« Kapitel A 2 Beschreibung des Oberamts Schorndorf Kapitel A 4 »
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III. Einwohner.


1. Bevölkerung.
A. Stand derselben.

a. Volksmenge. Das Oberamt enthielt nach der Zählung auf den 3. Dezember 1848:

30.100 Ortsangehörige und zwar
14.838 männliche,
15.262 weibliche, worunter aber 428 männl., 155 weibl., zusammen 583, theils mit, theils ohne Heimathschein im Ausland wohnten.

Nach der Aufnahme vom 3. Dez. 1849 (s. Tab. I.) war die Zahl 30.296.

Nach frühern Aufnahmen betrug die Volksmenge:

1812 (01. Nov.) – 26.182, nämlich 12.072 männl. und 13.210 weibl.
1822 (01. Nov.) – 26.959,      „ 13.206      „ 0 13.753      „
1832 (01. Nov.) – 28.590,      „ 14.014      „ 0 14.576      „ [1]
1842 (15. Dez.) – 29.760,      „ 14.695      „ 0 15.065      „
1846 (03. Dez.) – 29.920,      „ 14.729      „ 0 15.191      „
| Von den Ortsangehörigen waren im Jahr 1846 abwesend 3901; dagegen Fremde anwesend 1282; es belief sich also die Zahl der Ortsanwesenden damals auf 27.301, 1849 auf 27.800. Im Jahr 1822 war die Zahl derselben 26.348.

Auf 1 geogr. Quadratmeile kommen nach dem Stand vom 3. Dez. 1846 8338 Ortsangehörige und 7796 Ortsanwesende. Die Dichtigkeit der Bevölkerung ist daher eine der stärksten, und übertrifft die mittlere des Landes um 3391 beziehungsweise 2922 Köpfe oder um 69 und 60 Procent. Auf den Kopf kommen 2,04 Morgen Flächenraum.

b. Geschlechts-Verhältniß. Die weibliche Bevölkerung übertraf die männliche am 3. Dez. 1846 bei den Ortsangehörigen um 462, bei den Ortsanwesenden um 1297 oder auf 1000 männliche kamen 1031 beziehungsweise 1100 weibliche Personen. Bei den Ortsangehörigen betrug dieser Überschuß im Jahr 1812 – 1138; 1822 – 547; 1832 – 562; 1842 – 370.

c. Altersstufen. Bei der Aufnahme d. J. 1846 standen in einem Alter

auf
10.000 10.000
männl. weibl. männl. weibl.
unter 6 Jahren 2085 2192 1416 1443
von 06 bis 14
  2512 2568 1706 1691
14
20
1634 1718 1109 1131
20
25
1344 1342 913 883
25
40
3092 3223 2099 2122
40
60
2803 2979 1903 1961
60
70
835 863 567 568
70
80
360 270 244 178
80
90
62 31 42 20
90
100
2 5 1 3
14.729 15.191 10.000 10.000
29.920

Von der Bevölkerung d. J. 1822 (1. Nov.) kommen auf

10.000 männl.   10.000 weibl.
Angehörige
unter
14 Jahren 3140 3062
von 14 bis 18 904 über 14
Jahren
 
6938
18 25 1265
25 40 1975
40 60 1882
über
60 Jahren 834
10.000 10.000
| d. Familienstand der Angehörigen am 3. Dez. 1846.
 Verehelichte 9274   oder  4637  Ehepaare.
 Wittwer   566
 Wittwen 891
 Geschiedene 32
 Unverehelichte 019.157
029.920

Die Zahl der Familien war 6367. Es kamen sonach auf 1 Ehe 6,45, auf 1 Familie 4,70 Menschen, und es übertreffen beide Ziffern den Landesdurchschnitt um 0,19 beziehungsweise 0,13.

