« Kapitel B 1 Beschreibung des Oberamts Vaihingen Kapitel B 3 »
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Aurich.
Gemeinde III. Kl. mit 699 Einw., worunter 3 Kath. – Ev. Pfarrei. Die Kathol. sind nach Hohen-Asberg eingepfarrt.
Der nicht große, aus meist kleinen, jedoch freundlichen Gebäuden bestehende Ort, liegt 1/2 Stunde südwestlich von der Oberamtsstadt in dem schroff und tief eingefurchten Kreuzbach-Thale, so zwar, daß ein Theil desselben zu beiden Seiten des Kreuzbaches in der schmalen Thalebene, der weit größere Theil aber an den gegen Norden ziemlich stark geneigten rechten Thalabhang hingebaut ist. Obgleich diese abhängige Lage den Verkehr einerseits etwas erschwert, so trägt sie andererseits zur Reinlichkeit des Orts wesentlich bei, indem die größtentheils gekandelten Ortsstraßen bei starken Regengüssen abgeflößt und die Unreinigkeiten dem Bach zugeführt werden. Die Ansicht des hinter Obstbäumen versteckten, in dem stillen freundlichen | Thälchen gelegenen Orts, ist eine äußerst ansprechende, namentlich wird die nächste Umgebung des Dorfs durch mehrere schlank über die Obstbäume sich erhebende Pappeln, wie durch eine aus acht schönwüchsigen Linden bestehende Gruppe, welche sich als eine besondere Zierde des Thales westlich vom Ort befindet, sehr anziehend gehoben. Die an dem Abhange im östlichen Theile des Dorfs gelegene, dem Evangelisten Johannes geweihte Pfarrkirche trägt an dem Langhause noch mehrere Spuren germanischer Bauweise, wie spitzbogige, theilweise noch gefüllte Fenster, einen spitzbogigen Eingang etc. Der monströse viereckige Thurm, welcher nur mit seinem obersten Stockwerke über den First der Kirche hinausragt, trägt ein hohes, schiefergedecktes Zeltdach. Von den drei vorhandenen Glocken ist die größte 1752, die mittlere 1770 gegossen worden; die kleinste hat die Umschrift: Mich gos Paulus Strobel von Speier in Aurach 1757. Das Innere des Langhauses ist ganz schmucklos, übrigens hell und gerade nicht unfreundlich; ein spitzer Triumphbogen führt von dem Schiff in das unterste Stockwerk des Thurms, welches die Stelle des Chors vertritt und ein einfaches Kreuzgewölbe hat, dessen Schlußstein das Agnus dei darstellt.

Die einfachen Gewölbegurten gehen von Fratzengesichtern aus, welche das hohe Alter des Thurms bekunden. Die Unterhaltungskosten der Kirche bestreitet zu 2/3 die Gemeinde und zu 1/3 die Stiftungspflege; jedoch muß bei dem Deficit der letzteren häufig die Gemeindekasse die Baukosten ganz übernehmen.

Der ummauerte Begräbnißplatz liegt außerhalb (östlich) vom Ort.

Das 1713 erbaute, wohl unterhaltene Pfarrhaus, stößt mit einer Ecke an die Kirche; die Unterhaltung desselben hat der Staat zu besorgen.

Das Schulhaus, welches an dem nördlichen Ende des Orts auf der linken Seite des Kreuzbaches steht, wurde im Jahr 1846/47 mit einem Gemeindeaufwand von 6800 fl. neu erbaut und enthält außer den geräumigen Schulgelassen noch die Wohnung des Schulmeisters. Eine Industrieschule, die ihre Entstehung und Erhaltung der Centralstelle des Wohlthätigkeitsvereins verdankt, besteht schon längst.

Das Rathhaus, ein sehr altes, übrigens noch dauerhaftes Gebäude, steht in der Mitte des Orts.

Eine Ortskelter mit zwei Bäumen und einer Mosttrotte, ein öffentliches Waschhaus und ein Schafhaus sind vorhanden; auch ließ im Jahr 1839 die Gemeinde ein Backhaus mit einem Aufwand von 500 fl. erbauen.

| Die im Jahr 1595 erbaute ehemalige herrschaftliche Zehentscheuer ist im Jahr 1851 in Privathände übergegangen.

Ein dreiröhriger Brunnen, dessen Quelle in dem Kreuzbach-Thale gefaßt, 1/2 Stunde weit hergeleitet wird, versieht den Ort das ganze Jahr hindurch mit vortrefflichem Trinkwasser; auch das Wasser des meist durch Brunnquellen gespeisten Kreuzbaches ist klar und wird nicht nur von dem Vieh gern getrunken, sondern beherbergt auch Forellen. Das Fischrecht in dem Kreuzbach hat von der Brücke oberhalb des Orts bis zur Brücke unterhalb desselben die Gemeinde, im Übrigen zur Markung gehörigen Theile aber der Staat, welcher es verpachtet. Von Quellen außerhalb des Orts sind noch zu nennen: der Brunnen in dem sog. Hasenlauf und der Frauenbrunnen.

