« Kapitel A 5 Beschreibung des Oberamts Ravensburg Kapitel A 7  »
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VI. Gesellschaftlicher Zustand.


1. Grundherrliche Verhältnisse.
A. Grundherren und deren Besitzungen.

Die Grundherrschaft im engern Sinne ist zwischen der Krone, der K. Hof-Domainen-Kammer, 3 standesherrlichen und 3 ritterschaftlichen Familien getheilt; den größten Theil besitzt die Krone als Nachfolgerin der Abteien Weingarten, Weissenau und der Stadt Ravensburg.

1) Die königl. Hof-Domainen-Kammer besitzt, wie schon oben angeführt wurde, das vormalige Weingartische Amt Essenhausen, welches die nunmehrige Gemeinde Essenhausen umfaßt, 4366 Morgen groß ist und 296 Einwohner zählt, und die Gemeinde Wilhelmsdorf mit 4814/8 M. und 261 Einwohnern nebst einem Theile von Blümetsweiler, Gem. Zogenweiler.

2) Der Fürst von Waldburg-Wolfegg-Waldsee, mit der Gemeinde Waldburg, als Theil der Standesherrschaft „Waldburg-Wolfegg-Waldsee.“ Sie enthält 1 Dorf, 13 Weiler, 25 Höfe und 9 einzelne Wohnsitze, zusammen 72933/8 Morg. und 1163 Einwohner. Vergl. OA. Waldsee S. 57. Übrigens hat der Fürst nicht in allen Parzellen der Gemeinde die Gutsherrschaft, dagegen hat er sie noch in andern Gemeinden, wo er aber auf die standesherrlichen Rechte gegen Überlassung der erstern verzichtet hat. S. o. S. 4. und| die königl. Deklaration vom 10 Februar 1831. Reggsblt. 1831. S. 115.

3) Die Fürstin von Salm-Reifferscheid-Dyk, geb. Gräfin von Waldburg-Wolfegg-Waldsee, mit dem Rittergut Baindt.

4) Der Graf von Beroldingen mit der im Oberamt liegenden Zugehörung des Rittergutes Ratzenried, s. Weingarten.

5) Der Freiherr von Rehling, mit dem Rittergut Bettenreute, s. Ortsbeschr.

6) Werner von Kreut, mit dem im Oberamt befindlichen Theile des Rittergutes Mosiskreut, bestehend aus 5 Parzellen der Gemeinde Vogt.

7) Der Fürst von Fürstenberg, mit 3 Lehen in Hassenweiler und dem Jagdrecht bis an die Wilhelmsdorfer Ach. Außerdem sind Grundherren im weitern Sinne, mit Ober-Eigenthums- und Gefäll-Rechten: der Spital, der Schulfonds, die katholische Kirchenfabrik zu U. L. F., die s. g. kathol. Geistlichkeits-Präsenz und die kathol. geistlichen Stellen in Ravensburg; ferner eine große Anzahl von Pfarreien und Kirchen-Pflegen, sodann die Ortsgemeinde Waldburg und endlich die großh. badische Domänen-Verwaltung Meersburg, vormals Spital Constanz, Stift Markdorf etc.