Im Jahr 1837 (15. Dez.) zählte man 6.108 Familien,
1840 „     „ 6.090
1843 „     „ 6.155
1849 „     „ 6.457
e. Kirchliches Verhältniß im Jahr 1822:       im Jahr 1846:
Christen: evangelisch-lutherische 26.900 29.844
Christen: evangelisch-reformirte 1
Christen: römisch-katholische 55 76
Christen: von anderen christl. Bekenntnissen 3
Juden
26.959
29.920

f. Nahrungs- und Gewerbs-Verhältnisse. Im Jahr 1822 (spätere Aufnahmen enthalten diese Abtheilung nicht mehr) waren im Bezirk:

Bedienstete: in K. Militär-Diensten 293
Bedienstete: in K. Civil-Diensten 130
Bedienstete: in gutsherrschaftl. Diensten 1
Bedienstete: in Commun-Diensten 427
Gewerbetreibende 1461
Bauern und Weingärtner 3068
Taglöhner 554
Ohne Gewerbe, von eigenem Vermögen lebend 94
Im Almosen stehend 286
6314


B. Bewegung der Bevölkerung.

Nach 10jährigen Durchschnitten von 1812/22 und 1836/46 sind jährlich vorgekommen:

a. Geburten: 1812/22   1836/46
 männliche 489,0 583,0
 weibliche 467,0 545,8
zusammen      956,0 1128,8
 Darunter uneheliche 124,5
 Todt kamen von 1812/22 zur Welt im
 Durchschnitt jährl.
männl. 28,2
weibl. 21,4
     49,6
|
b. Sterbfälle. Gestorben sind jährl. im Durchschnitt 1812/22 1836/46
männliche 409,6 445,0
weibliche 385,4 436,4
zusammen 795,0 881,4
c. Wanderungen. Eingewandert sind jährl.
v. 1812/22 v. 1836/46
männl. weibl. männl. weibl.
     aus fremden Staaten 1,5 1,5 2,8 4,0
     aus andern Orten des Inlandes 55,8 88,7 119,4 170,8
57,3 90,2 122,2 174,8
Ausgewandert sind jährl.
     nach fremden Staaten 37,4 38,1 22,3 21,8
     nach andern Orten des Inlandes 61,1 85,3 155,6 200,8
98,5 123,4 177,9 222,6
also mehr ausgewandert 41,2 33,2 55,7 47,8
d. Veränderungen im Stand der Ehen. Neue Ehen sind von
1812/22 im Durchschnitt jährlich geschlossen worden       176,6
und aufgelöst durch Tod 161,0
und aufgelöst durch Scheidung 1,2
162,2

e. Wachsthum der Bevölkerung und Verhältnisse des natürlichen Zuwachses und Abganges. In dem Jahrzehnd v. 1812/22 nahm die Bevölkerung zu um

234 männl. – 543 weibl. Seelen (0,297 Proc. jährlich),

von 1836/46 aber um

885 männl. – 678 weibl. Seelen (0,543 Proc. jährlich).

Der natürliche Zuwachs, oder der Überschuß der Geburten über die Gestorbenen betrug daher im ersten Zeitraum 1610, im zweiten 2474. Das Verhältniß der Geburten zu den Lebenden war für 1812/22 1 : 27,5 oder auf 10.000 Einwohner kamen 363 Geburten; von 1836/46 wie 1 : 26,1, oder auf 10.000 Einwohner kamen 382 Geburten. [2]

Unter 100 Geburten befanden sich von 1812/22 10,08, von 1836/46 11,03 uneheliche. Diese verhalten sich hienach zu den ehelichen Geburten wie 1 : 8,92 und wie 1 : 8,06, also ein minderes Verhältniß der unehelichen Geburten als der Durchschnitt des ganzen Landes ergibt.

Mit Unterscheidung der Geschlechter kommen auf 1000 weibliche Geborene von 1812/22 1047 und von 1836/46 1068 männliche Geborene.

| Das Verhältniß der Todtgeborenen zu der Summe der Geburten war von 1812/22 wie 1 : 19,2, im ganzen Lande war es = 1 : 25,9.

