« Kapitel B 1 Beschreibung des Oberamts Tettnang Kapitel B 3 »
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2. Gemeinde Ailingen,
bestehend aus 13 Parzellen mit 765 katholischen Einwohnern.
Die Gemeinde, welche ihren Namen von den beiden Orten Ailingen hat, breitet sich, westlich von Tettnang, an der Ach hin aus. Sie hat eine sehr gute und fruchtbare Lage mit glücklicher Mischung von Ackerbau, Weinbau und Obstzucht. Die Güter bildeten früher großentheils geschlossene Lehenhöfe, in neuern Zeiten sind aber schon viele davon allodificirt und auch theilweise veräußert worden. Die Zehnten beziehen hauptsächlich die K. Kammer von dem Kloster Löwenthal her, dann die Stadt Lindau, die Großherzoglich Badische Domänen-Verwaltung, von der D. Ord. Commende Mainau her, die| Pfarrstelle und einzelne Privaten. Der ganze Gemeindebezirk gehört zum K. Cameralamt Friedrichshafen und zur Pfarrei Unter-Ailingen. Er stand ehemals unter der Landeshoheit der Östreichischen Landvogtei und bildete einen Bestandtheil des Östreichischen Landvogtei-Amts Fischbach. Mit der Landvogtei kam der Gemeindebezirk schon 1805 an die Krone Würtemberg, und stand bis 1810 unter dem Oberamt Altdorf. Die Grundherrschaft war und ist zum Theil noch vielfach vertheilt, die Haupttheilhaber waren die Klöster Löwenthal und das Kloster Kreuzlingen, als Besitzer der Herrschaft Hirschlatt. Siehe auch Hirschlatt. Die einzelnen Parzellen sind:
  • 1) Ober-Ailingen, Dorf mit 266 Einwohnern. 21/2 Stunden westlich von Tettnang, an dem Dobelbach und der Kornstraße, mit 1 Schildwirthschaft. Die Zehnten haben der Staat und der Spital Lindau zu beziehen, die Güter sind theils grundeigen, theils Erb- und allodificirte Zins-Lehen, die vormals verschiedene Lehens- und Gefälle-Herren hatten. Der größere Theil davon gehörte zu der Kloster Kreuzlingischen Herrschaft Hirschlatt und dem Kloster Löwenthal, und ist jetzt finanzkammerlich; 2 Höfe gehören zur Kirchenpflege Ailingen, 1 zur Stadt Friedrichshafen und 1 zum Spital Lindau, und entrichten an diese die Gefälle. Ober-Ailingen hat zwei Ölpressen (Handpressen) und zwei Privat-Keltern. Die Ortschaft Ailingen, wozu Ober- und Unter-Ailingen und überhaupt der ganze jetzige Gemeindebezirk gerechnet werden muß, ist sehr alt, schon im Jahre 774 schenkte ein Priester, Himmo, dem Kloster St. Gallen all sein Eigenthum zu „Ailingas und Scuzna“ (Schussen, ein abgegangener Ort in der Nähe), und 875 schenkte K. Ludwig seinem Getreuen, dem Priester Baldung, 2 Huben und 1/2 Hof in dem Dorf „Eilinga,“ im Linzgau, in der Grafschaft Ulrichs. Neugart, Cod. Dipl. No. 56 und 489. Später wechselte der Besitz vielfach. Die erste Urkunde ist zu Ailingen selbst ausgestellt, das dabei Villa publici genannt wird. Actum Helingas villa publici.[1] Es gab auch ein adeliges Geschlecht, das sich von Ailingen schrieb; ein Rudolph von Ailingen| ist Zeuge in einer Urkunde über die Schenkung von Baumgarten im Jahre 1271. Neugart, Cod. Dipl. No. 1008. Siehe Unter-Ailingen.
