« Kapitel A 2 Beschreibung des Oberamts Nagold Kapitel A 4 »
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III. Einwohner.


1. Bevölkerung.
A. Stand derselben.

a) Die Zahl der Ortsangehörigen des Bezirks betrug in den Jahren

im Ganzen männl. weibl.
1812 Nov. 1. 22.005 10.920 11.085
1822 Nov. 1. 22.944 11.308 11.636
1832 Nov. 1. 25.553 12.373 13.180
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im Ganzen männl. weibl.
1842 Dec. 1. 27.646 13.481 14.165
1846 Dec. 1. 28.629 13.984 14.645
1852 Dec. 1. 28.753 14.073 14.680
1858 Dec. 1. 27.959 13.655 14.304

Die ortsanwesende Bevölkerung belief sich bei der dießfalls erfolgten Aufnahme

im Jahre im Ganzen männl. weibl.
1834 auf 24.491 11.677 12.814
1837 25.348 12.154 13.194
1840 25.598 12.640 12.958
1843 26.319 12.585 13.734
1846 26.762 12.694 14.068
1849 26.901 12.903 13.998
1852 25.489 12.238 13.251
1855 24.186 11.345 12.841
1858 24.625 11.535 13.090

Der Überschuß der weiblichen Bevölkerung über die männliche war im Jahre

bei den Ortsangeh. Ortsanwesenden
1858 649 1555

b) Nach Altersklassen vertheilten sich im Jahr 1858

die Ortsanwesenden und die Ortsangehörigen:
männl. weibl. männl. weibl.
vonunter 1 Jahr 376 359 350 332
von 01 bis 06 Jahren 1422 1428 1592 1571
von 07 bis 13 Jahren 2034 2070 2009 2061
von 14 bis 24 Jahren 2289 2856 3008 3156
von 25 bis 39 Jahren 2136 2822 3104 3445
von 40 bis 59 Jahren 2427 2685 2690 2883
von 60 bis 79 Jahren 816 842 866 835
von 80 und darüber 35 28 36 21
  11.535 13.090 13.655 14.304
 
  24.625 27.959

c) Nach dem Familienstand (3. Dec. 1858).

Ortsanwesende   Ortsangehörige
männl. weibl. männl. weibl.
Verehlichte Personen 3750 3797 3886 3882
Verwittwete 616 928 641 936
Geschiedene 16 30 21 27
Unverehelichte und Kinder 7153 8335 9107 9459
11.535 13.090 13.655 14.304
| Die Zahl der Familien belief sich bei den Ortsanwesenden auf 5423, die der Ehen auf 3773 (bei den Ortsangehörigen findet eine Aufnahme der Familien nicht statt), so daß auf eine Familie 4,5 Angehörige und ein Ehepaar auf 6,5 Köpfe kommen.

d) Nach dem kirchlichen Verhältnisse:

     Christen zählte der Bezirk:
Ortsangehörige   Ortsanwesende
männl. weibl. männl. weibl.
evangelische 12.654 13.288 10.698 12.168
katholische 926 896 783 821
andere christliche Partheien 51 95 48 91
     Juden 24 25 6 10
13.655 14.304 11.535 13.090

e) Nach dem Gewerbe- und Nahrungsverhältniß:

Nach dem Ergebniß der letzten im J. 1852/53 erfolgten allgemeinen Aufnahme der Gewerbe befanden sich im Oberamtsbezirk:

I. mechanische Künstler und Handwerker, sowie Solche, welche bei zum literarischen Verkehr gehörigen Anstalten und Unternehmungen, bei Handels- und Schifffahrt-Gewerben, bei dem Fracht- und Landfuhrwesen, bei Gast- und Schenkwirthschaften beschäftigt sind, d. h. als Meister diese Gewerbe versehen oder solche auf eigene Rechnung betreiben, beziehungsweise als Gesellen oder Lehrlinge bei diesen Gewerben thätig sind, sowie Handarbeiter und Gesinde.

Meister Gehilf.
Bäcker 220 28
Kuchenbäcker, Pfefferküchler und Conditoren 5 4
Fleischer oder Schlächter 92 13
Seifensieder und Lichtzieher 7
Gerber (Loh-, Weiß-, Sämischgerber, Lederbereiter, Lederthauer,
  Korduaner und Pergamenter
58 13
Schuster, Pantoffelmacher und Altflicker 220 99
Kürschner 1
Sattler und Täschner 34 8
Sailer und Reepschläger 27 3
Schneider und Corsettmacher 125 37
Posamentirer und Knopfmacher 3
Putzmacher und Putzmacherinnen 3
Hutmacher und Filzmacher 6
Tuchscheerer und Tuchbereiter 15 8
Färber aller Art 12 8
Zimmerleute, Brunnenmacher etc. 80 40
|
Meister Gehilf.
Tischler, Meublesfabrikanten etc. 95 36
Rad- und Stellmacher 52 15
Groß- und Kleinböttcher 99 13
Drechsler in Holz, Horn, Metall 11 3
Kammmacher 2 1
Bürstenbinder und Pinselmacher 4 2
Korbmacher 15
Maurer 125 50
Steinsetzer und Pflästerer 12 4
Schornsteinfeger 2
Töpfer, Ofenfabrikanten und Geschirrmacher 29 10
Glaser und Glasschleifer 25 5
Zimmer- und Rouleauxmaler, Anstreicher, Goldleistenmacher 1
Grobschmiede aller Art, Huf-, Waffen-, Pfannen-,
 Ketten- und Sensen-Schmiede etc.
69 31
Schlosser, Zirkel-, Zeug-, Säge-, Messer-, Nagel-, Büchsenschmide,
 Sporer, Feilenhauer und Instrumentenschleifer
37 9
Gürtler, Bronceur, Schwerdtfeger etc. 1
Kupferschmiede 6 2
Zinngießer 1
Klempner (in Blech und Zink) 6 1
Nadler, Haar- und Drahtsiebmacher 6 1
Klein- u. Groß-Uhrenmacher, Uhrgehäuse- u. Zifferblattmacher 4 1
Gold- und Silberarbeiter und Bijoutiers 2
Steinschneider, Graveure etc. 3 3
Barbiere 12 2
Fischereigewerbetreibende 2
Gemüse- und Obstgärtner 7 4
Mühlenmacher 1
Flößer und Floßeinbinder 13
Hechelmacher 2 2
Colporteure 1
Rechen-, Ofenrohr- und Mausfallenmacher 11
Geometer 3 1
Wollwaarenstricker 21 3
Schäfer 31 14
Fruchtschäufler und Fruchthändler 20
Holzmesser 2
Frucht- und Kornmesser 3
Wollenkämmer 17
Kleemeister 2 1
Leimsieder 2 2
|
Meister Gehilf.
Apotheker 4 5
Keßler 5 1
Schweinehändler 2
Floßweidenhändler 3
Holz-, Eisen-, Harz- und Schindel-Händler 20
Harzbereiter 3
Blättersetzer für Leineweber 3
Wachholdergesälzsieder 4
Steinbrecher 1
Saamenhändler 7
Buch- und Notendruckereien 1 7
Ausschnitthändler in Seiden-, Baumwollen- Leinen- u.
 Wollen-Waaren
26 38
Kurzwaarenhändler und Nadler 56 -
Victualienhändler 33
Herumziehende Krämer und Lumpensammler 39 -
Fracht-, Stadt- oder Reisefuhrleute (mit 52 Pferden) 25 28
Besitzer von Gasthöfen 1
Krüge u. Ausspannungen für d. Frachtfuhrwesen u. Landleute 129 -
Speisewirthe und Garköche 15
Schenkwirthe und Billardhalter 89
Musikanten 11
Personen, welche selbstständig von Handarbeit leben, wie Nätherinnen, Wäscherinnen, Taglöhner, Chaussee- und Eisenbahnarbeiter 1367 männl. und 458 weibl., zusammen 1825
Gesinde zur persönlichen Bequemlichkeit etc. der Herrschaft (Bedienten, Kammer- und Stubenmädchen, Köchinnen, Wärterinnen, Ammen) 1 männl. u. 84 weibl.,  zus. 85
Knechte und Jungen, Mägde und Mädchen bei der Landwirthschaft u. anderen Gewerben 200 m. u. 606 w.  zus. 806 891
Selbstständige Landbauer, die neben einem der vorerwähnten Gewerbe noch Landbau oder Ackerbau treiben 2024
Personen, welche sich ausschließlich mit Landbau (Acker- und Weinbau) beschäftigen 975