Todesfälle kamen auf 10.000 Seelen von 1812/22 302,2 (einer auf 33,1 Lebende), von 1836/46 295,5 (einer auf 33,8 Lebende). [3]

Nach Altersstufen befanden sich, von 1812/22 im Durchschnitt unter

10.000 Verstorbenen
männlichen
Geschlechts,
  weiblichen
Geschlechts,
Todtgeborene 688 555
unter 1 Jahr 3416 2925
vom 1. bis zum 7. Jahr 1599 1679
vom 7. bis zum 14. Jahr 374 498
vom 14. bis zum 25. Jahr 376 298
vom 25. bis zum 45. Jahr 842 781
vom 45. bis zum 60. Jahr 762 960
vom 60. und darüber     1943     2304
10.000 10.000

Von 100 lebendig Geborenen wurden hinach in dem gedachten Zeitraum beinahe 1/3 (31,7 Proc.) eine Beute des Todes, ehe sie das erste Lebensjahr erreichten, und mit Inbegriff der Todtgeborenen traf beinahe 3/8 (unter 100 – 37,9) dieses Loos. Doch ist dieses Verhältniß günstiger als das vom ganzen Lande, indem hier, ohne die Todtgeborenen, 36,7 Proc. der Geborenen vor zurückgelegtem ersten Jahre starben.

Mit Unterscheidung der Geschlechter kommen auf 1000 weibliche Gestorbene von 1812/22 1063, von 1836/46 1020 männliche Gestorbene.

Auf 1000 Todesfälle treffen von 1812/22 1203, von 1836/46 1281 Geburten,| und nach den Geschlechtern, auf 1000 Gestorbene männlichen Geschlechts von 1812/22 1194, von 1836/46 1310 Geborene ebendesselben Geschlechts, und auf 1000 Gestorbene weiblichen Geschlechts von 1812/22 1212, von 1836/46 1251 Geborene des gleichen Geschlechts.

Unter 1000 Köpfen des natürlichen Zuwachses befanden sich, von 1812/22 männliche 493, weibliche 507; von 1836/46 männliche 558, weibliche 442.

Unter 1000 Köpfen des Abgangs durch Wanderung waren, von 1812/22 männliche 554, weibliche 446; von 1836/46 männliche 538, weibliche 462.

Unter 1000 Köpfen des Zuwachses im Allgemeinen waren, von 1812/22 männliche 441, weibliche 559, von 1836/46 männliche 572, weibliche 428.

Trauungen haben von 1812/22 im Durchschnitt jährlich 176,6 stattgefunden, wonach also 1 Trauung auf 148,9 Angehörige kam, während im ganzen Lande eine auf 143,3 Angehörige traf.

Unter den einzelnen Gemeinden des Bezirks haben sich, nach 10jähr. Durchschnitte von 1836/46 folgende durch bemerkenswerthe Verhältnisse ausgezeichnet:

Durch geringe Sterblichkeit: Schnaith, auf 1000 Angehörige 20,1 Gestorbene; Asperglen 22,6; Vorder-Weißbuch 23,2; Geradstetten 23,3; Buhlbronn 24,6.

Durch größere Sterblichkeit: Schornbach, wo von 1000 Angehörigen 37,8 starben; Thomashardt 37,2; Hundsholz 36,4; Hohengehren 35,8; Steinenberg 34,5; Aichelberg 33,3.

Die meisten alten Leute, (mehr als 70 Jahre zählend) fanden sich 1846 (3. Dez.) zu Aichelberg, unter 1000 Einwohner 47,3; zu Schorndorf 40,1; zu Schnaith 37,0; zu Winterbach 27,7; zu Rohrbronn 27,0; zu Oberberken 26,7.

Am Geringsten war die Zahl alter Leute zu Hundsholz und Vorder-Weißbuch, unter 1000 Einwohner nur 9,2; zu Buhlbronn 10,8; Hegenlohe 13,7; Weiler 14,9; Baltmannsweiler 15,6.

Die Geburten zeigten sich am zahlreichsten in: Hundsholz, auf 1000 Angehörige 49,4; Baltmannsweiler 47,7; Schornbach 45,0; Höslinswarth 44,7; Baiereck 43,6; Thomashardt 43,4.

Die wenigsten Geburten hatten: Schnaith, auf 1000 Einwohner 28,2; Haubersbronn 34,2; Schorndorf und Ober-Urbach 34,8; Grunbach 35,2; Beutelsbach 35,4; Vorder-Weißbuch 35,6.

