Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt/Kapitel B 12

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Kemnath,
Gemeinde III. Kl, mit 914 Einw. a. Kemnath, Pfarrd. 881 Einw., wor. 4 Kath. b. Stockhausen, W., 20 Einw., und c. Neumühle, 13 Einw. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Neuhausen eingepfarrt.
Das 2 Stunden südöstlich von Stuttgart gelegene Pfarrdorf Kemnath ist ziemlich regelmäßig gebaut, hat gut gekandelte, breite Straßen, | und steht mit Stuttgart durch die 1/4 Stunde vom Ort vorüberziehende Ruither Straße, mit Birkach durch eine noch nicht chaussirte, übrigens fahrbare Straße in Verbindung. Vermöge seiner Lage, auf einem Flachrücken der Filderhochebene, welche sich zwischen dem Ramsbachthal und dem Horberthälchen gegen das anmuthige Körschthal hinzieht, gehört Kemnath zu den freundlichsten Orten im Bezirk; es hat gesunde, frische Luft, selten Hagelschlag und ist hinlänglich mit gutem Trinkwasser, das auch in heißen Sommern nicht ausgeht, versehen.

Die Pfarrkirche steht in der Mitte des Orts, ist aber für die Bevölkerung etwas zu klein. Über ihrem Eingange findet sich ein ohne Zweifel noch von dem früheren Gotteshaus herrührendes Basrelief, das Lamm Gottes mit dem Kreuz vorstellend, eingemauert. Im Innern derselben ist ein aus Holz geschnittenes Christusbild (1674 von Anna Georg Schonhaaren gestiftet) sehenswerth. Auf dem westlichen Giebel ruht ein niedriger, 1839 aus Holz erbauter Thurm mit Flachdach und rundbogigen Schaulöchern. In früherer Zeit hatte der Ortsheilige die Kirchenbaukosten, unter 1 fl. 30 kr., und die Armenkosten, zu welchen die Gemeindekasse nur einen jährlichen Beitrag von 16 fl. lieferte, allein zu bestreiten, die bedeutenderen Kirchenbaukosten, sowie die Schulkosten aber gemeinschaftlich mit der Gemeindepflege zu tragen. Seit dem J. 1834 aber werden die sämmtlichen Kirchenkosten von der Stiftungspflege, deren Geldvermögen im J. 1848 nur 1633 fl. betrug, und die sämmtlichen Armen- und Schulkosten von der Gemeindepflege bestritten.

Im Jahr 1841 wurde südlich vom Ort ein neuer Begräbnißplatz angelegt, und der frühere an der Kirche 1843 in eine Baumschule verwandelt. Das wohnliche Pfarrhaus, welches der Staat zu unterhalten hat, ist frei und angenehm gelegen. In dem bei der Kirche stehenden alten, geräumigen Rathhaus befinden sich einige Glasmalereien ohne besonderen Kunstwerth, mit den Jahrzahlen 1552 und 1628. Im Erdgeschosse dieses Rathhauses wurde 1844 ein Backhaus eingerichtet. Die 1811 erbaute Schule, an der ein Schulmeister und ein Lehrgehülfe unterrichten, ist geräumig und in gutem Stand; der Schulmeister wohnt in einem abgesonderten Haus, welches die Gemeinde im J. 1647 angekauft hat. Die seit 1835 bestehende Industrieschule wird nur den Winter über besucht und durch Beiträge der Centralleitung des Wohlthätigkeitsvereins unterstützt. Eine Winterabendschule für die der Schule entwachsenen Söhne verdankt ihre Einrichtung und ihren gedeihlichen Fortgang dem seit 1839 hier angestellten Pfarrer Baumann.

