Beschreibung des Oberamts Laupheim/Unter-Kirchberg

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Unter-Kirchberg.
Gemeinde III. Klasse mit 710 Einw.    a. Unter-Kirchberg, Pfarrdorf, 667 Einw.    b. Mussingen, Weiler, 43 Einw. – Kathol. Pfarrei.
An dem Vereinigungspunkt des Weihung-Thales mit dem Iller-Thale liegt vier Stunden nordöstlich von Laupheim und zwei Stunden südlich von Ulm, der weitläufig gebaute, große, mit Obstgärten umgebene Ort, in seiner nicht unbeträchtlichen Länge durchflossen von dem Flüßchen Weihung, welches denselben in zwei ungleiche Gruppen theilt. Die größere derselben ist auf der linken Seite des Flüßchens an dem östlichen Thalabhange hingebaut, und die andere liegt theils an den westlichen Thalgehängen, theils auf dem schmalen Bergrücken zwischen Weihung und Iller. Nur etwa zehn Wohnungen stehen in dem engen Thale selbst, und die Bewohner derselben werden dort nicht selten von den durch Thauwetter oder anhaltendem Regen aus dem Bett getretenen Fluthen des sonst unbedeutenden Flüßchens heimgesucht. Auf dem Rücken zwischen Weihung und Iller, an dessen äußerster Spitze gleichsam auf dem nördlichsten Hügel der Iller-Thalgehänge, sind malerisch die ansehnliche Pfarrkirche und das großartige Pfarrhaus gelegen. Von dieser Rückenspitze, auf welcher, nach ausgegrabenen Mauerresten und der ihr noch zukommenden Benennung „untere Burg“ zu schließen, ehemals eine Befestigung oder Burg gestanden, genießt man eine reizende, sehr ausgedehnte Fernsicht in das Illerthal und in die weite Donauebene, an den südlichen Abfall der Alp von Erbach bis unterhalb Elchingen, sowie in das zunächst angrenzende bayerische Flachland. Am östlichen Fuße des Hügels, an dem beinahe senkrechten Abhang desselben, schlagen die Wellen der wilden Iller, und in einer Entfernung von 3/4 Stunden ist Wiblingen mit seiner imposanten Kirche und den ehemaligen Klostergebäuden sichtbar, während weiter nördlich die Bundesfestung Ulm, aus deren Mitte sich majestätisch das großartige Münster erhebt, einen Ruhepunkt für das Auge bildet; wendet man sich gegen Südosten, so erblickt das Auge in weiter Ferne die Tyroler Hochgebirge, welche die Aussicht dem Illerthal entlang so malerisch begrenzen.| Das Dorf selbst ist unregelmäßig gebaut, jedoch haben sich die Ortsstraßen in neuerer Zeit wesentlich gebessert.

Die Pfarrkirche zum heil. Martin wurde unter Georg Hacker, Abt zu Wiblingen, im Jahr 1517 gebaut und später mehrfach verändert, namentlich erlitt ihr Inneres schon im Jahr 1552 von dem Heere des Markgrafen von Brandenburg eine furchtbare Zerstörung, worauf sie der Abt Urban Hafner nothdürftig wieder herstellen ließ. Der viereckige, mit einem Zeltdach versehene Thurm wurde erst im Jahr 1784 unter Abt Roman Fehr ganz einfach erbaut; früher war das Glockenhaus etwa dreißig Schritte von der Kirche entfernt und die Glocken hingen nur 7′ über dem Boden. Das geschmacklos veränderte Äußere des Langhauses hat an der westlichen Giebelseite außer einer Inschrift, nach welcher der Bau der Kirche im Jahr 1517 angefangen wurde, eine eingemauerte architektonische Verzierung, welche irriger Weise für die Jahreszahl 444 gehalten, nichts anderes als der Rest eines ehemaligen Frieses ist. Der mit einem halben Achteck schließende Chor hat Strebepfeiler und theilweise noch spitzbogige Fenster. Das weißgetünchte Innere enthält neben mittelmäßigen, von dem Laienbruder Martin Dreyer ausgeführten Deckemalereien, drei im Rococcogeschmack gefaßte Altäre, mit Gemälden von Huber aus Weissenhorn und zwar: der Hochaltar die Kreuzigung, die beiden Seitenaltäre die Flucht nach Ägypten und den englischen Gruß darstellend.

