« Kapitel BW6 Beschreibung des Oberamts Waldsee Kapitel BW8 »
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7. Gemeinde Heisterkirch,

742 Einw.

  • 1) Heisterkirch, ein kathol. Pfarrdorf an der Straße von Waldsee nach Wurzach mit 237 Einw., 1 St. östlich von Waldsee; C. A. Waldsee, F. A. Ochsenhausen. Den kleinen und großen Zehenten bezieht der Graf Erbach-W.-Roth, als Nachfolger der Abtei Roth; Patron ist derselbe. Die Grundlasten des Gemeindebezirks betragen 1080 fl. in Geld und 1824 fl. in Nat.-Abgaben. Den größten Theil davon bezieht der Fürst, 382 fl. die Armen-Verwaltung Waldsee, 139 fl. der Direktor Betzenberger in Frankfurt, kleinere Theile die Kirchenpflegen Heisterkirch, Molpertshaus, U.-Essendorf und einige Gem.-Pflegen, sowie der Graf Erbach-W.-Roth, der Fürst Salm-Dyck.

    H. gehörte zur Herrschaft Waldsee in der Grafschaft gleichen Namens, und bildete mit Osterhofen und Hittelkofen, sodann dem größten Theil der Gemeinden Mühlhausen, Steinach und U.-Urbach, nebst Schloß Waldsee, das Gericht Heisterkirch, s. S. 5.

