Beschreibung des Oberamts Laupheim/Ober-Holzheim
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Auf der Hochebene zwischen der Roth und der Schmiehe liegt 11/8 Stunde nordöstlich von Laupheim und 41/2 Stunde südwestlich von Ulm frei und angenehm der freundliche, reinlich gehaltene Ort, dessen stattliche Bauernhäuser mit nebenstehenden, abgesonderten großen Scheunen, Wohlhabenheit bekunden. Die zuweilen noch auf den Scheunen sichtbaren Strohdächer weichen immer mehr dem schöneren und zweckmäßigeren Plattendache. Die Kirche, mit dem im Jahr 1852 namhaft renovirten angenehmen Pfarrhause, nimmt in dem hochgelegenen Dorfe den höchsten Punkt ein, von dem man eine äußerst freundliche, ausgebreitete Aussicht in das Roth-Thal und in die ebenso schöne als fruchtbare Donaugegend, mit dem auf eine große Strecke sichtbaren Fluß, genießt. In dem Hintergrunde gegen Norden und Nordwesten erhebt sich die Ulmer-Blaubeurer und Zwiefalter Alp, während man gegen Westen und Südwesten einen großen Theil des oberschwäbischen Hochlandes mit seinen lachenden Ortschaften überblickt, aus dem in nicht zu großer Entfernung der majestätische Bussen hervorragt. Gegen Süden schweift das Auge dem mit vielen Dörfern und stattlichen Schlössern gezierten Roth-Thale entlang und erblickt im fernen Hintergrunde die zackigen, schneebedeckten Zinnen der Schweizeralpen.
Die dem heil. Petrus und Paulus geweihte Pfarrkirche wurde im Jahr 1739 von dem Kloster Gutenzell, als damaligen Grundherrn, mit einem Beitrag des Hospitals Biberach, in einem modernen einfachen Rundbogenstyle mit halbrundem Chorschluß, neu erbaut; dem alten, viereckigen, noch aus der romanischen Periode stammenden Thurme wurde in neuerer Zeit ein achteckiges Stockwerk aufgesetzt, das mit einem Bohlendach gedeckt ist, aus dem noch ein kleines Thürmchen mit Zeltdach (Laterne) emporwächst. Auf demselben genießt man eine ausgezeichnete Rundsicht, die sich über| 72 Ortschaften erstreckt. Von den vorhandenen zwei Glocken ist die eine 1692, die andere 1826 gegossen. Innen ist die Kirche hell, weiß getüncht und die flache Decke mit Fresken bemalt, an den Wänden hängen mehrere kunstlose Bilder, die, wie auch das ziemlich gut gemalte Altarbild und die Kanzel, im Rococcogeschmack verziert sind.Der mit einer Mauer umfriedigte Begräbnißplatz, auf den auch die Evangelischen des Weilers Hochstetten (s. Gemeinde Burgrieden) beerdigt werden, liegt um die Kirche.
Das Schulhaus, welches zugleich die Wohnung des Schulmeisters und die Gemeinderathszimmer enthält, wurde im Jahr 1838 an einer freien, angenehmen Stelle des Orts neu erbaut.
Ein öffentliches Backhaus wurde im Jahr 1840 errichtet.
Mit gutem Trinkwasser, das jedoch nur aus Pumpbrunnen gewonnen wird, ist der Ort hinreichend versehen; auch besteht eine Wette im Dorf.
Vermöge der hohen Lage des Orts ist die Luft etwas scharf und trocken, übrigens gesund; im Roth-Thal dagegen sind feuchte Nebel und Frühlingsfröste häufig; außer den gewöhnlichen Felderzeugnissen gedeihen noch feinere Obstsorten, Gurken, Bohnen, Carviol, Spargel etc.; die Ernte tritt etwa 14 Tage früher als in den milderen Gegenden der Alp ein. Hagelschlag kommt selten vor. Die Einwohner sind von gesundem, kräftigem Körperbau und von gemüthlichem Charakter. Nach alter Sitte gehen die ledigen Personen nicht mit den Verheiratheten zu Gottestisch, sondern jedesmal abgesondert je nach der Ordnung ihres Communiontages. Die Kleidertracht, namentlich die des weiblichen Geschlechts, welche Ähnlichkeit mit der Steinlacher Tracht hatte, weicht immer mehr einem bunteren, städtisch-bürgerlichen Costüme. Im Allgemeinen sind die Einwohner in guten Vermögensumständen, und die Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau, Rindvieh- und Pferdezucht; der größte Güterbesitz beträgt etwa 100 Morgen. Die Gewerbe sind ganz untergeordnet und dienen mit Ausnahme von einer Schildwirthschaft, zwei Brauereien, drei Krämern und einer im Jahr 1832 südöstlich vom Ort erbauten Ziegelhütte kaum den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen.
