Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt/Kapitel B 15

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Musberg,
Gemeinde III. Kl. mit 604 Einw. a. Musberg, Pfd., 581 Einw., wor. 1 Kath. b. Ober-Mühle, 6 Einw. c. Karles- (Esels-)Mühle, 10 Einw., und d. Mäulens- (Jörglens-)Mühle, 7 Einw. – Ev. Pfarrei, mit den Filialen: Leinfelden, nebst Ober- und Unter-Aichen; die Kath. sind nach Stuttgart eingepfarrt.

Das mittelgroße, mit reinlichen, theilweise gekandelten Straßen versehene Pfarrdorf, liegt 23/4 Stunden südwestlich von Stuttgart, theils auf einem Bergrücken des Schönbuchs, theils an dem südlichen Abhange desselben gegen das Reichenbach-Thal, in welches sich eine mit Häusern weitläufig besetzte Straße hinabzieht. Die Lage des Orts ist freundlich und gesund, eine gute, stärkende Luft weht aus dem ganz nahe gelegenen Schönbuchwald, der zugleich einen Hagelableiter für diese Gegend bildet. Frisches gesundes Wasser liefern 2 laufende und einige Pumpbrunnen in erforderlicher Menge. Nördlich von Musberg auf der sog. „Stelle“ hat man eine ausgezeichnete Fernsicht über die Filder, den Schönbuch und an einen großen Theil der Alp.

Die wahrscheinlich im Jahr 1563 erbaute Kirche, welche frei in der Mitte des Orts liegt, ist unansehnlich, schmucklos und im Verhältniß zu der gegenwärtigen Zahl der Kirchen-Gemeinde zu klein. Laut Inschrift auf einer im Innern der Kirche angebrachten bleiernen Tafel, wurde mit ihr i. J. 1682 eine durchgreifende Renovation vorgenommen, wobei die ehemals spitzbogigen Fenster des Chors in rundbogige umgewandelt wurden. Die innere Decke der Kirche ist flach getäfelt und im Geschmack des 17. Jahrhunderts bemalt. An dem Knoten des Kreuzgewölbes im Chor ist das Wappen von Musberg (zwei sich kreuzende Fische und unter diesen zwei einander gegenüber liegende Hirschhörner) angebracht. In dem kleinen Thurm hängen zwei Glocken, von denen die größere 1844, die kleinere 1763 gegossen wurde. Die Baulast der Kirche hat die Stiftungspflege, welche wegen Mittellosigkeit von der Gemeinde unterstützt werden muß. In der Nähe der Kirche, an der Straße, die durch Musberg von Böblingen nach Echterdingen führt, steht das Pfarrhaus, welches der Staat zu unterhalten hat. Dasselbe wurde im Jahr 1793 beinahe von Grund aus neu aufgebaut. Am östlichen Ende des Orts an der Straße nach Leinfelden liegt der ummauerte Begräbnißplatz auf dem auch die Ober- und Unter-Aichener ihre Todten beerdigen. Die nur durch eine Straße vom Pfarrhaus getrennte, geräumige Schule mit Schullehrerwohnung ließen im Jahr 1823 die Gemeinden, welche damals im Schulverbande mit | einander standen, mit einem Aufwand von 4000 fl. neu erbauen; an ihr unterrichten ein Schulmeister und ein Lehrgehülfe. Seit 1834 besteht eine Industrieschule. Auf einem freien Platz in der Mitte des Dorfs steht das ansehnliche Rathhaus, welches die Gemeinde von 1830–31 mit einem Aufwand von 4000 fl. erbauen ließ. Die Einwohner sind der Mehrzahl nach fleißig und sparsam; der Güterbesitz der 4 größten Grundeigenthümer besteht in 42, 36, 34, 26 Morgen; vor den Theurungsjahren betrug die Summe der versicherten Passivkapitalien 28.675 fl. Um die Ortsangehörigen von den insbesondere durch Besenreisschneiden häufig begangenen Waldfreveln abzubringen, wurde in Folge K. Entschließung vom Jahre 1827 an arme Einwohner dieser Gemeinde eine Fläche von 50 Morgen Staatswald zum Roden mit der Zusicherung abgetreten, daß jedem Bebauer, wenn er sich künftig des Holzdiebstahls enthalte, nach 10 Jahren 1 Morgen dieses Feldes zehent- und grundlastenfrei um 20 fl. als Eigenthum überlassen werde. Von allen, welche sich hierzu verpflichteten, leistete jedoch nur Einer den Bedingungen vollständig Genüge und erhielt deßhalb die Zusage erfüllt; die übrigen 49 Morgen übernahm im Jahr 1838 die Gemeinde um 980 fl. und vertheilte sie unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn der Unterstützte sich unwürdig mache, in Parzellen von 1/2 Morgen an unbemittelte Bürger. Da aber der Boden etwas unergiebig ist und das Feld vermöge seiner mit Wald umgebenen Lage von dem Wild manches zu leiden hatte, so war der Erfolg abermals nicht entsprechend und die Gemeinde sah sich veranlaßt, 16 Morgen dieses sog. Besenfeldes wieder mit Wald zu kultiviren. Der noch übrige Theil wird jetzt fleißig gedüngt und liefert einen ziemlich guten Ertrag, der sich bei vermindertem Wildstande bald noch mehr erhöhen dürfte. Überhaupt besteht die Nahrungsquelle der Einwohner im Feldbau, welcher mit Fleiß und Umsicht betrieben wird; zweckmäßige landwirthschaftliche Neuerungen haben Eingang gefunden, namentlich ist der Brabanter Pflug allgemein im Gebrauch. Die Äcker liegen theils ziemlich eben auf dem Bergrücken, theils an den Thalabhängen. Der im Durchschnitt fruchtbare Boden besteht aus einem den weißen Keupersandstein überlagernden, tiefgründigen rothen Thon; auf dem kleinem Theil der Markung ist die Überlagerung des Sandsteins gering, daher auch der Boden nicht tiefgründig, sondern mager und sandig. Die gewöhnlichen Halmfrüchte, unter denen Dinkel und Haber besonders gut gedeihen, werden gebaut; der Durchschnittsertrag wird an Dinkel zu 8–10 Scheffel, an Haber zu 6–8 Scheffel, an Gerste zu 4 Scheffel und an Roggen zu 4 Scheffel per Morgen angegeben. Unter den Bracherzeugnissen ist der Hanf, welcher hier sehr gut geräth, erwähnenswerth. Die Ackerpreise sind 200–500–1100 fl. Die meist in den | Thälern liegenden Wiesen geben hinreichend gutes und nahrhaftes Futter. Ein Morgen kostet 6–800 fl. Die nicht unbeträchtliche Obstzucht beschäftigt sich hauptsächlich mit Mostsorten und Zwetschgen. Von dem Kernobstertrag, welcher in guten Jahren 5–6000 Simri abwirft, wird viel nach Böblingen und Sindelfingen verkauft. Die Rindviehzucht bildet einen namhaften Erwerbszweig, indem die Musberger auf den nächsten Märkten und im Ort selbst ziemlich Vieh verkaufen. Es wird eine gute Landrace, welche sich durch Simmenthaler Zuchtstiere verbessert, gehalten. Die Verbindlichkeit zur Faselviehhaltung ruht auf der Gemeinde, welche dieselbe durch einen Pächter erfüllen läßt. Auf der Weide laufen 250 Schafe, meist Bastarde, die im Ort überwintert werden. Die Schweinezucht ist nicht ausgedehnt; von den Müllern im Reichenbacher Thal wird mit Ferkeln einiger Handel getrieben. Außer den gewöhnlichsten Gewerben bestehen hier 2 Schildwirthschaften, eine Ziegelhütte und 3 Mühlen im Reichenbacher Thal gelegen (s. unten). Der Marktverkehr nach Stuttgart wird durch Einzelne insbesondere mit Besen betrieben.