II. Solche, welche in Fabrikanstalten oder bei Fabrikunternehmungen aller Art als Vorsteher oder Arbeiter thätig sind und zwar:

A. bezüglich der Gespinnste bei der Maschinenspinnerei und zwar für Wolle zu Streichgarn

in Anstalten mit Spindeln Vorstände Arbeiter
8 2745 8 104

B. Bezüglich der Gewebe:

auf 2 Webstühlen für Baumwolle u. Halbbaumwolle 2 Meister u. 3 Gehilf. |
auf 30 Webstühlen für Leinen und Halbleinen 20 Meister, Gehülfen und Lehrlinge;
auf 196 Webstühlen für Wolle und Halbwolle 237 Meister, Gehülfen und Lehrlinge;
für Strumpfweberei und Strumpfwirkerei auf 24 Webe- und Strickerstühlen 22 Meister, Gehülfen und Lehrlinge;
für Bandweberei auf 6 Webstühlen 8 Meister, Gehülfen und Lehrlinge,

woneben 557 Stühle (Leinwand) im Gange sind, die Leuten gehören, welche das Weben nicht gewerbsweise, sondern als Nebenbeschäftigung betreiben. Anstalten für Zwirn-, Strick-, Stick- und Nähgarn aus Wolle, Baumwolle und Leinen bestanden nur 2, worin 2 Personen beschäftigt waren. Mit Tuchfabrikation waren in einer Fabrik 32 Personen beschäftigt.

Mühlen und zwar Getreidemühlen zählte der Bezirk 30, mit 87 Mahlgängen, wobei 81 Personen als Meister und Gehülfen oder Lehrlinge beschäftigt waren, in den 17 Ölmühlen des Bezirks waren 18 Arbeiter in 9 Walkmühlen 9, in 6 Lohmühlen 6 Arbeiter, in 21 Sägmühlen 29 Menschen und in anderen Mühlenwerken 31 Personen beschäftigt.

Pott- und Weid-Asch-Siedereien gab es 2, in denen 2 Personen arbeiteten, Ziegeleien 16, worin 39 Menschen beschäftigt waren.

In den 2 je mit einer Maschine für endloses Papier ausgestatteten, Papierfabriken des Bezirks arbeiteten 9 Personen, in einer Tabaksfabrik 2 Personen, in 3 Siegellack-, Bleistift und Stahlschreibfederfabriken 5 Menschen. In Bierbrauereien, deren 77 vorhanden waren, arbeiteten 115 und in Branntweinbrennereien 126 Personen. Zündhölzerfabriken zählte man 6 mit 77 Arbeitern.

f) Relativer Bevölkerungsstand.

Auf einer geographischen Quadratmeile lebten am 3. Der. 1858 4758 Ortsanwesende. Im Durchschnitt des ganzen Landes war die relative Bevölkerung zu gleicher Zeit 4773. Der Bezirk Nagold gehört daher zu den dünner bevölkerten und nimmt in dieser Beziehung die 31ste Stelle in der wachsenden Reihe der Oberämter ein.

Auf 1 Einwohner kommen 4,02 Morgen Fläche.

B. Bewegung der Bevölkerung.

Nach Durchschnitten für die Dezennien von 1812/22 und 1842/52 betrugen die jährlichen

1) Geburten und zwar:

1812/22 1842/52
die männlichen 494 0548
die weiblichen 429 0504
923 1052
m. w. m. w.
worunter uneheliche 61 57 68 59
| 2) Sterbfälle und zwar:
1812/22 1842/52
männliche 320 341
weibliche 294 335
zusammen 614 676

3) Wanderungen:

Eingewandert sind:
von 1812/22   1846/56
m. w. m. w.
aus fremden Staaten
3 6 4 9
aus inländischen Orten
54 68 112 140
57 74 116 149
zusammen
131
265
Ausgewandert sind:
m. w. m. w.
nach fremden Staaten
3 6 89 78
nach inländischen Orten
51 64 96 118
54 70 185 196
zusammen
124
381
Es sind somit
mehr eingewandert
4 16 22
mehr ausgewandert
3 85 69
C. Wachsthum der ortsangehörigen Bevölkerung und Verhältnisse im Gange derselben.

