« Kapitel B 7 Beschreibung des Oberamts Waiblingen Kapitel B 9 »
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8. Gemeinde Bürg
mit Schulerhof und Theil von Stöckenhof, Gemeinde dritter Classe mit 375 ev. Einwohnern.


a) Das Dorf Bürg, dessen Name von einer Burg herrührt, liegt sehr hoch. Die Höhe über der Meeresfläche beträgt am Thurme 1284,1 Pariser Fuß. Bürg liegt nordöstlich, 3 Stunden von Waiblingen und in derselben Richtung eine Stunde von | Winnenden entfernt, auf einem hohen, fast kegelförmigen Berge, hinter welchem im Westen die sogenannten Berglen beginnen, und stößt mit seiner Markung an das Oberamt Backnang. Nach allen Himmelsgegenden eröffnet sich eine sehr schöne Aussicht.

Der Gemeindebezirk gehört zum Forstamt Reichenberg und Hofcameralamt Winnenden, welches sämmtliche Zehenten bezieht und deßwegen auch das Faselvieh halten sollte, hiefür aber jährlich 60 fl. an die Gemeinde bezahlt. An sonstigen Grundlasten hat diese seit 1818 von ersterem für 302 fl. 42 kr. abgelöst und jetzt noch 11 fl. 35 kr. in Geld, 1 Scheffel Roggen, 3 Scheffel 7 Simri Dinkel und 5 Scheffel 3 Simri Haber an dasselbe jährlich zu entrichten.

Das Dorf ist ziemlich eng gebaut, aber im Allgemeinen freundlich. Außerhalb desselben zieht ein nach Winnenden führender Vicinalweg vorüber. Es sind 56 Haupt- und 27 Neben-Gebäude vorhanden. Das Schulhaus gehört zur Hälfte einem Privatmann. Eine Kirche ist nicht vorhanden, wohl aber ein hoher, weithin sichtbarer runder Thurm mit Uhr und Glocke, der übrigens nicht von einer Kirche herrührt. Er ist mehr als 80 Fuß hoch, von sehr starkem Durchmesser und 91/2 Schuh dickem Gemäuer. Das Klima von Bürg ist merklich rauher, als unten in der Thalbucht von Winnenden; der Winter fängt bälder, der Frühling später an. Der Boden ist theils Sand-, theils Lehm-Boden. An Wasser ist kein Mangel; zwei laufende Brunnen in Bürg und einige Pumpbrunnen in Schulerhof. Sonst entspringen auf der Markung noch etliche Quellen, namentlich jene, die das durch Baach fließende Bächlein bilden. Bei Bürg ist ein kleiner Feuersee. Die Haupterwerbsmittel bestehen im Wein- und Feld-Bau. Die Einwohner gehören zu den ärmsten des Oberamtes; mehr als 1/6 derselben ernähren sich vom Sandhandel und Taglöhnen. Die Markung ist so klein, daß von dem Umfang nicht viel mehr als 1 Morgen auf 1 Einwohner kommt. Die Weinberge liegen an den Bergen Kautzenbach, Schloßweinberg und Aide. Der Ackerbau wird in gewöhnlicher Weise betrieben, die Brache stark eingebaut mit Klee, Kartoffeln, Hanf u. s. w. Die Bespannung besteht in Kühen am Doppeljoch. Das Getreide gibt 6–8fältigen Ertrag. Das Fruchterzeugniß reicht aber für den örtlichen Bedarf nicht hin. Die Thalwiesen sind ergiebig und können gewässert werden. Ein Morgen Weinberg erträgt 3–4 Eimer. Der Wein ist haltbar und gut. Die Obstzucht ist vom Boden weniger begünstigt und hauptsächlich auf Mostobst gerichtet; Steinobst ist seltener. Ein Morgen Ackers kostet 70– bis 300 fl., Wiesen 160–450 fl., Weinberg 200–500 fl. Die Rindviehzucht ist mittelmäßig gut. Hühner | und Gänse werden viele gezogen und in Winnenden verkauft. Ein Schneckengarten, der namentlich nach Bayern Absatz hatte, ist vor 11 Jahren eingegangen. Die Gewerbe sind unbedeutend.