Die Landwirthschaft wird mit großem Fleiße betrieben, und zur Besserung des Bodens kommt außer dem gewöhnlichen Stalldünger hauptsächlich Gülle, Gyps und Kompost in Anwendung.
Die Feldgüter der mittelgroßen Markung liegen, mit Ausnahme der ganz unbeträchtlichen Gehänge gegen das Roth-Thal und einigen Seitenthälchen desselben, beinahe eben und haben im | Allgemeinen einen sehr fruchtbaren Boden, welcher auf der Höhe aus einem bündigen, eher schweren als leichten Lehm mit thonigem, zuweilen auch kiesigem Untergrunde, besteht, während in dem Thale der Moorgrund mit geringer Humusdecke vorherrscht, auf dem sich stellenweise, in Folge der häufigen und nicht selten verheerenden Überschwemmungen der Roth, ein leichter Sand abgelagert hat. Auf letzterem wird mehr Roggen gepflanzt, der aber wenig Gedeihen zeigt, so daß die Brachanpflanzung öfters lohnender sich herausstellt, als die Halmfruchtbestellung; die moorigen Gründe werden meist für den Wiesenbau benützt, dagegen gedeihen in den bündigen Böden der höher gelegenen Gegend alle gewöhnlichen Feldfrüchte, namentlich der Dinkel, vortrefflich; die ergiebigsten Güter liegen in den Gewänden hinter dem Öschbach, Zwirnen, Niederbrühl, beim Bild, Bihlafinger-, Hüttisheimer- und Bronner Weg etc.Nach der Dreifelderwirthschaft werden die gewöhnlichen Cerealien, Dinkel, Roggen, Gerste, Hafer, reine Wicke, Wickenhafer und Linsengerste, gebaut und in der stark angeblümten Brache zieht man Kartoffeln, Futterkräuter (Klee, Wicken etc.), Reps, viel Flachs und wenig Hanf; beide Spinngewächse erreichen keine besondere Feinheit und werden nur für das eigene Bedürfniß verwendet. Der sehr bedeutende Getreide-Absatz geht auf die Fruchtmärkte nach Biberach und Ulm, in neuester Zeit aber besonders nach Laupheim. Die höchsten Preise eines Morgens Acker sind 300 fl., die mittleren 200 fl. und die geringsten 150 fl. Der Pflug wird in der Regel mit zwei Pferden oder zwei Kühen bespannt, welche in dem gesteinlosen Boden leicht arbeiten; die Anspannung der letzteren geschieht durch leichte Brustkummete.
Die immer mehr zunehmende Obstzucht beschränkt sich hauptsächlich auf die nächste Umgebung des Orts und auf die an den bedeutenderen Straßen gepflanzten Bäume; das Obst gedeiht in den hohen, gegen Nebel und Frost mehr geschützten Lagen sehr gerne, besonders zeigen die Wasser-, Speck-, Weissenhorner- und Knausbirnen ein gutes Fortkommen; auch feinere Sorten, wie Muskateller-, Bergamotbirnen etc. gerathen noch. An Steinobst sind es Zwetschgen und Kirschen, zuweilen auch Pfirsiche, welche gepflegt werden. Das gewonnene Obst wird durchgängig nur für den eigenen Verbrauch theils gedörrt, theils gemostet.
