Beschreibung des Oberamts Maulbronn/Kapitel B 14
« Kapitel B 13 | Beschreibung des Oberamts Maulbronn | Kapitel B 15 » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Die Pfarrkirche liegt auf der höchsten Stelle in der Mitte des Orts, gerade auf der äußersten Spitze des Bergrückens und ist theilweise noch von der alten Kirchhofmauer umgeben; von ihrer ursprünglichen gothischen Bauweise sind ihr nur noch zwei spitzbogige Eingänge und ein gothisches mit Maßwerk gefülltes Fenster auf der Südseite geblieben, während das übrige stillos verändert wurde. Der mit einem Zeltdach bekrönte monströse Thurm hat in seinem unteren Geschoß ein spitzbogiges Fenster, gegen oben aber ein Fensterchen aus der Übergangsperiode, welches nachweist, daß derselbe älter ist, als die im mittleren Stockwerk angebrachte Jahrszahl 1567 vermuthen ließe, ohne Zweifel deutet diese nur auf die Zeit, in welcher der Thurm und das Langhaus verändert, oder letzteres vielleicht ganz neu aufgebaut wurde. Das weißgetünchte, tonnengewölbte Innere der Kirche enthält nichts bemerkenswerthes; das untere Stockwerk des Thurms, welches die Stelle des Chors vertritt, ist mit einem alten Rippenkreuzgewölbe überspannt, dessen Schlußstein eine Rosette bildet. Von den drei Glocken wurde die größte im Jahr 1784 von C. F. Blüher in Stuttgard umgegossen, die mittlere ist 1763 von Neubert in Ludwigsburg und die kleinste 1832 von dem jüngeren Neubert gegossen worden. Die Unterhaltung der Kirche hat die Gemeinde. Der ziemlich große, ummauerte Begräbnißplatz wurde 1569 am nordöstlichen Ende des Orts angelegt.
Das Pfarrhaus, welches der Staat zu unterhalten hat, befindet sich in gutem baulichen Zustande. In der Nähe der Kirche stehen zwei Schulhäuser, das ursprüngliche, welches neben den Schulgelassen auch die Wohnung des ersten Schulmeisters enthält, und das frühere, nun zur Schule eingerichtete Rathhaus mit Schulgelassen und der Wohnung des zweiten Schulmeisters; der Lehrgehilfe wohnt in einem Privathaus. Das sehr ansehnliche, dreistockige Rathhaus wurde 1861/62 im modernen Stil mit einem Thürmchen auf dem First massiv erbaut. Dem Rathhaus gegenüber steht der ehemalige Klosterpfleghof, | ein schönes Eckgebäude, das jetzt in Privathände übergegangen ist.Vortreffliches Trinkwasser liefert eine 6000′ lange Leitung in gußeisernen Röhren, die im Jahr 1868 nach dem Plan des Bauraths Ehmann mit einem Kostenaufwand von 8000 fl. von Corrès her angelegt wurde. Den oben angeführten, mit Wasser gefüllten Fleckengraben beabsichtigt man zum größeren Theil trocken zu legen. Zwei kleine Seen waren vorhanden, die jetzt trocken gelegt und in Wiesengrund verwandelt sind. Auch die Markung ist reich an Quellen und überdies fließen über dieselbe der Erlenbach, welcher an der West- und Südseite des Orts hinläuft und oberhalb Ötisheim den Grundelbach aufnimmt; er tritt zuweilen aus und richtet Schaden an.
Vicinalstraßen nach Maulbronn und Ölbronn, Mühlacker, Schönenberg, Enzberg und Dürrn sichern dem Ort seinen Verkehr mit der Umgegend hinreichend, überdies beträgt die Entfernung bis zum nächst gelegenen Bahnhof Mühlacker nur 3/4 Stunden.
Die Einwohner erfreuen sich einer guten Gesundheit und nicht selten eines hohen Alters, gegenwärtig sind 12 Personen über 80 Jahre alt; ihre Vermögensumstände gehören zu den besseren des Bezirks, indem der vermöglichste Bürger 56 Morgen, der sog. Mittelmann 22 Morgen und die unbemitteltste Klasse 11/2 Morgen Grundeigenthum besitzt. Unterstützung von Seiten der Gemeinde erhalten gegenwärtig 12 Personen. Die Hauptnahrungsquellen der Einwohner bestehen in Feldbau, Viehzucht, Wein- und Obstbau; von den Gewerben sind außer den gewöhnlichen Handwerkern zu nennen: eine großartige, mit gutem Erfolg betriebene Leinwandbleiche, eine Ölmühle, 4 Schildwirthschaften, eine Bierbrauerei mit Schenkwirthschaft, 2 Kauf- und 4 Kramläden; von den Handwerkern arbeiten Zimmerleute, Maurer und Weber auch nach außen. Außerhalb des Orts besteht eine Mühle mit 2 Mahlgängen und einem Gerbgang.