Die Bewohner sind geordnet, friedliebend, fleißig und kirchlich gesinnt; 10–15 Männer und 40–50 Weiber halten zur s.g. Gemeinschaft; auch sind 10–15 Separatisten im Orte, welche sich jedoch der | Kirche nähern. Die ökonomischen Verhältnisse sind, einzelne Wohlhabende ausgenommen, im Allgemeinen mittelmäßig. Arme Ortsangehörige arbeiten in Hohenheim im Taglohn. Die 4 größten Gutsbesitzer haben je 38–42 Morgen. Die Markung ist mit Ausnahme der Abhänge gegen die Thäler der Körsch, des Ramsbachs und des Horberbachs, meist eben, und hat einen ziemlich tiefgründigen, mit wenig Sand vermischten, fruchtbaren Lehmboden, der größtentheils als Ackerland benützt wird. An den mit Wiesen, Baumgütern und Weinbergen kultivirten Gehängen, ist der Boden schwerer, thoniger und weniger fruchtbar. Die humusreichen Thalebenen bilden treffliche Wiesengründe.

Die Hauptnahrungsquelle der Einwohner ist der Feldbau, welcher sich in der letzten Zeit sehr gehoben hat[1]; er wird durch den auf der Markung in großer Menge sich vorfindenden Mergel sehr unterstützt. Gebaut werden außer den gewöhnlichen Halmfrüchten, Roggen zu Bindstroh. In der Brache erzieht man außer den gewöhnlichen Bracherzeugnissen Kraut, Reps, Hanf und besonders viel Flachs, durch welchen sich das Dorf einen Ruf und häufig die höchsten, für Flachsbereitung ausgesetzten Preise erworben hat. Zur Bereitung des Flachses wurde 1839 in Ramsbachthal eine verbesserte Wasserröste angelegt, für welche Schultheiß Heimsch einen landwirthschaftlichen Preis erhielt[2]. Die Preise eines Morgens Acker gehen von 400–500 fl. Die noch immer im Zunehmen begriffene Obstzucht ist sehr ausgedehnt und wird von keinem der Nachbarorte lebhafter betrieben. Straßen und beinahe alle Stellen, die sich zur Obstzucht eignen, sind mit Bäumen besetzt, die hier sehr gut gedeihen und reichlichen Ertrag liefern. Von Kernobst werden besonders Mostsorten gezogen; die Steinobstzucht ist minder beträchtlich. Die Wiesen, welche theilweise bewässert werden können, sind ergiebig, durchaus zweimädig und liefern gutes Futter. Der Preis stellt sich von 350–600 fl. per Morgen. Der Weinbau ist unbedeutend und beschränkt sich nur auf 12 Morgen, die am südwestlichen Thalabhange liegen. Die Sorten sind: Silvaner, Gutedel, Elblinge, Affenthaler, Trollinger u. s. w. Das Erzeugniß gehört zu den mittelguten und wird meist im Ort selbst abgesetzt. Der Morgen Weinberg kommt auf 700–800 fl. zu stehen. Die Kelter gehört der Gemeinde.

Von 150 Morgen Wald auf den Markungen von Kemnath und Stockhausen gehören der Gemeinde 42, die weiteren sind Eigenthum einzelner Bürger. Der übrige Grundbesitz der Gemeinde besteht in 80 Morgen (wovon 6 dem Farrenbeständer zur Benützung überlassen | sind) und wird als Weide benützt, ist übrigens, je nach der Beschaffenheit und Lage mit fruchtbaren oder wilden Bäumen ausgesetzt. Das Geldvermögen der Gemeinde besteht nach der Rechnung von 1848/49 aus 1385 fl.; die Schulden betragen 2222 fl.

Bürgerliche Nutzungen finden keine statt. Die Gemeindeschadensumlage beläuft sich auf jährliche 800 fl. (die Staatssteuer ist 891 fl.). An versicherten Passivkapitalien ruht auf den Ortsangehörigen die Summe von 76.316 fl.