    H. liegt an der südlichen Grenze des Heistergaus, in einer angenehmen und fruchtbaren, 2 St. langen und bis 3/4 St. breiten Ebene, einem Theile des Riedthals, s. S. 7. Der Name rührt ohne Zweifel von der alten Kirche des Orts und ihrem Bezirke der „Kirche im Heistergau“ – Heister- (Gau-) Kirche her. Der Ort ist in zwei Theile, in das Unter- und Oberdorf getheilt, durchschnitten durch Baindten, die sogen. Abbaindt, welche die beiden Theile auf beiläufig 400 Schritte trennen. Die Mitte dieser Abbaindt durchfließt ein kleiner, hier entstehender Bach, der eine Mühle treibt, s. S. 8.| Der Boden ist fruchtbar und die Einwohnerschaft größtentheils wohlhabend. Neben Ackerbau und Viehzucht wird Fruchthandel und Mousselin-Stickerei getrieben. Der Ort hat 2 Schildwirthschaften, eine Kirche, einen Pfarrhof und eine Schule. Die Kirche ist die älteste des Oberamtsbezirks, so weit deren Daseyn urkundlich nachgewiesen werden kann. Sie wird schon im Jahr 805 mit der Kirche auf dem Bussen und am See von den Grafen Chadaloch und Wago dem Kloster St. Gallen geschenkt, und hier die Kirche im Heistergau (Heistilingauwe) genannt, s. S. 70. An dem Hauptbalken des Glockengestells findet sich die Jahrszahl 1115. Die Baulast liegt dem Zehentherren ob. Das schloßartige Pfarrhaus wurde von der Abtei Roth 1736 neu aufgebaut; es ist mit einem schönen Obst- und Gemüse-Garten verbunden. An der Kirche ist außer dem Pfarrer auch ein Caplan angestellt, s. Heidgau. In die Pfarrei gehören außer den Orten des Gemeindebezirks auch Heidgau mit Brandhöf, Ehrensberg, Wengen, ferner Graben. Ehemals gehörten auch die Kirchen Molpertshaus und Mühlhausen nebst den Orten Gwigg und Ziegolz dahin; s. bei diesen Orten. Die Kirche hatte somit einen sehr großen Sprengel, der sich fast über den ganzen Bezirk des alten Heistergaues oder der nachherigen Herrschaft Waldsee ausgedehnt hat, welche letztere ursprünglich außer der schon frühe davon getrennten Stadt Waldsee einzig in dem Gerichte Heisterkirch bestanden hat.[1] Als ein Bestandtheil der Herrschaft Waldsee, kam H. 1331 an das österr. Haus. S. 73. Kirche und Kirchensatz gingen von ihm an die Schenken Ulrich und| Herrmann von Otterswang über; diese verkauften sie aber 1362 an das Kloster Roth um 4500 Pfund, und zwar den sogen. Seehof in H., die Kirche und Kirchensatz, das Widdum allda und zu Heidgau, Gwigg, Molpertshausen und Osterhofen. 1383 ward die Pfarrei dem Kloster einverleibt. Auch in Heisterkirch ist das Gemeinde-Vermögen ein Eigenthum von Real Gemeinderechts-Besitzern, und wird, wie zu Osterhofen und Hittelkofen, durch einen besondern Orts-Rechner verwaltet; die Bedürfnisse der Gesammt-Gemeinde müssen durch Umlagen gedeckt werden.
  • 2) Hittelkofen, ein k. W. mit 85 Einw., in demselben Thale und ganz mit denselben Verhältnissen wie H. Außer der Standesherrschaft besitzen hier das Spital und die Spendpflege zu Waldsee und die beiden Kirchenpflegen zu U.-Essendorf und Heisterkirch Lehengüter. Die Güter, welche 1397 das Kloster Waldsee ankaufte, besitzt jetzt die Grundherrschaft, welche sie bei der Aufhebung des Klosters 1787 erwarb. Auf der Markung H. ist ein einzelnes Haus mit Namen Kurzes, das alle Verhältnisse mit ihm theilt.
  • 3) Hittisweiler, ein k. W. mit 115 Einw. Er liegt in demselben Thal, umgeben von schönen Waldungen, wie Heisterkirch und theilt ganz dessen übrige Verhältnisse; nur war er ein Theil des Gerichts Winterstetten, s. Winterstettenstadt.
  • 4) Osterhofen, ein k. W. mit 305 Einw., an der Osterhofer Ach und an der Vicinal-Straße nach Ochsenhausen, mit einer eigenen Schule und einer Capelle, einer Schildwirthschaft, 3 Mahl- und 2 Ölmühlen. Im Übrigen theilt der Ort alle Verhältnisse mit Heisterkirch. Von einem einzigen Acker hat die Stiftspflege Heisterkirch die Zehenten. Wie oben schon bemerkt, so war hier die Frohnfeste der Grafschaft Waldsee, und es wurden hier auch die Criminal-Untersuchungen und Executionen vorgenommen. Das hiezu bestimmt gewesene öffentliche große und massiv von Stein aufgeführte Gebäude ist jetzt Schildwirthschaft. Außer der Grundherrschaft besitzen hier der Graf Erbach-W.-Roth, die Armen-Verwaltung Waldsee, die Stiftungspflegen Molpertshaus und Heisterkirch| und die Capellenpflege Osterhofen Lehengüter. Die von dem Kloster Waldsee in den Jahren 1364, 1371, 1383, 1390, 1439 und 1445 hier angekauften verschiedenen Lehengüter kamen durch die Aufhebung des Klosters im J. 1787 in den Besitz der Grundherrschaft W.-W.-W. Die Erbachischen Besitzungen rühren von dem bei Heisterkirch bemerkten Kauf von 1361 her.

    Seit 1831 ist der Gemeinde H. der Weiler Graben zugetheilt, der früher bei Waldsee war und nach allen seinen Verhältnissen auch dahin gehört, s. S. 99.


  1. Die Übereinstimmung des Herrschaftsbezirks Waldsee mit dem alten Heistergau ist schon oben S. 70, 92 bemerkt worden. Wir fügen hier noch bei, daß die dort erwähnte Grenzbezeichnung des Heistergauer Forsts die Orte Hittisweiler, Ober-Urbach und Volkertshaus, welche zu der Herrschaft Winterstetten gehörten, von dem Bezirk ausschließt, den Ort Zuben aber, welcher zwischen den Herrschaften Waldsee und Eberhardszell getheilt war, durchschneidet. Auch verdient noch bemerkt zu werden, daß die Heistergau-Orte noch jetzt vom Pflastergeld in Waldsee befreit sind.