Die ziemlich große, schön arrondirte Markung hat, soweit sie für den Feldbau benützt wird, eine flachwellige Lage und im allgemeinen einen fruchtbaren Boden, der größtentheils aus einem etwas starken Lehm, untergeordnet auch aus den schwer thonigen Zersetzungen des unteren Keupermergels und aus den leicht sandigen der Lettenkohlengruppe besteht; ein großer Theil des gegen Nordwesten gelegenen Wiesengrundes ist moorig und zum Theil torfig, daher hier auch saures Futter erzeugt wird, ein Übelstand, dem übrigens in den letzten Jahren durch angelegte Entwässerungsgräben wesentlich begegnet wurde.
Das Klima ist ziemlich mild, doch schaden nicht selten Frühlingsfröste und kalte Nebel, die aus dem feuchten Wiesengrund aufsteigen; Hagelschlag gehört zu den Seltenheiten.
| Der Zustand der Landwirthschaft ist gut, obgleich die ältere Generation noch etwas am Alten hängt, dagegen huldigt die jüngere mehr und mehr dem Fortschritt; der Brabanter Pflug ist allgemein geworden und die Walze wird vielfältig angewendet, während die eiserne Egge nur hier und da gebraucht wird. Zum Anbau kommen die gewöhnlichen Cerealien und unter diesen vorherrschend Dinkel und Haber, ferner Kartoffeln, Futterkräuter jedoch wegen der vielen Wiesen nicht in großer Ausdehnung, Ackerbohnen, Erbsen, Linsen, Mohn für den eigenen Bedarf und Hanf, der auch theilweise nach außen verkauft wird. Von den Getreidefrüchten können jährlich 1500 Scheffel Dinkel, 100 Scheffel Gerste und 1200 Scheffel Haber nach außen, vorzugsweise nach Baden abgesetzt werden.Der sehr ausgedehnte Wiesenbau liefert ziemlich gutes Futter, von dem viel nach außen verkauft wird.
Auf 120 Morgen, von denen etwa die Hälfte im Ertrag steht, wird Weinbau getrieben; auf den Morgen kommen 2000 Stöcke und zwar meist rothe und weiße Elblinge, Silvaner, Lomersheimer Schwarze, Gutedel und Drollinger zu stehen, die meist den Winter über bezogen werden. Das Erzeugniß ist ziemlich gut und in den letzten 10 Jahren betrug der niederste Preis 33 fl. und der höchste 75 fl. für den Eimer. Der Wein wird theilweise in der Umgegend abgesetzt.
Die im Zunehmen begriffene Obstzucht erlaubt in günstigen Jahren einen Verkauf von 1500–2000 Simri; man pflanzt meist Mostsorten, die hier gerne gerathen, wie Luiken, Fleiner, Schafnasen, Weiningsäpfel, Knaus-, Brat- und Wöhrlesbirnen, von Steinobst, Zwetschgen.
An Gemeindewaldungen sind 1400 Morgen vorhanden, die durchschnittlich 350 Klafter und 30.000 Stück Wellen ertragen; hievon erhält jeder Bürger 1/2–3/4 Klafter und 100 Stück Wellen; das übrige, insbesondere das Oberholz wird verkauft, was der Gemeindekasse etwa 5000 fl. jährlich einträgt; überdies bezieht die Gemeinde aus etwa 50 Morgen eigentlicher Weide und der Brach- und Stoppelweide nebst der Pferchnutzung eine Pachtsumme von 1000 fl. und aus verpachteten Allmandstücken 650 fl.
Die Pferdezucht ist von keiner Bedeutung, dagegen die Pferdehaltung von einigem Belang.
In gutem Stande ist die mit einem Neckarschlag sich beschäftigende Rindviehzucht, die durch 3 aufgestellte Farren nachgezüchtet wird. Der Handel mit Vieh ist unbedeutend, dagegen wird für etwa 360 fl. jährlich Milch nach Pforzheim verkauft.
Die Schafweidepächter lassen den Sommer über 300 und den Winter über 500 Stück Bastardschafe auf der Markung laufen.