Der Begräbnißplatz liegt um die Kirche; das Beinhaus auf demselben wurde 1821 in ein Oratorium für diejenigen umgeschaffen, welche außer der Zeit des öffentlichen Gottesdienstes ihre Privatandacht verrichten wollen.

Südlich von der Kirche steht das im Jahre 1764 unter Abt Modest Kauffmann von Wiblingen erbaute Pfarrhaus, welches mit Nebengebäuden, Gärten, Hofraum etc. einen wohlgeschlossenen Pfarrsitz bildet, dessen Lage zu den schönsten des Bezirks gehört.

Außer dem Wohngebäude des Schulmeisters, das im unteren Stock ein Zimmer für den Gemeinderath enthält, ist ein im Jahr 1836 neu erbautes Schulzimmer einzeln hinter der Kirche stehend vorhanden. Auch befindet sich ein Armenhaus im Dorf. Mit gutem Trinkwasser sind die im Thal gelegenen Partien des Orts hinreichend versehen, auf der Anhöhe aber, wo sich nur einige Pumpbrunnen befinden, entsteht in ganz trockenen Jahrgängen zuweilen Wassermangel. Im Jahr 1851 veränderte die Iller ihren Lauf und drängte sich bis an den Fuß der sogenannten Blaiche; hiedurch wurde nicht nur die Weihung, welche neben der Iller herlief und erst unterhalb Wiblingen einmündete, abgeschnitten und | mehr oben der Iller zugeführt, sondern auch in der Thalebene an Wiesen und Äckern großer Schaden angerichtet.

Die Einwohner sind, mit wenigen Ausnahmen, ziemlich unbemittelt, so daß ein großer Theil derselben darauf angewiesen ist, sein Brod durch Taglohnarbeiten in Ulm und in der Umgegend zu verdienen; die Haupterwerbsquellen der übrigen bestehen in Feldbau und Viehzucht; auch bringt der Handel mit Butter, Schmalz, Geflügel etc. einigen Erwerb.

Im Allgemeinen herrscht Ordnungsliebe und Betriebsamkeit. In körperlicher Hinsicht sind die Bewohner gesund, kräftig, und erreichen häufig ein hohes Alter, was für das gesunde Klima der Gegend spricht. Hagelschlag kommt ziemlich selten vor. Auf der mittelgroßen, zum Theil unebenen Markung, besitzen auch Einwohner von Wiblingen Güterstücke, wie denn überhaupt das Zerstückeln der größeren Güter unter dem Einfluß der Juden sehr eingerissen hat und auf die Vermögens-Umstände der Einwohner nachtheilig wirkt.

Der meist fruchtbare Boden besteht theils aus Lehm, theils aus Thon, stellenweise mit Geröllen und Sand, aus welchen häufig die Unterlage besteht, untermengt. Mergel und Töpfererde findet sich an mehreren Stellen; der Molassesandstein, der auch Platten liefert, wird an dem steilen Abhange gegen die Iller gewonnen. Sand und Kies (Gerölle) kommt an der Iller in Menge vor.

Die Landwirthschaft wird mit großem Fleiß betrieben und zur Besserung des Bodens, außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln, hauptsächlich die Jauche, ferner Gyps, Mergel und Asche angewendet. Zur Bestellung des Feldes bedient man sich der verbesserten Pflüge, welche theils mit Pferden, theils mit 2 – 4 Stücken Melkvieh bespannt werden. Im System der Dreifelderwirthschaft mit zu 3/4 angeblümter Brache baut man außer den gewöhnlichen Cerealien noch Erbsen, Linsen, Wicken, Flachs, Reps und Futterkräuter; Hanf kommt nur wenig zum Anbau. Auf den Morgen rechnet man Aussaat 6 Simri Dinkel, 6 Simri Hafer, 3 Simri Gerste und 31/2 Simri Roggen; der durchschnittliche Ertrag wird zu 5 – 9 Scheffel Dinkel, 6 – 7 Scheffel Hafer, 4 – 41/2 Scheffel Gerste und 31/2 Scheffel Roggen angegeben.

Der Absatz der Feldprodukte, namentlich Dinkel, findet hauptsächlich nach Ulm statt.

Die höchsten Preise eines Morgens Acker betragen 500 fl., die mittleren 250 – 300 fl., und die geringsten 50 fl.

