« Kapitel B 30 Beschreibung des Oberamts Saulgau Kapitel B 32 »
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31. Haid, 283 G. Einw.

1) Haid, ein kath. Weiler, 3/4 St. südlich von Saulgau, mit 84 Einw., Filial von Saulgau, mit einer Schule (s. S. 89). Die Zehnten bezieht zu 3/4 der Grundherr, zu 1/4 die Stadtpfarrey Saulgau; in dem Bezirke Jesumskirch die Stadtpfarrey Scheer.

Haid, auch „auf der Haid“ genannt, liegt auf der Höhe der Wasserscheide zwischen Wäldern und besteht aus zerstreuten Häusern. Die Felder wurden i. J. 1792 vereinödet. Die Gefälle des Staats wurden i. J. 1814 von der K. Hofkammer an denselben abgetreten und rühren von der Land-Commenthurey Altshausen her, die i. J. 1677 einen Hof auf der Hayd von der Stadt Saulgau erkauft hatte. Einen Hof besaß das Kloster Sießen; der ganze Ort stand übrigens unter Friedbergischer Hoheit.

Einer der zerstreuten Höfe führt den Namen Jesumskirch, oder St. Verena-Hof, wird aber neuerlich unter dem Namen Haid mitbegriffen. Seine Benennung hat er von einer dabey stehenden Capelle, deren Dotation er ausmacht. Diese Capelle ist eigentlich eine Pfarrkirche, die im 15ten Jahrhundert von einem Saulgauer Einwohner mit dem erwähnten Hofe und einigen auswärtigen Gefällen gestiftet wurde. Der ganze Pfarrsprengel besteht in dem Widdumhofe. I. J. 1529 überließ Frau Fortunata Scheerer dem Erbtruchseßen Wilhelm zu Scheer das Patronatrecht der| Kirche, nachdem schon 1524 die Einkünfte der Stadtpfarrey Scheer einverleibt worden waren, womit dann auch das Denominationsrecht verbunden wurde. Der Stadtpfarrer hat dafür die Bau- und Cultkosten der Kirche zu tragen, eine Obliegenheit, der sich der gegenwärtige Stadtpfarrer Wagner in Scheer auf eine sehr rühmliche Weise unterzogen hat. Das Kirchlein wurde von ihm nicht nur in gutem Stande erhalten, sondern auch neuerlich mit einem neuen geschmackvollen Altare versehen. Übrigens ist der Hof Jesumskirch i. J. 1817 der nahen Stadtpfarrey Saulgau zugetheilt, und derselben dafür der damit verbundene Zehnte zu Wilfertsweiler zugewiesen worden. In der Capelle wird jetzt noch monatlich eine Messe gelesen.

2) Bogenweiler, ein kath. Weiler, 3/4 St. südlich von Saulgau, mit 130 Einw., Filial von Saulgau; die Zehnten haben der Grundherr zu 3/4 und die Stadtpfarrey Saulgau zu 1/4.

Bogenweiler liegt hoch in einem Seitenthale und an dessen Hange. Es hat eine Capelle zum h. Joseph für Privatandacht. Von 12 großen und mehreren Söldgütern war das Kloster Sießen Lehensherr. Der ganze Ort stand aber unter Friedbergischer Hoheit und gehörte zum Amt Bolstern oder Sießen. Bogenweiler kommt, als mit der Herrschaft Friedberg erkauft, schon in dem östr. habsburg. Urbar von 1303 unter dem Namen Bogewil, in dem ältern lat. Rodel unter dem Namen Bubenweiler vor. S. Sießen.

3) Häberlensmühle, eine fürstl. Taxische Mahlmühle zwischen Saulgau und Bogenweiler, an der Ostracher Straße. Sie gehörte dem Kloster Sießen und kommt in der Stiftungsurkunde von 1259, unter dem Namen Riedmühle, als Stiftungsgut vor.

