« Kapitel B 23 Beschreibung des Oberamts Nagold Kapitel B 25 »
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Pfrondorf,
mit einer Mahlmühle,
Gemeinde III. Kl. mit 306 evang. Einw., – Dorf, Filial von Emmingen.


Der nicht große, etwas gedrängt angelegte Ort hat auf einem stark geneigten Terrainvorsprung gegen das Nagold-Thal eine sehr freundliche und geschützte Lage, welche nicht allein einen ziemlich ausgedehnten Obstbau, sondern auch das Gedeihen feinerer Gewächse begünstigt. Die meist ansehnlichen, aus Holz erbauten und mit steinernen Unterstöcken versehenen Bauernwohnungen lagern sich hinter Obstbäumen versteckt an den ziemlich reinlich gehaltenen, größtentheils gekandelten Ortsstraßen.

Die Kirche wurde im Jahr 1728/29 an eine alte Kapelle, welche gegenwärtig die Stelle des Chors vertritt, angebaut; diese Kapelle war früher bemalt und soll eine viel besuchte Wallfahrtskapelle gewesen sein. Auf dem First der Kirche sitzt ein mit Brettern verschlagenes Thürmchen, in welchem 2 Glocken hängen, von denen die größere sehr alt, und weder mit Umschrift noch Zeichen versehen ist; die kleinere wurde in neuerer Zeit von Heinrich Kurtz in Stuttgart gegossen. Die Unterhaltung der Kirche liegt dem Staat ob.

Der Begräbnißplatz wurde im Jahr 1802 außerhalb (westlich) des Orts errichtet; früher sind die Verstorbenen in Ebhausen beerdigt worden.

Das Schulhaus ist im Jahr 1841 mit einem Gemeindeaufwand von 1100 fl. neu erbaut worden; es enthält ein Schulzimmer und die Wohnung des Schulmeisters.

Im Jahr 1846 ließ die Gemeinde ein geräumiges Rathhaus mit einem Aufwand von 1200 fl. neu erbauen.

Ein öffentliches Backhaus und ein Armenhaus sind vorhanden.

Vortreffliches Trinkwasser liefern im Überfluß, nicht nur 3 laufende Brunnen im Ort, sondern auch viele Quellen außerhalb desselben; überdieß fließt der nahe entspringende Westbach durch das Dorf und dient einem Theil der vorhandenen Wiesen zur Wässerung, Periodisch fließende Quellen (sog. Hungerbrunnen) kommen im Aischbach und im Geigeracker vor.

Die Einwohner sind im allgemeinen großgewachsene, kräftige Leute, die sich durch Fleiß, Sparsamkeit und religiösen Sinn vortheilhaft auszeichnen; ihre Erwerbsquellen bestehen in Feldbau, Viehzucht, Taglohnarbeiten und Waldsamensammeln. In Beziehung der | ökonomischen Verhältnisse besitzt der vermöglichste Bürger 40 Morgen Feld und 10 Morgen Wald, der sog. Mittelmann 16 Morgen Feld und 3 Morgen Wald und die minder bemittelte Klasse 1/2–2 Mrg. Feld. Gegenwärtig bedürfen nur 2 Kinder der Unterstützung von Seiten der Gemeinde.

Die kleine Ortsmarkung hat eine meist unebene Lage und ist in Folge dieser den Abschwemmungen sehr ausgesetzt.

Der im Allgemeinen fruchtbare Boden besteht auf den Anhöhen aus den Zersetzungen des Hauptmuschelkalks, während in der Nähe des Orts ein etwas schwerer, jedoch fruchtbarer, aus den Verwitterungen des Wellenkalks bestehender Boden auftritt; gegen das Thal hin erscheinen roththonige und rothsandige Bodenarten. Etwa 1/4 Stunde nördlich vom Ort besteht ein im bunten Sandstein angelegter Steinbruch, der gute Werksteine liefert, und unterhalb der Mühle befindet sich ein Tuffsteinbruch. Daselbst ist eine Höhle, das sogenannte Fuchsloch, deren Eingang so nieder ist, daß man nur kriechend in die Höhle gelangen, nach etwa 5 Schritten aber aufrecht in derselben stehen kann; sie ist im Ganzen etwa 60 Schritte lang und hat neben dem Hauptgang viele kleinere Seitengänge.