Die Zunahme der Bevölkerung überhaupt betrug in der Periode von

1812/22   0723
1822/32 2609
1832/42 2093
1842/52 1107
1852/58 0794

Der natürliche Zuwachs oder der Überschuß der Geborenen über die Gestorbenen betrug:

1812/22   1711
1822/32 2624
1832/42 2624
1842/52 2357

In dem Zeitabschnitt von 1852/58 sind nach den angestellten Berechnungen

a) geboren:   b) gestorben:
im Jahre bei einer Gesammt- ehliche unehliche
bevölkerung von m. w. m. w. m. w.
1852/53 28.753 381 377 062 081 378 485
1853/54 28.515 372 386 087 050 470 450
|
a) geboren:   b) gestorben:
im Jahre bei einer Gesammt- ehliche unehliche
bevölkerung von m. w. m. w. m. w.
1854/55 28.063 328 296 079 061 354 366
1855/56 28.156 427 338 092 076 464 421
1856/57 28.177 441 414 106 092 459 437
1857/58 27.959 448 366 120 102 434 372
1858/59 28.018 435 447 081 111 475 452

Die Zahl der Trauungen oder neugeschlossenen Ehen betrug vom Jahre 1838/57 laut der angehängten Übersicht (s. S. 38), deren die erste Rubrik je die in protestantischen, die zweite die in katholischen, die dritte die in israelitischen Parochieen geschlossenen Ehen enthält, 3320, alle durchschnittlich 166 per Jahr oder auf 168 Einwohner eine Trauung.

Nach der letzten Volkszählung ergaben sich für die einzelnen Gemeinden des Bezirks folgende Verhältnisse:

Die meisten Geburten hatten im Jahre 1857/58 auf 1000 Einwohner:

Altensteig 96,4
Fünfbronn 71,6
Wenden 56,3

Die wenigsten:

Sulz 22,8
Unterthalheim 31,7
Haiterbach 38,2

Die Ziffer der unehlichen Geburten war am größten und zwar kamen auf je 1000 Einwohner in

Unterthalheim 22,6
Warth 21,4
unehliche Kinder Rohrdorf 17,2 unehliche Kinder

am kleinsten aber in Beuren, Gaugenwald, Mindersbach, wo gar keine unehelichen Geburten vorkamen.

Die größte Sterblichkeit herrschte und zwar kamen auf 1000 Einwohner in

Ebhausen 58
Effringen 34
Gestorbene Emmingen 31 Gestorbene,

die kleinste dagegen und zwar kamen auf 1000 Einwohner in

Schönbronn 19
Beuren 21
Egenhausen 25
| Die meisten über 80 Jahre alten Leute zählte man und zwar kamen auf 1000 Einwohner in
Iselshausen 7
Rothfelden 4
Unterthalheim 3

dagegen auf je 1000 Einwohner keine einzige Person über 80 Jahre in Haiterbach, Oberschwandorf und Oberthalheim.

|
  1. 2. 3. 4. 5.
Jahr-
gang.
Zahl
der
getrau-
ten
Paare.
Zahl der Trauungen,
bei welchen der
Bräutigam alt war
Zahl der Trauungen,
bei welchen
die Braut alt war
Zahl der Trauungen Zahl der
gemischten
Ehen.
von Jung-
gesellen
von
Wittwern
von geschied.
Männern
weniger als
volle 25 J.
25 bis mit
30 Jahre.
30 bis mit
40 Jahre.
40 bis mit
50 Jahre.
über 50
Jahre.
weniger als
volle 20 J.
20 bis mit
25 Jahre.
25 bis mit
30 Jahre.
30 bis mit
40 Jahre.
über 40
Jahre.
mit
Jung-
frauen.
mit
Witt-
wen.
m.
geschied.
Frauen.
mit
Jung-
frauen.
mit
Witt-
wen.
m.
geschied.
Frauen.
mit
Jung-
frauen.
mit
Witt-
wen.
m.
geschied.
Frauen.
Bräutigam
evangelisch.
Bräutigam
katholisch.
1838 166[s 1] 22 94 59 18 13 18 67 58 51 12 153 7 1 39 4 1 1 1
9 5 4 4 3 2 9 1
1839 167 32 73 47 10 5 17 68 43 35 4 128 10 24 5 1 1
3 2 1 1 1 1 2 1
1840 220 29 97 60 26 8 16 73 61 55 15 153 14 2 37 12 1 1 1 1
10 5 3 1 1 5 1 3 1 8 2
1841 182 29 76 57 17 3 12 69 39 54 8 133 9 3 35 2 2
3 1 2 1 1 1 3 2
1842 200 31 81 53 20 15 12 67 64 42 15 136 7 46 8 1 5 1
12 5 2 2 3 1 4 4 3 8 4
1843 179 35 87 40 10 7 18 81 44 30 6 141 9 22 6 1 3 2
10 1 9 4 5 1 9 1
1844 180 31 88 45 9 7 11 74 53 32 10 137 8 1 30 4 1
7 1 3 2 1 2 3 1 1 6 1
3 2 1 1 1 1 2 1
1845 147 20 80 33 10 3 13 57 35 31 11 113 7 1 21 3 2 1
11 10 1 6 3 2 9 1 1
1846 150 19 81 40 5 6 15 62 44 21 8 109 12 23 5 1 1 4
11 1 6 3 1 1 4 3 3 8 3
|
1847 137 14 77 32 11 3 10 55 43 24 5 106 6 19 4 2 2
6 1 3 2 1 1 2 2 1 4 2
1848 145 18 70 33 15 9 11 49 46 27 12 102 5 27 9 2
8 1 1 5 1 1 4 3 6 1 1 1
1849 146 18 75 36 11 6 5 61 44 26 10 101 10 28 7 1
10 4 3 3 1 3 3 3 7 1 2
1850 194 24 97 46 17 10 14 67 62 40 11 146 7 30 11 1 1
9 1 6 1 1 2 5 1 1 7 2
1851 170 14 96 38 13 9 5 65 50 37 13 136 6 18 7 1 2 1
2 1 1 1 1 2 1
1852 140 13 78 35 10 4 11 48 41 35 5 112 5 17 5 1 2 1
6 4 2 3 3 5 1
1853 107 6 62 25 10 4 5 37 32 27 6 79 6 1 17 4 1
6 3 3 2 4 6
1854 101 12 52 19 14 4 5 37 37 16 6 68 4 22 6 1 1
8 6 1 1 3 4 1 6 2
1855 122 13 51 38 16 4 7 50 31 30 4 85 4 1 27 3 1 1 2
9 1 2 5 1 1 3 4 1 8 1 1
1856 140 12 65 46 10 7 6 56 40 31 7 102 5 1 31 1 1
11 7 4 5 6 10 1
1857 135 7 70 42 7 9 6 45 38 34 12 103 3 28 1 1
8 6 2 5 2 1 7 1
Evangel. 3168 399 1550 824 259 136 217 1188 905 678 180 2343 144 11 541 105 7 14 1 2 8
Kathol. 159 8 78 54 9 10 5 58 60 28 8 130 3 25 1 4
Israel. 3 2 1 1 1 1 2 1 30[s 2]
Summe 3330 407 1628 880 268 147 222 1246 966 707 189 2475 147 11 566 107 7 14 1 2 30 12
3330 3330 3330 42
|
2. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.

