Beschreibung des Oberamts Nagold/Kapitel B 22
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Der mittelgroße, gedrängt gebaute Ort liegt 5/4 Stunden westlich von der Oberamtsstadt in dem engen anmuthigen Waldach-Thale auf der linken Seite des klaren Flüßchens; ein Theil des Dorfs ist, wie auch die Kirche, an die unteren Gehänge des Johrsbergs hingebaut und hat eine etwas erhöhte Lage. Der Ort, dessen Straßen mit Kandeln versehen sind, ist ziemlich reinlich, besteht jedoch größtentheils aus minder ansehnlichen, aus Holz erbauten und mit steinernen Unterstöcken versehenen Gebäuden, welche durchgängig mit Ziegelplatten gedeckt sind.
Die Kirche, welche in den Jahren 1725 und 1766 namhafte Veränderungen erlitt, hat sowohl an ihrem Äußeren, als in ihrem Innern nichts Bemerkenswerthes; auf dem First derselben sitzt ein kleines Thürmchen (Dachreiter) mit spitzem Zeltdach; die beiden Glocken sind im Jahr 1835 von Christian Adam Kurtz in Reutlingen umgegossen worden. Die Kirche ist Eigenthum der Gemeinde, welche sie auch im Bau zu unterhalten hat.
Der in der Nähe der Kirche gelegene, ummauerte Begräbnißplatz wurde im Jahr 1858 erweitert.
Das ansehnliche, im Jahr 1839 mit einem Gemeindeaufwand von 2000 fl. neu erbaute Schulhaus enthält 2 Schulzimmer, die Wohnungen des Schulmeisters und des Lehrgehilfen, wie auch die Gelasse für den Gemeinderath.
Ein Gemeindewaschhaus und ein Armenhaus sind vorhanden.
Gutes Trinkwasser liefern 3 laufende Brunnen im Überfluß, überhaupt ist die Gegend sehr wasserreich, indem gegen 40 kleinere Quellen und mehrere Hungerbrunnen auf der Markung vorkommen. Überdieß fließt die Waldach am Ort vorüber und setzt daselbst eine Mühle mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang in Bewegung.
Oberhalb des Orts steht an der Waldach die Wollspinnerei mit | Walke von Zeiter und Walz, welche etwa 14 Personen beschäftigt. Das Fischrecht in der Waldach hat die Gemeinde an einen Bürger um 3 fl. jährlich verpachtet.Die Einwohner sind geordnete, fleißige Leute, deren Haupterwerbsquellen in Feldbau, Viehzucht und Zeugmacherei bestehen, welch’ letztere etwa 20 Meister betreiben; sie fabriciren Multon, Gesundheitsflanell, gedruckte Zeuge, Futtertücher etc., und setzen ihre Waaren vorzugsweise auf der Tuchmesse in Stuttgart und auf benachbarten Märkten ab. Von den Gewerben sind überdieß 2 Schildwirthschaften und ein Krämer zu nennen; die übrigen dienen nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen. Die Vermögensumstände der Einwohner haben sich in neuester Zeit gebessert, gehören übrigens immer noch nicht zu den günstigen; der reichste Bürger besitzt 32 Morgen Feld, der sogenannte Mittelmann etwa 8 Morgen, die ärmere Klasse 1/2–1 Morgen und Einzelne haben gar keinen Grundbesitz. Etwa 150 fl. werden gegenwärtig zur Unterstützung der Ortsarmen jährlich verwendet.
Die nicht ausgedehnte und überdieß zum größeren Theil mit Wald bestockte Markung ist meist uneben, so daß etwa 2/3 der Güter an den Abhängen liegen und deßhalb bei starken Regengüssen nachtheiligen Abschwemmungen ausgesetzt sind.
Der im Allgemeinen fruchtbare Boden ist theils kalkhaltig, theils, namentlich an dem Fuß der Abhänge, schwer, während an den Gehängen selbst ein leichter, ziemlich düngerbedürftiger Boden auftritt; übrigens mangelt es an den nöthigen Düngungsmitteln.