Die wenigsten unehlichen Geburten zählte man in: Geradstetten, unter 100 Geburten 5,7; Buhlbronn 6,0; Schnaith 6,6; Vorder-Weißbuch 8,5; Asperglen 8,6; Schorndorf 8,7.

| Am Häufigsten waren die unehelichen Geburten in den Gemeinden: Baltmannsweiler, unter 100 Geburten 19,3; Baiereck 15,6; Unter-Urbach 14,8; Ober-Urbach 14,7; Ober-Berken und Weiler 14,5.


2. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.[4]

Der Abstammung nach gehören die Bewohner des Bezirks, wenn man die unbedeutenden Einwanderungen abrechnet, zu den Schwaben. Die Körperstatur ist durchschnittlich eine mittlere. Ein stattlicher, kräftiger Menschenschlag findet sich vornehmlich in Geradstetten und Schnaith, während die ärmeren Ortschaften Steinenberg, Schornbach, auch Höslinswarth sich durch unschöne Gestalten beiderlei Geschlechts auszeichnen.

In Beziehung auf die männliche Bevölkerung lieferten die Rekrutirungslisten von 1829–1833 (Württ. Jahrbuch von 1833. 2. Heft. S. 384 ff.) folgende Ergebnisse: Die mittlere Größe sämmtlicher Untersuchten des Bezirks betrug 5′ 8,21″. Unter 1000 Conscriptionspflichtigen hatten 208 eine Größe über 6′ und 184 unter 5′ 5″; unter 1000 waren Gebrechliche 406, Kränkliche 105, Skrophulöse 18, mit Kröpfen behaftete 83, mit Brüchen 18, mit krankhaftem Bau des Brustkastens 86; Taubstumme fanden sich unter 10.000 Einwohnern 5,0. Fassen wir von diesen Verhältnissen diejenigen der mittleren (Durchschnitts-) Größe ins Auge, so stellt sich der Bezirk in eine Reihe mit Riedlingen, Ehingen, Künzelsau mit 5′ 8,21 – 8,12″, während die Mittelgröße im Bezirk Wangen 5′ 8,87″, in Maulbronn 5′ 7,77″ betrug.

Die Gesundheitsverhältnisse sind, nicht allein in den Bergorten, sondern auch in den Thälern im Allgemeinen günstig. Von endemischen Krankheiten sind anzuführen: Kretinismus, Kropf, Skropheln, Hysterie. Kretinen und blödsinnige Subjekte fanden sich nach den 1839 vorgenommenen Untersuchungen am meisten in den Thalorten, nämlich

I. Thalorte:

Schorndorf mit 3914 Einwohner, in 5 Familien 5 Taubstumme und Blödsinnige.

Weiler mit 1060 E. in 7 Familien 8 kretinische Personen.

Geradstetten mit 1794 E. 2 subkretinische Subjekte.

Grunbach mit 1394 E. 3 Blödsinige, nicht taubstumme in 1 Familie.

Schornbach mit 716 E. 21 Familien 28 kretinartige Subjekte.

Haubersbronn mit 968 E. 1 kretinartiges Individuum.

Steinenberg mit 813 E. 11 Kretinen in 10 Familien.

Asperglen mit 331 E. 6 Kretinen in 5 Familien.

Krehwinkel mit 166 E. 7 Kretinen in 7 Familien.

Ober-Urbach mit 2231 E. 13 Kretinen in 11 Familien.

Unter-Urbach mit 984 E. 5 kretinische Subjekte in 5 Familien.

|
II. Bergorte:

Buhlbronn mit 463 E. 1 Blödsinniger.

Birkenweißbuch mit 238 E. 1 Blödsinniger.

Hößlinswarth mit 631 E. 3 sonst gesunde Taubstumme.

Kottweil mit 136 E. 1 Taubstummer, sonst gesund.

Hohengehren mit 710 E. 1 bildungsfähiger Taubstummer.

Baltmannsweiler mit 884 E. 6 Taubstumme und Blödsinnige.