B. Lehens- und Leibeigenschaftswesen.
Wie in Ober-Schwaben überhaupt, so hat sich insbesondere auch in dem Bezirk, welcher gegenwärtig das OA. Ravensburg umfaßt, mit Ausnahme von Ravensburg der Stadt und Altdorf, das Lehenssystem in voller Ausdehnung erhalten. Wo dieses System nicht von alten Zeiten her schon bestand, da wußten es die Größern, insbesondere die Klöster, vollends einzuführen. In den Weissenauer und Weingarter Büchern vom 12ten und 13ten Jahrhundert kommen noch viele Schenkungen und ebenso auch viele Käufe von Gütern freier Bauern vor, welche nachher zu Lehen gemacht wurden. Falllehen mit Belehnung auf beide Ehegatten| waren allgemein, Erblehen gab es keine. Ordentliche Bestellung des Lehengutes, Beibehaltung der katholischen Confession waren die einfachen Verbindlichkeiten des Lehenmanns, unwürdige Dienstbarkeiten waren sehr selten. Außerordentliche Fälle ausgenommen, blieb das Gut auf der Familie des Belehnten; für die noch nicht lehensfähigen Descendenten wurde durch Zeitpacht, gegen ein sogenanntes Sitzgeld, bis sie lehensfähig wurden, gesorgt. In der Regel kam der Erstgeborne auf das Gut. Nachgeborne hatten für den Nothfall stets ihre Heimath auf dem Hofe. Mit der Belehnung war eine Real-Leibeigenschaft des Lehenmanns verbunden; in den Weingartischen Ämtern bestand auch eine Personal-Leibeigenschaft, welcher Diejenigen unterworfen waren, die nicht in Folge eines Lehenbesitzes realleibeigen waren. Die in den Nebenhäusern der Weingartischen Schupflehenleute wohnenden Familien wurden dadurch leibeigen und zahlten ein jährliches Beisitzgeld.[1] Die gewöhnlichen Lehens- und Leibeigenschafts-Leistungen waren: Fruchtgülten, Ehrschätze, Mortuarien (Fall und Schlauf), Manumissions-Gelder , Küchen- und vogteiliche Gefälle, Schirm- und Beisitzgelder der Personal-Leibeigenen. Theilgarben, Theilgülten, Landachten, diese lästigen und lästigsten Abgaben, waren unbekannt. Die Kl. Weingartischen Personal-Leibeigenen hatten neben den Mortuarien noch| s. g. Drittheiligkeit zu entrichten, wonach der Leibherr von Kinderlosen oder von Eltern, deren Kinder schon versorgt waren, oder ihr eigenes Hauswesen führten, 1/3 des zurückgelassenen Vermögens erhielt. Dieses Drittheiligkeitsrecht wurde schon 1804 bei mehreren Pflichtigen in einen ewigen Zins umgewandelt, 1824 aber im Gnadenwege vom König ausgehoben. Die härteste Last waren die Frohndienste. Die Kloster-Weingartischen Realleibeigenen waren zu ungemessenen Hand- und Fuhrfrohnen verpflichtet. Schon im Jahre 1824 wurde für diese in acht vormal. Weingartischen Ämtern ein jährliches Aversum von 1200 fl. festgesetzt. Das Amt Hassenweiler ging allein damals nicht auf die Abänderung ein und contrahirte erst später mit der Finanz-Verwaltung. In den letzten 5 Jahren wurden auch diese Aversa im 16fachen Belauf abgelöst. Außerdem bestanden s. g. Seefahrten, um die klösterlichen Weingefälle am Bodensee abzuholen, ebenso Ziegel-Hütte-Fuhren und Küchenfuhren, die jetzt in Geld entrichtet werden. Die Weissenauischen und Baindtischen Bauern waren zu Natural-Frohnen nicht verpflichtet. Die Lehenslasten fanden sich sehr gemildert durch entsprechende Rechte auf Brennholz und Bauholz, auf freie Bewirthung von Mann und Roß bei der Gültlieferung, auf Frohnspeise etc. und durch jenes patriarchalische Verhältniß des Grundherrn zum Lehensholden, kraft dessen sich dieser in Unfällen nie verlassen sah. Und so zeigte sich auch hier, daß jedes Ding zwei Seiten hat.

Die Grundlasten des Oberamts betragen nach Tab. IV an Geldgefällen und an zu Geld gerechneten Naturalgefällen 23.253 fl. 35 kr., wovon jedoch 1/5 ihres wahren Betrages abgezogen ist. In Vergleichung mit andern Oberämtern ist Ravensburg eines der minder Belasteten.

Die darunter nicht begriffenen vogteilichen und andern Gefälle sind im Verhältniß zu den übrigen Abgaben unbedeutend. Ein großer Theil der mehr persönlichen als dinglichen Gefälle des Bezirks, z. B. Tafern-Zinse, Metzig- und Schmitten-Gelder,| Badstuben-Zinse, Branntwein-Jahres-Gelder u. s. w., sind dem oben angedeuteten kaiserlich Landvogteischen Bestreben entwachsen, die Rechte des Souverains auf niedergerichtliche Unterthanen zu bekunden. Schutz- und Schirm-Gelder bezogen früher Ravensburg, die Landvogtei, doch nicht von Juden, deren die letzten drei Jahrhunderte keinen einzigen im Bezirk angesiedelten sahen. Wie dieser Landvogtei aus allen Gauen des alten Allemanniens Gefälle verschiedener meist staatsrechtlicher Titel bis zu ihrem Erlöschen zuflossen, und wie besonders ihre Finanz-Zoll-Politik zur Plage ihrer vielen Nachbarn wurde, ist an einem andern Orte erwähnt.