Die Landwirthschaft wird im Dreifeldersystem mit Anwendung des Brabanter-Pflugs sehr fleißig betrieben und die Felderzeugnisse reichen nicht nur zur Befriedigung des örtlichen Bedürfnisses, sondern erlauben auch noch einen Verkauf von etwa 250 Scheffel Dinkel und 60 Scheffel Haber nach Außen. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens Acker wird zu 8–10 Scheffel Dinkel, 4–5 Scheffel Haber und 4 Scheffel Gerste angegeben; außer den Getreidearten baut man Erbsen, Linsen, Ackerbohnen und in der zu 1/3 angeblümten Brache Kartoffeln, dreiblättrigen Klee, Luzerne, Esparsette, Angersen, Kohlraben, Kraut, Hanf und nur wenig Reps. Die Preise der Äcker bewegen sich von 50–400 fl. per Morgen.

Der ziemlich ausgedehnte Wiesenbau liefert gutes nahrhaftes Futter und zwar durchschnittlich 35 Ctr. Heu und 10 Ctr. Öhmd per Morgen; die Wiesen, von denen etwa 1/4 bewässert werden kann, sind 2–3 mähdig und die ergiebigsten kosten 900 fl., die mittleren 450 fl. und die geringsten 150 fl. per Morgen.

Die Obstzucht wird fleißig betrieben und liefert gerne guten Ertrag, so daß in günstigen Jahrgängen noch ziemlich viel Obst nach Außen verkauft werden kann; man pflegt vorzugsweise Luiken, Stuttgarter Äpfel, Süßäpfel, Pfundäpfel, Rosenäpfel, Knausbirnen, Kohlbirnen, Schnabelsbirnen, Grunbirnen und viel Zwetschgen.

| Der aus einer rothen und rothgebläßten Landrace bestehende Rindviehstand ist gut und wird durch einen Farren, den ein Bürger Namens der Gemeinde hält, nachgezüchtet. Mit Stieren und Jungvieh wird auf benachbarten Märkten einiger Handel getrieben.

Die Schafzucht wird von Ortsbürgern betrieben, die 130 Stück deutsche Schafe halten und von dem Stück 30 kr. Weidgeld entrichten, was der Gemeindekasse eine jährliche Rente von 65 fl. sichert, überdieß trägt derselben die Pferchnutzung gegen 200 fl. ein.

Eigentliche Schweinezucht besteht nicht und sämmtliche Ferkel (meist englische) werden von außen bezogen.

Die Bienenzucht beschränkt sich auf etwa 30 Stöcke.

Für den Verkehr mit der Umgegend ist nicht gut gesorgt, indem keine eigentliche, wohlangelegte Vizinalstraße von dem Ort ausgeht, und derselbe nur durch eine wenig unterhaltene steile Steige, welche zu der hölzernen Brücke bei der Pfrondorfer Mühle führt, mit Emmingen und somit auch mit der Nagold-Wildberger Straße in Verbindung gesetzt ist.

Die Gemeinde besitzt 80 Morgen Nadelwald, dessen jährlicher Ertrag zur Heizung der Schule verwendet wird.

Die jährliche Gemeindeschadensumlage beträgt gegenwärtig 600 fl.

Zu der Gemeinde gehört die an der Nagold gelegene Pfrondorfer Mühle mit 5 Mahlgängen und einem Gerbgang, die mit ihren Nebengebäuden eine ansehnliche freundliche Häusergruppe bildet.

Im oberen Theil des Dorfs steht eine alte große Linde, in deren Nähe in den Jahren 1776 und 1839 etwa 16 Reihengräber aufgedeckt wurden, welche Skelette theils von Erwachsenen, theils von Kindern nebst alten Waffen, Thonperlen, Nägeln etc. enthielten; auch wurden auf den Feldern schon römische Münzen gefunden.

Unfern der Stelle wo die die Gräber aufgefunden wurden, befindet sich eine 300 Schritte lange gegen 10′ hohe künstliche Terrasse; daselbst soll nach der Sage ein Kloster gestanden seyn.

Im Jahr 1825 wurden die Filialorte des Diakonats Nagold, Emmingen und Mindersbach, und das Filialort der Pfarrei Ebhausen, Pfrondorf, zu einer besondern Parochie gebildet und ein beständiges Pfarrvikariat mit dem Sitz in Pfrondorf errichtet.

Im Jahr 1854 wurde die Pfarrei Emmingen, von dem nun Pfrondorf Filial ist, errichtet.

| P. (alt Pfrundorf) kam mit der Herrschaft Altensteig 1603 an Württemberg.

Kloster Hirschau besaß um 1100 allhier ein Gut (Cod. Hirsaug. 67a), verkaufte aber den 3. Mai 1277 seinen Hof an Berthold genannt Löth Vogt in Bulach, wozu Graf Albert von Hohenberg Landrichter am 11. d. M. seine Zustimmung ertheilte.


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