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18. Ofterdingen,
evang. Pfarrdorf und Marktflecken, 23/4 St. von Rottenburg, mit 1655 Einw., Cameralamt Tübingen, Forstamt Urach. Das Dorf liegt eben im Steinlacher Thale [1], von diesem Flüßchen durchströmt, an der Straße von Tübingen nach Hechingen. Es ist seiner freyen Lage wegen sehr gesund, hat | einzelne gut gebaute Häuser, und gewährt vorzüglich eine angenehme und zugleich erhebende Ansicht auf die nahen Berge der Alp. Die Einwohner ernähren sich vom Feldbau und vielfachem Gewerbe, besonders auch der Spinnerey und Weberey, sie sind geschäftig und sparsam, doch gibt es auch viele Mittellose, deren gegen 70 aus den Stiftungen, welche einen bedeutenden Fond haben, durch wöchentliche Beyträge unterstützt werden [2]. Den Großzehnten bezieht zu 7/10 der Staat, die übrigen 3/10 zehnten, mit Ausnahme eines zehentfreyen Theils, zum Spital in Reutlingen und dem hiesigen Grözingshof. Der Kleinzehnten ist zwischen dem Staat und der Pfarrey Ofterdingen, theils nach Fruchtgattungen, theils nach Ertragsquoten getheilt. Den Heuzehnten hat zu 5/8 der Staat, 2/8 sind zehentfrey, mit Ausnahme einiger Wiesen, welche dem Spital zu Reutlingen und dem Kohlerschen Hofe zu Rottenburg zehnten. Der Weinzehnte gehört ebenfalls dem Staate. Die Gärten und Länder sind ebenfalls zehentfrey, aber hinsichtlich des Obstes, so wie des Hanfs und Flachses ist die Zehentpflichtigkeit allgemein [3]. Wenn der Name Ofterdingen genannt wird; so fällt wohl vor allem den Liebhabern der Dichtkunst der Minnesänger Heinrich von Ofterdingen bey. Es ist durchaus nicht näher bekannt, ob er von unserem Ofterdingen abstamme und sich davon benannt habe. Daß sich ein Geschlecht von Ofterdingen schrieb, ergibt sich auch aus dem 1408 zu Heilbronn | abgehaltenen Turnier, wo unter den Edelknechten auch Cunz von Ofterdingen aufgeführt wird [4]. Indessen besassen mehrere adeliche Geschlechter hier Güter: so wird unter den Gutthätern des Klosters Zwiefalten Eberhard von Schelklingen aufgeführt, welcher etwa zu Ende des 12. Jahrhunderts den vierten Theil der Kirche sammt 3 Mannsmad Wiesen und einen Obstgarten an dasselbe schenkte. Folkert, Grafen Cononis (?) Soldat (miles) vermachte um eben diese Zeit 6 Jauchart zu Ofterdingen [5], und eben so Eberhard von Metzingen 1/2 Hube. 1277 verkaufte Gebhard von Lichtenstein, Ritter, sein Gut zu Ofterdingen mit aller Zugehör an das Kloster Bebenhausen. 1393 verkauft Schweigger von Lichtenstein seine Einkünfte dahier an Friedrich den Herter. 1415 nahm Kaiser Sigismund Bebenhausen und namentlich die Dorfschaft Ofterdingen in seinen Schutz. 1417 verkauft Herter von Herteneck mit seiner Hausfrau, eine geb. von Stetten, das Dorf Ofterdingen, als recht frey-eigenes Gut sammt Behausung, Vogtey und allen Rechten, an Heinrich von Hailfingen, Abt zu Bebenhausen [6]. | Auf dem Berge, wo jetzt der Gottesacker ist, stund in alten Zelten ein Beguinenklösterlein, welches 1523 abgebrochen, und wovon dann das Rathhaus erbaut wurde. Über dem Portal der großen Kirchthüre steht: ao. 1522 10. Juny ist der erste Stein an diesem Bau gelegt worden. Vom 1. Okt. 1637 bis 21. Nov. 1639 findet sich kein Kind, als in der Kirche getauft, im Taufbuch eingetragen. Früher bestand hier auch eine Frühmesse, und 1356 vermacht Friedrich der Herter zu Tußlingen an eine Frühmesse zu Ofterdingen auf dem Berg etliche Güter zu Tußlingen [7].



  1. Der größte Theil liegt auf freyer Ebene, ein kleiner Theil aber senkt sich nach der Steinlach hinab. Es gehörte vormals zum Klosteramt Bebenhausen (Lustnau). A. d. H.
  2. Die Gemeinde als solche steht sehr gut (s. S. 116 u. Tab. V.). Die Schule ist sehr zweckmäß in eine Knaben- und eine Mädchenschule abgetheilt, wovon jede ihren eigenen Schulmeister hat. A. d. H.
  3. Der Fruchtzehnte des Staats wurde neuerlich an einen Ofterdinger Bürger um jährliche 317 Sch. Dinkel, 168 Sch. Haber, 11 Sch. Gerste und 4 Fdr. Strohl, der Heuzehnte des Staats auf 6 Jahre an die Gemeinde um 5 Wannen Heu und 140 fl. Geld verliehen. Der Novalzehnte erträgt im Durchschnitt 170 fl. Der Ort hat 1 Mahlmühle, 2 Handölmühlen, 1 Säge-, Gyps- und Lohmühle. A. d. H.
  4. Ein Hans Heinrich von Offterdingen kommt in einem Dokument von 1446 vor, und 1461 wird Hans Heinrich von Oftringen von Graf Ulrich dem Vielgeliebten zum Kriege gegen die Pfalz gemahnt. Steinhofers Chronik. III. S. 26. Ofterdingen war übrigens schon im 14. Jahrhundert im Besitze der Herter von Herteneck. A. d. H.
  5. Es war Graf Cuno von Achalm, einer der Stifter von Zwiefalten und Folkert; sein Dienstmann (miles), war wohl eben derselbe, dem der Neffe Cuno’s, Graf Werner von Grüningen nach Sulgers Annalen (I, 52.) die Augen ausstechen ließ. Ob aber unter Onfriedingen, wo die Schenkung nach Crusius geschah, Ofterdingen zu verstehen seyn soll, ist zweifelhaft. A. d. H.
  6. Daß schon vorher ein Theil in dem Besitze des Klosters Bebenhausen gewesen seyn muß, beweist der angeführte Schutzbrief K. Sigismunds. Nach anderwärtigen Nachrichten soll das Kloster 1379 einen Theil von den von Umgelter erworben haben. Es scheint jedoch hier eine Verwechslung mit Oferdingen statt zu finden. A. d. H
  7. Zu Ofterdingen stand auch eine Burg, wovon noch Überreste vorhanden sind. A. d. H.
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