« Kapitel B 13 Beschreibung des Oberamts Waiblingen Kapitel B 15 »
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14. Gemeinde Hertmannsweiler,
mit Degenhof, Gemeinde dritter Classe, mit 706 Einw., wor. 2 Kathol.


Die Markung dehnt sich am westlichen Abfall eines kleinen, von Norden nach Süden streichenden Hügelzuges auf der S. 4 genannten, Winnender Hochebene, dessen nördliches Ende sich östlich an den Welzheimer Wald anschließt, aus und stößt nordöstlich an das Oberamt Backnang. Auf zwei seiner Hügel, dem Rothenbühl und Hörnle, wird rother und weißer Sandstein gebrochen. Schöne Aussicht gegen Westen, woselbst der Stromberg und die Solituder Berge den Horizont begrenzen. Die Markung ist von drei namenlosen kleinen Bächen bewässert, die auf derselben entspringen und wovon zwei bei Höfen in den Buchenbach fallen, indeß der dritte weiter westlich dahin abfließt. An der Landstraße ist ein kaum 1/4 Morgen großer Weiher, der vom Regen gespeist | wird und zu Zeiten ganz vertrocknet. Der Boden ist fruchtbar; der Lehm schlägt vor, wie denn auch Töpfererde darin sich findet. Die Luft ist rein und trocken. Hagelschlag ist sehr selten, da sich die Gewitter leicht an dem Hohenreusch brechen und ins Remsthal getrieben werden.

Die Gemeinde gehört zum Forstbezirk Reichenberg und zum Hofcameralamt Winnenden, welches gegen die Pflicht zur Faselviehhaltung alle Zehnten, mehrere Theilgebühren und außerdem 2 fl. 5 kr. an Geld, 3 Sch. glatte Frucht, 2 Sch. 2 S. Dinkel,. 2 Sch. 7 S. Haber und 2 Eimer 11 Imi Bodenwein noch zu erheben hat. Seit 1818 hatte die Gemeinde verschiedene Grundlasten im Capital von 569 fl. 3 kr. dem gedachten Amte abgekauft. Auch die Stiftungspflege Winnenden bezieht 9 Sch. Gültfrucht.

a) Das Pfarrdorf Hertmannsweiler – im Jahr 1453 als Hirßmannsweiler, im Jahr 1498 als Hartmannsweiler vorkommend – liegt 3 Stunden nordöstlich von Waiblingen, theilweise in einem Wiesengrunde, der von einem der oben genannten Bächlein durchschnitten, nur eine unbedeutende Einsenkung in die Ebene macht, und theilweise am westlichen Abhange des Bergrückens, auf dessen Spitze das Dorf Bürg liegt. An Quellwasser hat der Ort keinen Mangel, doch fast lauter Pumpbrunnen. Der Anblick ist wegen der zum Theil zwischen den Häusern liegenden Gärten und Baumgüter freundlich. Das Dorf ist von der Staatsstraße nach Hall und der Vicinalstraße vom Welzheimer Wald, welche hier in die erstere einmündet, durchschnitten. Es zählt 103 Haupt- und 105 Nebengebäude.