Kröpfe sind mehr oder weniger häufig in Krehwinkel, Beutelsbach (hier ehemals mehr als jetzt), Weiler, Schornbach, Steinenberg, Ober- und Unter-Urbach, Asperglen, Schorndorf. Skropheln in verschiedenen Formen sind zwar häufig, jedoch nicht in dem Maaße vorhanden wie in Städten mit großen Fabriken. Hysterie ist in der Oberamtsstadt und in Ober-Urbach nicht selten. Die Krätze ist nicht sehr verbreitet. Die Syphilis war noch vor 15 Jahren sehr selten, kommt aber in neuerer Zeit häufiger vor. Schwindsucht ist nicht besonders häufig, häufiger sind dagegen organische Krankheiten des Herzens und in deren Folge Brustwassersucht. Die akuten Krankheiten nehmen häufig einen intermittirenden Typus, sowohl Quotidiana als Tertiana, an, eigentliche Wechselfieber kommen nur vor, wenn sie eingeschleppt werden. Von sonstigen herrschenden Krankheiten sind katarrhalische und rhevmatische Fieber, mit entzündlichem oder gastrischem Charakter häufig, namentlich rhevmatische Pleuresien, Rhevmatismus acutus, hartnäckige Husten, Lumbago, Kardialgien u. dgl. In Thalorten ist der rhevmatische Charakter der vorherrschende; Entzündungen finden sich namentlich in den verschiedenen Unterleibs-, weniger in den Brustorganen, was wohl mit der geographischen Lage zusammenhängt, während auf den Bergen Entzündungen der Athmungsorgane häufiger sind. Kommen gastrische oder galligte Complicationen hinzu, so nehmen diese Krankheiten häufig einen rothlaufartigen Anstrich an. Schleimfieber spielen in den Thalorten seit mehreren Jahren eine Hauptrolle, und im Spätsommer die sporadische Cholera, welche oft unter kleinen Kindern viele hinwegrafft, aber auch Erwachsene nicht verschont und öfters mit den eigenthümlichen Krämpfen der Gliedmaßen auftritt.

Epidemieen sind im Ganzen überhaupt selten. Im Jahr 1812–13 herrschte der Kriegstyphus, 1834 die Ruhr im ganzen Bezirke (übrigens auch nicht nur in ganz Württemberg, sondern auch im übrigen Deutschland); eine bösartige Scharlach- oder Masern-Epidemie herrschte 1813–14, während sonst dieselben immer gutartig verliefen; 1816 herrschte eine Nervenfieber-Epidemie in Baiereck, 1820 Schleim- und Nerven-Fieber in Baltmannsweiler, 1842 und 1843 in Ober- und Unter-Urbach, Miedelsbach, Schornbach, Schorndorf, Thomashardt, 1846 in Hebsack.