Die Gemüsegärtnerei treibt nur ein Mann gewerbsmäßig und setzt seine Erzeugnisse an die Ortseinwohner ab. | Der Wiesenbau liefert im Allgemeinen gutes Futter und die Wiesen sind, mit Ausnahme der auf bayerischem Gebiet gelegenen, zweimähdig, übrigens ohne Wässerung. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens Wiese wird zu 20 Centner Heu und zu 10 Centner Öhmd angegeben. Die Preise bewegen sich von 150 – 400 fl. per Morgen.

Früher scheint auch etwas Weinbau getrieben worden zu sein, da die Benennung „in dem Weinberge“ auf der Markung vorkommt.

Die Obstzucht, der sich hauptsächlich ein Söldner, Johann Georg Klauser, annimmt, ist sichtlich im Zunehmen begriffen, obgleich eine besondere Baumschule immer noch fehlt. Man zieht hauptsächlich die gewöhnlichen Äpfel- und Birnensorten; Aprikosen und Pfirsiche kommen nur an sonnenreichen, windstillen Stellen zuweilen zur Reife. In reichlicheren Obstjahren wird das geringere Obst gemostet, das bessere verkauft oder frisch und gedörrt verspeist.

Ein Gemeindegerechtigkeitswald nebst Griesen von ungefähr 50 Morgen ist vorhanden, dessen unbedeutender Ertrag 66 holzberechtigten Bürgern zukommt.

Zur Schafzucht wird die Brach- und Stoppelweide in Pacht gegeben, welches der Gemeinde gegen 150 fl., die Pferchnutzung aber 70 – 80 fl. jährlich einträgt.

Die mit einer grobknochigen, rothen Landrace sich beschäftigende Rindviehzucht ist bedeutend; neben zwei Landfarren, die ein Bürger gegen eine jährliche Gemeindeentschädigung von 36 fl. und 11/2 Morgen Wiesennutzung unterhält, befinden sich noch zwei Privatfarren im Ort. Der Verkauf von Vieh findet theils auf benachbarten Märkten, theils an Händler, welche sich im Ort einstellen, in beträchtlicher Ausdehnung statt. Die Pferdezucht ist von keinem Belang.

Auch die Schweinezucht ist unbedeutend; die meisten Ferkel werden auswärts aufgekauft, gemästet und dann wieder zum Verkauf gebracht.

Gänse und Enten werden gezogen und meistens verkauft.

Die Bienenzucht betreiben mehrere Bürger mit Glück und setzen den gewonnenen Honig, wie das Wachs, nach Ulm ab.

Mit Ausnahme einer mitten im Ort an der Weihung stehenden Mühle mit drei Mahlgängen und einem Gerbgang, dienen die vorhandenen Gewerbe nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen.

Das durch die Handspinnerei gewonnene Leinengarn wird teilweise nach Außen verkauft. Im Ort bestehen zwei Schildwirtschaften. | Nur die Ulm–Leutkircher Straße führt durch den Ort und setzt denselben mit der Umgegend in Verbindung; der Verkehr mit den auf dem jenseitigen Ufer der Iller gelegenen bayerischen Orten wird, seit die Brücke im Jahr 1807 von den Franzosen niedergebrannt wurde, durch eine bayerischer Seits angelegte Fähre bewerkstelligt. Im Ort selbst führen zwei hölzerne Brücken und einige Stege über die Weihung.

Über das Gemeinde- und Stiftungsvermögen s. Tabelle III.; eine Armenpflege mit einem Fonds von 1396 fl. ist vorhanden.

Bemerkenswert ist, daß sich im Jahr 1619 in der Nacht vom 16. Januar die Anhöhe, worauf die Kirche steht, von selbst gespalten hat, so daß sie nun zwei Hügel bildet.

Auf der sogenannten Bleiche, 1/8 Stunde nördlich von Unter-Kirchberg, befinden sich unter der Erdfläche, hauptsächlich auf einem dem Müller Joseph Anton Enderle gehörigen Grundstück, namhafte Substructionen römischer Gebäude, Estrichböden etc.; man gräbt daselbst nicht selten Backsteine, Ziegel- und Gefäßefragmente aus, auch römische Broncemünzen sind schon zum Vorschein gekommen (s. hierüber den allgemeinen Theil).

Zunächst des gegenwärtigen Begräbnißplatzes entdeckte man im Jahr 1839 viele alte Gräber, die außer den Skeletten Waffen, namentlich sogenannte Sachse, enthielten.