Die freundliche Kirche ist in gutem Zustand und 1733 von der Stiftungspflege an der Stelle einer älteren, kleineren, die schon 1524 genannt wird, erbaut worden. Sie steht in der Mitte des Ortes. Das Schulhaus hat vor 20 Jahren gleichfalls die Stiftungspflege erbaut. Ein Pfarrhaus ist noch nicht vorhanden. Die Einwohner sind bei religiösem Sinne betriebsamer als manche ihrer Nachbarn. Die meisten haben ihr gutes Auskommen. Haupterwerbsmittel ist der Ackerbau, dessen Betrieb im Allgemeinen gut ist. Doch ist noch der Wendepflug in Übung. Zur Ernte- und Herbst-Zeit gehen Manche nach andern Orten und Gegenden in Arbeit. Die Markung begreift 393/8 Morgen Garten, 5436/8 Morgen Acker, 1981/8 Morgen Wiesen und 1725/8 Morgen Weinberg. Auf eine Familie treffen nur etwa 61/2 Morgen Baufeld. Die Brache wird angebaut. Vom Winterfeld werden etwa 3/4 mit Dinkel und 1/4 mit Roggen und Einkorn, vom Sommerfeld 3/4 mit Weizen, 1/4 mit Haber und 1/4 mit Gerste angeblümt. Das Dorf gehört zu den besten Dinkel- und Weizen-Orten. | Beim Dinkel kommen auf den Morgen 7 S. Aussaat und 6 Sch. Ertrag, beim Weizen 2 S. Aussaat und 2 Sch. Ertrag, bei der Kartoffel 20 S. Aussaat und 120 S. Ertrag. Dinkel wird ziemlich viel, und zwar nach Winnenden, zum Verkauf gebracht, da die übrigen Getreidearten, besonders aber die köstlichen Kartoffeln, zum eigenen Bedarf dienen. Hanf und Flachs wird meist nur für das häusliche Bedürfniß gezogen und verarbeitet. Auch ein wenig Reps wird gepflanzt. Die Wiesen, welche jedoch nicht gewässert werden, geben 30–40 Centner Heu vom Morgen, das theilweise nach außen verkauft wird. Die an Bergabhängen liegenden Weinberge geben einen Wein von mittlerer Güte; die beste Lage ist der Rothenbühl. Der höchste Ertrag ist 5–6 Eimer vom Morgen. Der Druckwein wird selbst consumirt. Das Dorf ist unter die ersten Obstorte der Gegend zu zählen. Das Obst geräth gerne. Der Schulmeister des Orts hat sich Verdienste um die Emporbringung der Obstzucht erworben. Auch an Nußbäumen fehlt es nicht. Kirschenbäume gedeihen nicht. Waldungen besitzt weder die Gemeinde, noch ein Private. Ein Morgen Acker oder Wiese kostet 150 bis 450 fl., Weinberg 150 bis 500 fl. Die Viehzucht bildet keinen besondern Erwerbszweig; der Simmenthaler Schlag herrscht vor. Schafzucht wird nur von einem hier wohnenden Schäfer betrieben. Die Schafe sind meist Bastarde. Die Gewerbe sind, obwohl 42 an der Zahl, mit Ausnahme eines Schreiners und einer Ölmühle, auf den örtlichen Bedarf beschränkt.

b) Degenhof, Weiler mit 52 evang. Einwohnern, früher „Schafhof zum Tegen,“ liegt östlich 10 Minuten von Hertmannsweiler, auf dem bei diesem genannten Bergrücken. Die Hofbesitzer mußten früher an die Hofdomainenkammer neben dem Fruchtzehnten die vierte Garbe, nebst 24 Imi Wein, und statt des Heu- und Obst-Zehentens ein Aversum in Geld entrichten, wogegen sie steuerfrei waren und Bau- und Brenn-Holz erhielten. Seit 1808 haben die genannten Abgaben, außer den Zehenten, aber auch die Steuerfreiheit und die Holzabgabe, aufgehört. Auf dem Hofe war früher und mindestens seit 300 Jahren eine Schäferei von etwa 800 Stücken, die sich jetzt vermindert hat. Das Schafweiderecht, welches auf den Markungen von 18 Orten zu 1/4 der königl. Hofdomainenkammer und zu 3/4 den Besitzern des Degenhofes zustand, ging 1820 durch Vertrag mit der ersteren an die Degenhofbesitzer ausschließlich über. Von den betreffenden Gemeinden ist jedoch das Übertriebsrecht, welches der Degenhof auf ihrer Markung auszuüben hatte, abgelöst worden und die Besitzer des letztern sind jetzt mit der Weide auf den Hof beschränkt.

Hertmannsweiler war früher nach Winnenden eingepfarrt, | hat aber seit 11. Januar 1837 eine eigene Pfarrei, die durch einen vom Staat ernannten ständigen Verweser versehen wird. Filialien gehören nicht zu derselben. Die Katholiken sind nach Ebersberg, Oberamt Backnang, eingepfarrt. An der Schule stehen zwei Lehrer. Auch eine Industrieschule ist vorhanden. Das Gemeindevermögen ist ganz unbedeutend, und das Stiftungsvermögen, das durch den Kirchenbau vor 100 Jahren sehr geschmälert worden, 1737 fl. Es sind einige besondere Privatstiftungen vorhanden, worunter namentlich 300 fl., deren Zinsen zu Austheilung von Schulbüchern verwendet werden.

Im Jahr 1453, Mai 3., erscheint der Ort als „Hirßmannsweiler“ unter denjenigen Gütern, welche Graf Ulrich von Württemberg vom Stift Backnang kaufte (Sattler Grafen 2, 184). Darunter 1 Hof und 1 Lehen, die die Herrschaft noch später besaß. Der Heilige zu Winnenden hatte hier 1 Hof und 1 Lehen, und der Ortsheilige 3 Lehen. Ein Egelsee wird 1524 genannt.

Hertmannsweiler gehörte zum äußeren Gerichte in Winnenden. Die Rechte der Hofdomainenkammer wurden 1665 durch Württemberg mit Winnenthal erworben, und 1807 an erstern vom Staat ausgetauscht.

Zwischen Hertmannsweiler und Leutenbach lag ein herrschaftlicher Fasanengarten, der schon seit länger als 50 Jahren in Wald verwandelt ist.

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