Die Einwohner, deren Haupterwerbsquellen in Ackerbau, Viehzucht und etwas Weinbau bestehen, sind gesunde, wohlgebaute Leute, die zuweilen ein sehr hohes Alter erreichen und von epidemischen Krankheiten seit Menschengedenken nicht heimgesucht worden sind. Ihre öconomischen Verhältnisse gehören zu den ziemlich guten, indem neben einzelnen Wohlhabenden der Mittelstand vorherrscht; die Unbemittelten suchen sich durch Taglohnen und durch Arbeiten in der Cichorienfabrik zu Vaihingen ihr Auskommen zu sichern. Die Wohlhabensten besitzen bis zu 50 Morgen, die Mittelbegüterten 15–18 Morgen, und die Ärmeren 2–3 Morgen Feldgüter, die jedoch bei Wenigen ganz schuldenfrei sind. Das Grundeigenthum ist so zerstückelt, daß die Mehrzahl der Parzellen nur 1/41/2 Morgen beträgt. Was die moralischen Eigenschaften der Einwohner betrifft, so sind dieselben im Allgemeinen gutartig, geordnet, fleißig, und haben ziemlich viel Sinn für Religion, der sich bei Einzelnen bis zum strengen Pietismus steigert. Von Gewerben sind zwei Schildwirthschaften und eine im Ort befindliche Mühle mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang zu nennen.

Die nicht große, mit ganz geringer Ausnahme für den Feldbau benützte Markung ist, außer den steilen Abhängen des quer durch die Markung ziehenden Kreuzbach-Thales, beinahe eben und hat im Allgemeinen einen fruchtbaren, aus leichtem Diluviallehm bestehenden Boden; an den Gehängen, von denen die südlich geneigten für den Weinbau benützt werden, ist der Boden, in Folge des hier anstehenden Muschelkalkes, sehr kalkhaltig.

Die klimatischen Verhältnisse sind günstig, obwohl zuweilen in dem engen, gegen Osten ziehenden Thale die Reben, wie die Obstsorten, durch Frühlingsfröste etwas leiden. Hagelschlag kommt selten vor.

| Die Landwirthschaft wird fleißig und gut betrieben; übrigens hängen noch viele Einwohner mit besonderer Zähigkeit an dem Altherkömmlichen, und die Anwendung verbesserter Pflüge findet hier weniger Eingang, als in anderen Nachbarorten; zugleich steht einer reichlicheren Düngerbereitung der Mangel an Streu entgegen. Außer den gewöhnlichen Getreidearten und Brachegewächsen baut man etwas Reps und Mohn, jedoch nur für den eigenen Bedarf; von der Brache wird zum Theil aus Mangel an Dünger nur 1/3 angeblümt. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens Acker wird zu 6 Scheffel Dinkel, 4–5 Scheffel Hafer, 2 Scheffel Gerste, 4 Scheffel Einkorn und 2–21/2 Scheffel Roggen angegeben; der Ertrag stellt sich demnach etwas geringer als in Vaihingen und der nächsten Umgegend, dagegen sind die Früchte besser und geben in der Mühle mehr aus. Die höchsten Preise eines Morgens Acker betragen 300 fl., die mittleren 150 fl., und die geringsten 50 fl. Von den Ackererzeugnissen kommt ziemlich viel Dinkel an Bäcker aus Stuttgart und Vaihingen zum Verkauf. Die Wiesen, welche sämmtlich bewässert werden können, sind nicht in der Ausdehnung vorhanden, daß sie das für den Viehstand nöthige Futter liefern, daher sich viele Bürger Wiesen auf der Markung Enzweihingen angekauft haben. Die Preise derselben betragen per Morgen 200 fl., die der Baumwiesen aber 500 fl. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens beläuft sich auf 20 Centner Heu und 10 Centner Öhmd.

