« Kapitel B 14 Beschreibung des Oberamts Tuttlingen Kapitel B 16 »
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Schura,


Gemeinde III. Kl., mit Ziegelhütte, 546 Einw., worunter 5 Kath. Ev. Pfarrdorf, die Kath. sind nach Durchhausen eingepfarrt. Vier Stunden nordwestlich von der Oberamtsstadt gelegen.

Der Ort liegt freundlich und sommerlich in dem mit flachen Gehängen versehenen oberen Schönbachthale und zieht sich hauptsächlich an der von Durchhausen nach Trossingen führenden Vizinalstraße hin. Die Häuser, worunter mehrere große Bauernwohnungen, sind zum Theil noch verschindelt und mit sichtbarem Balkenwerk versehen, namentlich zeichnen sich noch einige Eingänge durch geschnitzte Holzpilaster, zum Theil mit attischen Basen und Blätterkapitellen, aus.

Die Kirche wurde im Jahr 1737 in einfachem Stil mit Westthurm und halbrunder Chorabside erbaut. Auf zwei zinnernen Platten, die bei einer Reparatur in der Mauer gefunden wurden, stand, der Grundstein der Kirche sei gelegt worden am 23. Mai 1737. Das freundliche Innere hat im Schiff eine flache Decke, im Chor ein Kreuzgewölbe auf Konsölchen, an das sich die halbrunde gewölbte Abside anschließt, ferner die Bildnisse von Luther und Melanchthon. Der Thurm trägt ein Satteldach, ist im ersten Geschosse kreuzgewölbt und besitzt 3 Glocken. Die größte, mit Luthers Bildnis geschmückte, hat die Umschrift: Gegossen in Reutlingen von Christian Adam Kurtz und Sohn 1838. Die zweite ist gegossen von A. Hugger in Rottweil 1860 und hat die Umschrift: „Eine veste Burg ist unser Gott“; die dritte von demselben im selben Jahr gegossen: „Lobet den Herrn in seinem Heiligthum.“ Auf dem Firste des Schiffes sitzt ein schönes Schmiedeisenkreuz. Die Unterhaltung des Thurms ruht auf der Gemeinde, die der Kirche auf der Stiftungspflege.

Der Begräbnisplatz wurde im J. 1846 außerhalb des Ortes angelegt, zu der Zeit, als Schura zu einer ständigen Pfarrei erhoben wurde.

Das gemeinschaftliche gut gebaute Schul- und Rathhaus, in dessen oberstem Stock auch die Pfarrwohnung eingerichtet ist, enthält zwei Lehrzimmer und die Gelasse für den Gemeinderath, es wurde im Jahre 1846 erbaut. An der Schule unterrichten ein Schulmeister und ein Hilfslehrer. Die Wohnung des Schulmeisters| befindet sich in einem besonderen Gebäude. Ein öffentliches Backhaus und ein öffentliches Waschhaus sind vorhanden.

Die zum Theil mit Kandeln versehenen Ortsstraßen sind makadamisirt und befinden sich in gutem Zustand. Vizinalstraßen gehen von hier nach Trossingen, Weigheim, Thuningen, Durchhausen, Gunningen, Spaichingen und Aldingen.

Der Ort ist hinlänglich mit gutem Trinkwasser versehen, das 49 Pump- und 5 Schöpfbrunnen liefern; einige Brunnen führen schwefelhaltiges Wasser, das vom Vieh gern getrunken wird. Eine Wette besteht im Ort. Auch die Markung ist ziemlich quellenreich, über sie fließt der Schönbach, von den Leuten auch Elta genannt. Eine hölzerne, von der Gemeinde zu unterhaltende Brücke im Ort und zwei Stege außerhalb desselben führen über den Bach.

Die Einwohner, von denen gegenwärtig 2 über 80 Jahre zählen, sind ein gesunder, kräftiger Menschenschlag, fleißig, ordnungsliebend und befinden sich meist in guten Vermögensverhältnissen; der Vermöglichste besitzt 100 Morgen Feld und 15 M. Wald, der Mittelmann 40 M. Feld und 5 M. Wald, die ärmere Klasse 6 M. Feld. Auf angrenzenden Markungen haben hiesige Bürger etwa 300 Morgen Feld und Wald. Einer Unterstützung von Seiten der Gemeinde bedarf gegenwärtig Niemand. Vor 40 Jahren waren im Ort nur einige tausend Gulden Kapitalien, jetzt etwa 150.000 Gulden.

