« Kapitel A 2 Beschreibung des Oberamts Kirchheim Kapitel A 4 »
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III. Einwohner.
1. Bevölkerung.
A. Stand der Bevölkerung.

a) Anzahl. Der Bezirk hatte i. J. 1822: 24.644, 1832 26.813 und i. J. 1839 (15. Dec.) 28.272 ortsangehörige Einw. Die Zahl der Anwesenden betrug am 15. Dec. 1840 25.857.

Im Jahr 1822 waren von den 24.644 Amtsangehörigen abwesend 1491. Dagegen Fremde im Bezirk 694, mithin betrug die Zahl der Anwesenden damals 23.847.

Auf eine Quadratmeile kommen (bei Grundlegung der Zahl der Ortsangehörigen) nach der Zählung von 1832 7368 Einwohner und nach der Zählung von 1839 7769. Das Oberamt gehört demnach zu den am stärksten bevölkerten des Landes und hat über 2/3 mehr Einwohner, als die mittlere Bevölkerung des Landes (4579 auf 1 Quadratmeile) beträgt.

b) Geschlechts-Verhältniß. Von der Zahl der Angehörigen im Jahr 1839 waren 14.009 männlichen und 14.263 weiblichen Geschlechts, also 254 mehr weibliche als männliche. Auf 100,0 männliche Einwohner kommen daher 101,8 weibliche. Im gesammten Königreiche stellt sich dagegen (auf den Grund der Bevölkerungsliste vom 15. Dec. 1840) das Verhältniß der Staatsangehörigen männlichen und weiblichen Geschlechts auf 100 : 104,1 heraus.

c) Altersstufen. Von der Bevölkerung im Jahr 1832 mit 26.813 standen in einem Alter von vollendetem

auf 10000 Einw.: 
männl. weibl. männl. weibl.,0
 6ten Jahre   1886 2087 1425,0 1537,0
  6   14 " 2295 2196 1734,0 1617,0
14   20 " 1451 1417 1096,0 1044,0
20   25 " 1254 1263   947,5   930,0
25   40 " 2767 2919 2091 2150,0
40   60 " 2437 2668 1841 1965,0
60   70 "   731   693   552   511,0
70   80 "   319   287   241   211,0
80   90 "     94     44     71     32,8
90 100 "       2       3       1,5       2,2
13.236 13.577 10.000 10.000
| Bei der Zählung des Jahrs 1822 kamen
auf 10.000 Männer auf 10.000 Weiber
unter 14 Jahren      3155      unter 14 Jahren      3165
von 14–18
"
877      über 14
"
  6835
"
18–25
"
1260 10.000
"
25–40
"
1841
"
40–60
"
1953
über 60
"
     914
10.000


d) Familienstand der Landesangehörigen im Jahr 1832:

 Verehelichte 8738   oder  4369  Ehen.
 Wittwer   548,
 Wittwen 862,
 Geschiedene 45,
 Unverehelichte 016.620,
 Summe 026.813,

Auf 1 Ehe kommen 6,13 auf 1 Familie 4,62 Einwohner. Bei dem ersten Verhältniß also etwas weniger, bei dem zweiten etwas mehr als der Durchschnitt des ganzen Landes (6,3 und 4,7) beträgt.


e) Kirchliches Verhältniß  im Jahr

1822 1832
 Christen:
a. Evangelische lutherische 24.535 26.685
reformirte 2 5
b. Katholische 83 101
c. Von anderer christl. Konfess. 24 22
24.644
26.813
     Juden      keine.


f) Standes-Verhältniß im Jahr 1822:      (Bei späteren Zählungen fand diese Classifikation nicht statt.)

Adelige 26
Bürgerliche 24.618
24.644


g) Gewerbs- und Nahrungs-Verhältnisse im Jahr 1822: (Wie bei f.)

Bauern und Weingärtner 1926
Tagelöhner 403
Gewerbsleute 2062
In öffentlichen Diensten 802
(Pensionäre), Renteniere 125
In Almosen stehend 456
|
B. Gang der Bevölkerung
(nach 10jährigen Durchschnitten von 1812/22 und 1830/40).

a) Geburten. Die Zahl der jährlichen Geburten betrug von

1812/22 1829/39
 männliche 493 628
 weibliche 451 588
944 1216
darunter unehelich 79 98
 Todt kamen zur Welt im
 Durchschnitt der Jahre 1812/22
47

b) Gestorben sind jährlich:

1812/22 1830/40
 männliche 392 491
 weibliche 357 468
749 959

Von 1812/22 waren unter den Gestorbenen 294 Kinder unter 1 Jahr und 143 Erwachsene über 60 Jahre. Von den folgenden Perioden kennt man diese Verhältnisse nicht mehr.

c) Wanderungen. Es wanderten jährlich

von 1812/22 1830/40
ein männl. weibl. männl. weibl.
     aus fremden Staaten 1,7 1,7 3,5 4,8
     aus andern Orten d. Königr. 45,8 54,3 72,1 111,3
47,5 56,0 75,6 116,1
aus
     in fremde Staaten 14,5 12,5 24,5 16,9
     in andere Orte des Königr. 49,0 49,3 77,6 124,9
63,5 61,8 102,0 141,8
mehr aus 16,0 5,8 26,4 25,7

d) Veränderungen im Stande der Ehen. Neue Ehen wurden im Durchschnitt der Jahre 1812/22 jährlich geschlossen 160 und aufgelöst durch Tod 141, durch Scheidung 1,5.

e) Wachsthum der Bevölkerung und Verhältnisse. Die Bevölkerung des Oberamts nahm in dem Zeitraum von 1812/22 um 1433, nämlich 799 männl., 634 weibl. Personen (6,2 Procent), von 1830/40 um 1968, nämlich | 1005 männl., 963 weibl. Personen (7,5 Procent) zu; der natürliche Zuwachs der Geborenen über die Gestorbenen war im ersten Zeitraum 1963, im zweiten 2573. Geht man auf frühere Zeiten zurück, so stellt sich auf den Grund eines zweiundachtzigjährigen Zeitraums (von 1758 bis 1840) eine Bevölkerungszunahme von beinahe 8 Procent, des anfänglichen Betrags (im Jahr 1758) auf ein Jahrzehnd heraus. Im Jahr 1758 betrug die Seelenzahl des Amtes Kirchheim 14.471, die der Vogtei Neidlingen 811, zusammen 15.282 (beide zusammen entsprechen dem jetzigen Oberamte Kirchheim mit 25.272 Einwohnern). In den 82 Jahren von 1758 bis 1840 erhielt die Bevölkerung dieses Bezirks sonach einen Zuwachs von etwas mehr als 65 Procent der anfänglichen Bevölkerung. Auch vom Jahr 1771 ist noch eine Zählung vorhanden, wornach die Seelenzahl des Amtes Kirchheim 15.432, die der Vogtei Neidlingen 858, zusammen 16.290 betrug.

Das Verhalten der Geburten zur Bevölkerung betreffend, so kommen auf 10.000 Einwohner von 1812/22 396 Geborene (oder 1 Geborener auf 25,2 Einwohner), von 1830/40 446 Geborene (oder 1 Geborener auf 22,4 Einwohner); dieses Verhältniß steht weit unter dem Mittel des Landes (1 Geborner auf 26,1) und gehört zu den günstigsten in demselben.

Unter 100 Geburten befinden sich von 1812/22 8,4, von 1830/40 8,1 uneheliche (oder die ehelichen verhalten sich zu den unehelichen wie 10,9 : 1 und 11,4 : 1). In beiden Decennien stellt sich dieses Verhältniß günstiger als das Mittel des Landes. Mit Unterscheidung der Geschlechter kommen auf 1000 weibliche Geborene von 1812/22 1093, von 1830/40 1067 männliche Geborene.

Gestorbene kommen auf 10.000 Einwohner von 1812/22 313,4 (1 : 31,9 Einwohner) von 1830/40 351,7 (1 : 28,4 Einwohner), also unter dem Mittel des Landes (1 : 34,). Mit Rücksicht auf die Altersstufe sterben nach dem Durchschnitt von 1812/22 |
von 10.000 Geb. männl. Geschl.   von 10.000 Geb. weibl. Geschl.
als todtgeb. 695 549
bis zum vollendet.
     1sten Jahr
4180 3640
von   1 – 07 Jahr 1346 1390
"
07 – 14  " 248 286
"
14 – 25  " 379 272
"
25 – 45  " 835 793
"
45 – 60  " 644 885
"
60 u. darüber 1673 2185

Mit Unterscheidung der Geschlechter kommen auf 1000 weibliche Gestorbene von 1812/22 1097, von 1830/40 1050 männlichen Geschlechts, wobei aber zu bemerken ist, daß der erstere Zeitraum noch einige Kriegsjahre umfaßt.