Die Obstzucht ist ziemlich ausgedehnt, übrigens will das Obst wegen der tiefen Lage nicht so gut gedeihen, wie in dem hochgelegenen Nußdorf. Man beschäftigt sich hauptsächlich mit Mostsorten und Zwetschgen; letztere lassen in günstigen Jahren, neben etwas Kernobst, einen namhaften Verkauf nach Außen zu. Eine Gemeindebaumschule ist vorhanden. Der Weinbau beschränkt sich auf etwa 76 Morgen, von denen jedoch neuerer Zeit ein Theil mit Luzerne und Welschkorn angebaut wird. Man pflanzt hauptsächlich Silvaner und Elblinge, weniger Affenthaler, Trollinger und Veltliner, die gemengt einen sog. Schiller liefern. Die besten Lagen sind im Hasenlauf und im Bergle. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens wird zu 2–3 Eimer angegeben, und der Preis eines Eimers war in dem Jahr 1846 48–55 fl., 1847 20–25 fl., 1848 18–21 fl., 1849 16–20 fl., 1850 14–16 fl.; 1851 konnte der Wein nicht verkauft werden, 1852 24–32 fl. Die Preise eines Morgens Weinberg bewegen sich von 100–250 fl. Der Verkauf des Weins geht in die Nachbarschaft und gegen den Schwarzwald.

| Pferdezucht ist unbedeutend, dagegen die Zucht des Rindviehs verhältnißmäßig ziemlich stark; man sieht hauptsächlich auf einen gelbrothen Neckarschlag und züchtet diesen durch drei Farren nach. Die Anschaffung und Haltung des Faselviehs besorgt der Widdumshofbesitzer, wofür er jährlich 80 fl. von der Gemeinde bezieht. Die Viehmastung ist unbedeutend, dagegen wird ein lebhafter Handel mit Schmal- und Zugvieh getrieben. Von geringer Bedeutung ist die Schweinszucht. Mit Gänsen, jungen Hühnern und Eiern wird ein kleiner Handel nach der Oberamtsstadt unterhalten.

Durch Vicinalstraßen nach Vaihingen, Groß-Glattbach, Nußdorf, Roßwaag und Enzweihingen ist dem Ort sein Verkehr hinreichend gesichert; die Entfernung zur nächsten Eisenbahnstation Sersheim beträgt 1 Stunde. Von 4 auf der Markung bestehenden steinernen Brücken befindet sich eine im Ort selbst, überdieß sind noch 2 Stege und 1 hölzerne Brücke vorhanden.

Auf den sog. Nonnenäckern, einer nördlich vom Ort gelegenen Anhöhe, genießt man eine sehr schöne Aussicht in das Enz-Thal und an den Stromberg, besonders freundlich nimmt sich hier die Oberamtsstadt mit ihrem ansehnlichen Schloß im Hintergrunde aus.

Im sog. Espenlaub befindet sich ein trichterförmiger Erdfall.

Die Gemeinde, wie auch die Stiftungspflege, sind wenig bemittelt (s. Tab. III.), erstere bezieht ihre Haupteinnahme aus der Schafweide, welche in 87 Morgen Weidefeld und der Herbstweide auf der Markung besteht; sie ist an einen Schäfer um 255 fl. jährlich verpachtet und nährt 400 Stück Bastard-Schafe, wovon 200 Stück dem Schäfer und 200 Stück den Bürgern gehörig. Aus etwa 46 Morgen Gemeindewaldungen erhält alle 3–4 Jahre jeder Ortsbürger 8–10 Stück Wellen, von dem vorhandenen Eichenoberholz wird ungefähr alle 20 Jahre ein Theil auf dem Stock verkauft, was der Gemeindekasse alsdann etwa 200 fl. einträgt. Privatwaldungen sind zwar ziemlich vorhanden, die Einwohner müssen aber dennoch ihren Holzbedarf größtentheils auswärts kaufen.

Etwa 1/4 Stunde nordwestlich von Aurich wird eine Flur „auf Weiler“ genannt; daselbst soll nach der Sage ein Schloß gestanden sein, von dem einzelne in der Nähe gelegene Grundstücke noch die Benennung „Schloßäcker“ tragen.

Von den 1/4 Stunde östlich vom Ort gelegenen sog. Erdhäusern erzählt die Volkssage unter Anderem, daß in den nun abgegangenen Felsenspalten Erdmännlein gehaust haben, welche beinahe täglich in das Ort gekommen seien und dort die Lichtkärze besucht, auch verschiedene Arbeiten den Leuten verrichtet haben.

| Die älteste Schreibung ist Huora 1147, Uoraha 1157, Uraha 1160, Urach 1270, später Aurach; sie stimmt mit der ehemaligen Schreibweise der Oberamtsstadt Urach, deren Name vom Volke auch Aurich gesprochen wird, überein. Die früheste Erwähnung des Orts fällt in den Anfang des 12. Jahrhunderts.