Die Erwerbsquellen der Einwohner bestehen in Feldbau, Viehzucht, besonders Schweinemastung, von den Gewerben in Uhrenfabrikation, (3 Meister, die 15 Personen beschäftigen); es werden hauptsächlich Zuguhren gemacht und besonders nach Bayern und Norddeutschland verkauft. Mehrere Schreiner fertigen die Uhrenkästen; Battiststickerei wird ebenfalls betrieben für ausländische Fabrikanten. Auch das Korb- und Palmhut-Flechten beschäftigt viele Personen; der Absatz geht nach Württemberg und Baden. Überdies bestehen außerhalb des Orts eine Ziegelei mit sehr gutem Erfolg, dann im Ort 3 Schildwirthschaften, worunter eine mit Bierbrauerei, und 3 Kramläden.

Die nicht große ziemlich ebene Markung hat meistens einen mittelfruchtbaren, zum größten Theil schweren und naßkalten Boden, der aus den Zersetzungen des schwarzen und braunen Jura und aus Lehm besteht.

Es bestehen zwei Torfstiche, einer in der Richtung gegen Thuningen, der andere bessere in der Richtung gegen Weigheim;| davon werden jährlich noch 600.000 Stück Torf gewonnen und im Ort und in der nächsten Umgegend verwendet. Früher waren hier ziemlich mächtige Torflager, die jetzt zum größten Theil abgebaut sind, sie sind zum Theil im Besitz des Staats und liegen ganz unbenützt. Im Jahr 1839 fand man beim Graben eines Brunnens im Liasschiefer Reste eines Sauriers und Abdrücke von Fischen.

Das Klima ist wegen der hohen Lage des Ortes im allgemeinen windig und ziemlich rauh, kalte Nebel und Frühlingsfröste sind nicht selten, Hagelschlag kam seit dem Jahre 1863 nicht mehr vor.

Die Landwirthschaft wird gut und fleißig betrieben; die Düngerstätten sind meistens zweckmäßig angelegt, namentlich wird die Jauche sorgfältig gesammelt; künstliche Düngungsmittel werden nur selten angewendet. Der Amerikanerpflug ist größtentheils eingeführt, daneben der Brabanter und Suppinger. Eiserne Eggen, Dreschwalzen und Futterschneidmaschinen sind vorhanden, außerdem besitzt die Gemeinde eine Wurzelegge und eine Bodenwalze, die an die Ortsbürger ausgeliehen werden.

Man baut vorzugsweise Dinkel, Haber, Ackerbohnen, etwas Gerste, Roggen und Weizen, ferner Kartoffeln, Wicken, dreiblättrigen Klee, Esparsette und wenig Luzerne; von Handelsgewächsen zieht man Reps, Mohn, Flachs und Hanf zum eigenen Gebrauch.

Verkauft werden, meist auf der Schranne in Villingen Stadt, jährlich 1200 Scheffel Dinkel, 600 Scheffel Haber, 20 Scheffel Gerste und 30 Scheffel Ackerbohnen.

Die vorhandenen 400 Morgen Wiesen sind sämtlich zweimähdig und liefern ein gutes Futter, das im Ort verbraucht wird.

Die Obstzucht ist wegen der herrschenden kalten Winde nicht bedeutend, jedoch im Zunehmen; sie beschäftigt sich hauptsächlich mit späten Kernobstsorten (Luiken, Rauhbirnen etc.) und mit Zwetschgen.

Eine Gemeindebaumschule, aus der die Jungstämme bezogen werden, und ein Baumwart sind vorhanden. Das Obst wird meist grün verspeist.

Die Gemeinde besitzt 40 Morgen guter Weide, welche nebst der Brach- und Stoppelweide an zwei hiesige Schafhalter jährlich um 800 M. verpachtet werden; überdies trägt die Pferchnutzung der Gemeinde jährlich 700 M. ein. Auch sichern die| Allmanden, welche an die Bürger, je zwei Morgen, verliehen sind, der Gemeinde ein jährliches Einkommen von 500 M.

Die 80 Morgen Gemeindewaldung, Nadelholz, sind meist jüngern Bestands und tragen deshalb jährlich vorerst nur 8 bis 10 Klafter.

Die Pferdezucht ist unbedeutend, dagegen die Pferdehaltung (60 Pferde) beträchtlich, weil das Feld vielfach mit Pferden bestellt wird.

Die Viehzucht befindet sich in ziemlich gutem Zustand, man hält eine Kreuzung von Simmenthaler mit Landrace und züchtet durch 3 Farren (2 Simmenthaler und 1 Bastard) nach.

Einer vollkommeneren Viehzucht steht der zu geringe Futterbau und die häufige Strohfütterung im Wege. Einiger Handel mit Vieh, namentlich mit Ochsen, findet statt.

Butter wird viel bereitet und in der Umgegend abgesetzt.