Die Einwohner des Bezirks gehören mit Ausnahme einiger Eingewanderten, dem schwäbischen Volksstamm an und sind im Allgemeinen von mittlerer Größe und kräftigem Körperbau; nur die Einwohner der Orte Altensteig, Stadt, Berneck und Wildberg sind durchschnittlich minder kräftig und theilweise unansehnlich gebaut. Die mittlere Größe der Conscriptionspflichtigen im Bezirk beträgt nach einer 5jährigen Durchschnittsberechnung (württ. Jahrbücher 1833, S. 384 ff.) 8,53″ (über 5′), so daß der Bezirk dem Oberamt Wangen, wo durchschnittlich die meisten großen Männer vorkommen, nur um 0,34″ nachsteht und das Oberamt Maulbronn, welches in dieser Beziehung die ungünstigsten Ergebnisse liefert, um 0,76″ übertrifft. Unter 1000 Conscriptionspflichtigen hatten 279 eine Größe von 6′ und darüber. Untüchtig wegen Gebrechlichkeit erscheinen nach der durchschnittlichen Berechnung unter 1000 Pflichtigen 388, was gegen das Minimum 250 (Oberamt Mergentheim) ein ziemlich günstiges Resultat liefert. Die Zahl der wegen allgemeiner Körperschwäche und Kränklichkeit Untüchtigen belauft sich unter 1000 Pflichtigen auf 64 (das Maximum Ulm mit 157, das Minimum Saulgau mit 26).

Der Volkscharakter ist im Allgemeinen gut und mit wenig Ausnahmen trifft man allenthalben Fleiß, Sparsamkeit und Religiosität, welch letztere nicht selten die Formen des Pietismus liebt; neben den Pietisten findet man auch in einzelnen Orten die Secte der Michelianer, der Pregizerianer und der Neukirchler (s. die Ortsbeschreibungen). In den eigentlichen Waldorten sind die Leute in Folge ihrer vielfältigen Beschäftigungen in den Waldungen einfach, ordnungsliebend, jedoch etwas rauh von Sitten; bei den Flößern trifft man eine gewisse Derbheit, die übrigens selten in eigentliche Rohheit ausartet. Wesentlich verschieden sind die Bewohner der Orte auf der rechten Seite der Nagold (Gültlingen, Ober- und Unter-Sulz) von denen im westlichen Theil des Bezirks; erstere gleichen dem Gäubewohner, letztere dem eigentlichen Schwarzwälder, während die zwischen diesen beiden wohnenden Leute gleichsam den Übergang von dem sogenannten Gäubewohner zu dem eigentlichen Schwarzwälder bilden. Nach Charakter und äußerer Erscheinung unterscheiden sich von den übrigen Bezirksbewohnern die von Ober- und Unterthalheim, welche – fast durchgängig zur katholischen Confession gehörig – als ehemalige Vorderösterreicher den Bewohnern des Horber und Rottenburger Oberamts ähnlich sind. Im Übrigen zeichnen sie sich, besonders die weiblichen Personen, durch körperliche Größe und | Stärke aus. Auch Haiterbach mit seiner kräftigen, aufgeweckten, leicht aufbraußenden Bevölkerung darf nicht unerwähnt bleiben; es liefert verhältnißmäßig die meisten Militärdienstpflichtigen.

Die Nahrung der Bezirksbewohner besteht im Allgemeinen in rauhen Speisen, Sauerkraut, Kartoffeln, Haferbrei, Blätterkohl, Schweinefleisch und besonders viel Milch; ein Stück geräucherten Specks mit Roggenbrod gilt für ein treffliches Mahl. Von Getränken wird Wein (vorzugsweise rother), Most und besonders Branntwein, namentlich der unter dem Namen – Hoadbeer – Hohbeerschnaps bekannte Heidelbeergeist genossen. Auch das Bier findet in neuerer Zeit immer mehr Eingang.

Eigenthümliche Sitten und Volksbelustigungen werden allmälig seltener, übrigens weichen sie in den eigentlichen Schwarzwaldorten doch noch hie und da von den übrigen Bezirksorten ab. Der früher häufig übliche Tanz ist in einzelnen Orten beinahe ganz verschwunden, während er sich in den übrigen nur noch auf Kirchweihen, Märkte und Hochzeiten beschränkt; letztere werden häufig noch, namentlich auf dem sog. oberen Wald auf eine solenne Weise abgehalten und dauern öfters 2–3 Tage.

Bei Leichenbegängnissen singt die Schuljugend vor dem Hause des Verstorbenen, sowie während des Gangs zum Gottesacker und der Einsenkung des Sargs, geistliche Lieder unter Anführung des Schulmeisters, der nicht selten, besonders bei Kindern, auch die Leichenrede hält.

Von Volksfesten und Volksspielen ist anzuführen, daß in Altensteig am Christabend die Schuljugend mit brennenden Fackeln den der Stadt gegenüber gelegenen Bergabhang hinanzieht bis zu dem Schloßberg, was von der Stadt aus gesehen, einen schönen Anblick gewährt. In Haiterbach besteht die sogenannte Schülersuppe; bei feierlichen Hochzeiten holen die ältesten Schulknaben nach dem ersten Geläute zur Hochzeitpredigt im Brauthause die Schülersuppe ab, welche in einer großen Schüssel voll Suppe mit etwa 6 Pfund Fleisch besteht, wozu 2 Maas Wein und 2 Laibe weißes Brod gegeben werden. Diese Gabe verzehren die Knaben mit ihren Lehrern und begeben sich alsdann zum Zusammenläuten und Gesang in die Kirche.

In Wildberg wird alle zwei Jahre (den 21. September) der Schäferlauf abgehalten (s. die Ortsbeschreibung von Wildberg).

Das früher allgemein übliche Eierlesen am Ostermontag ist abgegangen.