Es kommen ferner auf 1000 Gestorbene von 1812/22 1262, von 1830/40 1268 Geborene, und nach den Geschlechtern auf 1000 Gestorbene männlichen Geschlechts von 1812/22 1260, von 1830/40 1279 Geborene desselben Geschlechts, und auf 1000 Gestorbene weiblichen Geschlechts von 1812/22 1265, von 1830/40 1258 Geborene gleichen Geschlechts.

Unter 1000 Personen natürlichen Zuwachses sind von 1812/22 männliche 522, weibliche 478, von 1830/40 männliche 516, weibliche 484; unter 1000 Personen des Zuwachses durch Einwanderung von 1812/22 männliche 459, weibliche 541, von 1830/40 männliche 394, weibliche 606; unter 1000 Personen des gesammten Zuwachses von 1812/22 männliche 519, weibliche 481, von 1830/40 männliche 578 und weibliche 579.

Das beinahe überall vorkommende Übergewicht der weiblichen Bevölkerung über die männliche wird gewöhnlich als eine Folge der Kriegsjahre bezeichnet; der Unterschied betrug 1822 128 mehr weibliche. Während aber seit dem Bestehen des Friedens die männliche Bevölkerung in andern Bezirken wieder stärker zunahm, betrug hier jenes Übergewicht, i. J. 1832 beinahe dreimal mehr, als 10 Jahre vorher, nämlich 341. Dieses Übergewicht nach so vielen Friedensjahren muß daher andern Ursachen und hauptsächlich | dem Umstande zugeschrieben werden, daß, wie die vorhergehenden Notizen zeigen, weit mehr Knaben todt geboren werden und vor dem zurückgelegten ersten Lebensjahre sterben, als Mädchen. Von den einzelnen Orten des Oberamts zeichneten sich durch bemerkenswerthe Verhältnisse aus, und zwar durch geringere Sterblichkeit nach dem Durchschnitt der Jahre 1830/40: Zell auf 1000 Einwohner 27,9 Gestorbene, Nozingen 28,2, Jesingen 30,7, Öthlingen 31,3, Neidlingen 31,7, Roßwälden 32,0, Ober-Lenningen 32,7; durch größere Sterblichkeit: Ochsenwang auf 1000 Einwohner 46,6, Brucken 44,1, Hepsisau 44,0, Schopfloch 42,9, Gutenberg 42,2, Schlattstall 41,6.

Die meisten alten Leute zählen Zell: auf 1000 Einwohner über siebenzigjährige 46, Jesingen 41, Owen 40, Ober-Lenningen 40, Eckwälden 39.[1] Auffallend wenig alte Leute (auf 1000 Einwohner nur 3) leben in der Gemeinde Roßwälden. Da dieses Ergebniß von dem aller übrigen Gemeinden des Bezirks, auch von denen, welche in dieser Beziehung die niedrigsten Ziffern aufweisen, so auffallend abweicht, so dürfte, wenn bei der Zählung kein Fehler unterlief, dieser Umstand einer Untersuchung werth seyn.

Die meisten Geburten finden statt: zu Schopfloch, auf 1000 Einw. 72,5, Brucken 62,6, Schlattstall 56,1, Ochsenwang 52,4, Gutenberg 51,4, Hepsisau 50,3; die wenigsten zu Jesingen 37,7, Neidlingen 38,4, Nozingen und Zell 39, Ober-Lenningen 40,9, Kirchheim Stadt 42,7.

Die meisten unehelichen Kinder haben: Ochsenwang auf 100 Geburten 12, Schlattstall 11, Roßwälden 11, Öthlingen 11, Unter-Lenningen 10, Neidlingen 9; die wenigsten: Nabern auf 100 Geborene 4, Hepsisau 5, Schopfloch 5, Ober-Lenningen 6, Zell 6, Owen 6.

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2. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.

Die Einwohner des Bezirkes gehören dem schwäbischen Volksstamme an. Was von Einwanderern dazu kam, hat sich mit dem Ganzen so amalgamirt, daß sich keine Eigenthümlichkeiten der Hinzugekommenen erhalten haben. Auch scheinen Einwanderungen nicht in größeren Massen vorgekommen zu seyn; nur nach Beendigung des dreißigjährigen Krieges sollen sich viele entlassene Soldaten im Oberamte niedergelassen haben, worunter namentlich auch Schweden in Ohmden. Die Einwohner sprechen die gewöhnliche niederschwäbische Mundart.