Der Zustand der Rindviehzucht ist im Allgemeinen gut und verbessert sich durch die Zucht der Simmenthaler Race, neben der auch die Land-Race noch besteht, immer mehr. Die Schaf-Weide, welche verpachtet ist und nebst Pferchgeld der Gemeinde jährlich 12–1400 fl. einträgt, nährt 400 feine Bastarde, denen ein westlich vom Ort gelegenes Schafhaus zur Überwinterung dient.

Von den Gewerben ist die Leinwandweberei beträchtlich; auch gibt es viele, meist auswärts arbeitende Steinhauer, Zimmerleute und Maurer. An Wochenmärkten gehen 20–30 Personen nach Stuttgart, die dort Obst, Flachs, Hanf, Eier und Butter absetzen. Milch wird täglich hier aufgekauft und ebenfalls nach Stuttgart gebracht. Der Ort hat 3 Schildwirthschaften und 2 Mühlen.

Der große und der Weinzehenten steht dem Staat aus eigenem Rechte, der kleine in Folge der Verwandlung des Pfarreinkommens zu. Der Heuzehente, welcher der Pfarrei gehörte, wurde 1838 mit 2152 fl. 48 kr. abgelöst; ebenso ist die Ablösung aller übrigen ablösbaren Grundlasten und insbesondere im Jahr 1840 die Ablösung der Gülten und Landachten mit einem Kapital von 5754 fl. erfolgt.

Durch den östlichen Theil des Orts führte eine Römerstraße und im Ort selbst, besonders in der Nähe des einzigen laufenden Brunnens, stößt man häufig auf Grundmauern, Gebäudeschutt und Gefäßefragmente, die ein hohes Alterthum beurkunden und zum Theil unverkennbar römisch sind. Es wurden sogar Postamente gefunden, welche Reste eines zerstörten Hypocaustums zu seyn scheinen. Übrigens muß hier vorsichtig der ältere Schutt von dem späteren unterschieden werden, da der Ort 1449 abbrannte (s. u.) und von dieser Zerstörung noch viele Spuren zurückgeblieben sind. Im südlichen Theile des Orts fand man beim Graben eines Kellers eine Reihe Gräber, in denen Skelette, Waffen und Perlen von Glasfluß und Gagat lagen, ähnlich den Gräbern, wie sie bei Canstatt und anderen Orten getroffen werden. Östlich von Kemnath wurde auf dem s. g. Stockhäuser Felde eine weit hinziehende irdene Teuchellage aufgedeckt.

Der Name stammt vom altdeutschen Keminât, Kemnât, d. h. Zimmer, | Wohngebäude. Die erste Nennung, als Kemnaten, geschieht im J. 1229, unter den Orten, wo Kloster Bebenhausen Güter erhalten hatte. Im September 1366 kaufte Württemberg hier Leibeigene. Ansehnliche Güter mit dem Kirchensatz und Frohnhof besaßen die Herren von Gundelfingen; im Jahr 1254 verkaufte Heinrich von Gundelfingen dem Kloster Denkendorf das Eigenthum über eine Mühle beiKemnatun für 15 Pfd. und im Jahr 1385 vergabte Friedrich von G. demselben Kloster den hiesigen Kirchensatz, welchen es übrigens noch mit 100 Pfund von einem Dritten zu lösen hatte, was im Jahr 1389 geschah. Als Rechtsnachfolger des Kloster’s Denkendorf kam Württemberg in den Besitz dieses Pfarrsatzes.

Begütert waren hier, außer den genannten Klöstern, das Kloster Weil 1421, das Augustiner-Kloster Eßlingen 1365, die dortige Pfarrkirche 1362 etc.

Ein Dekan von Kemnat kommt im J. 1236 vor in einer Urkunde des Bischofs Heinrich von Constanz als beauftragt von demselben, dem Kloster Denkendorf zum Schadenersatz seiner entfremdeten Güter zu verhelfen.

Im Jahr 1449 wurde das Dorf von den Eßlingern im Kriege mit Graf Ulrich von Württemberg abgebrannt.