An besonderen Stiftungen sind 625 fl. vorhanden, unter denen 100 fl. für Verwandte der Vollmerschen Eheleute und 50 fl. von | Probst Lenz gestiftet sind zur Anschaffung von Kleidungsstücken für Unbemittelte; die übrigen Zinse werden nach dem Willen der Stifter, theils in Brod, theils in Geld an Arme ausgetheilt.Von Überresten aus grauer Vorzeit haben wir anzuführen: eine römische Straße, die unter dem Namen Hohe Straße von Ötisheim gegen Kieselbronn und weiter nach Pforzheim führt; an ihr kommt südlich von Ötisheim der Flurname Kalkofen vor, man fand hier schon Gebäudespuren, die vielleicht römischen Ursprungs gewesen sind, was um so mehr zu vermuthen ist, weil die Benennung Kalkofen öfters Stellen zukommt, auf denen römische Gebäude standen; auch die Volkssage, daß der Ort früher größer gewesen und der Erlenbach mitten durch denselben gelaufen sei, unterstützt diese Vermuthung. Überdies ist man in den Krautgärten bei Ötisheim schon auf Grundmauern, Pflaster, Backsteine, Gefässefragmente und Ziegel gestoßen, welch letztere nach der Beschreibung römische waren, so daß man fast mit Gewißheit annehmen darf, bei Ötisheim sei eine römische Niederlassung gestanden, wozu sich auch dieser Punkt vortrefflich eignete.
Etwa 1/2 Stunde südwestlich von Ötisheim stand unfern der Landesgrenze und der oben angeführten Hohen Straße der längst abgegangene Ort Thalfingen (Dalfingen), der vermuthlich auf einen ehemaligen Römerort gegründet wurde. In der Nähe von Corrès entdeckte man entschiedene Überreste eines römischen Wohnplatzes; man fand dort Grundmauern, römische Ziegel, Bruchstücke von römischen Gefässen, Heizröhren etc.
Aus altgermanischer Periode kommen Grabhügel vor, in dem 1/2 Stunde nordwestlich gelegenen Gemeindewald Schanzhau 2, in dem Staatswald Hirschwald 1/4 Stunde westlich vom Ort 2, und bei Corrès 1. Ferner wurden bei Erlenbach Reihengräber aus der fränkischen Periode entdeckt, die außer den menschlichen Skeletten Waffen, Gefässe etc. enthielten. Südöstlich von Ötisheim kommt der Flurname Kolbenhausen vor, was auf einen abgegangenen Ort hindeutet. Aus allem geht hervor, daß die Gegend zunächst um Ötisheim schon in den frühesten Zeiten bewohnt war.
Bei Anlage der Eisenbahn im Jahr 1851 wurde zwischen Maulbronn und Ötisheim von einem Arbeiter ein Topf ausgegraben, in welchem sich verschiedene Silbermünzen mit den Jahreszahlen von 1674 bis 1684 befanden.
Noch ist die sog. Ulmerschanze, die an der Landesgrenze im Schanzhau gut sichtbar hinzieht, zu erwähnen.
Ötisheim heißt ursprünglich Autinesheim, 1236 Outensheim, 1312 Othenshein, 1356 Oetinsheim, 1370 Oettishein.
Kl. Weißenburg bekommt hier Güter 756 (Trad. Wiz. 211), Kl. Lorsch seit 775 (Cod. Laur. II. 441–448).
| Der Ort gehörte vermuthlich zum Reichsgut. Dann kam ein Theil an die Herren von Enzberg. Kl. Maulbronn bekam wohl schon bald nach seiner Stiftung hier Güter. 1236 wird in Betreff derselben ein Vertrag zwischen Kloster und Gemeinde gemacht (Staatsarchiv, vergl. Klunz. Reg. 9), Juli 1240 ihm die Allmende und 19. Okt. 1285 das Vogtrecht über die Enzberg’schen Güter hier zugesprochen. Seit 1312 erwarb das Kloster auch diese Güter. – Die Civil- und Criminalgerichtsbarkeit (2. Instanz, zwischen dem Orts- und kaiserlichen Gericht,) übergab dem Kloster K. Karl IV. 25. Okt. 1376 (Besold Documenta XVIII).Die Kirche incorporirte ihm 30. März 1356 Bischof Gerhard von Speier. 26. März 1475 erhielt sie von dem in Maulbronn weilenden päbstlichen Legaten einen Ablaßbrief zu ihrer Reparation. – Vor 1407 hatte das Kloster den Ort zu befestigen angefangen. Später war er durch Palissaden und Wassergraben geschützt.