Die solide ländliche Kleidertracht hat sich im Allgemeinen noch ziemlich unverdorben erhalten und ist nur in den Städten und in | Orten, die vielen Verkehr haben, der städtischen und halbstädtischen Tracht gewichen. In den an das Gäu grenzenden Orten findet man bei den Männern noch den dreispitzen Hut, den blauen Tuchrock mit Stahlknöpfen, den Sommer über auch den Zwilchrock, schwarze oder gelbe Lederhosen, das Brusttuch von dunklem Manchester mit gewöhnlichen oder auch Rollknöpfen, zuweilen besonders bei älteren Männern noch das Scharlachbrusttuch mit eng besetzten Rollknöpfen; die ledigen Bursche tragen häufig statt des Rocks ein Wamms von Tuch oder Manchester, und statt des Huts eine pelzverbrämte, mit goldener Trottel versehene Mütze. Die weiblichen Personen sind einfach, meist dunkel, häufig schwarz gekleidet, tragen reich gefältelte Wilfling oder Zeuglensröcke, ein Leibchen, einen Kittel darüber und als Kopfbedeckung das sogenannte deutsche Häubchen, den Sommer über nicht selten den Strohhut. In den Schwarzwaldorten besteht folgende Volkstracht und zwar bei den Männern: neben dem ziemlich allgemeinen dreispitzen Hut wird auch der breitkrämpige Schlapphut getragen, der blaue, häufig weiß ausgeschlagene Tuchrock hat eine kurze, breite Taille und ist mit großen, platten übereinandergreifenden Metallknöpfen nicht nur vornen, sondern auch an Batten und Ärmelaufschlägen reich besetzt. Die kurzen Hosen sind von schwarzem oder gelbem Leder, an Werktagen aber werden sowohl Hosen als Rock (Kittel) auch von Zwilch getragen. Die dunklen, meist schwarzen Brusttücher oder Westen sind größtentheils aus Manchester gefertigt und mit zwei Reihen Metallknöpfen besetzt. Die ledigen Bursche tragen weiße, die verheiratheten Männer aber schwarze Strümpfe, ein Unterschied, der übrigens in neuerer Zeit zu verschwinden beginnt; die Schuhe sind mit Laschen versehen und mit viereckigen Schnallen von Messing geziert. Die im Walde arbeitenden Männer tragen als Schutz gegen Schnee und Kälte weißwollene Gamaschen (Streifstrümpfe). Die ledigen Bursche haben als Kopfbedeckung neben der Schildkappe die pelzverbrämte Mütze mit goldener Trottel oder den dreispitzen Hut, um den ein breites Sammtband lauft, das an der Schleife mit einer großen stählernen Schnalle zusammengehalten wird. Die ledigen Mädchen tragen das gut kleidende deutsche Häubchen mit breiten schwarzen Bändern und den Sommer über den mit schwarzer Rosette und Schnüren gezierten Strohhut, kurze, schwarze Leibchen, nicht selten auf der Brust eine rothe Bandschleife, blaue oder schwarze reichgefältelte Wilflingröcke, eine blaue Schürze und weiße Strümpfe. Die Weiber tragen schwarze Marlinhauben, schwarze Kittel ohne Schleife, schwarze Röcke und Schürze, Hölzer- oder Stöcklesschuhe. In den kath. Orten Ober- und Unter-Thalheim | haben die Männer mehr eine halbstädtische Tracht, und die weiblichen Personen kleiden sich ziemlich bunt in verschiedenen Stoffen und tragen kleine Radhäubchen.

Die Mundart ist im Allgemeinen die gemüthliche, an bezeichnenden Ausdrücken reiche schwäbische, die sich im Osten des Bezirks dem breiten Unterländer Dialekt nähert, während sie im übrigen Theile des Bezirks eine leise Verwandschaft mit der pfälzischen Sprachweise zeigt. In Gültlingen und Sulz, theilweise auch in Emmingen kommen eigenthümliche Sprachausdrücke vor: Ätte statt Vater, Amme statt Mutter, Dötte statt Pathe, Dott statt Taufpathin, Bächts statt Gebackenes (Confect), Ampel statt dumme Weibsperson, Appel statt wüste, schmutzige Weibsperson, Stöckling statt Kuchen, Hinterwind statt Abendwind, Vorderwind statt Morgenwind, Schäppele wird eine wunderliche, oder schwächliche, wenig brauchbare Weibsperson genannt, guotich statt schnell, liederlich statt sehr krank etc. In dem übrigen Theil des Bezirks werden die angeführten Ausdrücke theilweise auch gebraucht und überdieß noch einzelne, von den vorhergehenden abweichenden, wie z. B. Schäfen statt Bohnen, Börten statt Kuchen, Osen statt Ochsen, Kinn statt Kind. Von einem Mädchen, das ihrer Zunge freien Lauf läßt, sagt man: sie hat ein gängs Mäule; die ledigen Bursche heißen Kerle etc.

Die Oberamtsstadt sowohl, als der übrige Bezirk erfreuen sich im Allgemeinen einer bemerkenswerthen Salubrität, wozu theils die Configuration der Gegend, theils Beschäftigung und Lebensweise der Bewohner wesentlich beitragen.

In ersterer Beziehung sind drei verschiedene Eigenthümlichkeiten in der geographischen Lage der einzelnen Ortschaften zu unterscheiden. Entweder sind diese auf Hochebenen ausgebreitet, dem freien Zutritt der Winde fast nach allen Seiten offen, so die meisten Orte des sogenannten Waldes; etwa 15 an der Zahl; oder sie liegen in muldenförmigen Einsenkungen der Hochflächen mit mehr oder weniger Schutz gegen einzelne Windrichtungen, wie z. B. Egenhausen, Rothfelden, Walddorf, oder sie nehmen die tiefen und engen Thaleinschnitte mit den angrenzenden Berglehnen ein, haben frühzeitig im Herbst und bis spät in den Vorsommer hinein Morgens und Abends starke, durch den Quellenreichthum der mit Nadelholz bewachsenen Bergabhänge sehr begünstigte dichte Nebel, dagegen mehr Schutz vor Winden und Stürmen. – Während diese fast die Hälfte (17) sämmtlicher Gemeinden (38) betragenden Thalorte, unter denen die 5 Städte des Bezirks (Nagold, Altensteig, Berneck, Haiterbach, Wildberg) sich einer Fülle herrlichen Trinkwassers selbst in den trockensten Jahren erfreuen, leiden die | Orte der Hochflächen in strengen Wintern und trockenen Sommern bald an empfindlichem Wassermangel, und müssen dasselbe entweder aus den Thalbächen heraufschaffen, oder sind sie auf Schöpfbrunnen angewiesen.

Der starke Fall des Nagoldthales und seiner vielen Seitenthäler (Steinach-, Waldach-, Haiterbachthälchen in südlicher und südwestlicher Richtung von der Oberamtsstadt, des Bernecker und Schwarzenbach-Thal in westlicher, und das Sulz-Gültlinger in östlicher Richtung lassen nirgends Sumpfbildungen entstehen, weßhalb auch eigentliche Wechselfieber im ganzen Bezirk fast gar nicht vorkommen, wenn sie nicht von außen eingeschleppt werden, wie dieß bei einzelnen von den Festungsbauten in Rastatt zurückgekehrten Arbeitern im verflossenen Jahrzehnt der Fall war. – Andere Krankheiten dagegen, sowohl chronische, als fieberhafte, nehmen nicht selten die dem Wechselfieber eigenthümliche, aussetzende (intermittirende) Form (Typus) an, besonders Nervenschmerzen (Neoralgien) und Catarrhe, und weichen auch den gegen die Wechselfieber specifisch wirkenden Chinasalzen.