In moralischer und intellectueller Hinsicht sind Sparsamkeit,| Eingezogenheit, Wohlthätigkeit für allgemeine und besondere Zwecke, Betriebsamkeit und großer Fleiß überwiegend vorherrschend, da namentlich die Thalbewohner in der bessern Jahreszeit schon vor Sonnenaufgang die Feldgeschäfte beginnen und bis in die Nacht hinein fortsetzen, auch ihre Kinder von früher Jugend auf dazu anhalten. Dabei sind sie entschieden und durchgreifend, religiös gesinnt und, wenn kein Verführer hinter sie kommt, der geistlichen und weltlichen Obrigkeit ergeben, zugleich, in den unteren Thalorten, unverwüstlich heiter, leicht beweglich, aber auch bald heftig und erzürnt, wogegen in den oberen Thalorten der Ernst überwiegt. Charakteristisch für Schnaith ist das Talent für Musik, die äußerst geläufige Zunge, die Gewandtheit bei der Arbeit und im Leben überhaupt; daher die Schnaither nicht unpassend „die Franzosen des Remsthales“ genannt werden. Etwas Eigenthümliches haben die Bewohner von Hundsholz (siehe dort). Besonders regsam sind auch die Bewohner Hebsacks, Höslinswarths und der Berglen. Im Allgemeinen jedoch ist der Sinn weit mehr dem häuslichen, als dem öffentlichen Leben zugewandt; daher wenig Gemeingeist und Interesse für Fortschritte in bürgerlichen und gewerblichen Angelegenheiten. Eigenthümlich ist der weit verbreitete Pietismus, namentlich in Schorndorf, beiden Urbach, Weiler, Winterbach, Hebsack, Rohrbronn und Grunbach, und die aus den Pietisten, vor einigen Jahren hervorgegangene Secte der Neukirchlichen, welche 1846 namentlich in Grunbach ihren Sitz hatten. Frei vom Pietismus haben sich sämmtliche Waldorte unseres Bezirkes gehalten, deren Bewohner aber auch sonst weniger anregsam, sowie weniger fleißig und betriebsam, und von rauheren Sitten sind: was in Wechselwirkung stehen dürfte mit den verderblichen Waldfreveln, welchem ein großer Theil dieser Bevölkerung ergeben ist. Baiereck steht in dieser Beziehung am Tiefsten. Wie übrigens von der seit neuerer Zeit eingetretenen Vermehrung der Pfarreien und Schulen eine mildernde Einwirkung auf die Sitten zu hoffen ist, so läßt sich auch erwarten, daß die von der Forstpolizeigewalt jüngst eingeführte bewaffnete Schutzwache mehr und mehr den Waldvergehen vorbeugen werde, von welchen abzuschrecken bisher die häufigsten Strafen nicht vermochten.

1

Die Nahrung besteht für den weitaus größten Theil der Bevölkerung in Kartoffeln, Milch und, wenn es gut geht, in Knödeln und Brei oder Suppe aus Welschkorn. Fleisch kommt viele Monate nicht auf ihren Tisch und auch Brod wird, da in erforderlicher Menge die Mehlfrüchte nicht gebaut werden, ziemlich selten genossen. Häufiges Genußmittel ist dagegen der Obstmost und, wenn er nicht verkauft werden kann, der geringere Wein, welcher nebst dem gleichfalls selbstbereiteten und neuerlich überhandnehmenden Branntwein manchmal unmäßig| getrunken wird. In Jahren aber, wo das Obst nicht geräth, ist Milch oder Wasser das Getränke für die Mehrzahl, auch bei der anstrengendsten Arbeit.

Die Kleidung war früher in den Thalorten bei den Männern: ein an zwei Seiten aufgeschlagener Hut (Dreispitz), dessen Schaufel das Gesicht bedeckte, Werktags Pelz- oder Schmer-Kappe, schwarzes Florhalstuch, den Hemdkragen mit Knöpfen und einem Herz geziert, in welchem die Happe nicht fehlte, blaue, Sonntags scharlachrothe Weste, mit weißen oder silbernen Kugelknöpfen, dunkel- oder hellblauer Rock oder Kamisol, weiße oder gelbe lederne kurze Hosen, schwarze oder weiße Strümpfe und Schnallenschuhe; die Haare etwas lang und nach hinten gekämmt. Die Frauen waren meist schwarz gekleidet, mit rothem Mieder, schwarzer mit Flor besetzter Haube, und trugen zwei Zöpfe. Diese alte Tracht, welche man hin und wieder noch in Beutelsbach sieht, ist jetzt durch modernere Formen verdrängt, namentlich durch Tuchkappen, Zwilchkleider und hohe Stiefel, und in einigen Orten, insbesondere in Schornbach, manchmal ganz ärmlich. Nur die ledernen Hosen, schwarze in den Berglen und oberen Thalorten, gelbe in den unteren Thalorten, überall mit Bändeln, und die Scharlachwesten am Sonntag behaupten sich noch. Die Kleider der Frauen sind meist von selbstverfertigtem Barchet, Winters von dunkelm Tuch, dazu kleine Häubchen und seidene oder wollene Halstüchlein. Die Bewohner der Waldorte dagegen, halten, wie an ihren übrigen Gewohnheiten, so auch an ihrer kleidsamen Tracht fester und erinnern auch in dieser Hinsicht lebhaft an den Schwarzwald. Zu einem schwarzen, rothgefütterten Rock trägt der Mann ein rothes Brusttuch, oben mit gelben, (bei Schultheißen und Gemeinderäthen mit silbernen) Borten, besetzt und auf der Seite zugeheftet, darüber einen schwarzen ledernen (beziehungsweise einen grünen seidenen) Hosenträger, welcher lederne oder weite zwilchene Beinkleider hält. Die Strümpfe von grober Leinwand verfertigt der Schneider; die Schuhe, über welche ein lederner Lappen herabhängt, sind mit Riemen zugeschnürt. Die Kopfbedeckung ist ein runder schwarzer Hut oder ein ledernes „Schmerkäppchen.“ Die Frauen tragen kurze faltenreiche Röcke mit einer hellen Borte unten besetzt, von ganz kurzer Taille und kurzem Mieder.