4) Sießen, ein kath. Pfarrweiler, oder eigentlich ein Kloster, 3/4 St. südlich von Saulgau, mit 62 Einw., Sitz einer K. fürstl. Thurn und Taxischen Forstverwaltung; die Zehnten bezieht der Grundherr. – Das Kloster, wozu sämmtliche| Gebäude gehören, ist ein Augustiner Frauenkloster, das zwar aufgehoben, aber dermalen noch mit Nonnen besetzt ist. Es liegt hoch, am Rande eines gegen Saulgau sich senkenden Hanges, und hat eine weite und schöne Aussicht. Die Gebäude sind fast alle in sehr gutem Zustande. Das eigentliche Kloster bildet ein regelmäßiges Viereck, und hat ein schloßartiges Aussehen. Auch das Innere ist gut eingerichtet. An das Kloster schließt sich die Klosters- und Pfarrkirche an, eine sehr schöne Kirche mit 2 Chören übereinander: einem Sommer- und einem Winter-Chor, über welchen noch ein dritter mit der Orgel angebracht ist. In dem unterirdischen Theile des Klosters befindet sich in einem Gewölbe die Gruft oder Begräbnißstätte der Klosterfrauen, in der Art, daß in beyden Seitenwänden des Gewölbes halbrunde, backofenförmige kleine Gewölbe sich befinden, worin der Sarg eingemauert wird. Neben dem Kloster steht noch das alte Kloster. Der Bau des neuen Klosters wurde 1716 begonnen, und 1722 vollendet. Die Baukosten betrugen 24.338 fl. Die Kirche wurde 1726 angefangen und 1733 geweiht. Die Kosten betrugen 9.683 fl. – Die Pfarrey, welche dem Kloster 1348 einverleibt worden war, wurde i. J. 1803 neu dotirt. Die Baulast sämmtlicher Gebäude hat jetzt der Fürst. Das Kloster befand sich anfänglich in der Stadt Saulgau und noch in neuerer Zeit besaß es daselbst das Haus, worin die Nonnen zuerst gewohnt hatten. Das Kloster bestand dort, laut des ältesten Stiftungsbriefs, den das Kloster hat, schon i. J. 1251. In diesem Jahre schenkt ein gewisser „Ritter Steinmar von Sieße“ mit seinen 3 Söhnen, Wolfram, Steinmar und Friderich dem Convent der Schwestern von „Sulegen“ das Eigenthum des Grundes, worauf dieselben wohnten; laut einer zweyten Stiftungs-Urkunde vom J. 1259 schenkte Steinmar von Strahlegg und sein Bruder Friedrich der Priorin und dem Convent der Schwestern von „Sulgay“ den Hof in „Süessen“ und das Patronatrecht der Kirche daselbst, den Hof Celle und die Mühle Riedmyli, | jetzt Häberlens-Mühle genannt, mit allem Zugehör in Gegenwart Heinrichs von Ravenspurg, der zu Biberach als Judex novae pacis zu Gericht saß. Dieser Steinmar von Strahlegg und sein Bruder Friderich von Strahlegg waren dieselben, welche in der Urkunde von 1251 als Söhne des Ritters Steinmar von Sieße vorkommen; nach damaliger Gewohnheit führten sie verschiedene Namen, weil sie auf verschiedenen Schlössern saßen, der eine zu Sießen, der andere zu Strahlegg. Noch wird in der Nähe von Sießen ein mit einem Graben umgebener, erhöhter Platz gezeigt, worauf das Stammhaus Strahlegg gestanden haben soll. Der Hof Celle ist nun ganz verschwunden; ein benachbarter Berg aber heißt noch der Cellenberg, und ein jetzt ausgetrockneter Weiher hieß der Celler Weiher. Aus den Urkunden erhellt zugleich, daß die Pfarrkirche zu Sießen eine sehr alte Kirche ist. Das Patronat und die Häberlensmühle waren Buchauische Lehen. Zu den ursprünglichen Stiftungs-Gütern des Klosters kamen nachher theils durch Schenkung, theils durch Kauf noch weitere Besitzungen: Eratskirch, Riedenhof, Höfe und Güter zu Bogenweiler, Lampertsweiler, Bolstern, Haid, Marbach, Zehnten zu Hundsrücken, Ölkofen etc. Das Kloster stand mit seinen Besitzungen ganz unter Friedbergischer Hoheit und Gerichtsbarkeit. Da die Herrschaft auch die Jagd in dem Klostergebiete hatte, so wurde schon frühe ein herrsch. Jäger dahin gesetzt, woraus dann die jetzige Forstverwaltung entstanden ist. Sehr hart wurde das Kloster im 30jährigen Kriege mitgenommen, so daß selbst „der Commandant (Widerhold) von Hohentwiel, der sonst ein Erzfeind der Katholiken war und Niemand verschonte,“ Mitleiden mit seiner Noth hatte, und es mit Almosen beschenkte. 1674 litt es durch einen großen Brand; 1688, 1703 und 1704 wurde es von den Franzosen heimgesucht, und die Klosterfrauen mußten sich auf die Flucht machen. Im J. 1803 kam auch die Grundherrschaft des Klosters an den Besitzer der Grafschaft Friedberg, den Fürsten von Thurn und Taxis, und das Kloster wurde hierauf | auf aufgehoben, den Klosterfrauen jedoch der fernere Aufenthalt in dem Kloster gestattet, wohin i. J. 1826 auch die noch übrigen Frauen von Ennetach versetzt wurden, so daß dermalen noch 19 Frauen und Schwestern sich in dem Kloster befinden. In der Regel befanden sich sonst 30 darin. Von der Obstcultur, Viehzucht etc. des Freyherrn von Aichner-Heppenstein, F. Thurn und Taxisches Forstverwalters und Oberforstmeisters in Sießen, war schon vorn die Rede.