Auch von sonstigen endemischen Krankheiten ist der ganze Bezirk verschont mit Ausnahme von Kröpf und Cretinismus, von welchem einzelne Thalorte mehr oder minder stark heimgesucht sind, insbesondere die Städte mit Ausnahme von Berneck, und der Marktflecken Ebhausen, welcher relativ und absolut die größte Zahl (15) beherbergt, während nach der hier zu Grunde gelegten, auf Veranlassung des K. statist.-topogr. Bureau im Jahr 1853 vorgenommenen Zählung Nagold, Haiterbach und Wildberg je 4, Altenstaig 8, Enzthal 5, Beihingen 3, Rohrdorf 2 aufweisen.

Weitere 16 sind jener Aufnahme zufolge in 12 weiteren, meist hochgelegenen Ortschaften zerstreut. Da jedoch die Zählung auf dem Lande meist durch Laien (Ortsvorsteher und Geistliche) besorgt wurde, so ist zu bezweifeln, ob die fraglichen Kranken sämmtlich zu den Cretinen gehören.

In neuerer Zeit scheint das Übel in der Abnahme begriffen. – Der früher als eine der Hauptursachen des Cretinismus angesehene Gypsgehalt des Trinkwassers verliert in Bezug auf den O.A.-Bezirk Nagold alle Bedeutung, insofern die am meisten heimgesuchten Orte, Altensteig, Enzthal, Wildberg, Ebhausen ihr Trinkwasser ganz oder theilweise aus dem bunten Sandstein erhalten, und die in der Formation des Muschelkalks mit zahlreichen Gypsbrüchen liegenden Orte des Steinach- und Waldachthales fast ganz frei von Cretinen sind. Einzelne dieser Gemeinden, Unterthalheim, und die in den Bezirk Horb gehörige Enclave Gündringen, beide katholisch, zeichnen | sich sogar durch einen schönen, körperlich und geistig gesunden und kräftigen Menschenschlag, zumal beim weiblichen Geschlecht, sehr vortheilhaft vor vielen anderen Gemeinden des Bezirks aus, obwohl die hier eine mangelhafte und schwächliche Körperentwicklung wesentlich mitbedingenden Ursachen: Armuth, schwere Arbeit, enge, dumpfe Wohnungen etc. auch bei jenen vorhanden sind. Dasselbe läßt sich auch von dem Städtchen Haiterbach, dem Muschelkalk angehörig, in einem rasch abfallenden Seitenthälchen der Waldach liegend, sagen, obwohl im J. 1853 4 Cretinen dort aufgezählt wurden. Haiterbach und Unterthalheim liefern auch alljährlich verhältnißmäßig die meisten tüchtigen Leute für den Kriegsdienst, während aus den Wald-, und aus den übrigen Thalorten, mit Ausnahme der an’s Gäu grenzenden fast ausschließlich feldbautreibenden und wohlhabenden Gemeinden Sulz und Gültlingen stets eine große Zahl wegen allgemeiner Schwächlichkeit, Kropfs etc. ausfällt, wodurch die Contingentsgrenze alljährlich eine verhältnißmäßig hohe Zahl erreicht, namentlich den angrenzenden Bezirken Horb und Herrenberg gegenüber, denen die zahlreicheren wohlhabenden Gäuorte ein viel günstigeres Verhältniß in dieser Beziehung sichern.

Der bei beiden Geschlechtern häufige Kropf ist theils als die erste Andeutung des Cretinismus zu betrachten, theils ist er die Folge harter Arbeit in bergigter Gegend, insbesondere des schweren Tragens auf dem Kopf, daher auch beim weiblichen Theil besonders häufig, ohne Anlage zum Cretinismus. Die erstere Form beobachtet man namentlich in der Oberamtsstadt häufig bei Personen, die keinerlei geistige Entartung wahrnehmen lassen, in deren Familien aber das Hauptübel bei einzelnen Mitgliedern bald mehr, bald minder deutlich hervortritt.

Die oben als ein die günstigen Gesundheitsverhältnisse wesentlich bedingendes Moment hervorgehobene Beschäftigung und Lebensweise der Bezirksbewohner theilt sich, was erstere betrifft, in Ackerbau, Waldwirthschaft und Gewerbebetrieb, welche in den einzelnen Districten in verschiedenem Verhältniß combinirt sind. In den Waldorten sind es hauptsächlich die beiden ersteren, während in der ihren Mittelpunkt bildenden Stadt Altensteig, bei großem, aber entferntem Waldbesitz und kleinem für den Ackerbau tauglichem Areal, der Gewerbebetrieb, besonders die Rothgerberei, voransteht. In Haiterbach, Wildberg und der Oberamtsstadt werden Landwirthschaft und Gewerbe gleich stark betrieben, in ersterem Orte vorzugsweise die Küblerei, in beiden letzteren die Wollweberei und Gerberei.

| Dieser gemischten Beschäftigung, bei welcher sich Vortheile und Nachtheile für die Gesundheit immer wieder ausgleichen, und einer im Allgemeinen mäßigen, nüchternen Lebensweise und rührigen Thätigkeit verdankt zunächst die Oberamtsstadt außer ihrer ebenso gesunden, als anmuthigen Lage in dem hier sich zu einem größeren Becken erweiternden Nagold- und Waldachthale ihre durch Seltenheit von Epidemieen sich bewährende Salubrität. Innerhalb der letzten 18 Jahre hat nur eine bedeutendere Epidemie, die der Masern im Winter von 1856/57, hier geherrscht, aber in so bösartiger Weise, daß innerhalb 2 Monaten 42 Kinder von 1/2 bis 12 Jahren dahingerafft wurden, meist durch hinzugetretene Lungenkrankheiten (Entzündung und acute Tuberkelbildung). Die Gesammtzahl der erkrankten Kinder betrug gegen 600, so daß die Schulen mehrere Wochen geschlossen werden mußten. – Außerdem haben nur der Typhus (Nervenfieber), und der Krampfhusten einigemal in der genannten Periode eine größere Ausbreitung erlangt, und zweimal tauchte der Scharlach in mehreren Familien auf, ohne sich zur Epidemie auszubilden.