Im Durchschnitt besitzen sie einen gesunden, wenn auch nicht besonders kräftigen, Körperbau, wie sich dieß namentlich auch bei der Untersuchung der Militärpflichtigen herausstellt. Nach einer fünf Jahre umfassenden Berechnung betrug die mittlere Größe der zwanzigjährigen, großentheils noch nicht vollkommen ausgewachsenen, Militärpflichtigen 6′ 8,50″ württ. Maß, während dieselbe nur in 13 andern Bezirken höher sich belief, in allen übrigen aber nicht so weit reichte, und in einem Bezirke auf 6′ 7,77″ herunterkam. Unter 1000 Konscriptionspflichtigen hatten 265 eine Größe von mehr als 6′, und in 47 stellt sich das Verhältniß ungünstiger (in einem sogar wie 1000 zu 145) heraus; unter derselben Anzahl Konscriptionspflichtiger befanden sich 80, die weniger als 5′ 5″ groß waren, und in 53 Bezirken des Landes waren es solcher verhältnißmäßig mehr (in einem sogar 229). Besonders schöne Leute liefert Weilheim. Auf 1000 Konscriptionspflichtige kamen 326 wegen Gebrechlichkeit (oder vielmehr wegen bestimmter Krankheiten oder krankhafter Zustände) zum Kriegsdienst Untüchtige; so wenig günstig auch an und für sich dieses Verhältniß erscheinen mag, so ist es doch noch besser als in 52 andern Bezirken des Landes, in deren einem es sich sogar wie 1000 zu 535 herausstellte. Dagegen fällt es auf, daß wegen allgemeiner Körperschwäche und Kränklichkeit (ohne entschieden entwickelte Krankheiten) von 1000 nicht weniger als 112 für untüchtig erklärt werden mußten, | ein Verhältniß, das nur in drei andern Bezirken noch ungünstiger ist. In Beziehung auf die Verbreitung der Skrofeln, so weit sie sich aus den Ergebnissen der Rekrutirung abnehmen läßt, hält sich unter den verschiedenen Oberamtsbezirken der von Kirchheim ziemlich in der Mitte; ihr verhältnißmäßig seltenes Vorkommen wird auch von anderer Seite bestätigt. Hinsichtlich der Verbreitung der Kröpfe und der Brüche ergeben sich aus der Untersuchung der Militärpflichtigen günstige Verhältnisse. (Vgl. Joh. Jak. Riedle, Beiträge zur medicinischen Statistik Württembergs. Inauguraldissertation unter dem Präsidium von Schübler. Tüb. 1834.) Vom Cretinismus findet sich nach den neuerlich deßhalb angeordneten, über das ganze Königreich sich erstreckenden, Untersuchungen im Kirchheimer Bezirk keine Spur vor; auch ist die Zahl der Taubstummen verhältnißmäßig gering. Wechselfieber, welche in den benachbarten Orten des Neckarthales fast endemisch sind, kommen im Kirchheimer Bezirke nur höchst selten vor. Epidemische Verbreitung von ansteckenden sowohl als nicht ansteckenden Krankheiten findet vergleichungsweise nicht häufig statt. Unter denjenigen Krankheiten, welche bei den Einwohnern vorzugsweise häufig eintreten, sind vor Allem rheumatische und katarrhalische Leiden hervorzuheben, eine Folge der häufigen raschen Wechsel der atmosphärischen Temperatur. Auch entzündliche Krankheiten, insbesondere Lungen- und Luftröhren-Entzündungen, werden durch das Klima entschieden begünstigt. Außerdem sind Lungen- und Unterleibs-Schwindsuchten keine seltene Erscheinung, ebenso auch die Magenverhärtung und der Magenkrebs, dessen Entstehung hier mitunter auch der mißbräuchlichen Anwendung des im Bezirke in großer Menge fabrizirten und für ein vorzügliches magenstärkendes Mittel angesehenen Kirschengeistes bei allen Magenbeschwerden zugeschrieben wird. Übrigens scheint mit den geistigen Getränken auch sonstiger Mißbrauch getrieben zu werden; wenigstens kommen in den Thalorten alljährlich mehrere Selbstmorde von Branntweintrinkern vor. Die Krätze ist im Bezirke ziemlich häufig, | namentlich unter den Schulkindern des Landvolkes, verbreitet; auch kommen schlimme Folgekrankheiten derselben nicht selten vor; durch das in der Oberamtsstadt kürzlich errichtete Krankenhaus wird indessen diesem Übel sehr wohlthätig entgegengewirkt. Zur Ehre der Bewohner gereicht es, daß die Lustseuche als ein unter ihnen seltenes Übel bezeichnet werden kann. Nach dem Urtheil erfahrner Ärzte ist die