Unter-Kirchberg gehörte zur Grafschaft Kirchberg-Weissenhorn, und der dermalige Grundbesitzer ist Raimund Ignaz Johann Nepomuk Maria Graf v. Fugger-Kirchberg, Weissenhorner Linie, geboren 1810. Den Zehnten „in Chirchberg“, welchen bisher der Staat bezog, der auch das Pfarr-Patronat hat, besaß das Kloster Wiblingen durch Überlassung Bischof Gebhards von Constanz, † 1110 laut Urkunde Pabst Eugens III. vom 6. Februar 1148 (Wirt. Urkundenbuch 2, 46) und ebendaselbst die Kirche laut Urkunde Pabst Cölestins III. vom 1. Juni 1194. Am 22. April 1379 gestattete Bischof Heinrich von Constanz dem Kloster Wiblingen, solche Kirche durch einen ihrer Mönche versehen zu lassen (St.-A.); indeß hatte das Kloster doch noch im Jahr 1431 die Beihilfe des Pabst Eugen IV. nöthig, um ihr damals gekränktes Patronatrecht zu behaupten.

Die Pfarrei hatte viele, mit Ausnahme von Mussingen, ihr sämmtlich hauptsächlich in den Jahren 1818 und 1819 abgenommene Filialien. Ober-Kirchberg wurde zu einer selbstständigen Pfarrei erhoben, welcher die Filiale Beutelreusch, Buch und Oberweiler zugegeben wurden, Essendorf wurde nach Steinberg eingepfarrt, Unterweiler mit Fischbach kam nach Wiblingen. | Ein Söldengut dahier trug die Roth’sche Familie zu rechtem Mannlehen, welches von der Grafschaft Kirchberg herrührte.

Nach einem Vertrag Ulm’s mit Graf Wilhelm Fugger von Kirchberg vom Jahr 1476, durfte Ulm ein Zollhaus zu Unter-Kirchberg ungehindert bauen.

Im Jahr 1352 kaufte Kloster Söflingen hier ein Hofgut, im Jahr 1568 der deutsche Orden von dem Kloster Elchingen für 1648 fl. ein solches.

In Folge des Preßburger Friedens von 1805 nahm Bayern Besitz sowohl von der Grafschaft Kirchberg, als auch von dem Kloster Wiblingen, welches letztere, wie erwähnt, die hiesige Kirche besaß. Am 27. März 1806 wurde an das hiesige Pfarrhaus das bayerische Wappen angeheftet, dasselbe aber bereits am 10. Sept. 1806 mit den zur Pfarrei gehörigen Filialen Essendorf, Unterweiler, Fischbach und Ziegelstadel von Württemberg in Besitz genommen. Am 17. November 1810 kam das Dorf selbst mit den Filialen Buch, Beutelreusch, Mussingen, Oberweiler und Ober-Kirchberg, nachdem sie nicht ganz vier Jahre unter k. bayerischer Hoheit gestanden hatten, auch an die württembergische Krone.

Gegen Eingang der lutherischen Lehre wirkte Octavian Fugger in den Jahren 1581 und folgende durch strenge Befehle.

Der zur Gemeinde kirchlich und politisch gehörige Weiler

Mussingen, aus mehreren ansehnlichen Bauernhöfen bestehend, hat 1/4 Stunde südlich von dem Mutterort, auf einer freien Anhöhe hinter Obstbäumen versteckt, eine angenehme und gesunde Lage. Die natürlichen und landwirthschaftlichen Verhältnisse sind denen von Unter-Kirchberg gleich.

Der Weiler gehörte zum Landgericht Söflingen. Vordem erkannte er die österreichische Steuer- und Landeshoheit und war eine Zugehörde zum Kreisbezirk Burgau. Die hohen Regalien übte Kirchberg. Mit einem hiesigen Hof war am Ende des 15. Jahrhunderts Ludwig Rottengatter, Bürger zu Ulm, belehnt. Später tragen die von Schad auf Mittelbiberach die hiesigen Höfe zu Mannlehen. Rosine Euphrosine, geb. Schad von Mittelbiberach, brachte im Jahr 1824 an ihren Gemahl, Viktor Hardt v. Wellenstein, dessen hiesigen Besitz. Ein Gut allhier hatte auch das Kloster Wiblingen.