Auch im übrigen Bezirk sind die größeren Epidemieen im Ganzen ziemlich selten. Bemerkenswerth sind die des Typhus seit 1842 in Haiterbach dreimal aufgetreten: in den Jahren 1842, 1846 und 1853, in Sulzdorf 1851, in Spielberg 1854 und in Gültlingen 1859; ferner die der Masern in den Jahren 1856, 57 und 58 in Haiterbach, Ebhausen, Schietingen, Sulz und Wildberg, des Scharlachs in Oberschwandorf 1856, und der Ruhr ebendaselbst 1857, und in Walddorf und Unterthalheim; die letztgenannten Scharlach- und Ruhrepidemieen erlangten zwar keine größere Ausbreitung, führten jedoch zum großen Theil durch Versäumniß zeitiger ärztlicher Hülfe, relativ zahlreiche Todesfälle herbei. Mit einziger Ausnahme von Spielberg haben alle diese Orte eine eingeteichte oder tiefe Lage.

Während des ganzen Jahres 1860, das sich überhaupt durch einen sehr günstigen Gesundheitszustand und geringe Sterblichkeit (in der Oberamtsstadt 50 Sterbfälle statt 80) auszeichnete, kam nirgends im Bezirk eine Epidemie vor, was vielleicht dem kühlen Sommer zuzuschreiben ist, welcher keine Disposition zu den gewöhnlichen Sommer- und Herbstkrankheiten aufkommen ließ.

Die natürlichen und modificirten Pocken tauchten in den Jahren 1843, 48, 49–51 theils in der Oberamtsstadt, theils in verschiedenen Bezirksorten auf, blieben aber immer nur auf eine kleinere Anzahl von Personen beschränkt, und wurden in mehreren Fällen tödtlich.

| Außer den epidemischen Krankheiten, unter denen der Typhus am meisten stationär ist, gewöhnlich aber nur sporadisch auftritt, die exanthematischen Fieber: Masern, Scharlach, Blattern erst nach mehrjährigen Pausen wiederkehren, die Ruhr nur in heißen Jahrgängen vorkommt, und der Krampfhusten zum Glück noch seltener als Epidemie erscheint – sind unter den acuten (schnellverlaufenden, hitzigen) Krankheiten vorzugsweise zu nennen einzelne Krankheiten der Athmungs- und Verdauungswerkzeuge.

Von ersteren ist es hauptsächlich die Luftröhren-Entzündung (häutige Bräune, Croup) welche sowohl auf den rauhen Hochebenen der Waldgegend als in den tief eingeschnittenen, feuchtkalten und nebligen Thälern alljährlich im Frühjahr, Herbst und Winter, ja zuweilen auch im Sommer, die Kinderwelt vom 2. bis 9. Lebensjahre decimirt; ferner die Lungen-Entzündung, welche in jedem Lebensalter und zu jeder Jahreszeit, doch vorzugsweise auch wieder in den rauheren Monaten vorkommt und alljährlich ein wesentliches Contingent zur allgemeinen Sterblichkeit liefert. Außerdem sind auch Entzündungen des Rippenfells, des Herzbeutels und der inneren Herzhaut, meist in Verbindung mit dem sogenannten hitzigen Gliederweh (Rhevmatismus acutus), nicht selten während der Wintermonate.

Unter den Krankheiten der Verdauungsorgane nehmen die Durchfälle und Brechruhren der Kinder im ersten Lebensjahre eine Hauptstelle in Bezug auf Häufigkeit und Tödtlichkeit ein, und haben einen wesentlichen Entstehungsgrund in der unzweckmäßigen und gleichgültigen Ernährung und Verpflegung, wie auch im Verhalten der säugenden Mütter. – Außerdem kommen aber auch bei Erwachsenen fast alljährlich im Hochsommer und Herbst mehr oder minder heftige, zuweilen sogar tödtliche und mit der asiatischen Cholera identische Fälle von Brechruhr vor.

Fieberhafte und fieberlose Katarrhe der Athmungs- und Verdauungs-Schleimhaut und Rheumatismen machen jedes Jahr einen großen Theil der vorkommenden Krankheiten aus und gehen nicht selten in Entzündungen der befallenen Organe über, von denen außer den bereits oben erwähnten noch anzuführen sind: Magen-, Darm- und Bauchfell-Entzündungen.

Entzündungen der Gehirnhäute sind bei Kindern, der Rückenmarkshäute bei Erwachsenen (zuweilen mit hitzigem Gliederweh verbunden), nicht ganz selten, deßgleichen der Hirnschlag, theils in Folge von Blutaustritt innerhalb der Schädelhöhle (Blutschlag), | oder ohne alle nachweisbare Ursache (Nervenschlag), ferner Convulsionen (Zuckungen, Gichter) bei Kindern, häufig durch Wurmreiz veranlaßt, und Wundstarrkrampf (Hundskrampf, Tetanus travmaticus), letzterer fast immer tödtlich.

Von chronischen langsam verlaufenden, meist fieberlosen Krankheiten beobachtet man bei den Brustorganen ziemlich häufig die tuberkulose Lungenschwindsucht, das Emphysem und Ödem der Lungen mit Wassersucht der Brusthöhle, des Herzbeutels, und im weiteren Gefolge auch der Bauchhöhle und der allgemeinen Bedeckungen, Krankheiten, die man unter dem gemeinschaftlichen Namen der Brust- und allgemeinen Wassersucht zusammenfaßt, und die alljährlich viele Sterbfälle im Alter von 40–70 Jahren veranlassen. Außerdem sind es die theils im höheren Alter durch Incrustation der Herzklappen, theils schon in jüngeren Jahren durch Herzentzündung hervorgerufenen organischen Herzleiden (Vergrößerung, Erweiterung etc. des Herzens), welche langes Siechthum mit großen Athmungsbeschwerden und zuletzt allgemeine Wassersucht bewirken, und häufig vorkommen. Die vielen Fälle von Wassersucht sind meist Folge dieser organischen Herz- und Lungenleiden, seltener von Krankheiten der Leber, Milz und Nieren.

Die so häufige Kurzathmigkeit im höheren Alter, verbunden mit chronischem Lungenkatarrh und Lungen-Emphysem (bleibende, krankhafte Erweiterung der feinsten Luftröhren-Endigungen oder Lungenzellen, mit Stagnation der Luft) hat ihren Grund auch vielfach in der durch die bergigte Gegend bedingten großen Anstrengung der Athmungswerkzeuge, welche dadurch zu früh abgenützt werden.

Von chronischen Krankheiten der Unterleibsorgane ist hauptsächlich zu erwähnen die Cardialgie (Magenweh) mit Säurebildung (Sodbrennen), eine für den Arzt fast alltägliche Erscheinung. Sie hat ihren Grund theils in geschwächtem Nerveneinfluß, so bei bleichsüchtigen Mädchen und sonstigen nervenschwachen weiblichen Personen, theils in schlechter schwerverdaulicher, gehaltloser Nahrung, daher bei der ärmeren Classe nicht selten, theils auch im übermäßigen Genuß geistiger Getränke, besonders des Weins und Branntweins. Nicht selten bilden diese Magenleiden die Anfangserscheinungen der chronischen Magengeschwüre und des Magenkrebses, die alljährlich in mehrfacher Anzahl zur Beobachtung kommen.