Die Schafzucht (Bastarde) wird von zwei Ortsbürgern betrieben, die im Sommer 300, im Winter 200 St. Schafe halten. Die Wolle geht auf inländische Märkte, der Abstoß der Hämmel nach Paris.

Von Bedeutung ist die Schweinezucht (halbenglische Race), welche einen jährlichen Verkauf von etwa 400 Ferkeln und 350 aufgemästeten Schweinen zuläßt.

Die Bienenzucht ist von einigem Belang, übrigens im Abnehmen.

Außer der Volksschule besteht eine Sonntagsschule, eine Winterabend- und Industrieschule. Von Stiftungen sind vorhanden für Anschaffung von Schulbüchern 600 M., zur Unterstützung für Ortsarme 1000 M., deren Zinsen jährlich zur Verwendung kommen.

Von Spuren aus der Vorzeit nennen wir: eine römische Straße läuft von Trossingen her als „grüner Weg“, „Kirchenweg“, über die Fluren „Türnen“, durch den östlichen Theil des Orts, über den „Römlinsbühl“ gegen den Lupfen. In der Nähe des Orts wurde ein schönes Bronzeschwert ausgepflügt, jetzt im Besitz des Herrn Postdirektors von Scholl in Stuttgart.

Die Ziegelhütte liegt 1/4 Stunde südöstlich vom Orte (s. o.).

Scurheim (scura a. d. Scheuer) erscheint 24. Juni 851, als Sigibold hier dem Kl. St. Gallen eine Hube gab. (W. U. B. 1, 138). Es war von jeher (lib. marc. 1360–70)| Filial von Trossingen, bis es 19. Febr. 1846 einen eigenen Pfarrverweser erhielt.

Mit Trossingen gehörte es zur Herrschaft Lupfen; 1299 wurde es mit Thuningen (s. das.) von Eberhard von Lupfen an Heinrich von Lupfen gegeben. 1444 kam es an Wirtemberg. Die Ansprüche Österreichs waren wie in Trossingen; ebenso die fürstenbergischen. Kloster Reichenau hatte hier Gefälle (1580 St. Arch.) und daher das Domkapitel Konstanz eine Zehentscheuer; die Armenfondspflege Rottweil auf einem Theil der Wiesen den Heuzehnten (Köhler). Auch Lupfen behielt Lehen, welche später an Fürstenberg übergiengen. Besonders begütert aber war Kl. Rottenmünster.

1624 hatte Schura 15 Bürger. 1796 plünderten die Franzosen und verursachten einen Schaden von etwa 10.000 fl. 7.–8. Mai 1849 fand ein großer Brand statt, von dem 41 Familien betroffen wurden.

1325 geben Jo. und Heinr. v. Balgheim wegen ihrer Schwester dem Kl. Rottenmünster ein Gut in Schura. (Doc. b.) 1369 verkauft Benz Käck von Schura Güter an Kl. Rottenmünster (eb.). 1369 kauft Bernhard Strobel von Schura Lehengüter des Kl. Rottenmünster von Marquard Denkinger von Villingen um 9 Pf. (eb.). 1388 verkauft Jo. Hagg von Schura an Frau Anna im Kloster eine Gilt und das Vogteirecht aus einem Hof in Schura (eb.). 1398 Hohenberg. Brandschatzungsverz.: Item so hant die Engelfriden inne das Dorf Schurheim, das will man nicht lassen schatzen. (Schmid Mon. Hohenb. Nr. 793). 1399 hat von Lupfen einen Hof Ott v. Balb und Dietr. Canzler, Zinsen und Gilten dieselben und Heinr. der Vogt von Rottweil. (Donauesch. Salb.) 3. Mai 1443 gibt Gr. Eberhard von Lupfen Güter zu Schura an Hans Wähinger (s. Tross.). 1447 acquirirt Kl. Rottenmünster das Vogteirecht aus dem Käkenhof in Schura (Doc. b.) 18. Dez. 1598 entläßt Kard. Andr. v. Österreich, Bischof von Konstanz, gegen gebührenden Abtrag Agatha Schneckenburgerin von Schura der Leibeigenschaft. (St. Arch.) Ein Drittel an dem Schumplinsgütle in Schura und ein Drittel an dem Kehlhofzehnten zu Trossingen, was Jo. Christof von und zu Rotenstein von Maria Marg. Nithardin geb. Spreterin v. Kreidenstein mit lehensherrlich fürstenbergischem Konsens erkauft hat, ist ein Kunkellehen von Stühlingen und dem Freih. von Rotenstein verliehen. (Arch. Donauesch.) Secularisirung 1806 s. Tross.


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