Ablösungen kamen bis jetzt nicht häufig vor; die schon berührten Verhältnisse, die Macht der Gewohnheit, die an die Grundlagen geknüpfte geringere Steuerlast und andere Vortheile wirkten viel stärker, als alle für die Ablösung sprechende Gründe.[2]

Allodificationen, oder wie sie die Bauern sehr richtig nennen, Eigenkaufungen kamen dagegen sehr häufig vor, und es ist in den letzten Jahren eine große Anzahl von Fallehen in zinsbares Eigenthum verwandelt worden.

Die Zehnten haben theils der Staat, theils die Grundherren, die Kirchenfabriken und Pfarrstellen zu beziehen. Die Fruchtzehenten des Staats sind meistens in längeren Zeitpacht gegeben. Der Ravensburger Weinzehnte ist durch die Betriebsamkeit des Stadtraths in eine feste Geldabgabe verwandelt. s. h.|

2. Staats- und kirchliche Einrichtung.
A. Eintheilung und Ämter.
a. Weltliche.

Das Oberamt Ravensburg gehört zum Donaukreis, und hat die gewöhnlichen Behörden. Altdorf ist der Sitz eines Amts-Notariats und eines Unteramtsarztes. Die Grundherrn haben auf die Ausübung der Polizei und Gerichtsbarkeit verzichtet, und es bestehen daher keine eigenen Patrimonialämter. Bürgerliche Gemeinden sind 20 im Oberamt, wovon 8 zweiter, 12 dritter Classe sind. Mit Ausnahme von Wilhelmsdorf sind alle Gemeinden vielfach zusammengesetzt; die Gem. Vogt z. B. hat 89, die Gem. Bodneck sogar 101 Parzellen; über die ehemalige Einrichtung und Eintheilung s. u. Das Cameralamt Altdorf ist für den größern Theil des Bezirkes die finanzielle Behörde, dem C. Amt Friedrichshafen sind die Gem. Kappel und Zogenweiler, dem C. Amt Tettnang Bodneck und Eschach, dem Hof-Cameralamt Altshausen, und in Beziehung aufs Staatsgefälle wieder dem C. Amt Altdorf, Essenhausen und Wilhelmsdorf zugetheilt. Das Forstamt Altdorf umfaßt nicht nur den ganzen Oberamtsbezirk mit den 4 Revieren Altdorf, Baindt, Blitzenreute, und neuerlich auch Weissenau, sondern auch noch Theile der Oberämter Tettnang, Leutkirch und Wangen in seinen Revieren Hirschlatt, Leutkirch, Tettnang und Amtzell. Grundherrschaftliche Rentämter bestehen zu Baindt und zu Bettenreute, eine fürstlich Waldburg-Wolfeggische Forstverwaltung zu Waldburg.

b. Kirchliche.

Das Oberamt hat 27 katholische und mit Einschluß der Brudergemeinde Wilhelmsdorf und der kleinen (Waisenhaus) Pfarrei Altdorf drei evang. Pfarreien, zusammen in 28 Pfarrorten.

Die kathol. Pfarreien sind sämmtlich unter das kath. Dekanat Ravensburg, die evang. Pfarreien unter das evang. Dekanat ebendas. gestellt, mit Ausnahme der Pfarrei Wilhelmsdorf, welche in gleichen Verhältnissen wie die Pfarrgemeinde Kornthal steht und dem königl.-Cultministerium unmittelbar untergeordnet| ist. Mehrere Gemeindeparzellen des Bezirks sind als Filiale fremder Pfarreien, und fremde Parzellen den einheimischen zugetheilt. Das geistliche Personal besteht in 28 kath. Pfarrern und 7 Caplanen und in 3 evang. Pfarrern und 2 Helfern.