Auch Krebs der Leber und andere organische Leberkrankheiten, mit Gelbsucht und Gallensteinbildung gehören nicht | zu den Seltenheiten, während Nieren- und Blasenleiden mit Harnconcrementen nur ausnahmsweise beobachtet werden. Am ehesten kommen noch Blasen-Catarrhe mit Harnbeschwerden vor. Mastdarmkrebs kommt alle paar Jahre einmal zur Beobachtung.

Unterleibsbrüche (Vorlagerungen von Baucheingeweiden, Hernien), durch schwerere Feld- und Waldarbeit in bergigter Gegend erzeugt oder befestigt, oder auch angeboren, sind eine häufige Erscheinung, und werden durch Versäumniß rechtzeitiger Hülfe bei Einklemmungen nicht selten zur Todesursache.

Von allgemeinen Säfte-Krankheiten (kranke oder mangelhafte Blutmischung) sind besonders zu erwähnen die Scropheln, die mit ihrem Gefolge von Augen- Ohren- und Nasen-Entzündungen, Hautausschlägen, Lungen- und Unterleibsschwindsucht eine häufige Geißel aller Classen des Volks sind. Auch die derselben verwandte englische Krankheit, Rachitis, die Knochen-Erweichung und Verkrümmung des kindlichen Alters, ist leider nicht selten. Die des höheren Alters, Osteo-Malacie genannt zum Unterschied von jener, findet man bei aufmerksamer Beobachtung ebenfalls da und dort, besonders beim weiblichen Geschlecht.

Ferner gehören hieher die Knochentuberkeln mit ihrem Übergang in Knochengeschwüre (Beinfraß, Caries) und die chronischen Entzündungen der Gelenksköpfe und Gelenksbänder, besonders am Hüftgelenk (Luxatio spontanea) und am Knie (weiße Knieschwulst, tumor albus). Man findet diese Übel alljährlich in mehrfachen Exemplaren.

Die Gicht (Gliederweh, Arthritis) gehört zu den fast alltäglichen Erscheinungen. Man beobachtet sie in allen Volksklassen und in allen Formen, bei den Vermöglichen in Folge üppigen Lebens als Gelenksgicht, bei den Armen unter ungünstigen äußeren Verhältnissen häufiger als Arthritis vaga, anomala, theils in den Gelenken, Knochen, theils in inneren Organen, Herz und Darmkanal, Auge, Ohr etc. In beiden letzteren Organen führt sie durch Trübung der Crystalllinse (grauer Staar, der aber auch aus anderen Ursachen, hohem Alter etc. nicht selten ist) zur Erblindung, in letzterem durch Ablagerung von Gichtstoff auf den Gehörnerven zur Übelhörigkeit und Taubheit. Vielfach gibt sie auch, besonders beim weiblichen Geschlecht, Veranlassung zu chronischem Friesel im mittleren und späteren Alter, und wird dadurch zur Plage der Kranken, ihrer Umgebung und des Arztes. Der Grund zu dieser Form wird häufig in den Wochenbetten gelegt durch unvernünftiges heißes Verhalten und übermäßiges Schwitzen.

| Von Krankheiten des weiblichen Geschlechts sind ferner aufzuzählen: die Bleichsucht. Sie verbreitet sich immer mehr auch unter der Landbevölkerung. Frühzeitige Anstrengung und mangelhafte Entwicklung des Körpers bei qualitativ und quantitativ ungenügender Nahrung und Kleidung scheinen hier die Entstehung des Übels zu fördern. Menstruationsfehler aus andern Ursachen und sonstige Krankheiten der weiblichen Geschlechtsorgane sind ebenfalls häufig insbesondere der Schleimfluß (fluor albus), Gebärmutterblutungen, Abortus, Senkung und Vorfall der Gebärmutter, auch Brust- und Gebärmutter-Krebs sind keineswegs seltene Erscheinungen. Die Frühgeburten sind meist Folge von schwerer Arbeit in bergigter Gegend, und kommen am häufigsten in den ersten Monaten der Schwangerschaft vor. Dieselbe Ursache liegt häufig auch dem Gebärmutter-Vorfall zu Grunde. Kindbettfieber sind nicht gerade häufig, ebenso Entzündungen der säugenden Brust.

Unter den Hautkrankheiten spielt die Krätze die erste Rolle. Sie hat sich zwar in den letzten Jahren wesentlich vermindert, ist aber nie ganz auszurotten. Sie ist am verbreitetsten in den Waldorten. Im Winter 1852/53 mußte sie in den zum Kirchspiel Simmersfeld gehörigen Ortschaften unter Staatsfürsorge behandelt werden, da einzelne Schulen, durch deren Zöglinge sich der Ausschlag hauptsächlich verbreitete, fast durchaus angesteckt waren.

Die Syphilis (venerische Krankheit) ist zum Glück, bis jetzt, verhältnißmäßig selten, und kommt gewöhnlich nur in den leichteren Formen vor.

Nervenkrankheiten (Veitstanz, Epilepsie), kommen alljährlich, aber in beschränkter Zahl vor.

Die verschiedenen Formen von Geisteskrankheiten fehlen ebenfalls nicht, doch sind sie nicht häufiger, als anderwärts. Alljährlich muß für 2–3 Fälle Aufnahme in einer Irrenanstalt nachgesucht werden. In einer Gemeinde, wo das Branntweintrinken an der Tagesordnung ist, kamen im Laufe einiger Jahre mehrere ausgesprochene Fälle von Säuferwahnsinn (Delirium tremens) vor.

Von Krankheiten der Hausthiere bilden die Schafraude und die Lungenseuche beim Rindvieh seit Jahren fest stehende Rubriken in den oberamtlichen Geschäften. Der Milzbrand der Schweine wird meist nur in heißen Sommern beobachtet, während unter denselben Umständen beim Rindvieh und den Schafen die Maul- und Klauenseuche im Sommer von 1857, 58 und 59 erschien, und in den diesen vorausgegangenen 50er Jahren in Folge | der feuchten Witterung die Egelkrankheit stark unter den Schafheerden aufräumte. Dasselbe war unter den entgegengesetzten Verhältnissen von 1857/59 (große Sommerhitze) bei den Schweinen durch die verheerende Wirkung des Milzbrands der Fall. Von ausgesprochener und nachgewiesener Hundswuth kam in 18 Jahren nicht ein Fall vor.
Anmerkungen Wikisource
  1. Berechnete Summe: 206
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