  • 2) Allmannsweiler, ein katholischer Weiler, an der Ravensburger Straße, mit 1 Ziegelhütte und 92 Einwohnern. Die Zehnten hat der Staat, zum Theil das Großherzogthum Baden zu beziehen, die Grundgefälle ebenfalls der Staat, die Kirchenpflege Friedrichshafen von 4 Lehenhöfen, die Spitalpflege daselbst von 1 und die Kirchenpflege Unter-Ailingen von 1 Lehenhof. Vier Höfe gehörten ehemals auch dem Kloster Löwenthal, das hier überdieß 405/8 Morgen an seine Markung anstoßende eigene Güter hatte, die nun Eigenthum der K. Hofkammer sind, s. S. 70. Die Einwohner haben das Recht einer Waldweide.
  • 3) Bunkhofen, ein katholischer Weiler, an der Ach, mit 109 Einwohnern, großentheils Handwerksleuten; die Ach theilt den Ort in „Bunkhofen jenseits der Ach“ und „Bunkhofen diesseits der Ach.“ Jenes war bis 1825 nach Berg eingepfarrt. Die Zehnten sind zwischen dem Staat, den Pfarreien Ailingen und Berg, dem Schulfonds (früher Meßnerei) der St. Anna-Kaplanei in Constanz getheilt. Die Güter sind grundeigen, 1 Sölde war früher Löwenthalisches Lehen.
  • 4) Hagendorn, Hof, mit 5 Einwohnern, der größere Theil der Hofgüter waren Kloster Löwenthalische Bestandgüter. Die Königl. Finanzkammer hat Gülten und 1/3 des Großzehnten zu beziehen, 2/3 des Letzteren gehören Privaten und den Kleinzehnten hat der Gutsbesitzer selber.
  • 5) Hühler, ein erst in Folge der Vereinödung von Ober-Ailingen im Jahre 1800 entstandener Hof mit 12 Einwohnern.
  • 6) Lochenried, ein auf gleiche Weise 1796 entstandener Hof mit 8 Einwohnern.
  • 7) Ober-Lottenweiler, ein katholischer Weiler, an der Kornstraße, mit 69 Einwohnern. Die Zehnten bezieht auch hier der Staat und der Spital Lindau. Die Güter sind meist grundeigen und Erbgüter; ein Lehenhof gehört zum Spital Friedrichshafen; 2 Höfe waren ehemals Constanzisch, 1 Hof Kreuzlingisch.|
  • 8) Reinach, Hof mit einer Mahl- und Sägemühle, an der Ach, mit 5 Einwohnern. Die Zehnten haben die Pfarrei Ailingen und der Spital Lindau, die Gefälle der Staat zu beziehen. Vormals gehörte Reinach zu der Dompropstei Constanz. An dem östlichen Thalrand ist eine schöne Rebhalde mit einer Kelter.
  • 9) Unter-Ailingen, ein katholischer Pfarrweiler, mit 53 Einwohnern, in milder fruchtbarer Lage, 1/8 Stunde von Ober-Ailingen und 11/8 Stunden von Friedrichshafen. Den Großzehnten hat größtentheils die Pfarrstelle zu beziehen. Die Gefälle kommen der Königl. Finanzkammer zu, früher waren die Klöster Kreuzlingen und Löwenthal die Lehensherren. Das Patronat ist Königlich, vorher war es Löwenthalisch. Der Ort hat einen Pfarrer und einen Kaplan, eine Pfarrkirche zum heil. Johannes dem Täufer, welche mit einem großen in der ganzen Gegend hervorragenden Thurm versehen ist, ein gutes Pfarrhaus, ein Kaplaneihaus und ein sehr ansehnliches Schulhaus für den Gemeindebezirk. Die Baulast der Kirche, so wie des Pfarr- und Kaplaneihauses liegt auf der vermöglichen Kirchenpflege. Auf dem Thurm sind 4 Glocken, die größte davon hat folgende Inschrift: Anno 1218 schon bin ich durch diesen Ofen geflossen, da aber mir zerbrach der Ton, wurde ich wieder umbgossen. Osanna verblieb mein Nam. Leonhard Rosenlecher wahr der Man in Constanz 1765. Das Schulhaus, worin auch die Rathsstube sich befindet, wurde 1828 