B. Anstalten.
a. Schulen.

Eine lateinische und Real-Lehranstalt mit 8 Lehrern für beide Confessionen besteht zu Ravensburg s. h.; Elementarschulen hat das Oberamt (eingerechnet das Staatswaisenhaus) 39 und zwar 36 katholische und 3 evang. mit 40 Lehrern; Industrieschulen für Kinder 8, zu Ravensburg, Altdorf, Grünkraut, Bodneck, Schmaleck, Wolpertschwende, Mochenwangen und Baienfurt. In Ravensburg besteht auch noch eine Handwerker-Schule. Die kath. Schulen stehen unter der Aufsicht eines besondern Schulinspectors (dermalen zu Berg), die evangelischen unter der des evang. Dekans in Ravensburg. Im Ganzen hat sich der Zustand der Schulen seit 20 Jahren, wie fast überall, außerordentlich gebessert.

b. Wohlthätige Anstalten.

Das Waisenhaus in Weingarten, verbunden mit einer Vagantenkinder-Erziehungsanstalt, eine Staatsanstalt.

Die Anstalt (der Brüdergemeinde Kornthal) für verwahrloste Waisen in Wilhelmsdorf, für das ganze Land.

Die Rettungs-Anstalt für entlassene weibliche Sträflinge auf dem Lindenwald bei Wilhelmsdorf.

Die Erziehungs-Anstalt für arme und verwahrloste Kinder zu Ravensburg, in der Ausdehnung auf den Oberamtsbezirk gestiftet 1834.

Die Spitäler und Armenhäuser zu Ravensburg, Altdorf, Schlier, sodann zu Bodneck, Grünkraut und Waldburg, welche theilweise auch Bezirksanstalten sind.

Der Local-Wohlthätigkeitsverein zu Ravensburg, 1817 – und der Bezirksverein für Besserung entlassener| Sträflinge, 1830 gestiftet. Zu den wohlthätigen Stiftungen kommen auch noch einige Studienstiftungen in den Gemeinden Ravensburg, Altdorf und Schlier, s. h.
c. Landwirthschaftl. Anstalten.

Ein landwirthschaftliches Bezirksfest, das zugleich auch zur Auszeichnung gewerbswirthschaftl. Fortschritte dienen soll, wird alle 3 Jahre in Ravensburg gehalten s. h.

d. Anstalten für Handel und Verkehr.
1. Posten und Landboten.

Ein Postamt mit einem getrennten Poststall befindet sich zu Ravensburg. Dasselbe hat Eilwagen-, Postwagen- und Briefpost-Expedition. Frachtfuhrboten gehen nach Wangen, Biberach, Tettnang, Friedrichshafen; und jede Woche kommen 2mal aus allen Gemeinden Amtsboten in die Oberamtsstadt.

Der Jahr- und Wochenmärkte ist oben S. 50 schon gedacht; Näheres über diese Anstalten ist in der Ortsbeschreibung zu finden.

2. Straßen und Brücken.
a) Landstraßen.
  1. Die Biberach-Ravensburger-Straße nach Friedrichshafen, eine Hauptstraße für den Handelsverkehr;
  2. die Ravensburg-Tettnanger-Straße;
  3. die Altshauser Straße von Riedlingen und Sigmaringen herziehend und in die erste zu Altdorf einlenkend;
  4. die Mörsburger-Straße, von Ravensburg über Markdorf;
  5. die Straße nach Wangen;
  6. die Memminger-Straße.

Alle diese Straßen sind Staats- und Poststraßen. Auf den beiden erstern gehen auch Eilwagen. Der Zustand der Straßen ist, abgesehen von der zu wenig breiten Friedrichshafer-Straße, welcher aber demnächst abgeholfen wird, durchgängig befriedigend. Sie sind meistens mit Obstbäumen, vorzugsweise mit Kirschbäumen bepflanzt.

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b) Vicinalstraßen.

Der Bezirk ist nach allen Richtungen hin von wohl unterhaltenen Vicinalstraßen durchzogen; die bedeutendsten sind:

  1. die s. g. Kornstraße, welche von Altshausen durch Frohnhofen, Zogenweiler, Horgenzell in gerader Linie nach Friedrichshafen geht, während die Staatsstraße einen großen Bogen macht; sie ist sehr stark befahren, besonders von Kornfuhren, und die Gemeinden genießen seit 1835 eines jährlichen Staatsbeitrags zu ihrer dagegen unter Regierungsaufsicht gestellten Unterhaltung;
  2. die Aulendorfer-Straße, welche von Ravensburg über Mochenwangen geht, und vorher auch Ablenker nach Baindt, Blitzenreute und Wolpertschwende hat;
  3. die Waldburger-Straße von Ravensburg über Schlier;
  4. die Waldburger-Straße über Ankenreute nach Altdorf;
  5. die Bodnecker-Straße, die von der Straße nach Wangen ablenkt;
  6. die Zogenweiler-Straße nach Altdorf, und
  7. die Zogenweiler-Straße nach Ravensburg durch den Rinkenburger Tobel über Schmaleck, eine erst unter Würtemberg 1818 angelegte Straße; endlich noch
  8. die Straße von Ravensburg nach Ettishofen, welche die Stadt Ravensburg 1828 angelegt hat, um den großen Bogen der Altshauser-Straße über Altdorf abzuschneiden, womit dann auch zugleich das Pflaster- und Brücken-Geld daselbst erspart wird. Alle diese Straßen sind chausseemäßig angelegt, und in vorzüglichem Zustande. Sie erinnern an das Verdienst, das sich der jetzige Oberbeamte schon als Oberamtmann in Münsingen um den Straßenbau erworben hat.
c) Brücken.
Da keine der vorbemeldeten Vicinalstraßen einen Fluß überschreitet, sondern überall nur kleine Bäche und trockne Schluchten, so bieten sie auch keinen Anlaß zu erheblicheren,| über das Bedürfniß sich erhebenden Brückenbauten. Auch in dieser Beschränkung machen jedoch die hölzernen immer mehr den steinernen Brücken Platz.

Pflaster- und Brückengelder, diese lästigen Abgaben, werden noch in Ravensburg und Altdorf bezogen. Die Gemeinden Kappel, Fronhofen, Zogenweiler erhalten statt früherer Bezüge auf der Kornstraße vom Staate Entschädigung, die Gem. Baindt von der Mochenwanger-Straße.

d) Sonstige Anstalten.

Von den Badanstalten war theilweise oben schon die Rede, und wird in der Ortsbeschreibung noch weiter die Rede seyn.

Eine Oberamts-Sparcasse wurde i. J. 1823 in Ravensburg auf den Auftrag des Stadtschultheißen v. Zwergern unter Garantie des Oberamtsverbandes errichtet: sie ist eine Leihcasse, welche aber auch den Zweck hat, Privaten und öffentlichen Cassen Gelegenheit zu sichern Anlehen zu verschaffen. Der Activstand der Casse besteht dermalen in 474.827 fl., der Passivstand in 451.015 fl.


3. Oberamts- und Gemeinde-Haushalt.
A. Oberamtspflege.

Erst seit 1811 besteht für das nunmehrige Oberamt Ravensburg eine Oberamtspflege, welche mit der 1806 für das Oberamt Altdorf bestandenen verschmolzen wurde; früher bestanden im Bezirke mehrere körperschaftliche Kassen, namentlich

  • die Schuldentilgungs-Kasse Ravensburg;
  • die Landschafts-Kasse der ehemals östr. Landvogtei Altdorf.
  • –    –                  –     des vorm: Reichsstifts Weingarten.
  • –    –                  –     der ehem. Reichsabtei Weissenau.

Ihr Umfang erstreckte sich in mehrere (bei Altdorf und Weingarten in 6) jetzige Oberamtsbezirke; ihre Schulden wurden bei deren Auflösung, so weit sie bei Ravensburg, Weingarten und Weissenau im Jahre 1821 nicht auf den Staat übernommen wurden, auf die einzelnen Gemeinden überwiesen, und erscheinen jetzt als Gemeindeschulden.

| Der Stand der Oberamtspflege war:
 Vermögen: 1835. 1832.
 Verzinsliche Activ-Capitalien 1025 fl. 0   
 Ausstände bei den Gemeinde-Kassen 0    0   
 Ersatz-Posten 0    0   
 Andere Ausstände     195 fl.     –   48 fl.
Summe 1220 fl. 48 fl.
 Schulden:    
 Verzinsliche Pasiv-Capitalien 0    0   
 Rückstände zur Staatskasse 0    0   
 Andere Passiv-Rückstände     12 fl.     –   36 fl.
Summe 12 fl. 36 fl.


Mithin betrug der Activ-Überschuß 1835. 1208 fl.     1832. 12 fl.

Aus veräußerten Grundstockstheilen wurden von 1832–35 erlöst 1025 fl.

Amtsschaden wurde umgelegt 1834/35 – 2534 fl. und 1831/32 – 3338 fl.

Über den frühern Finanzzustand s. Ravensburg und Altdorf.