Die Volksbelustigungen beschränken sich, wie im Oberamte Waiblingen, hauptsächlich auf Märkte, Kirchweihen und Hochzeiten. An den Kirchweihen [5] betheiligt sich Jung und Alt; vor den Wirthshäusern| sind Maien aufgerichtet, mit Schaustücken behängt, die herausgespielt oder getanzt werden, in dessen Folge mancher ledige Bursche einem Wirthe zu Abverdienung seiner Schuld den halben Sommer über taglöhnen muß. Das Kegelspiel kommt auf dem Walde nicht vor, wo dagegen das Würfel- und Karten-Spiel häufiger ist. Die solennen Leichen und Taufen werden seltener. Dasselbe gilt von den Zechhochzeiten die oft 2 und 3 Tage dauern. Eine besondere Feierlichkeit ist am ersten Abend, etwa gegen 12 Uhr, das Abschneiden des in einem großen Bausche von Zierrathen und Flitterwerk bestehenden Ehrenkränzchens vom Kopfe der Braut, welches durch einen angesehenern Mann des Ortes, Schultheiß oder Gemeinderath, nach zuvor gehaltener Rede desselben, vollzogen wird. Die Hochzeitsgeschenke kommen erst beim Einzuge des Brautpaares in ihre neue Wohnung. Sie werden in langem feierlichen Zuge von Knaben und Gespielinnen der jungen Frau, den Brautführer mit einer verzierten Kunkel an der Spitze und unter Begleitung des jungen Ehepaares in sonntäglichen Kleidern, dorthin getragen. Darauf folgen die Frauen und Mädchen des Ortes und bringen weitere Geschenke von verschiedenen Lebensmitteln, Abends aber kommen die Männer und überreichen Geldgeschenke, worauf die Nachfeier der Hochzeit Statt findet. Das junge Ehepaar erhält häufig so viele Victualien, daß es einige Monate davon leben kann.

Von besonderen Gebräuchen ist nur zu erwähnen, daß in Geradstetten mit dem Anbruche des Osterfestes schon in der Mitternachtsstunde die jungen Bursche mit Lichtern vor das Pfarrhaus und andere Häuser kommen, um Auferstehungslieder zu singen.

Von der dem Remsthäler eigenthümlichen Neigung zum Auswandern und der Leichtigkeit, womit namentlich die Berglensbewohner ihren Wohnort ändern, war schon in der Beschreibung des Oberamtes Waiblingen S. 41 die Rede. Jene Neigung ist alt, hat zunächst in der schon frühe stark gewesenen Bevölkerung ihren Grund und macht namentlich erklärlich, daß in älteren Zeiten viele Bezirksangehörige dem Kriegswesen nachzogen. Nur allein im Jahr 1517 wanderten 500 Remsthäler nach Ungarn aus (Heyd, Herzog Ulrich I. 238), obwohl die | Auswanderung damals noch sehr erschwert war. In den letztverflossenen 10 Jahren sind 547 Personen mit einem Vermögen von 104.820 fl. ausgewandert, wovon 299 nach Amerika, 70 nach Polen, 69 nach Siebenbürgen, 38 nach Ungarn etc. Es könnte auffallen, daß unter jener Summe nur 8 Angehörige der Gemeinde Schnaith begriffen sind, wenn nicht dieselbe 354 Ortsabwesende zählen würde, die sich allermeist mit Reisepässen im Auslande, namentlich in Amerika aufhalten, und häufig nicht wieder zurückkehren.

