« Kapitel B 8 Beschreibung des Oberamts Horb Kapitel B 10 »
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Börstingen,
Gemeinde III. Klasse mit 622 Einw., wor. 4 Ev. – Kath. Pfarrei; die Evang. sind nach Mühlen eingepfarrt.


Der nicht große, meist aus kleinen, Armuth verrathenden Häusern bestehende Ort, hat im Neckarthale, zwei Stunden östlich von der Oberamtsstadt, eine sehr sommerliche, gegen Norden und Westen wohl geschützte Lage und ist in mäßiger Entfernung von dem linken Neckarufer theils in die Thalebene, theils an den Thalabhang unregelmäßig und etwas gedrängt hingebaut.

Die im modernen Rundbogenstyl erbaute, gelb getünchte Kirche ist ziemlich unansehnlich und trägt auf ihrem östlichen Giebel einen viereckigen, oben in ein Achteck übergehenden Thurm (Dachreiter). Das weißgetünchte Innere der Kirche enthält, außer einem ziemlich | gut ausgeführten Altar, nichts Bemerkenswerthes. An der östlichen Außenseite der Kirche steht das Grabdenkmal eines Diepolt von Ehingen zu Berstingen († 1586) und dessen Frauen Maria Salome von Ehingen, geb. von Jelingen († 1580), und einer Agnes von Ehingen, geb. von Ow; das Todesjahr von letzterer ist nicht angegeben. Die Unterhaltung der Kirche liegt der Gemeinde ob.

Die Kollatur zur Pfarrei hat im dritten Fall der Bischof, in je zwei Fällen der Freiherr von Raßler.

An der Südseite des Orts liegt der schön angelegte Begräbnißplatz mit einer Kapelle, welche im Jahr 1847 in einem ansprechenden, gothischen Styl über der Gruft der Freiherrn von Raßler erbaut wurde.

Das sehr freundliche Pfarrhaus mit einem schönen, terrassenförmig angelegte Garten vor demselben und anziehender Aussicht in das Neckarthal, liegt an der Hauptstraße des Orts unfern der Kirche; die Unterhaltung desselben hat der Interkalarfond zu bestreiten.

Das Rathhaus enthält zugleich die Schule, an der ein Schulmeister unterrichtet; eine Industrieschule besteht den Winter über.

Am südlichen Ende des Dorfs steht das Schloß der Freiherrn v. Raßler mit ansehnlichen Ökonomiegebäuden und großem ummauerten Garten; dasselbe diente früher der freiherrlichen Familie als Winteraufenthalt und wird jetzt als Meierei benützt.

Im Ort entspringt in einer starken Quelle ein Bach, der nicht nur gutes Trinkwasser hinreichend liefert, sondern auch zunächst an seinem Ursprung eine Mühle mit drei Mahlgängen und einem Gerbgang in Bewegung setzt. Der Bach mündet, nach einem Lauf von etwa 10 Minuten, in den Neckar, über den hier eine hölzerne Brücke angelegt ist, für welche Brückengeld eingezogen wird, was der Gemeindekasse eine jährliche Einnahme von etwa 100 fl. sichert.

Eine bittersalzhaltige Quelle, der sogen. Branntweinbrunnen, befindet sich auf der rechten Seite des Neckars in der Nähe des Einflusses der Eyach; das Wasser hat einen sehr scharfen Geschmack.

Die körperlich minder kräftigen Einwohner, bei denen der Kropf nicht zu den Seltenheiten gehört, sind im allgemeinen in keinen günstigen Vermögensverhältnissen und finden ihre Erwerbsquellen theils durch Feldbau, theils durch Taglohnarbeiten und Strickerei; bei wenig Sinn für Sparsamkeit leben sie gerne von der Hand in den Mund und machen sich äußerliche durch auffallend viele Fleischesvergehen, sehr bemerklich.

Der Feldbau ist unbedeutend, indem die meisten und besten | Felder dem ritterschaftlichen Gutsbesitzer Freiherrn v. Raßler gehören und die Einwohner ihre kleinen Grundbesitzungen zum Theil an den schwer zu bebauenden Steilgehängen gegen das Neckarthal herum liegen haben; ein Theil der Güter liegt auf der Anhöhe, zu der eine gut angelegte Steige führt und andere, namentlich die Wiesengründe, liegen in der Thalebene.