Die Wiesen, welche größtenteils im Roth-Thal, theilweise auch in den Seitenthälchen desselben liegen, sind, was erstere anbelangt, mehr oder weniger ergiebig, letztere aber liefern vieles und gutes Futter. Die entfernteren Wiesen im Ried, von denen viele nur einmähdig sind, erzeugen wegen ihres moorigen Grundes nicht | selten saures Futter und bedürfen zuweilen der Entwässerung. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens Wiese wird zu 15 Centner Heu und 10 Centner Öhmd angegeben. Die Preise der Wiesen stehen etwas höher als die der Äcker.Die Gemeinde besitzt 62 Morgen meist mit Nadelhölzern bestockte Waldungen, welche einen reinen Ertrag von etwa 200 fl. jährlich gewähren; dieselben gehörten früher 36 Gemeindebürgern, welche zur Nutzung der Waldungen berechtigt waren, und kamen erst im Jahr 1845 mittelst einer Abfindungssumme von 2280 fl. an die Gemeinde. Einige Bürger besitzen 6–10 Morgen Privatwaldungen.
Eigentliche Weiden sind nur etwa 20 Morgen vorhanden; diese, wie die Brach- und Stoppelweide, werden zur Schäferei verpachtet; die Gemeindekasse bezieht hiefür als jährlichen Pacht etwa 160 fl. und für den Pferch 150–170 fl. Im Herbste werden die Weiden auch für das Rindvieh benützt.
Bei der nicht unbedeutenden Pferdezucht wird neuerlich den Racepferden mehr der Vorzug gegeben, wiewohl der gewöhnliche Landschlag immer noch heimisch ist. Die Stuten kommen theils auf die nächstgelegenen Beschälplatten, theils werden sie von patentisirten Hengsten bedeckt. Der Verkauf von Pferden zu namhaften Preisen ist beträchtlich. Die Rindviehzucht wird sehr gut betrieben; der feingliederige, namentlich Allgäuer-Schlag, wird wegen des größeren Milcherzeugnisses, der grobgliederigen, schäckigen Schweizerrace vorgezogen. Zur Kreuzung sind von der Gemeinde zwei Simmenthaler Farren angeschafft worden, welche ein Bürger gegen jährlich 90 fl. und der Benützung einer 16/8 Morgen großen Wiese hält. Viehmastung findet meist für den eigenen Verbrauch statt, während nicht gemästetes Vieh aus benachbarten Märkten häufig zum Verkauf kommt.
Die Schafzucht wird von einigen Bauern betrieben; Schafe und Wolle kommen auf dem Markte in Ehingen zum Verkauf.
Die Schweinezucht ist gleichfalls unbedeutend, und in Folge der Kartoffelkrankheit und der höheren Fruchtpreise hat auch die Mastung in neuerer Zeit nachgelassen.
Die Zucht der Bienen ist unbedeutend, dagegen wird viel Geflügel, namentlich Gänse, gezogen, und theils in Ulm, theils an Händler im Ort, verkauft.
Dem Verkehr mit näheren und entfernteren Orten dienen die Vicinalstraßen nach Bihlafingen, Hüttisheim, Bronnen, Burgrieden und Achstetten, welch letztere in die Ulm–Biberacher Hauptstraße einführt. Überdieß ist der Ort von der nächstgelegenen Eisenbahnstation Rißtissen nur etwa 5/4 Stunden entfernt. | In der Kiesgrube an der Straße nach Achstetten kommen feinkörnige Molassesandsteine gleichsam als Fündlinge vor, die zu Bau- und Werksteinen benützt werden.Zur Pfarrei, deren Besetzung dem Staate zusteht, gehören als Filialisten die evangelischen Einwohner von Burgrieden, Bürg und Hochstetten. Außer diesen sind noch die evangelischen Einwohner von Laupheim, Hüttisheim und Bihlafingen der Pfarrei Ober-Holzheim zugewiesen. Der erste evangelische Pfarrer war Ezechiel Jergen von Seussen, welcher im Jahr 1556 vorkommt.
Außer der Ortsschule, an der ein Schulmeister unterrichtet, besteht eine Filialschule mit einem Lehrer in Bürg, welcher die evangelischen Kinder von Burgrieden, Bürg und Hochstetten zugewiesen sind.
Eine Schulstiftung für Burgrieden mit 15 fl. Kapital, deren jährliche Zinsen dem Schullehrer in Bürg zukommen, ist vorhanden.
Im Allgemeinen siehe über den Gemeinde- und Stiftungshaushalt Tabelle Ill.