Über den abgegangenen Ort Owen s. Heumaden.

Da« Ortszeichen (Wappen) von Kemnath ist ein Mühlrad und unter diesem 5 in gerader Linie angebrachte Punkte.

Der Hof Stockhausen liegt im anmuthigen Körschthale, 1/4 Stunde südöstlich von Kemnath, wohin er kirchlich und politisch gehört. Eine ansehnliche, 1555 erbaute Mühle und 3 Häuser sind der letzte Rest des früheren Dorfes Stockhausen, dessen 297 Morgen Güter keine eigentliche Markung mehr bilden und zu 2/3 den Bewohnern von Kemnath gehören. Nur rücksichtlich der Zehentverhältnisse der s. g. Stockhauser Markung findet die Verschiedenheit von der Kemnather Markung statt, daß die Stockhauser Güter vom kleinen Zehenten ganz frei und daß nur 36 Morgen großzehentpflichtig sind, und der Zehente hiervon vom K. Cameralamte alljährlich besonders an die Pflichtigen verliehen wird. Die Felder, besonders die Wiesen, sind gut, ergiebig und im Allgemeinen denen auf Kenmather Markung gleich. An den Thalgehängen liegen Waldungen, welche größtentheils Privat-Eigenthum der Kemnather sind.

Die Landbücher aus dem Anfang des 17. Jahrh. sagen: „Vor etlich hundert Jahren war Stockhausen ein stattlicher Flecken, wo etliche von Adel, besonders die von Blankenstein wohnten, und Neuhausen war hier eingepfarrt. Der Ort hatte eine Burg, die ob Wernizhausen und Scharnhausen lag, jetzt ist nur noch da eine kleine, alte | Kapelle[3], eine Mühle und 2 Häuser, andere Häuser und die Kirche sollen nach Neuhausen versetzt worden seyn.“ Aus letzterem Umstand erklärt Gabelkofer, warum die Pfarrei Neuhausen in Stockhauser Markung die Fruchtzehenten und Gefälle besitzt. (Vergl. O.A.-Beschr. von Eßlingen S. 211.)

Im Jahr 1283 Oct. 24 ist Bertoldus villicus de Stockhusen Zeuge in einer Urkunde Schwiggers von Blankenstein (Gerbert, Hist. silv. nigr. 3, 206); im J. 1327 veräußerte Burckhard von Echterdingen seinen Zehenten auf Stockhauser Markung, dessen ist 11/2 Viertel, für 30 Pfd. Heller an die Probstei Nellingen, beziehungsweise das Kloster St. Blasien; im Jahr 1405 verkaufte Heinrich von Neuhausen Güter in Stockhausen an seinen Bruder Werner. (Gabelk.)

Die Neumühle liegt ebenfalls im Körschthale, 1/4 Stunde südlich von Kemnath, zu welchem sie in jeder Beziehung gehört. Im 30jährigen Kriege soll sie ganz zerstört und erst nach vielen Jahren wieder aufgebaut worden seyn; sie wird noch häufig die wüste Mühle genannt, vermuthlich weil sie lange Zeit wüst (verwüstet) lag. Den Namen Neumühle erhielt sie, weil an der Stelle der alten zerstörten Mühle eine neue gebaut wurde. Bei der Neumühle führt eine steinerne Brücke über die Körsch.



  1. Ökonom Gottfried Heimsch wird von dem Oberamt unter den Gutsbesitzern genannt, welche vorzugsweise wohlthätigen Einfluß auf die Landwirthschaft üben.
  2. S. Correspondenzblatt des landwirthschaftlichen Vereins 1840, S. 149.
  3. Von der Kapelle ist gegenwärtig keine Spur mehr vorhanden, sie soll schon vor ungefähr 60 Jahren abgetragen worden seyn. Der Name aber lebt fort in den „Kapeleswiesen.“


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