Beschreibung des ersten deutschen Kettenschiffes zwischen Neustadt und Buckau

Textdaten
Autor: unbekannt
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Titel: Beschreibung des ersten deutschen Kettenschiffes zwischen Neustadt und Buckau
Untertitel:
aus: Deutsche Bauzeitung, Jahrgang II, No. 11
Herausgeber: Mitglieder des Architekten-Vereins zu Berlin
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: C. Beelitz
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: 1868 Google
Kurzbeschreibung:
siehe auch Tauerei
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[100] Auf der Elbe ist neuerdings nach französischem Muster eine Kettenschiffahrt eingerichtet, die zum Schleppen der Kähne, vorzugsweise bei der Bergfahrt, benutzt wird, und über die das Architekten-Wochenblatt bereits im 1. Jahrgange S. 306 und 314 ausführlichere Mittheilungen gebracht hat, namentlich im Vergleich mit der Kettenschiffahrt auf der Seine. Das Prinzip dieser Schleppschiffahrt ist demnach bekanntlich Folgendes; Auf der Sohle des Flusses liegt eine oft meilenlange Kette, die an beiden Enden befestigt, in der Mitte aufgenommen und über ein Dampfschiff geführt ist, auf welchem sich Räder befinden, die durch eine Dampfmaschine in Rotation versetzt werden, und die sich daher nach Belieben an der umgeschlungenen Kette vorwärts und rückwärts abwälzen können; in gleicher Weise muss sich also auch das Dampfschiff (Kettenschiff, Toueur) stromauf oder stromab bewegen. Da die Fortbewegung des Schiffes an der Kette eine sehr sichere ist, so ist damit auch ein sehr sicheres und bequemes Mittel gewonnen, diesen Dampfer nebst den etwa angehängten Kähnen stromauf, selbst gegen eine heftige Strömung und über Stromschnellen hinweg zu bewegen, wo gewöhnliche Räder- oder Schraubendampfschiffe wegen der zu grossen Geschwindigkeit des Wassers nicht mehr die erforderliche Zugkraft würden ausüben können. Diese Vortheile der Kettenschiffahrt (Touage) würden sich allerdings nur auf gerade Flusstrecken mit fester Sohle beschränken, weil in Serpentinen die Lage der Kette nicht gesichert wäre, und in leicht beweglichem Boden die Kette leicht durch Ablagerungen verschüttet werden könnte.

Diese Umstände liessen gerade für die Elbe bei Magdeburg die Touage als zweckmässig erscheinen, und so wurde denn zwischen der Neustadt und Buckau eine englische Ankerkette versenkt, die aus mehren mittelst Schlossgliedern zusammengesetzten Stücken besteht und eine Gesammtlänge von ca. 3/4 Meilen erhielt. Die Kette ist einfach aus Rundeisen von 7/8[WS 1] engl. Stärke gearbeitet und zeigt 33/4" lange Schaken ohne Stege; sie löst sich vom Boden schon etwa 200′[WS 2] weit vor dem Schiffe.

Das Schiff ist — wie in jenen Artikeln bereits angegeben — ganz aus Eisenblech gefertigt, 170′ lang, 22′ breit und geht mit vollständiger Ausrüstung nur 17" engl. tief; es ist an jedem Ende mit einem Steuerruder versehen, die beide gleichzeitig von der Mitte des Verdeckes aus in Bewegung gesetzt werden; das Verdeck hat nach beiden Enden hin etwas Gefälle. Die Dampfdome, Schornsteine und Kessel liegen zur Seite der Kiellinie, weil in der Mitte des ganzen Verdeckes die Rinne angeordnet ist, in welcher die von der Flussohle aufgehobene Kette über Rollen und Walzen den Triebrädern zugeführt wird. Weil nun die Längenachse des Schiffes nicht immer mit der Richtung der aufzuhebenden Kette zusammenfällt, und das Schiff im Stande sein muss, der nicht immer geradlinig gelagerten Kette zu folgen, musste an jedem Ende des Schiffes ein bewegliches ausladendes Rinnenstück angeordnet werden. Jeder dieser Ausleger ist von Eisen und hat eine solche Länge, dass er in einer Entfernung von ca. 71/2′ vom Drehpunkte auf 2 kleinen Rädern ruht, die an der Bordkante auf Flachschienen laufen, und jenseits der Bordkante noch eine grosse Rolle und 2 vertikale Walzen zur sichern Einführung der aufgehobenen Kette in den Ausleger trägt. Unmittelbar neben dem Drehpunkte des Auslegers befinden sich wiederum zwei vertikale Walzen zur Einführung der Kette aus dem Ausleger in den festen Rinnentheil. Diese feste Rinne zeigt hölzerne Seitenwangen und bis zu den auf der Mitte des Verdecks aufgestellten Triebrädern etwa 16, theils konische, theils zylindrische Walzen.

Die Dampfmaschine, welche die Triebräder treibt, hat angeblich 60 Pferdekräfte und arbeitet mit 2 Zylindern, welche eine gemeinschaftliche Trieb-Achse treiben, und vermittelst eines Getriebes von ca. 3′ Durchmesser 2 gleich grosse Zahnräder von ca. 6′ Durchmesser in gleichem Sinne in Umdrehung versetzen. Auf den Achsen dieser Zahnräder sind nun ausserhalb des bedeckten Maschinen-Raumes die Kettentrommeln festgekeilt, um welche die Kette umgeschlungen ist. Da jede Trommelwelle 4 Rinnen trägt, so ist die Kette 31/2 mal um diese beiden Trommeln umgeschlungen, wodurch eine so grosse Reibung erzeugt wird, dass ein selbstständiges Gleiten der Kette über die Trommel fort nur zuweilen noch bei sehr starken Zügen eintritt, wenn z. B. an das Kettenschiff noch 7—8 zu schleppende Kähne angehängt sind. Ausser den Rinnen, deren jede 4" breit ist, so dass die Kette bequem Raum darin findet, trägt jede Kettentrommel noch eine Bremsscheibe, gegen welche vermittelst einer unterhalb des Verdeckes angebrachten, jedoch vom Verdeck aus in Thätigkeit zu setzenden Vorrichtung ein Bremsklotz fest angedrückt werden kann; diese Bremsklötze sind in ihrem untern Theile um feste, auf dem Verdeck ruhende Achsen drehbar. Der Durchmesser der Trommelwellen beträgt ca. 31/4′ und die Entfernung beider Achsen von einander ca. 81/2′; die äussersten Enden der beiden Achsen sind nicht weiter gestützt, sondern nur gegen einander abgesteift.

Die Maschine arbeitet stets mit voller Kraft, so dass die Geschwindigkeit, mit welcher sich das Kettenschiff [101] stromaufwärts fortbewegt, lediglich von der angehängten Last abhängt; bei kleinem Wasser können nicht gut mehr als 3 Kähne angehängt werden, und beträgt die Geschwindigkeit dann angeblich etwa 5 bis 6′ pro Sekunde; bei wachsendem Wasser kann dann die Zahl der angehängten Schiffe wohl bis auf 7 und 8 vermehrt werden, jedoch nur auf Kosten der Geschwindigkeit. Stromabwärts fährt das Kettenschiff fast immer leer, weil die Kähne bei der Thalfahrt keiner Hilfe bedürfen; die Geschwindigkeit des Kettenschiffes wächst dann wohl bis auf 7 und 8′ pro Sekunde.

(Fortsetzung folgt.)

Anmerkungen (Wikisource)

  1. ist das Einheitenzeichen für Zoll.
  2. ist das Einheitenzeichen für Fuß.