22. Dec. 1461 kam Graf Ulrich von Wirtemberg auf einem Zug gegen die Pfalz hier an (Sattler Gr. 3, 4), wobei es sicher nicht ohne Beschädigung ablief (vergl. eb. Beil. 7). – 1504 wurde Ölbronn von den Wirtembergern geplündert und um 1500 fl. gebrandschatzt.
Auch im 30jährigen Krieg litt es sehr, am ärgsten aber 1692. Am Tag nach dem unglücklichen Treffen gieng es in Flammen auf (18. Sept.), nur eine Reihe Häuser am Wassergraben, Kirche, Pfleghof und Rathhaus blieben stehen. Die Einwohner wurden zerstreut. 1697 waren von 180 Bürgern noch 9 übrig (1699 waren es wieder 50), da die meisten Einwohner theils weggezogen, theils durch Seuchen weggerafft waren. Damals gieng eine Frau, Anna Katharina Wunder, alle Morgen von Haus zu Haus und trug die Todten zum Kirchhof, wo sie dieselben mit Beihilfe eines Mannes begrub (Bericht des Pfarrers Nicolai, der, schon 1730 hier angestellt, die Frau noch kannte). – Bei dem Einsturz eines Hauses wurden 1692 von 12 Personen 8 erschlagen. – 1693, 16. Sept., zog der Markgraf Ludwig von Baden mit seinem Heere hier durch.
An der Grenzscheide des Jahrhunderts legten die Waldenser auf der Markung Ötisheim, wo damals 240 Morgen unbebaut waren, die Orte Corrès und Schönenberg an, auch Sengach bekam davon einen Theil. Die Bevölkerung von Ötisheim, welche um 1730 wieder auf 160 Bürger anwuchs, dann durch Auswanderung nach Jütland und Pennsilvanien auf 140 sank, sah nach dem Zeugniß des Pfarrers sehr schlecht zu dieser Verminderung ihrer Markung. – 1727 widersetzte sich die Bürgerschaft auf Anstiften des Schultheißen Jo. Mich. Vollmer der Errichtung einer Mauer am Pfleghof, durch welche sie die Allmand überbaut glaubte, und demolirte dieselbe gewaltsam, | wofür der Schultheiß mit Absetzung und 1000 Reichsthalern Buße, jeder Richter um 28, jeder Bürger um 2 Reichsthaler gestraft wurde. – Zwei weitere Ötisheimer Schultheißen machten sich komisch bemerklich, der eine, indem er den Pfarrer M. Theodor Fleming (1667–69) aus Mißverstand eines oberamtlichen Ausschreibens in den Ortsarrest setzen ließ, der andere, Erppacher, indem er jungen Burschen, die durch eine Lücke in den Palissaden schlüpften, dies mit der Bemerkung verwies, ein jeder Schelm schlüpfe da durch, er sei auch erst gestern durchgeschlüpft, und so zu einem Sprichwort Veranlassung gab (Nicolai).1796, 14. Juli, kam die kaiserliche Armee hier durch.
In Ötisheim ist 26. Oct. 1767 geboren der Staatsrath Fischer, gestorben in Stuttgart 2. Jan. 1841.
Zu der Gemeinde gehören:
b) Corrès, 1/2 Stunde westlich von dem Mutterort an der Vicinalstraße von Ötisheim nach dem badischen Dorf Dürrn freundlich und frei gelegen. Der kleine Ort besteht nur aus Einer Straße, an der sich die meist kleinen, jedoch freundlichen, durch Gärtchen von einander getrennten Häuser lagern.
Der Begräbnißplatz liegt am nördlichen Ende des Orts.
Die Kinder besuchen die Schule in Ötisheim, wohin der Ort eingepfarrt ist.
Gutes Trinkwasser ist vorhanden.
Die Einwohner, Nachkommen der im Jahr 1699 eingewanderten Waldenser, sind fleißig, rührig und geordnet.
Die natürlichen und landwirthschaftlichen Verhältnisse sind gleich denen im Mutterort, dagegen die ökonomischen minder befriedigend.
Corrès ist eine um 1700 auf Ötisheimer Markung gegründete Waldenserkolonie.
c) Erlenbach, liegt 1/2 Stunde südöstlich vom Mutterort am Erlenbach.
« Kapitel B 13 | Beschreibung des Oberamts Maulbronn | Kapitel B 15 » | |||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|