In Folge der Gefäll-Ablösungen, womit auch die gutsherrlichen Fruchtspeicher aufhörten, entstand hier ein in unentgeldlicher Verwaltung des Gemeinderaths stehendes örtliches Fruchtmagazin (nach Art der in Alt-Württemberg ehemals bestandenen Communfrucht-Vorrathskästen), in welches die Begüterten von ihrer Ernte etwas abgeben, um von dem angesammelten Vorrath den minder Vermöglichen im Fall des Bedarfs mit Brodfrüchten auszuhelfen, die mit einem kleinen Zuschlag in Natur oder in Geld an die Verwaltung zurückzuerstatten sind, aus welcher die Einleger von Zeit zu Zeit den Werth ersetzt erhalten. (Vergl. Blätter für das Armenwesen von 1855. Nro. 45.)
Zu der Gemeinde gehört ein einzeln stehendes Haus „Landstraß“, welches im Jahr 1820 erbaut wurde und den Namen von seiner Lage an der ¼ Stunde westlich vom Mutterort vorbeiführenden Ulm–Biberacher Landstraße erhielt. Außer demselben stehen noch mehrere Häuser im Thal, welche an den Ort Achstetten angrenzen und in den Jahren 1836–1840 erbaut wurden.
Die auf der Ortsmarkung gelegene Holzmühle gehört politisch zu Burgrieden und kirchlich zu Achstetten.
In Oberholzheim ist geboren der berühmte Schriftsteller Christoph Martin Wieland am 5. September 1733, kam jedoch mit seinem Vater, welcher hier Pfarrer war, bald aber nach Biberach versetzt wurde, frühzeitig in letztgenannte Stadt. (Vergl. Oberamt Biberach S. 70.) Er starb zu Weimar den 20. Januar 1815.
Die früheste Nennung des Ortes „Holtzheim“ fällt in den | Anfang des 10. Jahrhunderts, wo bereits eine Kirche hier bestund und das Kloster Weissenburg verschiedene Besitzungen und Gerechtigkeiten hatte (Tradit. Wizenb. ed. Zeuss 298). Der Ort war früher Besitzthum der Ulmischen Bürger Roth und Umgelter, und des Klosters Gutenzell. Der Roth’sche und Umgelter’sche Theil kam an den Spital Biberach. Im Jahr 1579 vertrugen sich Kloster Gutenzell, Spital Biberach und die Rothen zu Ulm wegen der Obrigkeit und Besteuerung ihrer Hintersassen zu Holzheim. Vor dem Jahr 1803 gehörten 2/3 des Dorfes diesem Spital, 1/3 (mit Inbegriff der niederen Jurisdiction) dem Kloster Gutenzell. Der Reichsdeputationsreceß brachte §. 5. den biberachischen Antheil an den Markgrafen von Baden, §. 24. den gutenzellischen an den Grafen von Törring. Der erste Antheil ging durch die Rheinbundesacte im Jahr 1806 an Württemberg über, welches durch dieselbe Acte die Landeshoheit über den gräflich Törring’schen Antheil erhielt.Vor Zeiten hatte die Grafschaft Kirchberg innerhalb Etters die vier hohen Wändel, außerhalb Etters aber die hochmaleficische Jurisdiction, was aber pfandschaftlich an Biberach überging. (Wechsler, Nachrichten von Biberach 200.)
Die hiesige Pfarrei kommt im Jahr 1481 erstmals vor. Das jetzt der Krone Württemberg zustehende Patronatrecht hatte der Magistrat zu Biberach, früher die Herren von Stein. Im Jahr 1536 verboten Bürgermeister und Rath von Biberach dem Holzheimer Pfarrer die Übung der katholischen Ceremonien; die Herrschaft Hürbel als damaliger Collator (Heinrich von Stein zu Hürbel) setzte sich dagegen, bis im Jahr 1544 der Ankauf des Patronats durch die Stadt Biberach diesen Widerstand endigte.
Im Jahr 1628 zog gleichwohl wieder ein katholischer Priester hier ein, mußte aber schon 1632 wieder einem protestantischen Pfarrer weichen (Geschichte der Reformation zu Biberach 83. 96. 150.).