Die Holz- und anderen Gerechtigkeiten, welche der Bürgerschaft, den 3 Müllern, den 16 Besitzern des Schafhofes und dem Ziegler in den herrschaftlichen Schönbuchswaldungen zustanden, wurden im Jahr 1820 abgelöst, und dafür der Gemeinde 76 Morgen, jedem Müller 14 Morgen, jedem der Besitzer des Schafhofs 1 Morgen und dem Ziegler 3 Morgen Kronwald eigenthümlich abgetreten.

Der gegenwärtige Grundbesitz der Gemeinde besteht in 303 Morgen Wald, deren nachhaltiger Ertrag jährlich zu 35 Klafter Holz und 2000 Stück Wellen berechnet ist und außer den oben angeführten 49 Morgen in 133 Morgen Allmanden, welche theilweise mit Kirschenbäumen angepflanzt sind, sodann in dem sogenannten Farrengut, von 4 Morgen Feld. Der Erlös aus Holz und den Weide- und Übertriebsrechten, welche die Gemeinde im Jahr 1836 von der Staatsfinanzverwaltung um 8005 fl. erworben hat, fließt in die Gemeindepflege, deren Einnahmen aber zu Bestreitung der Bedürfnisse der Kasse, die noch eine zunächst von der Erwerbung des Schafweiderechts herrührende Schuld von 5096 fl. zu tilgen hat, so wenig hinreichen, daß während die Staatssteuer 488 fl. betrug, in den letzten Jahren durchschnittlich eine Gemeindeschadens-Umlage von 700 fl. nothwendig wurde. Die Stiftungspflege, auf welcher die Kirchenbaulast ruht, besitzt nach der Rechnung von 1845/48 nur 1300 fl. Vermögen.

Am westlichen Ende des Dorfs befindet sich ein Steinbruch in hartem, grobkörnigen Keupersandstein, welcher sehr gesuchte Mühlsteine und vortreffliches Straßenmaterial liefert. Schon 1789 machte man vorübergehende | Versuche auf Torf bei Musberg (s. Rösler Beitr. 3, 113), und im Jahr 1835 und folgenden wiederholte man solche; der Torf ging aber aus, auch wurde seine Güte nicht gerühmt.