Der Boden ist im allgemeinen fruchtbar und besteht auf der Hochebene aus einem ergiebigen Lehm, an den Abhängen aus den Zersetzungen des Hauptmuschelkalks und im Thale haben sich Alluvionen abgelagert, die sich besonders gut für den Wiesenbau eignen.

Die Landwirthschaft wird mit Anwendung des Suppinger Pflugs größtentheils dreiflürlig und theilweise auch willkürlich getrieben.

Von den Getreidefrüchten baut man vorzugsweise Dinkel und Gerste und in der beinahe ganz angeblümten Brache Kartoffeln, Futterkräuter, Ackerbohnen, Reps etc. Hanf zieht man für den eigenen Bedarf und Hopfen kommt verhältnißmäßig ziemlich viel zum Anbau. Von den Felderzeugnissen kommt nur Reps, Hopfen und wenig Gerste nach Außen zum Verkauf. Bemerkenswerth ist auch der Wollblumenbau, der guten Ertrag liefert. Die höchsten Ackerpreise sind 1200 fl., die geringsten 400 fl. per Morgen.

Der Wiesenbau ist verhältnißmäßig ausgedehnt und liefert gutes, nahrhaftes Futter, das mit geringer Ausnahme im Ort selbst verbraucht wird; die Wiesen sind zweimähdig, theilweise sogar dreimähdig und ertragen per Morgen 25–30 Centner Heu und 12 Centner Öhmd. Die Preise der Wiesen sind denen der Äcker gleich.

Früher wurde an den südlich geneigten Neckarthalgehängen in ziemlicher Ausdehnung Weinbau getrieben, der jedoch seit 1811 abgegangen ist, dagegen hat sich die Obstzucht gehoben und auf Allmanden stehen gegenwärtig 657 meist junge Obstbäume. Auch die Ortsbürger sind in der Obstzucht, welche sich vorzugsweise mit Mostsorten, Zwetschgen und Nußbäumen beschäftigt, nicht zurückgeblieben; übrigens tragen die Obstbäume nicht gerne, indem sie nicht selten von Frühlingsfrösten und kalten Nebeln heimgesucht werden.

Die Rindviehzucht ist nicht bedeutend und beschäftigt sich mit einer mittleren Landrace.

Schafe hält nur der Pächter der auf Börstinger Markung gelegenen v. Raßler’schen Güter. Die der Gemeinde gehörige Schafweide ist ganz unbedeutend.

Schweine werden verhältnißmäßig ziemlich viele von Außen aufgekauft | und für den eigenen Bedarf, theilweise auch zum Verkauf gemästet.

Die Ziegenzucht nimmt ab und die Zucht des Geflügels, wie auch der Bienen ist unbedeutend.

Von den Gewerben sind, außer den gewöhnlichsten, nur für das örtliche Bedürfniß arbeitenden Handwerkern, zwei Schildwirthschaften, drei Krämer und eine außerhalb des Orts auf der entgegengesetzten Seite des Neckars liegende Lohmühle zu nennen.

Früher bestand eine bedeutende Leinwandbleiche, welche der Gutsherrschaft gehörte, aber längst abgegangen ist.

Was die Verkehrsmittel betrifft, so führt die Eisenbahn von Rottenburg nach Horb 1/8 Stunde südlich vom Ort vorüber und die Eisenbahnstation Eyach liegt nur 1/4 Stunde oberhalb des Orts im Neckarthale; überdieß sind gute Vicinalstraßen über Mühlen nach Horb, nach Sulzau, Felldorf und nach Weitingen angelegt, die dem Ort seinen Verkehr mit der Umgegend hinreichend sichern. Die Steige nach Bierlingen, derzeit noch die steilste in der Gegend, harrt noch immer der längst in Aussicht gestellten Korrektion.

Die Gemeinde ist im Besitz von 218 Morgen Waldungen, deren jährlicher, in 100 Klafter bestehender Ertrag an die Ortsbürger vertheilt wird.

