels
oder
Die Befreiung des Richard Löwenherz.
I.
„Wer hält den Aar gefangen,
Der sonst so frei und hoch
Mit seinen starken Schwingen
Zu Gottes Himmel flog? –
Sein donnerndes Gebrüll,
Es schreckt nicht mehr die Wölfe,
Er blieb zu lange still. –
Von Englands grünem Strande
Ihm ist die Schwing’ gebrochen,
Die ihn sonst heimwärts trug.
Sonst würd’ er nimmer weilen,
Der königliche Aar,
Mit seiner Falkenschar.“ –
Der Blondel sprach’s, der weiland
In König Richards Schloß
Mit seinem Harfenschlagen
„Und will ihn keiner retten,
So rett’ ich ihn allein,
Und muß ich mit ihm sterben,
So soll’s nicht anders sein. –
Mein schönes Heimatland,
Ich rette deinen König
Aus Kerkernacht und Band’.
Ich rett’ ihn oder sterbe
Ohn’ ihn kann ich nicht leben,
Ohn’ ihn bricht mir das Herz.“ –
[102]
Der Blondel hat’s gesprochen,
Und wenn’s ein Sänger spricht,
Die heil’ge Freundespflicht. –
Den langen Pilgermantel
Ob seinem stählern’ Kleid,
Mit Muschelhut und Stabe,
So hat ein Schiff getragen
Ihn nach dem deutschen Gau,
So zieht allein er weiter
Hinab des Rheines Au. –
Auf felsig steilem Horst,
Und wo ein Hüttchen blinket
Allein im dunk’len Forst,
Da hebt er an zu singen
Von seinem Freunde Blondel
Und alter Herrlichkeit. –
Und wo ein Wand’rer lauschet
Dem liederreichen Mann,
Die von der Wimper rann.
Und wenn er ausgesungen,
Dann weint so manche Maid,
Und schaut ihm tief in’s Auge,
Dann zieht er traurig weiter,
Die Brust voll stillen Schmerz,
Bis daß er wieder singet
Von seinem Löwenherz. –
Den Sänger kümmert’s nicht,
Er schreitet munter fürder
Bei Mond- und Sonnenlicht. –
[103]
Wohl blickt sein Auge trübe,
Doch ob auch arm an Freuden,
An Liedern bleibt er reich. –
II.
Zu Trifels vor dem Schlosse,
Da hält ein Spielemann,
Er ist’s, ich sag’s euch an. –
Den langen Pilgermantel
Ob seiner Brust voll Harm,
Das stille Weh im Herzen,
So hält er an der Veste
Im gold’nen Abendstrahl,
Schon blinkt der Mond am Himmel
Und Schatten wirft das Tal. –
Von König Richards Leid,
Von seinem Freunde Blondel
Und alter Herrlichkeit. –
„O England, stolzes England,
Dein Bote kehrt nicht wieder,
Den du hinausgesandt. –
Dein Blondel hat’s geschworen,
Der Blondel hält sein Wort,
So siehst du mich nicht dort. –
In all’ den grauen Burgen,
Wovon ein Banner weht,
In all den festen Schlössern,
Hab’ ich ihn nicht gefunden,
O weh, nun ist es aus!
Vielleicht in Todesnöten
Haucht er die Seele aus. –
[104]
Vermodert sein Gebein,
Und Englands größter König
Schläft ohne Leichenstein. –
O Johann, falscher Johann,
Dein Bruder liegt gefangen,
Du trägst die güld’ne Kron’. –
Dein König liegt in Ketten,
Du trotziger Vasall,
So bringt er dir den Fall. –
An dieser grauen Veste
Sei meines Lebens Ziel,
Hier will ich einsam sterben
Und wenn das Lied verhallet,
Von dem die Saite bebt,
Dann soll die Saite springen,
Dann hab’ ich ausgelebt. –
Wo weilest du so lang,
O komm’ zu deinem Blondel,
Er ruft dich mit Gesang.
O komm’ zu deinem Blondel,
Er sehnt sich nach dem Freunde,
Nach seinem Löwenherz. –
Ich hab’ manch’ Jahr gesungen,
Ich zog von Ort zu Ort,
Ich schwur’s mit Hand und Wort.
Ich hab’ dich nicht gefunden,
Mein Leben geht zu End’,
Mein Herze ist gebrochen,
[105]
So leb’ denn wohl, mein König,
Leb’ wohl zur letzten Stund’,
Die Harf’ hat ausgeklungen,
Mich macht der Rhein gesund. –
Da bett’ ich mich hinein,
Dann schläft dein treuer Blondel
Auch ohne Leichenstein.“ –
„O Blondel, guter Blondel,
Könnt’ ich nur zu dir eilen,
Wie tät’ ich es so gern. –
Die dicken Mauern hemmen
Des kühnen Herzens Drang,
Ich höre deinen Sang.“ –
„O Gott, o Gott, mein König,
Mein Richard Löwenherz,
So hab’ ich dich gefunden,
Wenn dich die Ketten drücken,
Ich sprenge Kett’ und Band’,
Ich führe meinen König
Nach Englands grünem Strand.“ –
Du lehrst mich hoffen neu,
Schon wähnt’ ich mich vergessen
Von aller Lieb’ und Treu’. –
In öden Kerkernächten,
Der Freund und meine Harfe,
Sie fehlten beide mir.“ –
„Sei guten Muts, mein König,
Dein Blondel hat gewacht,
Sie warfen dich in Nacht. –
[106]
Sie haben dich versenket
Bei Molch und Natternbrut,
Doch Gottes Vaterauge
„O Blondel, guter Blondel,
Dich hat mir Gott gesandt,
Du wirst mich treulich führen
Nach meinem Engeland. –
Mir setzen auf das Haupt,
Die mir der eig’ne Bruder
So schnöde hat geraubt.“ –
„Sei guten Mut’s, mein König,
Bald werd’ ich wiederkehren
Gehüllt in Stahl und Erz. –
Merk’ auf, was ich dir künde:
Wenn jetzt die Sonne steigt,
Wenn sich der Abend neigt,
Dann harrst du hier am Gitter,
O merke wohl mein Wort,
Dann werd’ ich wiederkehren
Und wenn die Harfe klinget,
Dann Richard, sei bereit,
Ich bring’ dir Schwert und Panzer
Und sicheres Geleit. –
Auf Englands stolzem Thron,
Und deine Harfe schlagen,
Geschmückt mit gold’ner Kron’.“ –
„So geh’ mit Gott, mein Blondel,
Dir wird es ewig danken
Dein Richard Löwenherz.“ –
[107]
Der Blondel hat’s versprochen,
Und Blondel hielt sein Wort,
Der heil’gen Treue Hort. –
Bald trug ein Schiff sie schnelle
Zum schönen Britenland –
Der Aar hat wieder Flügel,
Hier end’t die Mär von Blondel,
Dem treuen Spielemann,
Prinz Johann floh geächtet,
Ihn traf des Eidbruchs Bann. –
Die güld’ne Königskron’,
Dem guten Sänger Blondel
Blieb ew’ger Treue Lohn. –