« Kapitel A 3 Beschreibung des Oberamts Rottenburg Kapitel A 5 »
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IV. Einwohner.
1. Bevölkerung.
a. Stand der Bevölkerung.

Am ersten November 1825 betrug die Zahl der Einwohner im Oberamtsbezirke 26.816 [1], am 1. Nov. 1822 aber 26.027; es kamen also im erstern Zeitpunkt 6095, im letztern 5916 Menschen auf 1 Quadrat-Meile, und somit bedeutend mehr als die Durchschnittsbevölkerung im ganzen Königreiche ausmacht.

Von den Einwohnern waren im J. 1825 abwesend: 1224, dagegen Fremde anwesend: 618, also 606 Personen weniger im Oberamte anwohnend, als ihm zugehören; die wirkliche Zahl der Einwohner betrug daher: 26.210.

Das Geschlechtsverhältniß ist folgendes:

männlich: 13.306, weiblich: 13.510,
folglich mehr weiblichen Geschlechts: 204 Personen. Das weibliche Geschlecht ist hauptsächlich in Dettingen, Öschingen | und Thalheim, beziehungsweise um 48, 39 und 49 überwiegend. Dagegen schlägt das männliche Geschlecht in mehreren Orten vor, namentlich in Wurmlingen, Ofterdingen, Kiebingen und Hirschau, beziehungsweise um 57, 63, 21 und 25.
Religions-Verhältnisse:
a) Katholiken 17.228
b) Evangelisch-Lutherische 9.585
c) Reformirte 2
ä) Separatisten 1
e) Juden          0
26.816


Standes-Verhältniß:

     Adeliche 11, Bürgerliche 26.805.


Eheliches Verhältniß:

Die Zahl der Ehen beträgt 4391; es kommen also auf eine Ehe im Durchschnitt 6 Personen.


Gewerbs- und Nahrungs-Verhältniß:

Nach der Bevölkerung vom 1. Nov. 1822: Bauern und Weingärtner 1923; Taglöhner 586; Gewerbsleute 2295; ohne bürgerliche Gewerbe 114; im Almosen standen 812.


b. Gang der Bevölkerung.

Am 1. Nov. 1812 zählte das Oberamt 24.009, am 1. Nov. 1822 aber 26.027 Einwohner; die Bevölkerung hat also in dem Zeitraum von 10 Jahren um 2018 Menschen und somit jährlich um 4/5 Procent zugenommen. Am stärksten war die Zunahme verhältnißmäßig in Bühl, Schwalldorf, Rottenburg, Hirschau und Wurmlingen, wo sie überall mehr als 1, in Bühl selbst 11/2 Procent betrug. Dagegen hat die Bevölkerung in den Orten Niedernau, Obernau und Wolfenhausen etwas abgenommen.

Geboren wurden in dem bemerkten Zeitraume im Durchschnitt jährlich 926, und zwar männlich 474, weiblich 452. Das Verhältniß der Geburten zur mittlern Bevölkerung ist | also = 1 : 268/10. Die meisten Kinder werden in Hailfingen, Thalheim, Bühl, Schwalldorf, Nellingsheim und Mössingen geboren, wo das Verhältniß zu den Lebenden ist = 1 : 193/10 bis 247/10; die wenigsten in Niedernau, Hemmendorf, Bodelshausen, Weiler, Wolfenhausen und Eckenweiler, wo das Verhältniß ist = 1 : 323/10 bis 376/10. Rottenburg steht genau in der Mitte.

Uneheliche befinden sich im Durchschnitt unter den Gebornen jährlich 69, und zwar in den 3 Jahren 1812/15 64, 1819/22 73. Im Ganzen ist das Verhältniß = 1 : 131/3; in den letzten 3 Jahren = 1 : 133/5. Die meisten Unehelichen haben Nellingsheim, Eckenweiler, Obernau, Hemmendorf, Hirschau, Niedernau und Kiebingen (= 1 : 5 bis 88/10), die wenigsten Mössingen, Ofterdingen, Weiler, Hailfingen, Dettingen, Ergenzingen, Seebrunn, Wolfenhausen und Öschingen (= 1 : 207/10 bis 433/10).