B. Gemeinde- und Stiftungs-Pflege.

a. Gemeinde-Pflegen. Der Stand derselben im Jahre 1835 war:

 Vermögen:
 Verzinsliche Capitalien 9.866 fl.
 Ausstände bei den Steuer-Contribuenten 3.480 fl.
 Ersatz-Posten 613 fl.
 Andere Activ-Posten 24.038 fl.
Summe 37.997 fl.
 Schulden    
 Verzinsliche 140.201 fl.
 Rückständige zur Amtspflege 0 fl.
 Andere Passiv-Rückstände    9.296 fl.
Summe 149.497 fl.

Es bleiben also über Abzug der Activen noch 111.500 fl. Schulden.

Das Gemeinde-Vermögen an Liegenschaft ist nicht bedeutend, und kann es auch nicht seyn, da die Gemeinden meist| aus einzelnen Höfen zusammengesetzt sind, und außer Ravensburg und Altdorf, nur da, wo sich schon in frühen Zeiten Dörfer und Dörfchen gebildet haben, ein Gemeinde-Eigenthum sich findet. Diese Dörfer sind: Baienfurt, Essenhausen, Waldburg, Wechsetsweiler, Wolpertschwende, Vogt und Zusdorf. Die Einkünfte der Gemeinden betrugen 1835 29.355 fl. die Ausgaben 53.728 fl., die Umlagen 22.824 fl. Unter den Einkünften befinden sich einige Lehensgefälle.

In Vergleichung mit andern Oberämtern ist Ravensburg, in Beziehung auf Gemeinde-Vermögen, eines der geringsten, in Beziehung auf Gemeinde-Schulden aber dermalen noch eines der stärksten, und in Beziehung auf Gemeinde-Umlagen nächst Tettnang das stärkste.

Die meisten Schulden haben noch die Gemeinden Ravensburg mit 49.466 fl., Schlier mit 15.405 fl., Schmaleck mit 23.058 fl., Blitzenreute mit 15.719 fl.

Eine Vergleichung mit frühern Jahren ergibt Folgendes. Es betrugen:

  1832. 1823.
 die verzinslichen Activ-Capitalien der Gemeinden 3550 fl. 4822 fl.
 Ausstände bei den Steuer-Pflichtigen 5131 fl. 23.599 fl.
 Andere Activposten      9431 fl.         60.703 fl.
Summe 18.112 fl. 89.124 fl.
 Die Schulden dagegen an:
  1832. 1823.
 verzinslichen Passivcapitalien 164.411 fl. 104.282 fl.
 Rückständen zur Amtspflege 0 fl. 4.273 fl.
 Andere Passiv-Rückständen      2.757 fl.       21.381 fl.
Summe 167.168 fl. 129.936 fl.

Der Grund der Vermehrung der Schulden liegt in der oben berührten und bei Ravensburg weiter ausgeführten Übernahme von alten Landschafts-Schulden, wie in Ablösung von Frohnlasten, Schulhausbauten etc.

b. Stiftungspflegen. Bedeutender als das Gemeindevermögen ist das Stiftungsvermögen; das Meiste davon| besitzt aber das Spital Ravensburg; das Übrige besteht größtentheils in Stiftungen für die Kirchen und ihre Diener.

Das Stiftungs-Vermögen, einschließlich der Studien-Stipendien, betrug 1835 an Capitalien 548.328 fl. Die Einkünfte sind berechnet zu 65.170 fl., und die Ausgaben zu 59.831 fl. Von Schulden haftete nur ein kleiner Posten von 30 fl. auf der Stiftungspflege Eschach. Zu dem Capitalfonds kommen noch bedeutende Gefälle, und bei Ravensburg auch Grundeigenthum. Die vermöglichsten Stiftungen sind, außer Ravensburg und Altdorf, die der Gem. Schlier, Kappel, Zogenweiler, Zusdorf und Bodneck. s. d. Tab. IV.


4. Cataster und Steuern.

Das Cataster des Oberamts mit Einschluß der Grundherrschaften beträgt von

 Grundeigenthum 366.218 fl.   58 kr.
 Gefällen 12.991 fl.   38 kr.
 Gebäuden 2.505.987 fl.   –   –  
 Gewerben   6.152 fl.   33 kr.
Summe 2.891.350 fl.     9 kr.
Die directe Steuer pro 1835/36 war:
 Grundsteuer 37.590 fl. 
 Gefällsteuer 1.369 fl. 
 Gebäudesteuer 7.419 fl. 
 Gewerbesteuer  5.529 fl. 
Summe 51.907 fl. 