Die Mundart ist die altwürttembergische und bietet keine Besonderheiten dar.



  1. Die Bevölkerung der, durch das Gesetz vom 6. Juli 1842 von dem Oberamt getrennten Orte Aichschieß und Krummhardt ist von früheren Bevölkerungs-Summen für den Fall abzuziehen, wenn sie mit späteren verglichen werden wollten; die genannten Orte hatten am 1. Nov. 1832 zusammen 209 männl. 221 weibl., im Ganzen 430 Angehörige.
  2. Vergleicht man diese Verhältnisse mit denen des ganzen Landes, so zeigt sich in beiden Zeiträumen hier eine geringere Fruchtbarkeit. Gleichwohl ergibt sich aus einer Zusammenstellung der in der Ortsbeschreibung angegebenen Ziffern, daß sich die Einwohnerzahl der meisten Orte von 1700 bis 1774 und wieder von da bis 1849 verdoppelt hat. Hätte etwa die Fruchtbarkeit seit 1812 abgenommen?
  3. Nach Mittheilungen des Oberamts-Arztes Dr. Faber sind in dem Zeitraume von 1821–1841 und von 1846–1850 einschließlich 171 Personen an Unglücksfällen gestorben. Namentlich kamen viele Vergiftungen vor. Es erkrankten in Hebsack 13, wovon 4 starben, welche frische Würste, Fleisch und Speck von einem kranken Schwein gegessen; in Geradstetten wurden 3 krank und starb 1, welche geräucherte Leberwürste gegessen; 3 wurden in Krummhardt mit Arsenik absichtlich vergiftet, jedoch ohne tödtliche Folgen; in Steinenberg und Schlichten kamen 2 Belladonna-Vergiftungen vor, ohne tödtliche Folgen; in Schorndorf eine zufällige Vergiftung mit concentrirter Schwefelsäure, mit tödtlichen Folgen; ebenda eine solche mit Streuzucker, worunter Schweinfurter Grün; ebenda Erkrankung von 4 Personen vom Genuß keimender Kartoffeln, beide Fälle ohne tödtliche Folgen. In Schorndorf starben 2 Personen an Erstickung durch Kohlensäure von neuem Wein; in Grunbach erkrankte ein Kind vom Genuß schimmligen Brodes und in Weißbuch starb ein Kind an zu viel genossenem Branntwein. Tödtungen kamen vor: durch Stich 5, durch Schuß, wahrscheinlich aus Unvorsichtigkeit 3, Kindsmorde 5, Selbstmorde 35.
  4. Nach Mittheilungen des Oberamtsarztes Dr. Faber.
  5. Die Kirchweihe wird abgehalten: am 1. Sonntag nach Ostern in Grunbach; am 2. S. nach Ostern in Geradstetten; am 1. S. nach Trinitatis in Hohengehren; am S. vor Margarethe in Kottweil; am S. vor Jacobi in Hegenlohe und Thomashardt; an Jacobi in Schorndorf; am S. nach Jacobi in Höslinswarth; am 10. S. nach Trinit. in Haubersbronn; am S. nach dem 7. August in Ober- und Unter-Urbach; am S. vor Bartholom. in Winterbach, Rohrbronn und Manolzweiler; an Bartholom. in Schornbach, Mezlinsweiler und Steinenberg sammt Filialen; am 1. S. nach Barthol. in Aichelberg und Hebsack; am 2. S. nach Barthol. in Schlichten; am 13. S. nach Trinit. in Schnaith; am S. nach Kreuzerhöhung (14. Sept.) in Weiler; am 3. S. im Oktober in Adelberg, (Hundsholz), Baiereck, Unterhütt und Baltmannsweiler; am S. vor Martini in Asperglen, Krehwinkel, Necklingsberg, Buhlbronn, Vorderweißbuch, Birkenweißbuch und Streich. In Beutelsbach längst statt der Kirchweihe der auf den 30. Oct. fallende Jahrmarkt.


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