Todtgeborne zählte man im Durchschnitt jährlich 23, also unter 40 Geburten 1. Die meisten Todtgebornen haben Eckenweiler, wo unter 8, Hailfingen, wo unter 17, Hirschau, Thalheim, Öschingen und Ergenzingen, wo unter 20 bis 23 ein Todtgebornes ist. Dagegen kommt in Schwalldorf, Kiebingen, Seebrunn, Hemmendorf, Weiler und Hirrlingen entweder gar kein oder nur höchst selten ein todtgebornes Kind vor.

Gestorben sind im Durchschnitte jährlich (einschließlich der Todtgebornen, die auch bey den Gebornen eingerechnet sind) 696, und zwar männlich 359, weiblich 337. Es sind also weniger gestorben, als geboren wurden, 230, und zwar männlich 115, weiblich 115. Das Verhältniß der Gestorbenen zu den Lebenden ist = 1 : 357/10; die Sterblichkeit ist am größten in Hailfingen, Thalheim, Obernau und Öschingen, wo der 24 bis 30ste Mensch stirbt; am geringsten in Wolfenhausen, Niedernau, Eckenweiler, Weiler, Bodelshausen und Wurmlingen, wo der 43 bis 52ste Mensch stirbt. Rottenburg selbst steht auch hier genau in der Mitte. Von der Zahl der Gestorbenen waren, einschließlich der Todtgebornen, | 271 unter 1 Jahr alt; es starben also im ersten Lebensjahre von 100 Kindern wieder nahe an 32, in Seebrunn, Frommenhausen und Thalheim 39 bis 46; dagegen in Dettingen, Wurmlingen, Bodelshausen, Schwalldorf und Hemmendorf nur 22 bis 24. Also im Ganzen viel weniger, als in den Oberämtern an der Donau.

Von den Gestorbenen erreichten ein Alter von mehr als 60 Jahren 141; es kommen also auf 100 Gestorbene 201/3, welche im 60sten und weiteren Lebensjahren starben. Die meisten alten Leute starben in Hemmendorf, Remmingsheim, Bodelshausen und Wolfenhausen, die wenigsten in Hirschau, Hailfingen, Frommenhausen, Thalheim und Nellingsheim; in jenen Orten kamen auf 100 Gestorbene 29 bis 32, in diesen 10 bis 16 aus der Altersklasse von mehr als 60 Jahren.

Die Zahl der Ehen am 1. Nov. 1812 betrug 3791, und sie stieg bis zum 31. Okt. 1822 auf 4185, mithin um 394 (wobey nur drey durch das Mehr der Eingewanderten gegen die Ausgewanderten), oder jährlich um 39; es wurden nämlich im Durchschnitt jährlich 168 Ehen geschlossen, und 129 aufgelöst, unter diesen nahe an 99 Procent durch den Tod. Auf 1471/2 Menschen kommt eine Heirath.


2. Eigenschaften der Einwohner.

a. Körperlicher Zustand. Im Durchschnitt ist der Wuchs der Einwohner eher groß als klein, und die Körperbildung regelmäßig. Sie sind größtentheils muskulös und kräftig, ihre Gesichtszüge verrathen Munterkeit und Offenheit, und die Gesichtsfarbe bey der Mehrheit Blüthe und eine dauerhafte Gesundheit. Besonders zeichnet sich der Steinlachbewohner durch kräftigen Körperbau, fast durchaus mit schwarzen Haaren, und die Mädchen durch blühende, rosige Wangen und Fülle aus; doch sind dort unter dem weiblichen Geschlechte viele von auffallend kleiner Statur [2].

Endemische Krankheiten kommen im Oberamtsbezirke | keine vor; Epidemien herrschen nur selten, und gehen schnell vorüber; doch macht die Steinlach hievon eine Ausnahme, wo sie häufiger vorkommen und länger andauern.

Unter die Krankheitsformen, die sich am häufigsten einstellen, gehören katarrhalische und rheumatische Affektionen aller Art, Entzündung, Zehrfieber, Lungenschwindsucht, im höheren Alter Schlagflüsse und Wassersuchten, an deren Entstehung übermäßige Leibesanstrengungen und Erkältungen den größten Antheil haben. Auch werden ohne Unterschied des Geschlechts häufig Leibesschäden, als Folgen strenger Feldarbeiten, beobachtet, so wie auch häufig dicke Hälse; früher kamen selbst Cretins in Hirschau und der Umgegend vor, welche sich jedoch ganz verloren haben.

b. Leben und Sitten. Hierin findet auf dem kleinen Raum des Oberamtes eine große Verschiedenheit statt; wir bemerken nur drey besonders auffallende Abweichungen, die der Einwohner von Rottenburg, der Steinlachbewohner und der Gäubewohner.