Auf die Quadratmeile kommen demnach 8375 fl. Steuern, und auf die Person 2 fl. 19 kr.

Durch das provisorische Cataster von 1821 erhöhte sich die Steuer des Oberamts um 12.727 fl., welche Summe jedoch bei der Revision desselben im Jahre 1827 auf 10.991 fl. vermindert wurde. Vor 1823 hatte die jährliche Steuer an 2.400.000 fl.; – 38.980 fl., 1824 dagegen an 2.600.000 fl.; – 54.951 fl. betragen; nun beträgt sie 51.907 fl.

Das nicht unter dem Gemeinde-Cataster begriffene Cataster der Grund- und Gefällherren beträgt im Einzelnen Folgendes:

| Cataster der Grund- und Gefällherren.
Grund- und Gefällherren. Grund-
Cataster.
Gefälle-
Cataster.
Gebäude-
Cataster.
Gewerb-
Cataster.
Grund-
Steuer.
Gefäll-
Steuer.
Gebäude-
Steuer.
Gewerb-
Steuer.
  fl. kr. fl. kr. fl. kr. fl. kr. fl. kr. fl. kr. fl. kr. fl. kr.
Königl. Hof-Domainen-Kammer 586 27 935 10 767 64 42 103 6 2 17
Fürst v. Fürstenberg in Heiligenberg 2 45 97 55 18 10 48
Fürst v. Salm Dyk in Baindt 1174 53 547 33 3133 129 37 60 23 9 20
Fürst v. Waldburg-Wolfegg-Waldsee 1962 6 1285 19 2266 216 141 44 6 45
Graf v. Beroldingen-Ratzenried 1597 3 233 176 6 42
Freiherr v. Rehling in Bettenreute 2198 49 1130 25 10334 242 36 124 39 30 48
Großherzogl. badische Domainen-Verwaltung Meersburg 49 35 5 28
Summe: 5925 5643 49133 653 13 622 14 49 52



  1. Eine sonderbare Bestimmung, die aber ohne Wirkung blieb, enthält die s. g. Restabilitions-Verordnung der Kaiserin Maria Theresia vom 14 Novbr. 1750 für die Landvogtei Schwaben: „Und da man von Seiten dieser s. g. Lehensherrschaften sensim sine sensu anfanget, an ihre Lehensleute wirkliche Befehle von Lehensherrschaftswegen abzugeben; so ist es Unsere höchste Willensmeinung, daß das Wort Lehen und die davon vorkommende Denominationes gar abgeschafft und abgethan und dagegen Leibrecht, Leibherr eingeführt werden solle.“ Eine sehr wohlthätige Anordnung derselben Kaiserin war dagegen die Institution, wonach durch ihre als durch die Beamten der Souveränetät alle Acte des Lehenthums ihrer Hoheits-Unterthanen respicirt, controlirt, das Herkommen als Recht festgehalten, weiter gehende Ansprüche als Exactiones abgestellt und für Einhändigung richtiger Lehenbriefe gesorgt werden mußte. Dadurch erhielt der Unterthan einen Schutz, den er heutzutage kümmerlich in Processen erringen muß.
  2. Einen merkwürdigen Beitrag zur Geschichte der Gefälle-Ablösungen liefert eine Urkunde des K. Ludwig des Deutschen vom 17 August 867. Nach ihr hatten die Allemannen ein Gesetz, „Phath“ genannt, wohl das älteste Ablösungs-Gesetz, wonach ihnen das Recht zustand, den jährlichen Census, Grundlast, den sie zu entrichten hatten, um einen bestimmten Preis abzukaufen. Eine Anzahl von Bewohnern des Argengaues, welche dieses Recht nicht hatten, bitten nun durch den Gaugrafen Ulrich und den K. Kammerboten Hildebold den König, daß er auch ihnen dieses Gesetz verleihen möchte, daß sie den jährlichen Zins ablösen, den ihre Vorfahren bisher zur K. Kammer entrichtet haben. Der König bewilligt die Bitte und empfängt dagegen 9 Mansus mit den dazu gehörigen Leibeigenen. Neugart C. D. No. 445.