neu von Stein gebaut, s. S. 44. Zu den Kosten trug die Kirchenpflege 3000 fl. bei, die ganze Gemeinde leistete Frohndienste. Der Pfarrsprengel umfaßt jetzt gerade den Schultheißerei-Bezirk; ehemals gehörte auch Ettenkirch mit einem Theil seiner Filiale in den Sprengel, bis dasselbe 1715 davon getrennt wurde. Die Kirchenpflege besitzt 22.000 fl. Capital, 6 Lehenhöfe, Zehnten etc. Sie wirkt unter der guten Verwaltung guter Ortsvorsteher vielfach wohlthätig; der Dekan Gall ist hier Pfarrer. Die Güter des Gemeindebezirks wurden 1797 vereinödet. Unter-Ailingen hat 2 Schildwirthschaften und außer einigen andern Gewerben auch eine Gerberei. Daß der Bezirk erst seit 1825 eine selbständige Staats-Gemeinde bildet und vorher zur Gemeinde Berg getheilt war, ist oben schon bemerkt worden. Die Pfarrei ist sehr alt, die Kaplanei wurde 1496 von dem Kloster Löwenthal und den Gemeinde-Angehörigen gestiftet. Das Patronatrecht der Kirche wurde laut Urkunde vom 10. Juli 1260 von den Grafen Rudolph und Gottfried von Habsburg dem Kloster Löwenthal geschenkt, dem die Kirche 1326 incorporirt wurde. Daß Ailingen überhaupt ein sehr alter Ort ist, wurde schon oben gezeigt. An dem untern Theil des Thurms, der unter die sogenannten Heidenthürme gerechnet wird, bestehen| die außerordentlich dicken Mauern aus denselben rohen Blöcken, wie an dem Hatzenthurm.
  • 10) Unter-Lottenweiler, ein katholischer Weiler, mit 102 Einwohnern, der mit Ober-Lottenweiler fast zusammenhängt, aber seine eigene Markung hat. Den Zehnten hat das Königl. Cameralamt und das Fürstl. Fürstenbergische Rentamt Heiligenberg zu beziehen. Ein Lehengut gehört zur Kirchenpflege Ailingen. Ehemals besaß das Kloster Kreuzlingen, als Besitzer der Herrschaft Hirschlatt, 4 Höfe, und das Frauenkloster (St. Michael) zu Ravensburg 2 Lehen. Nordöstlich von Unter-Lottenweiler heißt ein Bezirk „Steinmauren.“
  • 11) Waldacker, ein Taglöhnerhaus, das erst vor ungefähr 20 Jahren erbaut worden und 1/8 Stunde von Ober-Ailingen liegt, worunter es gemeiniglich begriffen wird.
  • 12) Weiler-Mühle, ein Hof, an der Ach, mit einer Mahl- und Sägemühle, mit 6 Einwohnern. S. Weiler. Hof und Mühle gehörte früher zu Weissenau, das auch die Zehnten hatte.
  • 13) Wickenhausen, ein katholischer Weiler, mit 38 Einwohnern, an der Kornstraße. Die Zehnten besitzen theils Privaten, theils der Staat. Die Heiligenpflegen zu Haßenweiler und Ailingen besitzen jede ein Lehen. Vormals besaßen auch die Klöster Weingarten 2 Höfe, Kreuzlingen 1 Sölde.

  1. Villa publici oder Villa publica, öffentliches Dorf, bedeutete zu jener Zeit, im Gegensatze von einem herrschaftlichen Dorf, ein solches Dorf, wo das Grundeigenthum nicht im ausschließlichen Besitze des Königs, oder des Adels, oder der Kirche, sondern im freien Eigenthum seiner ebenfalls freien Bewohner war, also eine Art von Reichsdorf, d. h. eine freie aus freien Grundeigenthümern bestehende Gemeinde, die keine Herrschaft, sondern zunächst nur den K. Gaugrafen über sich hatte. Bemerkenswerth ist zugleich, und ein Beweis, wie wenig man bei der Frage von der Rechtschreibung der Ortsnamen auf Urkunden zurückgehen kann, daß in einer und derselben Urkunde Ailingas und Helingas, in der andern aber Eilinga geschrieben ist.