In dreizelglicher Eintheilung mit zur Hälfte angeblümter Brache wird die Landwirthschaft den natürlichen Verhältnissen angemessen ziemlich gut betrieben; verbesserte Pflüge haben in neuerer Zeit Eingang gefunden und zur Besserung des Bodens wird neben dem gewöhnlichen Stalldünger und der fleißig gesammelten Jauche, auch Gyps und Asche angewendet. Bei einer Aussaat von 8 Sri. Dinkel, 5 Sri. Einkorn, 5 Sri. Haber und 31/2 Sri. Gerste, die jedoch seltener gebaut wird, beträgt die durchschnittliche Ernte von einem Morgen 6–12 Scheffel Dinkel, 8 Scheffel Einkorn, 4–5 Scheffel Haber und 4 Scheffel Gerste. In der Brache zieht man Kartoffeln, dreiblättrigen Klee, Luzerne, Esparsette etc. und in eigenen Ländern Kraut und Hanf. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich von 40–400 fl. Von den Felderzeugnissen wird nur Haber nach Außen verkauft.
Der Wiesenbau ist ausgedehnt und bildet die bedeutendste landwirthschaftliche Einnahmsquelle; die Wiesen, von denen etwa 1/4 bewässert | werden kann, sind 2mähdig und ertragen durchschnittlich 24 Ctr. Heu und 12 Ctr. Öhmd per Morgen. Die Preise eines Morgens Wiese bewegen sich von 300–600 fl.Die gerade nicht beträchtliche Obstzucht hat sich in neuerer Zeit gehoben; man pflegt vorzugsweise Luiken, Goldparmänen, Knausbirnen, Kohlbirnen und ziemlich viel Zwetschgen. Nur in ganz günstigen Jahren wird ein Theil des Ertrags an Zwetschgen nach Außen abgesetzt.
Die mit einer gewöhnlichen Landrace sich beschäftigende Rindviehzucht wird durch 2 Zuchtstiere, die ein Bürger gegen 33 fl. und der Nutzniesung von 31/4 Morgen Güter hält, nachgezüchtet. Der Handel mit Vieh ist von keinem Belang.
Die Zucht der Schweine wird mit etwa 7 Mutterschweinen betrieben, übrigens werden auch noch Ferkel von Außen aufgekauft und meist für den eigenen Bedarf gemästet.
Bienenzucht wird in mäßiger Ausdehnung betrieben.
Vicinalstraßen nach Nagold, Walddorf, Egenhausen, Beihingen und Unter-Schwandorf vermitteln den Verkehr mit der Umgegend.
Die Gemeinde besitzt etwa 500 Morgen Waldungen, die jährlich 200 Klafter ertragen; hievon erhält jeder Bürger 3/4 Klafter nebst Reisach und der Rest wird zu Gunsten der Gemeindekasse um 2000 bis 3000 fl. verkauft.
Die vorhandenen 3 Morgen Gemeindegüter tragen der örtlichen Kasse etwa 15 fl. jährlich ein. Die Stiftungspflege ist unbemittelt und muß von der Gemeinde unterstützt werden.
In den 1/4 Stunde nordwestlich vom Ort gelegenen Lohnwiesen soll ein Bad gestanden sein; man fand daselbst schon Grundmauern und Gebäudeschutt.
Zunächst am Ort wurde ein Reihengrab aufgedeckt, das außer dem menschlichen Skelett ein altes Schwert enthielt.
Schwandorf gehörte zur Herrschaft Nagold, mit welcher es 1363 an Württemberg gelangte. Zwischen Ober- und Unter-Schwandorf wird damals noch nicht unterschieden (Sattler Grafen 1 Beilage Nr. 131).
Die Herren von Haiterbach waren allhier begütert und Besitzungen kamen von ihnen 1270 und ff. an das Kloster Reuthin. Außer diesem Kloster erhielt auch das Kloster Kniebis 1270. 1274 hiesige Besitzungen (in villa Svaindorf. Schmid Gr. v. Hohenberg. Urkunde 36. 46), und wenn kein anderes gleichnamiges Sch. gemeint ist, das | Kl. St. Peter auf dem Schwarzwald gegen 1122 ein Gut (Schannat Vind. lit. 1, 161).Einen Hof zu „Schweindorf“ schenkte Graf Ulrich von Württemberg, „die Wurst an den Bachen (d. h. nach der Speckseite) werfend“ am 12. Februar 1473 dem Herzog Sigmund von Österreich, welcher sich dessen zu „Kurzweil und Weidwerk“ bedienen sollte (Fontes rer. Austriac. Abth. 2. Bd. 2, 271).
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