In Rottenburg ist dem Auge des Fremden sogleich die stehende bürgerliche Städterkleidung auffallend; so sehr sich in andern Orten während der neuern Zeit die Kleidung geändert hat, so ist solche bey dem männlichen und weiblichen Geschlechte dahier noch nach der alten Weise. An Werktagen lederne kurze Beinkleider, weiße, blaue auch rothe Strümpfe mit Nestel-Schuhen, ein Wamms nach dem Gewerbe roth, gelb, braun, blau u. s. w., ein schwarzer Flor um den Hals, eine Kappe, wohl auch braun, roth oder gelb an Farbe, häufig mit Pelz verbrämt; an Feyertagen ein Rock nach dem Gewerbe von geeigneter Farbe, wie am Werktage das Wamms, ein gleichseitig dreyeckigter Hut, und in die Kirche ein schwarzer, zeugener Mantel – das ist die Kleidung des größten Theiles der männlichen, besonders ältern, Bewohner Rottenburgs. Abweichungen nach der neueren Mode gibt es freylich, besonders unter jungen Leuten. Die weibliche Tracht zeichnet sich stets durch gleiche Farbe des enganschließenden, mit Schößen versehenen Corsets und des | sehr faltigen Rockes, an Feyertagen durch seidene, mit Gold- oder Silberbörtchen verbrämte Halstücher, einer seidenen Schürze, silbernen Halskette, auch wohl mehreren Schnüren von Korallen, häufiger von Granaten und einem Anhängsel, endlich vorzüglich durch eine ovale Haube von Gold, oder Silberbrokade, mit einem meist schwarzen, feinen, tief über die Stirne hereinlaufenden Spitzengewebe, rückwärts zusammengezogen, und mit einer großen Masche von bunten Farben geziert. Kinder entstellt diese Haube sehr und sie ist ihnen vorzüglich durch ihren genauen Schluß ungesund, indem sie die Ausdünstung hindert, und die Reinlichkeit nicht befördert.

Strenge Arbeitsamkeit und wahrhaft unermüdete Thätigkeit, verbunden mit Härte gegen sich selbst, und Sparsamkeit, sind sehr gute Eigenschaften an den diesseitigen Städtern, die überhaupt ein zwar etwas derber, aber offener und biederer Schlag Menschen sind. Die Kost ist im Ganzen gut, meist Fleisch mit Mehlspeise (sogenannten Knöpflen). Der arme Weingärtner, der oft mit 6-12 Kindern gesegnet ist, begnügt sich wohl auch vielfach mit Brod und Grundbirnen, wie überall.