Musberg, früher Filial von Echterdingen, wurde bald nach der Reformation 1563 von Herzog Christoph zu einer selbstständigen Pfarrei erhoben und mit M. Christoph Raph, früher Unterhelfer in Kirchheim, besetzt. Zu der damals errichteten Pfarrei kamen Rohr, Leinfelden, Ober- und Unter-Aichen als Filialorte; von diesen hatte Rohr eine eigene Kirche, in welcher der Pfarrer von Musberg alle Gottesdienste, die Feiertagspredigten ausgenommen, versehen mußte, bis 1848 Rohr zu einer eigenen Pfarrei erhoben wurde. In politischer Beziehung gehörte der Ort bis zum Jahr 1819 zu dem sogenannten Leinfelder Ämtchen, und hatte nur einen dem Stabsschultheißen und Stabsgericht in Leinfelden untergeordneten polizeilichen Vorstand, übrigens eigene Markung und abgesondertes Gemeinde-Vermögen.

Der Großzehente gehört dem Staat, welcher solchen – mit Ausnahme der an die Gemeinde Ober-Aichen verliehenen Zelgen Rohr und Aich – an die Gemeinde Musberg verpachtet hat. Der kleine Zehente aus den eben erwähnten 2 Zelgen steht der Pfarrei zu und ist an die Gemeinde Ober-Aichen verliehen; allen übrigen Kleinzehenten besitzt der Staat und hat solchen an Musberg in Pacht gegeben; den Heuzehenten hat im Jahr 1836 die Gemeinde abgelöst. Außer den Viertheilsgebühren, welche auf den Schafhofgütern hafteten, war die Gemeinde mit Grundabgaben nicht sehr belastet; sie sind in den letzten Jahren sämmtlich, so weit sie ablösbar waren, abgelöst und das durch den Hauptablösungsvertrag über die Gülten im Jahr 1844 festgesetzte Kapital von 1231 fl. ist von den Pflichtigen abgetragen.

Auf einem Bergvorsprung am westlichen Abhange gegen das Reichenbacherthal, befindet sich ganz in der Nähe von Musberg ein runder mit Graben umgebener Hügel, der „Schloßberg“ genannt, auf dem nach der Sage ein Schloß gestanden. Auch wurden südlich vom Ort auf der sog. langen Wiese 12–15 irdene Gefäße von sehr hohem Alter – und am Fuß der Hohenwart mehrere alte Waffen, Sporen u. s. w. gefunden.

In der geschriebenen Geschichte erscheint Musberg als Mosberg, am frühesten im Jahr 1229 unter den Orten, wo das Kloster Bebenhausen Güter erhielt; der Name ist von Moos-, Moorgrund abzuleiten.

Die Herren von Rohr trugen den Ort von den Pfalzgrafen von Tübingen zu Lehen; aus dem Besitz der ersteren machten hier Ankäufe im Jahr 1342 das Kloster Denkendorf, im Jahr 1428 (aus zweiter Hand) der Eßlinger Spital, im Jahr 1406 die Herrschaft Württemberg.

| Letztere hatte schon 1350 laut dem Stuttgarter Zinsbuche ansehnliche Bezüge hier; im Jahr 1412 verlieh sie einen Hof; in den völligen Besitz des Ortes kam sie erst durch den Vertrag mit Eßlingen von 1557 April 7 (vergl. Sattler, Herz. 3, 113).

Den ehemals dem Stift zu Stuttgart zugehörigen Pfarrsatz (Binder 329) hat jetzt die Krone.

Die Obermühle, ein dauerhaftes massives Gebäude, das im Jahr 1622 erbaut wurde, liegt 1/8 Stunde südlich von Musberg und

die Eselsmühle 1/8 Stunde thalabwärts von der Obermühle; – sie wird auch Karlesmühle genannt, weil schon der dritte Besitzer derselben Karl Lorenz heißt.

Die Mäulensmühle ist 3/8 Stunden von Musberg entfernt; sie wird nach dem Namen des gegenwärtigen Besitzers, Georg Burckhardt, auch Jörglensmühle genannt.

Sämmtliche Mühlen (mit noch 10 weiteren) liegen im stillen, waldreichen Reichenbacher Thal, wo, wie es scheint, früher ein Weiler bestand, da ein Reichenbach unter den mit Waldenbuch im Jahr 1363 von den Herzogen von Urslingen an Württemberg verkauften Orten erscheint.

Im Jahr 1833 ließen die Reichenbacher Thalmüller westlich von Musberg 4 artesische Brunnen mit dem besten Erfolg erbohren, wodurch nicht nur die Werke im Reichenbacher Thal einen beträchtlichen Wasserzufluß erhielten, sondern auch die im Thal liegenden Wiesen durch die Entziehung ihrer allzu großen Feuchtigkeit namhaft verbessert wurden.


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