Auch einzelne Privaten besitzen Waldungen.

Etwa 1/4 Stunde nordöstlich vom Ort, an der Ecke der neuen Steige, soll ein Schlößchen und bei dem sog. Laurenbrünnle, an dem von Ergenzingen hieher laufenden Heerweg, ein Kloster (?) gestanden sein; an letzterer Stelle stößt man beim Pflügen auf Mauerreste, auch soll hier die auf dem Rathhausboden aufbewahrte sog. „Pumpelschelle“ von einem Schwein ausgewühlt worden sein. Südöstlich vom Ort wird eine Flur „Zuckenhausen“ genannt; daselbst stößt man auf Mauerreste, Estrichböden, römische Ziegel etc., die einen hier abgegangenen römischen Wohnplatz verrathen.

Etwa 1/4 Stunde westlich vom Ort, auf der rechten Neckarseite, ist im Walde noch der Graben einer ehemaligen Burg sichtbar.

Börstingen (ehemals auch Pörstingen geschrieben) hatte eine adeliche Familie, welche sich hievon nannte. Reinhard, Ritter von Börstingen, erscheint 1274, 1283 (Schmid Grafen von Hohenb. 48, ders. Pfalzgr. v. Tüb. Urk. 52). Burkhard von „Berstingen“ hatte 1277 ff. Besitzungen in Magstatt (Mone Zeitschr. 3, 325. 14, 203). Konrad von Börstingen verkaufte den 8. Juni 1406 Rüdenberg[WS 1] (abgegangen bei Cresbach, O.-A. Freudenstadt) an K. Ruprecht. Sonst kommen vor z. B.: Sigfried und Berthold 1305, Hermann | 1350, Hans 1376 (Schmid Gr. von Hohenb. 189, Mon. Hohenb. 425. 609), letzterer im Jahr 1386 unter den württembergischen Rittern im Schweizerkrieg (Steinhofer 2, 456), Arnold 1340, Sigfrid und Konrad 1365 (Gärt), Reinhard 1343, 1367, 1369, Hainz 1410 (v. Ow’sches Archiv), Konrad 1392 und noch 1421 (Horber Spital-Archiv). Im Jahr 1374 saß auch hier ein Glied der Familie Böcklin, nämlich Konrad genannt der Höppeler (Schmid Gr. v. Hohenb. 470). Im Jahr 1387 wurde Burkarten v. Ehingen sein Laienzehnten in Börstingen, den er den Brüdern Herm. Hans und Conr. v. Ow dem Städtlin (d. i. Obernau) verpfändet hatte, von deren Erben Contz und Siglin den Guten v. Egelsthal wieder frei gegeben (Rottenburger Spital-Archiv). Den halben Laienzehnten verkaufte Reinhard Megenzer an Volkart v. Ow, genannt Wytfuß, und dieser 1412 an N. Has. Den „auf dem Berg“ trugen 1483 die Heldstern Besenfelder und Mäntler und 1505 das Kloster Wittichen von Österreich zu Lehen (Staats-Archiv). Später kam die Burg und der Ort an die Brandhoch. Den 23. Aug. 1420 verkauften Fritz, Balthasar und Ulrich Brandhoch, Söhne weil. Ulrich Brandhochs, die Burg zu Börstingen samt aller Zugehör an Leuten und Gütern, wie sie dieß theils von ihren Eltern ererbt, theils erkauft hatten, an Hans von Wähingen für 2200 fl. rhein. In einer besonderen Urkunde vom 11. Nov. 1420 erklärte letzterer, daß er diesen Kauf nicht für sich, sondern in Pflegers Weise für seinen außer Lands befindlichen Bruder Konrad gemacht hatte (Lünig R.A. 12, 146–150). Herzog Friedrich von Österreich gab ebendiesem Konrad, welcher sein Rath war, den 15. April 1429 die herzoglichen Leute allhier zu eigen (Lichnowsky Habsburg 5 Regg. Nr. 2740).