Salubrität des Bezirks im Ganzen ausgezeichnet günstig; und wenn dessenungeachtet die Sterblichkeitsverhältnisse im Vergleich zu andern Landestheilen nicht eben so günstig sich herausstellen, so mag dieß theilweise wenigstens seinen Grund darin haben, daß das Landvolk des Bezirks bei Krankheiten häufig entweder geradezu die Natur walten läßt, oder zu Afterärzten seine Zuflucht nimmt. Mindestens ist dieß bei kleinen Kindern meistentheils der Fall, denen hier, wie an so vielen andern am Fuß der Alp gelegenen Orten, die häufigen Temperaturwechsel manche Gefahren bereiten, welchen dann auch unter den obwaltenden Umständen eine große Anzahl erliegt, während bei zweckmäßiger Hülfe dem Tode sicher manches Opfer entrissen werden könnte. (Vgl. medicinische Topographie der Stadt Kirchheim u. T. von Gaupp, Dr. med. S. 33 ff. und die Bemerkungen von Oberamtsarzt Dr. Abele im medicinischen Correspondenzblatt des württ. ärztl. Vereins. Bd. XI. Nr. 17.) Was die moralischen Eigenschaften der Einwohner anlangt, so zeichnen sie sich im Ganzen durch Biederkeit, unverdrossenen Fleiß und Genügsamkeit aus. Bei ihren Arbeiten beweisen sie eine große Ausdauer; dabei führen sie in ihrem häuslichen Sinne eine sehr einfache Lebensweise; Kartoffeln, welche der Boden in vorzüglicher Qualität liefert, bilden die Hauptnahrung des Landmanns, und selbst erzeugter Obstmost ist das Hauptgetränke der arbeitenden Klasse. Daß in einzelnen Orten der Branntweingenuß etwas zu viel Boden gewonnen hat, ist oben schon berührt worden, obwohl im Allgemeinen die Bewohner des Bezirks das Zeugniß eines nüchternen Lebenswandels genießen. Fast überall ist unter | ihnen ein lobenswerther religiöser Sinn zu bemerken, mit dem übrigens in mehreren Orten eine Hinneigung zum Sektenwesen sich verbindet. Einige Thalorte machen sich durch den unter den Einwohnern herrschenden heitern, aufgeweckten Sinn bemerklich. Im Allgemeinen mit guten Geistesfähigkeiten ausgerüstet, erweisen sich die Bewohner des Bezirks empfänglich für die Fortschritte der Zeit, insbesondere für Verbesserungen im Gewerbswesen und in der Landwirthschaft. Ihre Sitten und Gebräuche stimmen mit den in den übrigen ältern Landestheilen herrschenden so überein, daß über diesen Gegenstand kaum etwas zu bemerken ist, was nicht eben so gut von vielen andern Bezirken des Königreichs gelten würde. Nur eines eigenthümlichen im Zeller Stabe einheimischen Gebrauches muß Erwähnung geschehen. Wenn nämlich hier ein Zank unter Eheleuten mit Thätlichkeiten endet und die Sache ruchbar wird, so versammelt sich Nachts in der Nähe des Hauses derselben eine Anzahl Bauernbursche, die, wenn sie ungestört bleiben, während etwa einer Viertelstunde mit Geißeln, welche mit guten Treibschnüren versehen sind, ein Konzert aufführen, dessen Mißtöne weithin sich vernehmen lassen. Die öfters eintretenden Pausen füllt einer der Bauernbursche aus, indem er in einen irdenen Topf unter kräftiger Anstrengung seiner Lungen hineinstöhnt, um neben dem durch das Geißeln der Peitschen repräsentirten Verhalten des Mannes auch dasjenige der Frau dramatisch darzustellen. Setzt der auf diese Weise gekränkte Ehemann sich gegen den ihm angethanen Schimpf mit Drohungen und Scheltworten zur Wehre, so kümmern sich die Bauernbursche nicht darum. Kommt es demselben aber in den Sinn, zum Prügel zu greifen und ihnen so zu Leib zu rücken, so ziehen sie sich, um Unannehmlichkeiten und Feindschaften zu vermeiden, so schnell als möglich zurück. Dieses heimliche Gericht soll, wie sich wohl denken läßt, nicht ohne wohlthätigen Einfluß auf die ehelichen Verhältnisse der Einwohner der betreffenden Ortschaften seyn.



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  1. Hier mag es Erwähnung verdienen, daß im vorigen Jahrhundert ein Burgvogt der Sulzburg (im Lenninger Thal) ein Alter von 103 Jahren erreichte. Er war 1622 geboren und starb im Jahre 1725. S. Joh. Ulr. Steinhofers neue wirtembergische Chronik. Tübingen 1744. S. 849.