Blenheim in Oxfordshire in England

CV. Die Stätte von Sardis Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band (1836) von Joseph Meyer
CVI. Blenheim in Oxfordshire in England
CVII. Der Park und die Königsstrasse in Brüssel
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BLENHEIM

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CVI. Blenheim in Oxfordshire in England.




Großes Verdienst würdig zu ehren, große Männer und ihre Thaten auch großartig zu belohnen, war von jeher der stolzen Britannia Ruhm. Freigebig reicht das englische Volk seinen Heroen im Kriege, im Rathe, in der Kunst und in der Wissenschaft, den Männern auch, welche durch Erfindungen und Unternehmungsgeist Handel und Gewerbe einer höheren Entwickelung zuführen und neue Quellen des Nationalwohlstandes öffnen, alle Güter des Lebens hin, die es verleihen kann. Für Sein Auge, das nur das Größte der Aufmerksamkeit würdigt, gibt es keinen Unterschied der Geburt, und, während die untergeordneten Stellen in der Verwaltung, die Pfründen der Kirche, die Hofcharchen und Sinekuren Beute des Adels sind, werden die erhabensten Stufen überall nur dem höchsten Talente, dem höchsten Verdienste zum Preis. Für den Sitz im Kabinet des Königs und im Rathe der Nation, für den Befehl über Armeen und Flotten, für die Präsidentschaft in den obern Gerichtshöfen und in den Akademien ist der talentvolle Sohn des Hirten ein ganz so ebenbürtiger Bewerber, wie der talentvolle Sohn des Herzogs. So in England. – Wohl pflegt man zu sagen, es wäre in den meisten Staaten nicht anders. Aber nehme ich wenige aus, so ist’s bis zur Stunde doch nur Schein überall, und gewiß wird die Lüge, prange sie auch mit goldener Schrift auf Pergamenten, niemals zur Wahrheit.

Unter den großen Männern Britanniens, welche wahres Verdienst erhob, und nationale Anerkennung lohnete, nimmt John Curchill, nachmals Herzog von Marlborough, einen erhabenen Platz ein. – Von obscurer Herkunft, stieg er unter der Regierung Jakob’s II., Wilhelms von Oranien, und der Königin Anna im brittischen Heere vom niedrigsten Grade durch Tapferkeit und Talent bis zum Feldherrn der ganzen brittischen Heeresmacht und zum Rathe des Königs empor. Im spanischen Erbfolgekriege führte er den Oberbefehl über die verbündeten Heere Englands, Deutschlands und der Niederlande, und in dem immer denkwürdigen Entscheidungssiege bei Hochstädt und Blenheim (13. August 1704) zerrann Ludwigs XIV. Kriegsglück wie das Napoleons nach der Leipziger Schlacht. – Wegen dieses Sieges, welcher den Ruhm brittischer Waffen und brittischer Tapferkeit durch die Welt trug, verlieh ihm die brittische Nation Titel und Rang eines Herzogs, dem sie das unermeßliche Geschenk eines 6 Quadratmeilen großen Gütercomplexes hinzufügte. Als Baronie Blenheim war dasselbe bestimmt, unveräußerlich auf seine Nachkommen überzugehen. In der Mitte dieser Besitzung ließ die Nation, dem Helden zur Wohnung, einen Pallast aufrichten, gleich außerordentlich an Glanz und Größe, und ihn ausschmücken mit den kostbarsten Schätzen der Kunst. Auch befahl sie, einen Park zu pflanzen, wie noch keiner gesehen, zehn Stunden im [40] Umfang, geziert mit Monumenten, die Thaten des ergrauten Feldherrn versinnlichend, und zum Vergnügen desselben ausgestattet mit fischreichen Seen, mit blühenden Auen und dichten Wäldern, in denen 1500 Hirsche, 3000 Fasanen und eine unzählige Menge andern Wildes angesiedelt wurden. Nie gab eine Nation einem ihrer größten Männer eine würdigere Belohnung an Geld und Gut, als Blenheim für den Herzog von Marlborough war, ein Besitzthum, welches, bis in alle Kleinigkeiten hinab, wahrhaft königlich zu nennen ist. Aus ihm entsprang für ihn und seine Erben eine Revenüe von jährlichen 70000 Pfund Sterling (850,000 Gulden), größer, als sie manches Königshaus genießt.

Aber wie vergeblich es ist, Glanz und Reichthum unwandelbar zu machen, zeigt schon der heutige Besitzer von all dieser Herrlichkeit. Der gegenwärtige Herzog von Marlborough ist durch seine bodenlose Verschwendung so verschuldet, daß sein unermeßliches, aber unveräußerliches, Vermögen für die Gläubiger administrirt wird, die ihm von 70000 Pf. Sterling reinen Einkünften jährlich 5000 übrig lassen, welche bei weitem nicht ausreichen, um die dem Palaste und seinen Umgebungen angemessene Einrichtung zu unterhalten. Darum sind die unzähligen Räume des Schlosses großentheils dürftig möblirt; die meisten sind unbewohnt, und dem Gebäude sieht man selbst im Aeußern die ökonomische Lage des Besitzers an, was einen widrigen Eindruck hervorbringt. – Um den Rasensammet der PLEASURE-GROUNDS in Ordnung zu halten, wurden sonst täglich 40 Mäher beschäftigt, und 120 bis 150 Arbeiter fanden im Park mit Reinigung der Wege, Ausputzen der Bäume und Säubern der Gewässer von Unkraut und Schilf ihren täglichen Unterhalt. Solchen Aufwand kann der jetzige Besitzer nicht mehr bestreiten, und daher sieht auch der Park vernachlässigt aus, viele Partieen werden nicht mehr gepflegt und sind verwildert. – Doch prangt noch Vieles in bezaubernder Schönheit, am vollkommensten die Partie des großen Sees, der einen Raum von 800 Morgen einnimmt und für das größte künstliche Wasserbecken in ganz England gilt. Gleich einem Meere dehnt es sich aus, theils mit Wiesen umbordet, über welche hin sich das Auge in unbegrenzter Ferne verliert, theils eingefaßt mit hohen, von Schlingpflanzen überzogenen Felswänden, über deren Scheitel Kaskaden herabrauschen; theils umsäumt mit Hochwald, oder einzelnen Gruppen von Eichen und Cedern, wahren Ungeheuern an Form und Größe. – Mehre Inseln bergen ungezählte Schaaren von Fasanen, und große Heerden von Schwänen und von wilden und zahmen Wasservögeln beleben die spiegelnde Fluth.

Unter den Kunstschätzen, welche das Prachtgebäude verwahrt und deren Besichtigung jedem anständigen Fremden gestattet ist, sind zahlreiche Werke von Rubens und der niederländ. Meister, seiner Zeitgenossen; mehre Hauptbilder auch von Titian, Murillo und ein herrlicher Raphael berühmt. – Ein einziges hier befindliches Portrait von van Dyk, Karl I. zu Pferde, hat dem Vater des jetzigen Herzogs 10000 Pfund Sterling gekostet. Unter den Antiken nimmt eine Marmorbüste des Alexander besondere Auszeichnung in Anspruch. Sie ist der schönsten Werke des Alterthums eins und übertrifft an Hoheit des Ausdrucks selbst den berühmten Belvedere-Apollo.