« Kapitel B 9 Beschreibung des Oberamts Kirchheim Kapitel B 11 »
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10. Gemeinde Nabern,

ev. Pfarrdorf mit 514 ev. Einw., früher auch Naborn, 1 Stunde von Kirchheim entfernt, liegt südöstlich von diesem, frei, eben und schön in der Kirchbeimer Thalebene, 1/2 Stunde vom Fuße der Teck. Mitten durch den Ort fließt der Giesnaubach, der zwar bei ganz trockener Witterung wenig Wasser hat, aber bei einem Wolkenbruche in den Bergen zu einem reißenden Strome anwächst. Nabern ist dem Kameralamt Kirchheim zugetheilt und gehört in die III. Klasse. Der Zehente steht ausschließlich dem Staate zu. Von 1818/40 hat die Gemeinde für 10.386 fl. 24 kr. grundherrliche und Jagd-Rechte, namentlich alle Laudemien, dem Staat abgekauft. Außer diesem sind noch zwei Stiftungspflegen gefällberechtigt. Schon im Jahr 1797 hatte sie sich von einem Mühlbanne nach Jesingen mit 2500 fl. freigekauft.

Eine gute Kunststraße von Kirchheim nach Bissingen führt durch den gesund gelegenen Ort, der gutes Wasser und, einschließlich 1 Kelter, 93 Haupt- und 24 Neben-Gebäude hat. Die unten im Dorfe stehende Kirche war anfangs eine Capelle. In dem Chor ist die Inschrift »aedificatum 1487.« Die gute Orgel hat Stadtpfarrer Dorn in Weilheim im vorigen Jahrhundert gestiftet. Der Thurm steht ungefähr 14 Schritte von der Kirche entfernt, aber der Weg in diese führt durch denselben. Der Helm und die zwei obern Stockwerke wurden 1628 erbaut. Die Baulast liegt den örtlichen Kassen ob. Das bei der Kirche gelegene Pfarrhaus hat der Staat zu unterhalten. Die Schulmeisterswohnung wurde 1840 mit einem Aufwand von 1900 fl. gekauft und eingerichtet. Die Einwohner zeichnen sich durch Fleiß, Stille, Ehrbarkeit, Sparsamkeit und Wohlhabenheit aus. Von 1820/27 wurde nur 1 uneheliches Kind geboren. Die unehelichen Geburten verhalten sich zu den ehelichen wie 4 zu 100. S. ob. S. 43. Der Boden ist sehr fruchtbar und beinahe kein Plätzchen unbenützt. Die hauptsächlichsten Erzeugnisse sind: Dinkel, Weizen, Roggen, Sommergerste, Haber, Erbsen und Linsen, Welschkorn und Kartoffeln. Der | Wein ist wohlschmeckend, aber nicht lagerhaft. Hanf wird mehr als Flachs gebaut. Der Obstertrag wurde im Laufe des letzten Jahrzehends durch viele junge Bäume sehr erhöht. 1 Morgen Feld kostet im Durchschnitt 300 fl. Die Schweinzucht ist von Belang; die Rindviehzucht stärker als in allen andern Amtsorten; die Stallfütterung auf die Hälfte des Tages beschränkt. Die Gewerbe werden fast nur als Nebensache betrieben. Im Jahr 1835 waren 8 Linnen- und 2 Baumwollen-Weber auf 12 Webstühlen beschäftigt. Schildwirthschaften sind 2 vorhanden. Das Gemeindewesen ist in Ordnung; das Stiftungsvermögen nicht unbedeutend.

Die Kirche hat keine Filialien. Das Patronatrecht ging mit dem ganzen Zehentrecht 1806 von St. Peter auf den Staat über. Von 1637–1656 versah der Pfarrer von Bissingen die hiesige Kirche. Die Pfarrbesoldung ist in der bei Kirchheim (S. 131) angegebenen Weise verwandelt. An der im Rathhaus untergebrachten Schule stehen 1 Schulmeister und 1 Provisor; in der Industrieschule geben 2 Lehrerinnen Unterricht. Der Gottesacker außerhalb des Orts wurde 1836 angelegt.

Nabern wird schon, wie wir oben S. 97 sahen, im Jahr 861 genannt, wo der Stifter des Klosters Wiesensteig hier begütert war. Frühzeitig kam der Ort aber an Zähringen und von diesem an die Herzoge von Teck und dann theilweise an Österreich. Daß letzteres im Jahr 1314 vogteiliche Rechte hier besaß, haben wir bei Bissingen gesehen. Mit diesem Orte, zu welchem er überhaupt in einem näheren Verhältnisse gestanden, gelangte er an Württemberg. – Die grundherrlichen Rechte waren hier in wenigeren Händen, als die in anderen teck’schen Orten. Den meisten Antheil hatte St. Peter.

Herzog Berthold III. und sein Bruder Conrad trafen ums J. 1100 mit St. Peter einen Tausch, wonach jener, wie dieses sagt, »mansum videlicet unum apud Nabero nobis tradidit et mansum unum quem apud Ohssenwang habuimus, vicissim a nobis recepit, ecclesiam autem eandem apud Nabero pro remedio animae suae beato Petro donavit.« So kam das Kloster in den Besitz des Zehentens | und anderer, 1806 an Württemberg übergegangener, Rechte, worunter viele Lehengüter, die in mehrere Höfe eingetheilt waren, die dritte Garbe zu reichen hatten und 1819 eigen gemacht wurden. Wolf vom Stein vom Rechtenstein verkaufte 1412 an Pfaff Berthold Teufel, Kirchherrn zu Dettingen, 4 M. Weinberg zu N. gelegen ob dem See und 4 Jauchert Ackers bei dem See. Das Stift Oberhofen kaufte 1501 zwei Höfe, die von Ulrich und Wolf von Kirchheim herrührten, um 186 fl. Die oben gedachten Rechte des Stiftes Wiesensteig aber waren bei ihrem Übergange an Württ. unbedeutend. Außer denselben besaß es noch 16 Leibeigene hier.

Das alte Erbrecht s. oben S. 102.

Im September 1519 brannten die Völker des schwäbischen Bundes 21 Gebäude nieder, und auch während des 30jährigen Krieges hatte Nabern wie die umliegenden Orte sehr viel zu leiden. Ums Jahr 1640 waren nur 11 Bürger im Orte, und die Güter lagen öde und verlassen. Erst 1684 waren wieder so viele Einwohner da, daß ein Schulhaus gebaut werden konnte.

Die Pfarrei ist, wie wir sahen, sehr alt. Nach der Erwerbung durch St. Peter scheint sie aber diesem inkorporirt worden und der Ort bis 1487 nach Bissingen eingepfarrt gewesen zu seyn; wie denn auch noch im Jahr 1628 der hiesige Armenkasten dem dortigen einverleibt war. Über die Reformation s. Weilheim.

Die auf Dettinger Markung gelegenen sog. Naberner Seen s. dort. – Des Sinnerinbrunnens wurde schon oben S. 17 gedacht.


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