Dem Rottenburger nähert sich ziemlich der Umwohner, nur daß Kost und Kleidung einfacher sind; die Tracht des Gäubauers, so wie der Einwohner des Neckar- und Katzenbachthales ist sich fast gleich, Wamms und Rock meist von blauem Tuche, doch auch zuweilen von weißem oder schwarzem Zwilche, oder auch Wüfling; junge Bursche tragen grüne Kappen mit Pelz verbrämt und mit Goldbörtchen und Klunker; Frauen und Mädchen schwarze oder blaue Corsette und Röcke von gefärbter oder gedruckter Leinwand, auch von Wüfling, unten mit einem meist blauen Bande verbrämt, eine schwarze Haube und das Haar in zwey Zöpfe mit weißen leinenen, auch seidenen farbigen, rückwärts weit herabhängenden, Bändern geflochten. Arbeitsamkeit ist auch hier fast überall zu Hause; die Kost ist nahrhaft; Fleisch, Mehlspeise, gutes Brod und Grundbirnen. Der Gäubauer fühlt sich, ist etwas von sich eingenommen, spöttelt gerne, und übt an | andern seinen Witz, was vorzüglich auch bey dem Rottenburger der Fall ist, der häufig bey gegebenem Anlaß seinen Mitbürgern Beynamen schöpft, die sich meist in den Geschlechtern fortpflanzen. Die Steinlacher sind, wie schon gesagt, ein schöner, kräftiger, unter den Männern großer Schlag Menschen, gewandt, sich in die Welt wohl schickend, und daher weit umher wandernd, besonders mit Branntwein und getrocknetem Obst aller Art handelnd. Gestalt, Sitte und Sprache lassen fast auf einen ausländischen Ursprung schließen, und, bestätigen einiger Maaßen die Volkssage, als seyen dieselben eine schwedische Kolonie. Ausgezeichnet ist die Weibertracht. Ganz kurze, nur an die Beugung des Knies reichende, blaue, auch grüne, faltenreiche wollene Röckchen, unten mit Gold- oder Silberborten, auch bunten Bändern verbrämt, weiche hellrothe Mieder und vorstehende Brusttücher von Krepp, lange, schneeweiße, gefältelte bloße Hemdärmel, weiße, schmale Goller mit Spitzen; weiße Schürzen von feiner Leinwand [3], weiße Strümpfe, bis zum Knie sichtbar, weit ausgeschnittene Schuhe mit weißer Rose; das meist schwarze Haar in lange Zöpfe geflochten und mit bunten, rückwärts herabhängenden, Bändern verziert, darauf eine enganschließende, wie ein Kranz die Stirn umlaufende, gerade auf dem Wirbel liegende Haube mit Flor, der tief die Augen beschattet; endlich ein Gürtel um den Leib, an Werktagen von Messingdraht, an Sonn- und Festtagen von Sammt oder Seide, mit Buckeln, Börtchen oder Schnüren verziert: so stellt sich die Steinlacherin als eine schmucke Dirne mit rothen Wangen, voll Gesundheit und Fülle dar, und besonders interessant ist ein Zug solcher Mädchen bey einer Hochzeit, wo sie Paar und Paar vor den Brautleuten einherziehen. Überhaupt hat die Verschiedenheit der Konfessionen großen Einfluß auf Charakter, Sitte und Kleidung der Oberamts-Einwohner, und man will auch hier, wie anderwärts, mehr Heiterkeit im Umgang bey den Katholiken, | bey den Protestanten mehr Ernst bemerken, so wie die Kleidung bey diesen mehr ins Dunkle und oft ins Schwarze, bey jenen mehr ins Helle, Bunte überspielt[4].



  1. Nach der Zählung vom 1. Nov. 1826 waren es 27.080.
  2. Ihre Kleidung macht, daß sie auch kleiner scheinen. A. d. H.
  3. Die Weiber tragen schwarze. A. d. H.
  4. Auch die Sprache der Steinlacher hat sehr viel Eigenthümliches in Worten, Redensarten, Aussprache und Betonung. Sie ist übrigens von der Art, daß man den altdeutschen Ursprung dann nicht verkennen kann, und schon deßwegen an der gewöhnlichen Ableitung des Volksstamms von einer schwedischen Kolonie zweifeln muß. Es sollen nämlich nach dem dreyßigjährigen Kriege 2 schwedische Regimenter sich aufgelöst und in der Steinlach (nach Andern in der Baar) niedergelassen haben. Ohne die Richtigkeit dieser Niederlassung zu bezweifeln, die übrigens auch in die Gegend von Tuttlingen, in die Baar, verlegt wird, und in keinem Fall, wie behauptet wird, gleich nach der Nördlinger Schlacht erfolgt seyn kann, möchte man doch fragen: haben sich denn die Soldaten auch mit schwedischen Weibern niedergelassen? Davon nicht zu reden, daß die schwedischen Regimenter meist aus zusammengerafften Deutschen bestanden haben. Immerhin mögen viele Soldaten des aufgelösten schwedischen Heers sich in Würtemberg niedergelassen haben, und daß dies namentlich auch in der Steinlach geschehen ist, davon werden wir die Spuren später bey Nehren und andern Orten finden; aber mit ihnen hat sich gewiß kein ganz neuer Volksstamm gebildet. Vielmehr hat man alle Ursache die Eigenthümlichkeiten der Steinlachbewohner in einheimischen Verhältnissen und vermuthlich in den alten Gauabgränzungen zu suchen. A. d. H.
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