Vom hiesigen Ortsadel, welcher zu den Herren von Roßwaag und wohl auch zu den Grafen von Vaihingen in Dienstverhältnissen stund, erscheinen in letztgenannter Zeit Sigwart und Heinrich, deren letzterer das Kloster Hirschau mit einer hiesigen Wiese beschenkte (Cod. Hirs. 31a, 46a); jüngere Glieder dieser Familie sind Sigwart, Adelbert und Schwigger de Huora, Zeugen in einer Urkunde des Bischofs Günther von Speier für das Kloster Maulbronn von 1147 (Württ. Urkundenbuch 2, 40), die beiden letzteren auch in einer Urkunde Pfalzgraf Konrads für dasselbe vom 4. Juni 1157 (eb. 2, 110). Später kommen vor Heinrich (Heinricus dictus de Hura, famulus Heinrici de Rosswag), welcher mit Erlaubniß seines Lehensherren Heinrich von Roßwaag den 5. Febr. 1267 Güter zu Ersingen bei Pforzheim an das Kloster Herrenalb verkaufte (Mone Zeitschr. 5, 250) und am 29. Sept. 1283 als gestorben erwähnt wird (Maulbronner Urk. im St.-A.). Albert von Aurich vergabte liegende und fahrende Habe allhier mit Genehmigung Werners Edeln von Roßwaag vom 30. Juni 1284 dem Minoritenkloster in Pforzheim, welches solche im April 1291 dem Kloster Herrenalb übergab (Mone 2, 231. 360).

An letzteres Kloster überließen 1277 auch die Herren von Mönsheim oder Rieth dienstfreie Besitzungen (Mone 1, 495), und es gelangte überhaupt hier zu bedeutendem Besitz. Außer den genannten Klöstern und dem, unten folgenden Mönchsroth, waren noch hier begütert das Kloster Sinsheim, welchem Bischof Johann von Speier (von der Familie der Craichgaugrafen, † 1104) hiesige Güter schenkte (Mone Quellensamml. 1, 204).

Umfangreiche Güter und Rechte hatten die bereits genannten Lehensherren derer von Aurich, die Herren von Roßwaag (Mone 1, 430); in den Jahren 1276 und 1277 erscheint Wernherr von Roßwaag als Besitzer des Dorfes selbst (eb. 1, 493. 495).

Durch Elisabeth, genannt Fautin, von Aurich kam im 14. Jahrhundert der hiesige Besitz ihrer Familie an ihren Gatten Hans von Remchingen. Von diesem Paare erbte ihn die Tochter Adelheid von Remchingen, vermählt mit Utz, dem Drescher von Grafeneck, welcher den 27. Aug. 1389 das Dorf an den Grafen Eberhard von Württemberg gegen ein Leibgeding verkaufte.

Begütert allhier waren noch späterhin die Ritter von Kröwelsau | (bei Merklingen), wenigstens Ernst von Kröwelsau, wegen dessen treuer Dienste seine Wittwe Elisabeth, geb. von Urbach den 6. Nov. 1455 von den Grafen Ludwig und Eberhard von Württemberg Gülten aus einem Hof in A. geeignet erhielt. Dieselbe Elisabeth verkaufte den 13. Nov. 1461 diesen ihren Antheil an dem Hofe der Probstei Mönchsroth im Oettingischen (St.-A. unter Kl. Hirschau).

Das Patronat über die hiesige Kirche veräußerte Konrad von Hohenheim, genannt Bombast, den 14. Aug. 1270 an das obengenannte Kloster Herrenalb, nach geschehener Entschädigung der Oberlehnherren derselben, der Grafen Emicho und Friedrich von Leiningen (Mone 1, 372. 379. 381). An die Frühmesse des hiesigen Frauenaltars verkaufte den 25. Mal 1342 obige Elisabeth, verwittwete von Remchingen, mit ihren Söhnen Wernher und Johannes hiesige Güter und Gülten (Mone 6, 325). Mit Bewilligung Bischof Gerhards von Speier (1336–63) wurde dem Kloster Herrenalb das Patronat mit allem Einkommen incorporirt, doch sollten dem Vicar seine Congrua vorbehalten bleiben; Eberhard von Sickingen, Probst der Dreifaltigkeitskirche zu Speier, urkundete hierüber am 5. Sept. 1356 (Mone 7, 80), und so blieb die Kirche bei dem Kloster bis zur Reformation. Ums Jahr 1360 erlitt dieselbe Kirche allerlei Unbilden durch Undolf Edelknecht von Hemmingen und dessen Mitschuldige, weßhalb am 14. Mai 1361 über solche Frevler der Kirchenbann bei angezündeten Lichtern und unter Glockengeläute ausgesprochen wurde (St.-A., Cleß 2b, 512). – Den Pfarrsatz brachte die Reformation an die Herrschaft Württemberg, und so steht solcher auch heutzutage der Krone zu. Die Finanzverwaltung erhielt an Ablösungs-Schilling für Zehnten 10.130 fl. 14 kr., für andere Gefälle 6190 fl. 48 kr.


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