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Von denen zu Wehingen, nachdem sie am 25. Sept. 1486 1/4 an Dorf und Burg Börstingen und an Sulzau zu einem Lehen an das Haus Österreich aufgetragen hatten, das ihre Stammherrschaft Wehingen einziehen wollte, gelangte das Adelsgut an die Ritter von Weitingen, von Hans von Weitingen den 20. Febr. 1507 kaufsweise an Caspar von Spät, von diesem und seinem Bruder Hans von Spät im Jahr 1517 das Schloß Weitenburg samt dem Sitz und Dorf Börstingen und dem Weiler Sultzaw gleichfalls durch Kauf an Georg von Ow, der mit diesem Besitz unter der freien Reichsritterschaft aufgeführt wird, aber schon 1522 in der väterlichen Gruft zu Hirrlingen beigesetzt ward. Georgs Gemalin, Dorothea v. Ratzenried, gebar ihm eine Tochter und einen Sohn, der früh gestorben | zu sein scheint. In zweiter Ehe mit Diepold v. Ehingen hatte sie weitere Kinder, für welche 1533 1/4 an Börstingen und an Sultzau als Lehen durch Rudolph v. Ehingen gemuthet wurde (v. Ow’sches Archiv).

Am 26. März 1539 kam Börstingen an die ebengenannte schon früher hier begüterte (Crusius Annal. 2, 419. 406) Familie von Ehingen und zwar an Rudolf, bei dessen Hause es bis 1698 verblieb. Ihm gegenüber sprach Österreich die Lehensherrlichkeit über den ganzen Ort an, wogegen Ehingischer Seits behauptet wurde, daß 3/4 von Börstingen Allod seien. Der Streit dauerte fort, bis Albrecht Sigmund von Ehingen hohe und niedere Obrigkeit an Österreich zu Lehen aufgetragen hatte und von Kaiser Leopold I. im Jan. 1680 damit belehnt worden war (Lünig R.-A. 12, 379). Weil die v. Ehingen auch zu Weitenburg, Börstingen, Sulzau, Obernau und Nellingsheim die Landeshoheit und den Reichsblutbann ganz so, wie vor ihnen die v. Ow, fortübten und namentlich weil sie allda die protestantische Konfession einführten, wurden sie dessen, was Lehen war – 1/4 der Dörfer Börstingen und Sulzau – für verlustig erklärt und konnte erst Albrecht Sigmund 1680 gegen Lehensauftragung von vielem Eigenthum und 3/8 der Stadt Obernau die Belehnung wieder vollständig erlangen (v. Ow’sches Archiv).

Genannter Albrecht Sigmund verkaufte übrigens seinen hiesigen Besitz an Karl Joseph von Hohenberg. Von letzterem fiel das Gut 1698 auf die Freiherrn von Raßler (s. bei Rohrdorf), welche mit 1/4 des Orts am 9. April belehnt wurden und es noch heutzutage besitzen. Die österreichische Jurisdiktionstabelle von 1804 führt den vierten Theil des Orts als österreichisches Mannlehen auf; betreffend die Landeshoheit, Blutbann und Geleit sei der Freiherr von Raßler in possessorio (Schmid Grafen von Hohenb. 470).

Wegen hiesiger Kollektation schloß Österreich 1704 einen Receß mit dem Ritterkanton Neckarschwarzwald (Lünig R.A. 12, 416), wonach zur Reichsritterschaft steuerten: die v. Raßlerschen Lehen 1/4 der Dörfer Perstingen, Bittelbronn, Neuhausen; 2/3 der Dörfer Oberdorf und Poltringen.

Im Jahr 1805 kam der Ort unter württembergische Staatshoheit und die österreichische Oberlehensherrlichkeit über 1/4 desselben gleichfalls an die Krone Württemberg.

Börstingen war ursprünglich Filial der Pfarrei Bierlingen, hatte aber eine Meßkaplanei. Letztere wurde den 17. Dec. 1750 zur | selbstständigen Pfarrei erhoben. Das Patronatsrecht übte der Bischof von Rottenburg je im dritten Falle, die Freiherrn von Raßler je in zwei Fällen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Die markierte Textpassage steht in der Vorlage irrtümlich auf S. 167 oben.


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