Die Gemeinde ist nach Winnenden eingepfarrt. An der Schule steht ein Schulmeister. Das Gemeindevermögen besteht zunächst in 110 Morgen Wald, der in ordentlichem Zustande ist; das Stiftungsvermögen beträgt 694 fl.

b) Schulerhof, auch Lippoldsgern, Lubensgern, Libensgern[1] genannt, Hof mit 46 evang. Einwohnern und eigner Markung. Liegt 1/4 Stunde südöstlich von Bürg, etwa 200 Fuß niederer als dieses, und hat eine eigene Markung von 1171/2 Morgen. Etwas Bienenzucht.

Im Jahr 1428 verkaufte Truchseß Hans von Höfingen und Mya Schenkin von Winnenden, seine ehliche Wirthin, an Johann Gaißberger, Bürger zu Schorndorf, den Hof zu Lubensgern und 1489 September 22. veräußerte ihn nebst den Zehenten Ludwig Schuwermann und Anna Gaißbergerin, seine Hausfrau, an die St. Jakobspfründe zu Schorndorf.

c) Stöckenhof, mit eigener Markung. Der zu der Gemeinde gehörige Antheil, auch Bracklensberghof genannt, hat 31 evang. Einwohner und liegt nördlich, 1/2 Stunde von Bürg, auf der Grenze des Oberamts Backnang. Der andere Theil des Hofes gehört zur Gemeinde Öschelbronn. Da der Hof höher als Bürg liegt, so sieht man einen Theil der Alp, vom Hohenstaufen bis Hohen-Neuffen.

Albert von Neuffen schenkte dem Kloster Sirnau 10 Pfund Gülten, was sein Bruder Berthold im Jahr 1278 bestätigte und vollzog; auch vergabte er dem Eßlinger Spital ansehnliche Liegenschaften.

Bürg hat, wie bereits erwähnt, seinen Namen von der wohl frühesten Burg der Herren von Winnenden und wird noch im Landbuch von 1623 Altwinnenden genannt; der Weg, welcher vom jetzigen Winnenden dahin führt, heißt noch heutzutage der Burgweg. Auf dieser Burg saßen zeitweise die von Iberg. Nach dem Lagerbuch von 1524 hatte die Herzogin Sabine, Gemahlin Herzogs Ulrich von Württemberg, damals das ganze Amt Winnenden als Widum inne, worunter auch „das Gesäß die Bürg vnd by 5 Morgen Bomgartens darby.“ Jetzt steht nur noch der obengedachte Wartthurm; das Übrige, so weit es im Jahr 1538 noch bestand, wurde | behufs des Schloßbaues in Schorndorf abgebrochen und weggeführt; der Burggraben ist noch sichtbar. Die von Iberg stifteten in die ehemals neben der Burg befindliche Capelle eine Messe, worüber die Stifter, Gebrüder Heinrich und Ulrich von Iberg, Edelknechte, im Jahr 1355 von Mangold von Brandis, Landcomthur in Franken, lebenslänglich die Collatur erhielten, welche im Jahr 1432 den Brüdern Johann und Anselm von Iberg, weil ihr Vater der Capelle mit ihr zugewiesenen Zinsen ausgeholfen, durch den Deutschmeister Eberhard von Seinsheim bestätigt wurde. Später kam die Caplanei ganz an den Deutschorden, von welchem Herzog Christoph von Württemberg sie den 25. März 1552 erwarb (Sattler Herz. 4, 49). Die „alte Capelle“ wird 1537 genannt. Die hiesigen Zehentrechte gehörten noch 1571 theils der Commenthurei, theils der Allerheiligencaplanei zu Schorndorf und der St. Jakobscaplanei zu Plüderhausen. Der Eßlinger Spital hatte in den Jahren 1560 bis 1605 einen Hof in Bürg.

Auch Bürg gehörte zu dem ehemaligen äußern Gerichte zu Winnenden. Die Rechte der Königl. Hofdomainenkammer, theilweise 1665 mit Winnenthal erworben, hat dieselbe 1807 vom Staat eingetauscht.


  1. Gern bedeutet ein keilförmiges, zwischen andern Gütern liegendes Ackerfeld.
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